Protokoll der Sitzung vom 11.12.2019

Herr Minister, Sie haben in diesem Einzelplan, der die Berei che Europa und Justiz enthält, die komplette Europapolitik, die wir in einem eigenen Ausschuss „Europa und Internatio nales“ parlamentarisch begleiten; er umfasst aber auch den Bereich Tourismus.

Was die Europapolitik betrifft, haben wir natürlich die Situa tion, dass das Land Baden-Württemberg ein bisschen im Schat ten steht. Das ist gar kein Vorwurf; aber wenn der Brexit je den Tag oder zumindest doch sehr oft im Fernsehen ganz vorn rangiert und die Brüsseler Entwicklungen nach der Europa wahl die Menschen irgendwo natürlich schon in ihren Bann ziehen – „Wie geht es jetzt weiter mit dieser Kommission?“ –, dann ist es schwierig, in diesem Bereich weiter nach vorn zu denken. Das gebe ich zu.

Allerdings geht natürlich trotzdem in Brüssel die Arbeit wei ter. Deshalb ist es sicherlich nicht falsch, wenn man jetzt die sen Haushaltsansatz, den Sie gewählt haben, verstetigt, sich auf sich selbst konzentriert und die Mittel in diesem Bereich im Prinzip weiterführt. Aber ich würde mir schon wünschen, dass man sich, gerade wenn man die jetzt eingestellten Mittel betrachtet – z. B. hatte man zum Thema „Kampagne für Eu ropa“ im Vorfeld der Europawahl ja auch schon Mittel einge setzt –, überlegt: Wie setze ich die denn in Zukunft ein? Die sind da. Und da fehlt mir noch ein bisschen die Ausrichtung, was man denn mit diesen Mitteln machen will.

Denn es wird auf europäischer Ebene ja nicht einfacher. Frau Kollegin Wölfle hat völlig zu Recht die Frankreich-Konzep tion angesprochen. Natürlich ist da noch deutlich Luft nach oben. Man hat ein bisschen den Eindruck, man stolpert hier

dem Aachener Vertrag der Bundesrepublik hinterher, so nach dem Motto: Jetzt sind wir halt direkter Nachbar, jetzt müssen wir auch was tun. Aber auch da fehlt mir ein bisschen das Vo rangehen.

Ich bin wirklich gespannt, wie Sie die jetzt bereitgestellten Mittel einsetzen. Frau Erler ist heute leider nicht da; sie war bei uns im Ausschuss und hat darum gebeten, das dementspre chend auszustatten. Die Regierungsfraktionen haben das ge tan. Das ist sicherlich auch richtig. Aber jetzt werden wir ein mal schauen, was Sie denn mit diesen über 5 Millionen € an stellen.

Sie können sicher sein, dass wir, die FDP/DVP, genau darauf schauen werden, wie Sie diese Mittel verwenden. Denn es ist sinnvoll, dass man hier vor Ort bestehende, funktionierende Strukturen stärkt, dass man z. B. im Eurodistrikt StrasbourgOrtenau etwas fördert, statt irgendwelche Ideen zu fördern, deren Realisierung außerhalb Ihres Hauses liegt.

Ich glaube, das ist der Hauptkritikpunkt, den man anbringen muss: Die Zuständigkeiten sind einfach viel zu stark ver mischt. Wer ist zuständig? Mal ist es das Stami, mal ist es Ihr Haus. Da gehört eine klare Kompetenz in Fragen der Zustän digkeit hinein, damit man sicher sein kann, dass das Geld auch gut angelegt ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Gespannt bin ich auch, wie das Thema der deutschen Ratsprä sidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 von dieser Landesre gierung angegangen wird. Denn bisher war es ja so: Wir konn ten immer auf einen baden-württembergischen Kommissar zurückgreifen. Das hat man auch getan; da hat man gut ge netzwerkt – das war gut, Herr Sänze –, indem man genau die se Kontakte in Brüssel genutzt hat.

