Protokoll der Sitzung vom 17.10.2019

Dabei sind es doch Sie von der AfD, die Antisemitismus in Ihren eigenen Reihen nicht mit der Entschiedenheit, mit der man es erwarten könnte, entgegentreten, ja ihn sogar dulden.

Noch heute ist Wolfgang Gedeon Mitglied Ihrer Partei. Erst im September haben Sie bei der Fraktionsklausur in Bad Her renalb ernsthaft eine Abstimmung darüber durchgeführt, Wolf gang Gedeon wieder in Ihre Fraktion aufzunehmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Das ist knapp genug ausgegangen. Noch heute – das kann ich gut beobachten – erhält er für seine kruden Darstellungen und Verschwörungstheorien hinreichend Applaus aus Ihren Rei hen. Das ist der eigentliche Skandal. Hier sollten Sie klare Kante zeigen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Quatsch!)

Herr Gedeon, ich kann es Ihnen nicht ersparen: In der Frakti on der AfD sitzen Brandstifter, und in der Fraktion der AfD sitzen auch Biedermänner.

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos]: Der Herr Gedeon bin übrigens ich!)

Aber seit Max Frisch wissen wir, dass die Biedermänner auch nicht besser sind als die Brandstifter.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Da spricht einer aus eigener Erfah rung!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, beim Lkw-Angriff in Limburg gehen die Ermittler mittlerwei le nicht mehr von einem Terroranschlag aus, sondern von ei nem Einzeltäter ohne erkennbar islamistischen Hintergrund; der Kollege Sckerl hat darauf hingewiesen. Glücklicherwei se musste hier niemand sein Leben lassen. Ich bin froh, dass der Tatverdächtige sofort festgenommen werden konnte.

Ich will es hier noch einmal betonen: Für den Schutz der Re ligionsgemeinschaften in Baden-Württemberg tun wir bereits sehr viel, und dies nicht erst seit drei Tagen, sondern schon seit drei Jahren. Die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrich tungen befanden sich auch vor dem Anschlag in Halle in Ba den-Württemberg auf einem hohen Niveau.

Neben ständigen Gefährdungsbewertungen durch unsere Si cherheitsbehörden und der polizeilichen Präsenz vor Synago gen beraten wir die Religionsgemeinschaften auch zu sicher heitstechnischen Vorkehrungen, erneut in den Monaten vor dem Attentat in Halle. Dass diese Sicherheitstechnik wichtig ist, haben wir in Halle gesehen. Wenn die Tür dem Beschuss nicht standgehalten hätte, wäre noch viel, viel Schlimmeres passiert.

Wahr ist: Diese Sicherheitstechnik kostet Geld. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die jüdischen Gemeinden bereits heute einen erheblichen Teil ihrer finanziellen Mittel für sol che Sicherheitstechnik ausgeben müssen. Es ist ganz klar, dass wir sie hier unterstützen wollen.

Ich bedanke mich dafür, Herr Abg. Weinmann, dass Sie positiv begleiten, dass wir am Dienstag im Ministerrat einen Kabi nettsbeschluss gefasst haben, jetzt außerplanmäßig mit 1 Mil lion € zu helfen. Ich bitte Sie weiterhin um Ihre Unterstützung, wenn wir diese Mittel im Rahmen des Staatsvertrags verste tigen.

Halle hat uns gezeigt, dass es dringend notwendig ist, dass wir hier nicht nur verbal Solidarität bekunden – das ist auch wich tig –, sondern dass wir auch handeln und die jüdischen Glau benseinrichtungen entsprechend schützen. Ich bin dankbar, wenn das Parlament das entsprechend unterstützt und wir hier einen breiten Schulterschluss haben.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben der objektiven Sicherheit ist für Menschen jüdischen Glaubens das Sicher heitsgefühl natürlich etwas ganz Entscheidendes. Ich glaube, wir können gar nicht nachempfinden, was in diesen Menschen nach dem Attentat in Halle vorgeht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, selbst in einem Gottesdienst zu sitzen und Todes angst zu haben, weil möglicherweise gleich ein Attentäter in die Kirche kommt. Oder die Vorstellung, dass die Heilbron ner Kilianskirche, nachdem ich hineingegangen bin, für den Gottesdienst hinter mir mit Panzerglas verriegelt wird – all dies ist für uns unvorstellbar.

