Protokoll der Sitzung vom 13.11.2019

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen – Beifall bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Reinhart.

(Abg. Anton Baron AfD: Juniorpartner!)

Frau Präsidentin, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Wir alle stehen an der Schwel le zu einem neuen Jahrzehnt. Wir alle schauen in eine offene Zukunft. Vieles ist in Bewegung. Wir alle spüren das Tempo

und die Kraft der Veränderung. Wir sind immer noch stolz, dass Baden-Württemberg die Innovationsregion Nummer 1 ist, und wir wollen mit diesem Haushalt dazu beitragen, dass dies in Zukunft so bleibt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Innovation, Erneuerung, Veränderung, Verbesserung ist das, was wir schon immer, seit Jahrzehnten, in Baden-Württem berg am besten können. Wir sind in diesem Land Experten für gelingenden Wandel. Deshalb gehen wir mit Neugier, aber auch mit Zuversicht in diese neue, kommende Dekade. Gera de weil unser Land die Heimat der Innovation ist, erleben wir den Wandel in diesem Land besonders intensiv.

Wir erleben ihn aktuell in den Unternehmen in Baden-Würt temberg, wir erleben ihn in der Industrie, im Mittelstand, als Frage nach den Produkten, den Märkten, nach den Jobs von morgen. Wir erleben ihn auch in der Wissenschaft, in der Bil dung, in der Kultur als Ansporn für neue Kreativität.

Wir erleben ihn in unserer Gesellschaft vor allem auch als He rausforderung für den Zusammenhalt. Wir erleben ihn in der Politik, alle gemeinsam hier in diesem Parlament, als neue Ge staltungsaufgabe. Deshalb ist dieser Doppelhaushalt 2020/2021 sozusagen unsere Roadmap für das kommende Jahrzehnt.

Ich möchte an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön sagen, auch der Finanzministerin, der Regierung, allen, die an die sem Haushaltsentwurf mitgewirkt haben. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Er ist eine gute, eine überzeugende Grundlage für die Bera tungen, die wir heute beginnen. Jetzt ist die Stunde des Haus haltsgesetzgebers. Das Budgetrecht ist das Königsrecht von uns allen, vom Parlament. Ich kündige an: Wir werden dieses Recht ausüben.

Meine Damen und Herren, wir werden vor allem weitere Schwerpunkte im Haushalt setzen und damit klare Leitmar ken für die Zukunft aufstellen und verzeichnen. Dazu werden die Regierungsfraktionen – Kollege Schwarz hat es schon an gekündigt – Änderungsanträge einbringen. Für uns ist klar: Wir wollen dabei die Spielräume, die uns die Steuerschätzung gibt, für das Land und damit für die Menschen in diesem Land nutzen. Darum muss es gehen.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Dazu gehört: Wir wollen unsere Stärken stärken, aber wir müssen vor allem auch unsere Kernaufgaben, die Kernaufga ben des Landes, kraftvoll wahrnehmen: bei Wachstum und Wirtschaftskraft, bei Bildung und Innovation, bei Sicherheit, Recht und Ordnung, auch beim Erhalt unserer Lebensgrund lagen und der Lebensqualität. Da sage ich: Es geht um Le bensqualität in Stadt und Land, nämlich in unserem ganzen Land. Das ist wichtig.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Das sind die großen Themen. Es stimmt: Wir müssen auch vorsorgen, wenn magere Jahre kommen sollten. Das tun wir

in diesem Haushalt mit kaufmännischer Vorsicht. Aber wir wollen nicht nur vorsorgen, indem wir Geld ausschließlich in Rücklagen legen. Nein, Politik muss auch gestalten. Das heißt, das Parlament hat die Aufgabe, die Ermächtigungsgrundlagen in den Haushaltsansätzen zu setzen, wie es sozusagen die Roadmap aufstellt. Wir brauchen Vorsorge und Initiative, Ri sikobewusstsein und Gestaltungswillen. Das ist Aufgabe, aber auch Anspruch unserer Politik. Denn Baden-Württemberg muss immer beides sein: Innovationsland und Investitions land. Das ist die Herausforderung.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Die letzten Jahre waren für Deutschland und auch für das Land Baden-Württemberg außerordentlich erfolgreich. Wir hatten zuvor kaum jemals einen so lang anhaltenden und kraft vollen Aufschwung. Allein gegenüber 2015 hat die Wirt schaftsleistung im Land um rund 50 Milliarden € zugenom men, von damals 463 Milliarden € auf 511 Milliarden € Ende 2018.