Jetzt steht der Mehrjährige Finanzrahmen ins Haus, der ge nau während dieser Ratspräsidentschaft entschieden werden muss, und da erwarte ich, dass wir in Baden-Württemberg – weil wir natürlich nicht nur in wirtschaftspolitischen Fragen das „Powerhouse“ sind, wie Sie, Frau Wirtschaftsministerin, immer sagen – uns auch europapolitisch einbringen. Hier sind es besondere Anstrengungen, die diese Landesregierung in Ih rer Person, aber auch in Person des Ministerpräsidenten in Brüssel unternehmen muss, damit die baden-württembergi schen Interessen auch vertreten werden. Hier darf es definitiv nicht schlechter werden, als es ist.

Ich bin einmal gespannt, wie sich der Zugang zur neuen EUKommissionspräsidentin gestaltet. Wir sind nicht das Saar land. Ich bin mir sicher, bei der CDU hätte man aus dem Saar land heraus deutlich mehr Zugang nach dort oben, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass man zumin dest probiert, hier nach vorn zu kommen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn wir nun mit dem Thema Europa abschließen, hätte ich zum Schluss noch eine Frage zu dem Arbeitsprogramm, das aus dem Programm „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“, Herr Minister Wolf, entstanden ist; es geht um diese 86 000 €. Der Haushaltstitel heißt „Europa in Baden-Württemberg“. Ich glaube, früher hieß der Titel „Baden-Württemberg in Euro pa“. Jetzt kann das eigentlich nur ein Dreher sein; aber viel

leicht hat man ja auch etwas anderes vor mit der Konzeption. Ich wäre dankbar, wenn das von Ihnen gleich noch kurz dar gestellt wird.

Ansonsten muss man sagen: Wir haben mit einer neuen Stel le in Brüssel für den Erweiterungsbau und mit den zwei Stel len, die ab 2021 im Bereich Sekretariat und Übersetzung an stehen, Dinge, die wir auch mitgetragen haben.

Um zu den Neustellen bei der Umsetzung der Tourismuskon zeption zu kommen: Da meinen wir im Gegensatz zu ande ren, die der Meinung sind, das könne man mit Bordmitteln aus dem Haus machen: Es schadet nicht, wenn man sich ge rade im Bereich Tourismus, wo Baden-Württemberg interna tional ausgerichtet ist, wo die Benchmark nicht die Schwäbi sche Alb gegenüber dem Schwarzwald ist – da ist es Südtirol; da sind es andere Regionen –, die Kompetenz hinzukauft. Das war richtig; es war richtig, das Ganze jetzt nach vorn zu brin gen.

Zu dem, was Frau Kollegin Wölfle angesprochen hat: Ja, man kann vielleicht mehr bei dem Thema Gasthausprogramm tun. Aber immerhin ist das jetzt da. Wir wollen mal schauen, wie diese zusätzliche Förderung wirkt. Ich bin schon der Meinung, dass wir das im Bereich Tourismusförderung on top rechnen können. Allerdings ist auch hier das Thema, dass wir noch ein anderes Haus haben, das eigentlich mehr oder minder für den ländlichen Raum zuständig ist.

Auch dazu, Herr Minister – das sind vielleicht die Kritikpunk te –: Arbeiten Sie trotz dieser unterschiedlichen Zuständigkei ten, die aufgrund eines wirklich nicht zu erklärenden Zu schnitts im Koalitionsvertrag zustande gekommen sind – – Wer ist im ländlichen Raum für das Gasthaus zuständig? Ist es Frau Gurr-Hirsch? Ist es Herr Wolf, der hier sitzt?

(Zurufe)

Wenn man es strukturell schon so aufgestellt hat, muss man darauf achten, dass man wenigstens in der Geschäftsvertei lung klare Zuständigkeiten hat. Ich finde, da haben Sie noch Luft nach oben und können in diesem Bereich deutlich vor angehen.

Ansonsten muss man sagen: Es wurde substanziell gearbei tet. Allerdings müssen wir schauen, wie man mit diesen wohl klingenden Projekten umgeht, die ganz zum Schluss noch in den Haushalt geschoben worden sind. Wenn man mit uner warteten Steuereinnahmen Projekte im Bereich Tourismus fi nanziert, dann ist das gut. Allerdings lässt es auch den Stel lenwert erkennen, den das Gesamtkabinett dem Tourismus zu erkennt, wenn man da nur die zusätzlichen Steuereinnahmen einplanen kann. Ich würde mir wünschen, dass man der Situ ation deutlich mehr und deutlich substanziellere Aufmerksam keit widmet.