Deswegen ist meine Bitte: Lassen Sie uns gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden alles dafür tun, die objektive Sicherheit zu gewährleisten. Lassen Sie uns aber – das ist gestern auch deutlich geworden, als ich mit den Vertreterinnen und Vertre tern der Israelitischen Religionsgemeinschaften zu Mittag ge

gessen habe – die Debatte führen – diese ist dort gut aufge nommen worden –,

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

damit sie das Gefühl haben, sie sind nicht allein mit ihren Sor gen in diesem Land, sondern wir und der Rechtsstaat stehen an ihrer Seite.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Ich möchte Sie darum bitten, wenn Sie Gelegenheit haben, persönlich den Austausch zu pflegen, gerade auch als Abge ordnete. Das ist sehr wichtig. Jedes Wort und jeder Satz wer den dort dankbar aufgenommen und setzen auch ein wichti ges Signal.

Ich habe bereits gestern ausgeführt, was wir seit drei Jahren alles machen. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir vor gut drei Wochen den Fachtag ANTISEMITISMUS mit der Über schrift „Jüdisches Leben in Deutschland zwischen Sicherheit und Unsicherheit“ durchgeführt haben. Das ist genau das The ma, über das wir jetzt seit einer Woche in dieser Republik dis kutieren.

(Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

Uns interessiert dieses Thema nicht erst seit einer Woche, Herr Abg. Gögel. Vielmehr beschäftigen wir uns auf einer langen Linie damit. Was können wir tun? Wir arbeiten auch Dinge kritisch auf, etwa in der Ausstellung „Ordnung und Vernich tung – Die Polizei im NS-Staat“, wo wir uns kritisch mit der Rolle der Polizei in der nationalsozialistischen Zeit auseinan dersetzen. Das ist auch Teil dieses Programms.

Ich habe im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass die israeli tischen, die jüdischen Glaubensgemeinschaften Ansprechpart ner bei der Polizei haben. Diese Ansprechpartner werden noch im November nach Israel reisen, werden Yad Vashem besu chen, weil es wichtig ist,

(Abg. Emil Sänze AfD: Das ist doch hier!)

dass es in der Polizeiorganisation nicht nur Faktenwissen gibt, sondern auch das, was Ihnen völlig abgeht, nämlich eine Em pathie für Empfindungen und Gefühle jüdischer Mitbürgerin nen und Mitbürger in diesem Land.

(Abg. Emil Sänze AfD: Das ist doch hier im Land! Da nützen Ausstellungen nichts!)

Deswegen machen wir das. Dazu brauchen wir Sie gar nicht. Das hatten wir schon vor Ihnen auf dem Plan.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Die begrei fen überhaupt nichts! – Gegenruf des Abg. Emil Sän ze AfD: Hauptsache, ihr begreift es!)

Das ist wohl wahr, Herr Abg. Blenke. Es ist nahezu sinnlos.

(Abg. Emil Sänze AfD: Das ist sinnlos, ja!)

Ich habe Ihnen berichtet, dass wir mit konex den Rechtsext remismus bekämpfen, auch in der Prävention tätig sind, dass

wir das ausgeweitet haben, insbesondere auch Ausstiegsbera tung machen. Dies werden wir in der nächsten Zeit – auch das ist ein längerer Plan – noch einmal bewerben.

