Die von der AfD beantragte Aktuelle Debatte wird weder die sem Anschlag gerecht, noch wird die Rede des Herrn Abg. Gögel irgendwie der Sicherheitslage in Deutschland und in Baden-Württemberg gerecht. Wenn uns der Vorsitzende einer Fraktion, von der ein Mitglied rechtmäßig durch die Polizei des Platzes verwiesen werden musste,
(Lachen des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los] – Abg. Bernd Gögel AfD: Das ist eine Falschaus sage! Falsche Tatsachenbehauptung!)
wenn uns dieser Fraktionsvorsitzende, der der gleichen Par tei angehört wie ein zweiter Abgeordneter, der ebenfalls durch die Polizei des Saales verwiesen werden musste,
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist lächerlich, Herr Binder! Haben Sie noch andere Ar gumente?)
heute etwas von Recht und Ordnung erzählen will, ist das wirklich ein Treppenwitz, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])
Aus diesem Grund macht es wenig Sinn, mit einer Fraktion über Recht und Ordnung und die Sicherheitslage zu diskutie ren, die nicht einmal weiß, wie man sich in einem Parlament anständig verhält.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Rüdiger Klos AfD: Sie reden von sich! – Abg. Udo Stein AfD: Wenn Sie mit An stand kommen! – Abg. Anton Baron AfD: Deshalb stehen Sie bei 8 % mit Ihrer politischen Korrektheit!)
Sie brauchen nur in den Protokollen des Landtags von BadenWürttemberg zu lesen, welche Zwischenrufe es gibt. Erst ges tern hat Herr Abg. Räpple, als hier vom Pult aus ein Abgeord neter über die NSU-Morde gesprochen hat, hineingeschrien, die seien alle nicht aufgeklärt. Erst gestern konnten wir erle ben,
wie nahe der Rechtsextremismus bei Teilen dieser Partei ist und dass immer größere Teile dieser Partei dem Rechtsextre mismus zusprechen.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte die AfD auf hören, Hass zu schüren, sie sollte aufhören, Parolen hinaus zuschreien. Am besten wäre es, sie wäre nicht mehr in den Parlamenten. Dann wäre die Sicherheitslage in Deutschland und in Baden-Württemberg deutlich besser.
Das schrieb Hannah Arendt 1941 in einer New Yorker Zei tung. Leider ist dieser Satz noch heute traurige Gewissheit. Dabei ist es ein großes Glück, dass es nach dem menschen verachtenden Treiben, dem industriellen Mord an Millionen von Juden durch die Nationalsozialisten wieder blühendes jü disches Leben in Deutschland gibt.
Zu Recht haben die Verfasser unseres Grundgesetzes der Re ligionsfreiheit einen sehr prominenten Platz im Grundgesetz eingeräumt. Artikel 4 Absatz 1 besagt:
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Frei heit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
So beschämend es ist, dass religiöse Stätten, Synagogen, Mo scheen, Kirchen durch die Polizei geschützt werden müssen, so dringlich zeigen die furchtbaren Anschläge die Notwendig keit. Insoweit ist es wichtig, dass wir alle religiösen Stätten schützen. Wir vertrauen darauf und sind sicher, Herr Innen minister, dass dies im Land gewährleistet ist.
Vor dem Hintergrund des martialischen Anschlags auf die Sy nagoge in Halle und der historischen Verantwortung möchte ich gleichwohl den Schwerpunkt auf die jüdischen und israe litischen Einrichtungen setzen.
Sicherheit hat dabei oberste Priorität, und die Verbesserung der Ausstattung und die Anwesenheit von Sicherheitskräften sind dabei elementar. Sicherheitstechnische Empfehlungen durch das Landeskriminalamt haben teilweise erhöhten Hand lungsbedarf aufgezeigt, der zwingend abgearbeitet werden muss.
