Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

Ich bedanke mich beim Koalitionspartner, dass wir dieses wichtige Thema heute im Rahmen der Besprechung einer Gro ßen Anfrage behandeln dürfen, und ich danke dem Wirt schaftsministerium für die umfangreiche Beantwortung die ser Großen Anfrage. Sie zeigt: Das Handwerk in Baden-Würt temberg hat den Stellenwert, den es verdient, nämlich ganz vorn auf der Tagesordnung.

Alles in allem geht es aber um die Frage: Hat das Handwerk weiterhin goldenen Boden? Aufgrund der sehr ausführlichen und schon durch diese Ausführlichkeit auch sehr wertschät zenden Beantwortung der Großen Anfrage werde ich, auch mit Blick auf die sehr kurze Redezeit, gleich auf die dringen den, wenn nicht sogar die dringendsten Zukunftsfragen für das Handwerk eingehen.

Die Digitalisierung im Handwerk gehört mit Sicherheit dazu. Darüber haben wir uns aber schon am 18. Februar dieses Jah res eingehend unterhalten.

Darum gehe ich gleich zur nächsten Frage, zur nächsten Zu kunftsfrage über, nämlich zum – auch nach Expertenmeinung – leider noch immer zunehmenden Fachkräftemangel. Bei et wa 60 % der Unternehmen – also fast zwei Dritteln – hat die ser Fachkräftemangel schon zu Umsatzeinbußen geführt. Die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass dieser Mangel ihre In novationsfähigkeit einschränkt. Wie können Fachkräfte ge wonnen und – das ist das Wichtigste – gehalten werden? Das ist die Frage; es ist die Zukunftsfrage für das Handwerk.

Um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, muss ganz sicher die Anziehungskraft, besser gesagt: die Attraktivität des Hand werks erhöht werden – das heißt, die Attraktivität der dualen Ausbildung, das heißt, die Attraktivität der Selbstständigkeit, das heißt, die Attraktivität der eigenen Verwirklichung in ei nem tollen Beruf. Attraktivität hat viel mit Wertschätzung und Anerkennung zu tun, aber auch mit einer Hochschulzugangs berechtigung für Meisterinnen und Meister, mit kostenfreier Meisterfortbildung, mit nahe am Wohnort gelegenen Berufs schulen und deren Qualität. Vielleicht geht es aber auch um die Themen Meisterbonus und Meistergründungsprämie.

(Abg. Winfried Mack CDU: Nicht nur vielleicht!)

Hier gilt es, zusammen mit den Kammern und Verbänden nachzusteuern, und dafür setzen wir uns ein, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP)

Angefangen werden muss aber schon sehr viel früher, näm lich bei Schülerinnen und Schülern, am besten wohl schon in der Grundschule. Da sind bereits erste richtige Schritte in die Wege geleitet worden. Als allererster Schritt müssen aber El tern und Lehrer von der Attraktivität des Handwerks über zeugt werden. Die Zusammenarbeit von Elternhaus, Schule und Handwerk darf gern noch intensiviert werden, und sie darf auch gern noch früher beginnen – wie schon gesagt, am bes ten in der Grundschule; denn dort werden die Grundlagen für die Wertschätzung des Handwerks gelegt.

Der zweite Schritt, der dann erfolgen muss, wenn sich junge Menschen für eine duale Ausbildung entschieden haben, ist es, diese jungen Menschen auch in der Ausbildung zu halten. Etwa ein Fünftel brechen die Ausbildung ab. Wichtig ist aber auch, sie nach der Ausbildung zu halten. Es wurde gerade schon gesagt: Wenn zwei Drittel der Ausgebildeten das Hand werk in den ersten zwei Jahren nach ihrer Ausbildung verlas sen, dann gibt es dort dringenden Handlungsbedarf. In eini gen Gewerken sind die Zahlen noch viel höher.

Kleines Beispiel: In Bäckereien – dort kenne ich mich ein bisschen aus – gibt es schon seit 20 Jahren oder noch länger einen Fachkräftemangel. Es gibt aber nicht zu wenig ausge bildete Bäcker. Was glauben Sie, wer in Deutschland die meis ten ausgebildeten Bäcker beschäftigt?

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Daimler! – Weite re Zurufe)

Sehr gut. Richtig, meine Damen und Herren: Daimler-Benz. Das heißt, wir haben genügend Ausgebildete, aber sie arbei ten eben woanders. Die Attraktivität muss also schon noch ein bisschen gesteigert werden.

(Abg. Daniel Born SPD: Wer regiert denn?)

Der dritte Schritt: Karrierechancen aufzeigen, Fortbildungs möglichkeiten, Wege in die Selbstständigkeit, eigenes kreati ves Arbeiten, sich selbst verwirklichen – das muss noch bes ser vermittelt und beworben werden.

(Abg. Daniel Born SPD: Wer regiert denn?)

Dazu ist es u. a. wichtig, bei den Gründungsvoraussetzungen in den meisten Handwerksberufen anzusetzen, nämlich die Meisterfortbildung mittelfristig kostenfrei zu stellen. Erst dann sprechen wir von einer annähernden Gleichbehandlung von akademischer und beruflicher Ausbildung.

Kurzfristig wäre es hilfreich, gemeinsam mit den Kammern und Verbänden die Gesamtkosten einer Meisterausbildung auf Senkungspotenziale hinsichtlich des Eigenanteils der Meis terschülerinnen und Meisterschüler zu prüfen.

(Beifall der Abg. Susanne Bay GRÜNE)

Bund, Land, Kammern und Verbände sind bei der Kostenfrei heit gefragt. Hier müssen alle zusammenhelfen. Ich bin mir sicher, das würde die Attraktivität steigern.