Wir sind im Vorfeld aktiv. Wir versuchen, Straftaten zu ver hindern. Wir machen sehr viel in der Prävention. Es wird mit einer sehr großen Konsequenz in Baden-Württemberg dafür gearbeitet, dass bei uns beispielsweise keine rechtsextremis tischen Konzerte stattfinden – so etwa am letzten Wochenen de. Das weiß die entsprechende Szene auch.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Mit vielen anderen Dingen arbeiten wir hier auch, und eines ist wahr: Unsere Sicherheitsbehörden brauchen dafür ausrei chendes Personal. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir in den vergangenen beiden Jahren jeweils 1 800 Polizeianwärter ein stellen konnten. Und wenn das Hohe Haus den Entwurf des Doppelhaushalts 2020/2021 so beschließen sollte, wie er auf gestellt wurde, dann schaffen wir in den nächsten beiden Jah ren erneut 3 000 Polizeianwärterstellen.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Das ist die größte Einstellungsoffensive für die baden-würt tembergische Polizei, die es in diesem Land jemals gegeben hat.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wir müssen auch das Landesamt für Verfassungsschutz stärken. Ich habe immer und immer wieder darauf hingewiesen, dass wir neben dem islamistischen Terror und seinen Gefahren die Gefahren aus dem Rechtsextremismus und dem Rechtsterro rismus haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir beim Landesamt für Verfassungsschutz gerade zur Beobachtung der rechtsextremistischen Szene zusätzliches Personal brauchen, weil wir neue Phänomene zu beobachten haben, beispielswei se die Reichsbürger, die wir in Baden-Württemberg konse quent entwaffnen, aber auch Teile der AfD, wie die JA, die Junge Alternative, die wir leider nachrichtendienstlich beob achten müssen, weil sie verfassungsfeindliche Tendenzen hat. Für diese Aufgaben braucht das Amt entsprechendes Perso nal.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD)

Auch dort hätten Sie im Übrigen eine Aufgabe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir rüsten unsere Polizistinnen und Polizisten mit hochmoderner Schutzausstat tung aus. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass diejeni gen, die unter Einsatz ihres Lebens und ihres Körpers für uns in den Dienst gehen, optimal ausgestattet sind. Ich bin dem Landtag von Baden-Württemberg dafür dankbar, dass er in der Vergangenheit die Mittel für eine gute Ausrüstung unse rer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zur Verfügung ge stellt hat.

Natürlich brauchen wir auch ein modernes Polizeigesetz. Wir haben ein modernes Polizeigesetz, aber die Zeiten ändern sich. Deshalb sind wir miteinander im Gespräch und schauen, wo wir es noch einmal optimieren können.

Die Polizei und die Sicherheitsbehörden in Baden-Württem berg trainieren immer wieder lebensbedrohliche und beson dere Einsatzlagen. Ich möchte Ihnen sagen: Von heute bis Samstag findet in diesem Zusammenhang die bundesweit bis her größte Antiterrorübung bei uns in Baden-Württemberg, in Stetten am kalten Markt im Landkreis Sigmaringen, statt.

(Beifall des Abg. Klaus Burger CDU)

Über 2 000 Übungsteilnehmer von Polizei, Bundeswehr so wie Rettungsdiensten werden gemeinsam die Reaktion auf ei nen terroristischen Anschlag üben. Es geht darum, alles zu tun, um ein solches Szenario, wie es dieser Übung zugrunde liegt, bereits im Vorfeld zu verhindern. Aber, meine sehr ver ehrten Damen und Herren, wer Verantwortung für die Sicher heit in diesem Land hat, der muss auch das Undenkbare den ken und für eine solche Lage, von der ich hoffe, dass sie nie mals eintreten wird, bestmöglich gewappnet sein. Deshalb tun wir dies mit großem Aufwand, und ich bedanke mich bei al len Beteiligten, die diese große Übung seit vielen, vielen Mo naten vorbereitet haben, für ihre Arbeit. Dies dient dem Schutz unserer Bevölkerung, dem Schutz der Baden-Württemberge rinnen und Baden-Württemberger. Möge der liebe Gott ver hüten, dass ein solches Anschlagsszenario jemals eintritt!

(Abg. Udo Stein AfD meldet sich.)