Insoweit sind wir dankbar, Herr Innenminister, für die Aussa ge, dass 1 Million € zur Verfügung gestellt werden, um die Si
cherheit der Synagogen im Land zu verbessern. Denn tatsäch lich bringen die jüdischen Gemeinden einen zunehmenden Anteil ihres Budgets, das eigentlich für religiöses Leben und das kulturelle Erbe vorgesehen ist, für Sicherheitsausgaben auf. Insoweit erachten wir es als notwendig, den Staatsvertrag zu erweitern, um den Sicherheitsaspekten gerecht zu werden.
Wir dürfen die jüdischen Gemeinden dabei nicht im Stich las sen. Doch der beste Schutz der Religionsgemeinschaften ist, wenn man keinen Hass zwischen Ethnien und Religionen sät, sondern Versöhnung betreibt.
Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, erscheint es geradezu zynisch, dass gerade Sie diese Aktuelle Debatte beantragt haben, da Sie doch Holocaustleugner und Hetzer gegen Minderheiten in Ihren Reihen dulden.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Wer soll Holocaustleugner in unserer Partei sein?)
Versöhnung heißt aber in erster Linie auch Verständigung. Der unmittelbarste Weg, eine Religion kennenzulernen, führt über die Kulturräume und über Begegnungen.
Insoweit ist es beispielsweise richtig, wenn Herr Dr. Blume darauf hinweist, dass es neben der notwendigen Erinnerung an die schrecklichen Verbrechen durch die Nationalsozialis ten an den Juden genauso wichtig ist, das lebendige Judentum kennenzulernen, erlebbar zu machen.
So müssen wir den interreligiösen Austausch von Schülerin nen und Schülern fördern. Als vorbildlich erachten wir dabei das Bayerisch-Israelische Bildungskooperationsprogramm, BIBIKO, das dem Schüleraustausch mit Israel eine bedeuten de Stellung zukommen lässt. Die über das Programm geför derten Projekte sind vielfältig und umfassen den Schüleraus tausch mit Israel, Fahrten nach Israel oder auch nur E-Lear ning-Formate, beispielsweise über Videokonferenzen mit is raelischen Klassen, etwa im Bereich der Schoah. Nichts hilft mehr, Vorurteile abzubauen, als diese im persönlichen Ge spräch, in persönlichen Begegnungen selbst zu widerlegen. Insofern würden wir uns freuen, wenn das Land Baden-Würt temberg ein ähnliches Programm aufstellen und ausarbeiten würde.
Das besagt ein berühmtes Zitat von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1941. Ein Satz kriminalistischer Wahrheit, der uns, ins besondere auch in politischer Verantwortung, als fortwähren de Aufgabe anhalten muss, uns entschieden gegen jede Form des Antisemitismus, gegen jede Form der Fremdenfeindlich keit und des Extremismus einzusetzen und entschlossen da gegen anzukämpfen.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin, verehrte Kol leginnen und Kollegen Abgeordnete! Mit dem Titel dieser Ak tuellen Debatte suggeriert die AfD, die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg würden nachlässig mit der Sicherheit unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger umgehen.
(Zuruf von der AfD: Nicht die Behörden! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das haben wir doch gestern auch gehört! Herr Goll hat es zu Recht ge fragt!)
Das ist mitnichten so, und das weise ich mit Entschiedenheit zurück. Die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg leis ten eine erstklassige Arbeit. Wir leben in einem der sichers ten Länder auf diesem Globus. Dafür danke ich insbesonde re unseren Polizistinnen und Polizisten, die diese Arbeit Tag für Tag erstklassig machen.
Zum Zweiten: Sie beantragen diese Debatte und heucheln Sor gen um die Sicherheit des jüdischen Lebens in unserem Land vor.
Dabei sind es doch Sie von der AfD, die Antisemitismus in Ihren eigenen Reihen nicht mit der Entschiedenheit, mit der man es erwarten könnte, entgegentreten, ja ihn sogar dulden.