(Beifall bei den Grünen)

Ich habe jetzt relativ wenig Redezeit, darum muss ich ein biss chen aufholen. Eines der wichtigen Projekte betrifft Frauen im Handwerk. Frauen im Handwerk und Frauenpower: Wir haben vom Bundesinstitut für Berufsbildung jetzt den Her mann-Schmidt-Preis für diese Aktion bekommen. Ich kann Ihnen nur sagen: Mehr Frauen tun dem Handwerk so richtig gut.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich brauche noch ein paar Sekunden. 18 000 bis 20 000 Be triebe müssen in den nächsten Jahren übergeben werden bzw. suchen einen Nachfolger. Das ist der Grund dafür, dass ernst haft über eine Kombination von Meisterprämie und Meister gründungsprämie nachgedacht werden soll: die Meisterprä mie als verdiente Anerkennung und eine Meistergründungs prämie als Problemlösung für die Nachfolge- und Übernah meproblematik.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Dieses Modell gibt es schon in vier Bundesländern. – Es tut mir leid, ich muss so schnell sprechen.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich bin in wenigen Sekunden fertig.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Handwerker können das!)

Auch der Baden-Württembergische Handwerkstag hat schon Ähnliches nach vorn gebracht.

Warum müssen wir das Handwerk weiter unterstützen? Es geht darum, dass wir die duale Ausbildung gleichstellen müs sen. Die Handwerkerinnen und Handwerker müssen in der breiten Bevölkerung mehr Anerkennung und Wertschätzung erfahren. Dann, ja dann hat das Handwerk in Baden-Württem berg auch weiterhin Zukunft und goldenen Boden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Denken Sie immer an das Handwerk, wenn Sie abends schlafen gehen; Handwer ker arbeiten nämlich meist auch nachts.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der FDP/DVP)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Baron das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Zukunft des Hand werks in Baden-Württemberg“, ein interessanter Titel Ihrer Großen Anfrage, liebe CDU-Fraktion. Schließlich war Ihre CDU doch seit dem Jahr 1953 – mit Ausnahme von fünf Jah ren – durchgehend an der Regierung beteiligt. Ihre Anfrage zu Herausforderungen des Handwerks bedeutet daher zwei felsohne, dass Sie für dessen Probleme mitverantwortlich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU)

Allerdings ist Einsicht der erste Schritt zur Besserung.

Was aber sind die Probleme? Wo drückt das Handwerk aus welchen Gründen der Schuh? Eines zieht sich wie ein roter Faden von der ersten bis zur letzten Seite: Es fehlt den badenwürttembergischen Handwerksunternehmen nicht an Arbeit, es fehlt ihnen an qualifiziertem Personal. Alle beschriebenen Maßnahmen der Landesregierung und der Verbände dienen in letzter Konsequenz immer der Gewinnung und dem Halten von Fachkräften.

Stellen wir hierzu also die Grundsatzfrage: Warum ist dieser Mangel eigentlich entstanden? Wohin sind die viel beschwo renen Fachkräfte verschwunden?

Handwerksberufe sind Ausbildungsberufe, für die offiziell kein Abitur benötigt wird. Seit Jahren geht der Trend jedoch dahin, auf Teufel komm raus jedem Schüler das Abitur förm lich aufzudrängen. Anschließend wird zumeist ein Studium aufgenommen; man möchte die drei zusätzlichen Jahre ja schließlich nicht umsonst investiert haben.

Im Jahr 1953, als die CDU das erste Mal an der Regierung be teiligt war, verließen noch über 90 % der Schüler die Schulen im Land mit einem Hauptschulabschluss, nur 3 % erwarben damals das Abitur. Inzwischen erwerben mehr als die Hälfte der Absolventen die Hochschulreife. Gleichzeitig beklagt man sich über Nachwuchsmangel im Handwerk. Eines ist daher klar: Dieser Nachwuchsmangel ist zum großen Teil hausge macht und ist die Folge einer jahrzehntelang verfehlten Bil dungspolitik.

(Beifall bei der AfD)

Statt unsere eigenen Stärken aus unserer Gesellschaft heraus wieder zum Leben zu erwecken und die Probleme mit den Fachkräften nachhaltig zu lösen, möchten Sie aber lieber mehr Migration mit Millionen von schlecht ausgebildeten und kul turfremden Menschen.

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Das hat ja kommen müssen!)

Wir, die AfD, befürworten seit unserer Gründung Regelungen zur Einwanderung nach kanadischem Vorbild: Wer dringend gebraucht wird, die deutsche Sprache beherrscht und bereit ist, sich in unsere Gesellschaft und abendländische Leitkultur einzufügen, ist herzlich willkommen.

(Beifall bei der AfD)

Das simple Überschreiten einer Grenze reicht hier allerdings nicht aus.

Welche weiteren Herausforderungen sind für das Handwerk besonders zentral? Zwei wichtige Punkte sind etwa die Ener giekosten und die ausufernde Bürokratie. Während energiein tensive Handwerksbetriebe die unsinnige EEG-Umlage zah len müssen, können sich lobbystarke Großunternehmen da von befreien lassen. Die Landesregierung begründet dies im Rahmen ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir zum Bäckereiensterben mit internationalem Konkurrenzdruck für die Großkonzerne. Der nationale Konkurrenzdruck für Bäcker durch billige Discounterware ist an Ihnen offenbar völlig vor beigegangen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Nach Ansicht der AfD-Fraktion muss daher die unsoziale EEG-Umlage für sämtliche Unternehmen und für die Bürger endlich abgeschafft werden.