Sie sprechen immer von einer Leitökonomie. Das ist der Tou rismus sicherlich. Aber für eine Leitökonomie gehört es sich, dass man nicht bloß Steuermehreinnahmen verwendet, son dern dass man wirklich strukturell sagt, was einem das Gan ze wert ist, meine Damen und Herren.

Vor diesem Hintergrund wird die FDP/DVP-Fraktion diesem Einzelplan nicht bloß im Bereich der Justiz, sondern auch in den Bereichen Europa und Tourismus zustimmen. Verstehen

Sie diese Zustimmung aber bitte nicht so, als könnten Sie sich auf dem ausruhen, was geleistet worden ist. Bei den Punkten, die wir aufgeworfen haben, erwarten wir vollen Einsatz.

Wir freuen uns, wenn die Leitökonomie in Baden-Württem berg in Zukunft genauso dasteht, wie sie jetzt ist. Die Vorzei chen sind nicht schlecht. Eines sollte aber auch gesagt wer den: Wenn es Baden-Württemberg insgesamt schlechter geht, wird das irgendwann auch im Tourismus ankommen. Auf dem Bestehenden können wir uns also nicht ausruhen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Wolf das Wort.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist man geneigt, mit Blick auf eine weitgehende Zustimmung zu den Themen, über die wir hier sprechen – ich sage bewusst: eine weitgehende Zustimmung –, einerseits und mit Blick auf die Uhrzeit andererseits den Beitrag überschaubar zu halten.

Trotzdem gibt es natürlich ein paar Punkte, die ich ansprechen möchte. Wir sind uns in vielem einig. Ich finde, das ist eine gute Botschaft für den Rechtsstaat. In diesem Landtag von Baden-Württemberg gibt es eine große fraktionsübergreifen de Übereinstimmung – ich beziehe ausdrücklich Oppositions fraktionen mit ein –, was die Stärkung und Ausstattung des Rechtsstaats angeht. Dafür will ich diesem Hohen Haus herz lich danken.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Es ist übrigens ein gutes Signal an den Rechtsstaat und an die Bürgerinnen und Bürger, dass wir uns in Sachen Rechtsstaat einig sind. Der Rechtsstaat eignet sich eben nicht, sich partei politisch auseinanderdividieren zu lassen. Es ist auch meine ganz persönliche Intention in Sachen Rechtsstaat, hier partei übergreifend um Unterstützung zu werben, wenngleich ich mich natürlich bei den Regierungsfraktionen in besonderer Weise für die Unterstützung bedanke.

Wir sind uns einig, dass die baden-württembergische Justiz seit Jahrzehnten hervorragende Arbeit leistet und einen exzel lenten Ruf genießt. Der Rechtsstaat kann immer nur so gut sein, wie die Menschen gut sind, die ihn leben und mit Leben erfüllen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht nur das Gesicht unseres Rechtsstaats, sondern sorgen durch ihren Einsatz für Rechtssicherheit und sind somit der Garant für ein friedliches Miteinander bei uns im Südwesten.

Wir sind uns einig, dass den Richterinnen und Richtern, den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, den Rechtspflegerin nen und Rechtspflegern, den Servicekräften und Justizvoll zugsmitarbeitern, den Gerichtswachtmeistern und allen, die in der Justiz tätig sind, für ihr großes Engagement und hohes fachliches Können unser besonderer Dank gebührt.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Unsere Anstrengung muss dem Ziel gewidmet sein, dass Ba den-Württemberg ein sicheres Bundesland bleibt und dass wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechts staat dauerhaft gewährleisten, liebe Kolleginnen und Kolle gen. Das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Ein funktionieren der Rechtsstaat hat seinen Preis.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dass wir diese Übereinstimmung zum Ausdruck bringen, das zeigt dieser Haushalt in ganz besonderer Weise. Er ist, was den Justizhaushalt angeht, ein Rekordhaushalt. Meine Damen und Herren, die Zahlen sind genannt: Seit unserem Regie rungsantritt Mitte 2016 konnten zusammen mit dem Doppel haushalt 2020/2021 über 1 000 echte Neustellen geschaffen werden. Das hat es in der Justiz dieses Landes in dieser Form noch nicht gegeben.