Aber jetzt macht die Hochkonjunktur erst einmal Pause. Je der sagt uns, der Boom ist zu Ende. Der Kollege Schwarz hat zu Recht den VDMA angesprochen. Dessen Präsident hat es auf dem letzten Gipfel so ausgedrückt – Zitat –:

Die Party ist nicht vorbei, aber man sollte nahe am Aus gang tanzen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das stand in der „Wirtschaftswoche“. Ich will schon sagen: Ja, die wirtschaftliche Abkühlung ist spürbar. Experten schät zen das Klima in der Weltwirtschaft aktuell sogar genauso schlecht ein wie im Krisenjahr 2009, das heißt, auf dem nied rigsten Stand in den letzten zehn Jahren, seit der Krise. Rund um den Globus schwächt sich das Wachstum ab, sei es im Welthandel, im privaten Konsum, aber auch bei den Investi tionen.

Wir alle kennen die Meldungen über Auftragsrückgänge und Sparprogramme, jetzt auch über Kurzarbeit und zum Teil auch über Stellenabbau und Kündigungen. Ich will hinzufügen: Ge rade die Zahlen zur Kurzarbeit, die jüngst in den Wirtschafts zeitungen veröffentlicht wurden, betreffen uns am stärksten. Jede fünfte Stelle mit Kurzarbeit ist in Baden-Württemberg. All das müssen wir in diesem Zusammenhang sehen.

Wir alle kennen die Wirklichkeit. Wir sind im Gespräch mit den Betrieben und der Wirtschaft. Es macht uns Sorgen; denn wir sehen, dass zum normalen Konjunkturzyklus jetzt auch Struktureffekte hinzutreten, die einen zusätzlichen Verände rungsdruck auslösen und damit für zusätzliche Kosten sorgen.

Noch mehr aber drückt uns – Baden-Württemberg ist Export land – der internationale Handelskonflikt auf die Stimmung und auf die Zahlen. Morgen will der amerikanische Präsident seine Entscheidung über Strafzölle für Autos aus Europa be kannt geben. Der Zollstreit zwischen China und den USA hat zuletzt zwar Zeichen der Entspannung gezeigt. Wir konnten es aber heute Morgen in den Medien lesen: Es hätte in den letzten zehn Jahren einen Rückgang in der Wirtschaft gege ben, wenn wir nicht die Absatzmärkte in China gehabt hätten. Dort ist nämlich eines der weltweit größten Absatzgebiete für

die Automobilwirtschaft und auch für die deutsche Premium industrie entstanden.

Wir alle sehen die Zahlen: Europa hat jetzt mit 1,1 % die nied rigste Wachstumsrate prognostiziert bekommen. Bei uns im Bund ist sie auf 0,5 % reduziert worden. Das heißt, wir haben zusätzlich eine angespannte Lage.

Ich nenne auch das Tauziehen um den Brexit, das zu Recht angesprochen wird. Das verstärkt die Zurückhaltung bei den Investitionen, und dies bekommt unser Maschinenbau beson ders zu spüren. Warum? Jeder vierte Arbeitsplatz in der Fahr zeugindustrie in Deutschland ist in Baden-Württemberg, und jeder dritte Arbeitsplatz im Maschinenbau – fast 33 % – be findet sich im Exportland Baden-Württemberg. Deshalb sind wir hier besonders betroffen.

Das zeigt: Es steht viel auf dem Spiel; die Lage ist angespannt, und wir sehen auch die Risiken.