248 Neustellen für Richter in der ordentlichen Gerichtsbar keit und Staatsanwälte: PEBB§Y 100 erreicht. Das haben wir uns mal, lieber Herr Filius und lieber Arnulf von Eyb, offen siv in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ich wage die Prog nose: Da war keinem so ganz genau klar, was das für die Um setzung tatsächlich bedeutet. „PEBB§Y 100“ kommt niedlich daher. Wir haben es in den Haushalten dieser Legislaturperi ode Stufe um Stufe mit Leben, vor allem aber mit Stellen aus gefüllt. Insofern haben wir Wort gehalten gegenüber der Rich terschaft und den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten die ses Landes: Das Ziel PEBB§Y 100 wird mit diesem Doppel haushalt erreicht.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Wir haben 110 Neustellen für Justizwachtmeister als Beitrag für mehr Sicherheit an den Gerichten. Ich sage einmal ganz vorsichtig: Wir tun das in einer Zeit, in der wir nicht reflex haft auf extrem sicherheitsrelevante Vorfälle an den Gerich ten und Justizeinrichtungen reagieren müssen. Wir haben zwar von Jahr zu Jahr mehr sicherheitsrelevante Rückmeldungen – das stimmt uns nachdenklich –, aber wir wollen mit dem Zu wachs an Personal zur Sicherheit in den Gerichten nicht so lange warten, bis Schlimmes passiert. Auch dafür ein herzli ches Dankeschön.

Wir haben 423 Neustellen im Justizvollzug als Reaktion auf steigende Gefangenenzahlen. Über den Justizvollzug ist heu te hier schon vieles gesagt worden. Ich füge hinzu: Zu Recht ist über den Justizvollzug heute und hier schon vieles gesagt worden. Diejenigen, die dort unter erschwerten Bedingungen bei Überbelegung der Justizvollzugsanstalten und bei immer größer werdender Heterogenität – die Anzahl der Kulturen der Häftlinge in unseren Haftanstalten und die Bandbreite der Sprachen nehmen zu; das sind riesengroße Herausforderun gen; das Aggressionspotenzial nimmt zu – ihren Dienst tun, leisten eine herausragende Arbeit. Auch das muss an einem solchen Tag gewürdigt werden. Es ist unsere Pflicht, für die se Menschen etwas zu tun.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie der Abg. Dr. Boris Weirauch SPD und Rüdiger Klos AfD)

Ich will durchaus dem Kollegen Dr. Weirauch beipflichten. Er hat hier die Servicekräfte, die Geschäftsstellen erwähnt. Die se Landesregierung war nicht untätig, was Servicekräfte und

Geschäftsstellen angeht. Als wir kamen, lieber Kollege Dr. Weirauch, wurde im Finanzausschuss noch über einen vom Rechnungshof vorgegebenen Abbaupfad debattiert.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Ja!)

Danach hätten wir in dieser Legislaturperiode über 300 Stel len im Service abbauen müssen. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das bei der Basis angekommen wäre. Dieser Landesregierung ist es zumindest gelungen, diesen Abbau pfad erst einmal auf null zu stellen.

Ich stimme Ihnen aber zu: Wenn man die Zahl der Stellen für Richterinnen und Richter erhöht, wenn man zusätzliche Staats anwälte einstellt und wenn man angesichts der Vielzahl von Dieselklagen, von Asylklagen in die Geschäftsstellen schaut, dann ist völlig klar, dass denen unser Augenmerk jetzt in be sonderer Weise gelten muss und dass es in kommenden Haus halten auch darum gehen muss, die Geschäftsstellen unserer Justizeinrichtungen weiter zu stärken. Denn Justiz funktio niert nur, wenn alle, die zu dieser Familie gehören, in gleicher Weise unterstützt und gestärkt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Es gibt natürlich noch weitere positive Weichenstellungen, die der Justiz gutgetan haben. Die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung von Tarifergebnissen, die rund 1 400 Stellenhe bungen im mittleren Dienst und die über 600 Entfristungen im Unterstützungsbereich zeigen, dass die Verbesserungen al le Bereiche der Justiz umfassen.