Wir dürfen jetzt aber auch nicht schwarzmalen. Selbst der IfoIndex ist gestiegen.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Schön! Malen Sie weiter grün! – Lachen des Abg. Peter Hofelich SPD)

Schwarz zu unterstützen ist immer gut, Herr Kollege Hofe lich. Man darf nur nicht schwarzmalen. Sie kennen den Un terschied.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Ich will schon sagen: Der Beschäftigungsaufbau geht nur noch leicht stagnierend weiter. Wir haben in der vergangenen Wo che das Jahresgutachten der fünf Wirtschaftsweisen bekom men. In ihrem Gutachten gehen sie zwar nicht von einer tie fen Rezession aus, aber sie sagen, dass wir eine konjunkturel le Kaltfront bekommen werden. Wir wollen hoffen, dass die se auch wieder abzieht. Auf längere Sicht sind wir jetzt aber mit diesem Haushalt auf eine Schlechtwetterphase vorberei tet; denn wir haben in Baden-Württemberg die Boomjahre gut genutzt. Wir haben den Landeshaushalt in seiner Struktur nachhaltig verbessert, stärker und damit auch gesünder ge macht.

In der vergangenen Woche hat die Finanzministerin bereits ei nige Konsolidierungsleistungen erläutert. Ich will es noch ein mal wiederholen: Von 2017 bis 2019 hat diese Koalition von CDU und Grünen mehr als 6,3 Milliarden € explizite und im plizite Schulden des Landes getilgt.

(Beifall der Abg. Thomas Blenke CDU und Andreas Schwarz GRÜNE)

Wir haben sogar erstmals seit 50 Jahren Altschulden zurück gezahlt. Das war doch ein Novum.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Wir haben gemeinsam alte Kreditermächtigungen abgelöst, wir haben die Pensionsrücklagen massiv erhöht, und wir stel len mit dem neuen Doppelhaushalt das Kontrollkonto auf null und streichen damit weitere 132 Millionen € auf der Sollsei te. Bei diesem Thema, Herr Kollege Stoch und Herr Kollege Rülke, waren wir uns darüber einig, dass wir nur dann eine

Gemeinsamkeit der Fraktionen über die Verfassungsänderung und damit über die Etablierung der Schuldenbremse erreichen.

Ich will schon sagen: Wenn im Moment auch Wirtschaftswis senschaftler öffentlich darüber sinnieren, gerade jetzt die Schul denbremse wieder aufzuheben, dann halte ich das für wider sinnig. Denn es wäre in der jetzigen Zeit ein völlig falsches Signal, jetzt, da sie gerade in Kraft tritt – am 1. Januar 2020 –, die Bremse schon wieder zu lösen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Wir haben 2,2 Milliarden € in Brücken, Straßen und Landes gebäude investiert und damit unser öffentliches Vermögen in Schuss gehalten. Die Sanierungsoffensive geht auch in den nächsten beiden Jahren weiter. Wir sehen in diesem Haushalts entwurf Investitionen von 1,4 Milliarden € für die Moderni sierung landeseigener Gebäude vor, und im laufenden Haus halt haben die Ressorts – einer Vorgabe entsprechend – volle 2 Milliarden € eingespart. Das zeigt: Trotz sprudelnder Steu erquellen haben wir die Grundprinzipien der Sparsamkeit im Auge behalten und hochgehalten. Die Bilanz ist deshalb ta dellos, die Bücher sind sauber. Wir starten frei von Lasten in die Ära der Schuldenbremse. Ich finde, das kann sich sehen lassen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb will ich noch einmal sagen: Die Forderung, mit der auch der SPIEGEL in der letzten Woche einen Artikel überti telte: „Schafft die Schuldenbremse ab“ – – Übrigens, mit Herrn Struck und einem ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Günther Oettinger, an der Spit ze hatten wir die Föko II. Ich hatte das Glück, in jeder Sitzung dabei zu sein. Wenn der Kollege Schwarz die Generationen gerechtigkeit anspricht, dann hat das auch damit zu tun, dass wir nachhaltig wirtschaften müssen und jetzt nicht schon wie der über Verschuldung nachdenken sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Auch insoweit hat mich natürlich die Aussage des Kollegen Schwarz gefreut. Denn der Bundesvorsitzende der Grünen, Habeck – diese Bemerkung sei mir an dieser Stelle gestattet –, hat ja kürzlich schon wieder sinniert, man solle der Versu chung des Schuldenmachens nicht widerstehen. Insoweit bin ich davon überzeugt, Herr Ministerpräsident, dass die Kraft des Geistes