Dieses Forschungsprojekt ist aber auch wichtig, weil es neue Ansätze in der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft befördert hat und immer noch befördert. Die Wis senschaftler saßen nicht in ihrem Elfenbeinturm, sondern ha ben mit den verschiedenen Institutionen kooperiert. Auch Bür gerinnen und Bürger wurden dazu ermutigt, sich zu beteili gen. Ein Onlineportal wurde eingerichtet. Es war und es ist ein Angebot an die historisch interessierte Öffentlichkeit und will einen Austausch zwischen Geschichtswissenschaften und Öffentlichkeit fördern und erweitern.
Besonders wichtig sind die Kooperationen mit jungen Men schen. Schülerinnen und Schüler wurden dazu angeregt, sich verschiedene Themen anzuschauen, wie ein Mosaikbild ent steht aus den zusammengefügten Steinchen neuer Erkenntnis se über das Herrschaftssystem der Nazis – ganz konkret vor Ort an der Schule, im Ort, in der Stadt.
Für mich stellt sich aber die Frage, was wir aus diesem For schungsprojekt auch mit in die Zukunft nehmen können. Wir haben eine fundierte und genau recherchierte Antwort für al le, die den Nationalsozialismus immer noch verharmlosen. Wir können nachweisen, dass es sehr wohl andere Handlungs optionen gegeben hätte. Wir haben aber auch die Erkenntnis, dass unsere Demokratie nur funktionieren kann, wenn wir ge nügend überzeugte Demokratinnen und Demokraten haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auf mein Eingangszitat „Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern“
zurückkommen. Es liegt einzig und allein in unseren Händen und vor allem in unseren Köpfen, was wir in der Vergangen heit für unsere Zukunft lesen wollen, welche Lehren wir dar aus ziehen. Manche Menschen, auch hier im Haus, versuchen eine neue Lesart für die Geschichte des Nationalsozialismus einzuführen, eine, die sie verharmlost oder auf wenige füh rende Köpfe reduziert.
Deshalb ist es gut, dass wir solche Forschungsprojekte haben, die Machtmechanismen und Funktionsweisen von Institutio nen, Behörden und Ministerien im Nationalsozialismus erfor schen und dokumentieren. Es ist gut und ermutigend, dass wir Schülerinnen und Schüler anregen, sich kritisch mit der Ge schichte auseinanderzusetzen, damit wir beim Blättern in der Vergangenheit gute und demokratische Wege in die Zukunft gehen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Hugo Josef Kauffmann, Pro fessor für Chemie und Textilkunde, galt am Reutlinger Tech nikum als streitbarer Geist und Kämpfer für seine Rechte. So verwundert es nicht, dass der Professor jüdischen Glaubens im Sommer 1933 schnell in das Visier des württembergischen Wirtschaftsministeriums geriet, welches ihn auf der Grundla ge des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamten tums in den vorzeitigen Ruhestand versetzte.
Kauffmann gab nicht schnell klein bei, musste jedoch nach zahlreichen Schriftwechseln mit dem Wirtschafts- und dem Kultusministerium einsehen, dass gegen die rassistischen Ge setze des NS-Regimes kein Ankommen war. Selbst das mu tig erstrittene Ruhegehalt erwies sich schnell als Makulatur, wurde es ihm doch im Rahmen der Judenvermögensabgabe größtenteils wieder entzogen.
Hugo Josef Kauffmann gelang am 22. Februar 1939 die Flucht nach New York. Sein Bruder hingegen blieb in Stuttgart zu rück und starb bei der folgenden Deportation nach Theresien stadt im August 1943.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ergebnisse der Forschungsgruppe zur NS-Vergangenheit badischer und würt tembergischer Ministerien sind eindeutig. Die Landesminis terien waren ein integraler Bestandteil des nationalsozialisti schen Repressionssystems. Sie waren an den rassistischen und politischen Säuberungen öffentlicher Einrichtungen ebenso beteiligt wie am Vollzug des menschenverachtenden Antise mitismus und an der Umsetzung der totalitären Programma tik der Nationalsozialisten.
Dabei war ein weitgreifender Austausch der Verwaltungsbe amten – das wurde vorhin ja schon gesagt – nicht notwendig, vielmehr erfolgte die politische Neuausrichtung durch eine weitgehende Selbstgleichschaltung des Beamtentums.
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs erwarb die große Mehrheit der Beamten die NSDAP-Mitgliedschaft, und – noch schlimmer – nach Ende der NS-Herrschaft blieb das Personal
Die Konfrontation mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen ist schmerzhaft, aber zwingend notwendig, denn die ehrliche und selbstkritische Aufarbeitung der Vergangenheit ist von zentraler Bedeutung für die Landesministerien und ihre Be diensteten. Die Landesverwaltung benötigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich der geschichtlichen Verantwortung bewusst sind, sie benötigt starke Persönlichkeiten, die sich für unsere freiheitliche Grundordnung einsetzen und fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Das noch von der grün-roten Landesregierung in Auftrag ge gebene Forschungsprojekt leistet dazu einen wichtigen Bei trag, und ich begrüße sehr, dass die Forschungen nun auf die Zeit nach 1945 ausgeweitet werden. Darüber hinaus schlage ich vor, die Posterausstellung zur Geschichte der Landesmi nisterien in der Zeit des Nationalsozialismus hier im Landtag auszustellen. Hier erfährt sie eine weit größere Aufmerksam keit als die bereits erfolgte Ausstellung im Innenministerium.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Aufarbeiten der eigenen Vergangenheit ist kein Akt der Selbstauflösung, kei ne dämliche Bewältigungspolitik und erst recht kein Schuld kult. Die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur sind singulär, sie sind kein Vogelschiss.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)
Als Abgeordnete dieses Hauses tragen wir eine besondere Ver antwortung. Wir sind der Spiegel der Gesellschaft, die uns ge wählt hat, wir sind die Stützen unserer Demokratie, und wir sind Vorbild für die Beamtinnen und Beamten in unserem Land. Seien wir uns dieser Verantwortung zu jeder Zeit be wusst!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Die AfD begrüßt die Forschung zur NS-Vergangenheit der badischen und württembergischen Landesministerien ausdrücklich. Die AfD ist eine Partei, die hinterfragt und kritisiert – oft in einem Maß, dass sie als Opposition von der Regierung als unbequem empfunden wird.
Wir sind eine Oppositionsfraktion, die eingetretene Pfade ver lassen möchte und gewohnte Mechanismen auf den Prüfstand stellt.
So fühlen wir uns den Menschen eng verbunden, die damals nicht mitgelaufen sind, sondern kritisch hinterfragt haben.
Mit großem Interesse haben wir die Internetseite „www.nsministerien-bw.de“ zur Kenntnis genommen und bedanken uns ausdrücklich für diese Initiative.
Doch man kann die eigene Geschichte nicht losgelöst von den heutigen globalen politischen Entwicklungen verstehen. Um die Geschichte des Nationalsozialismus verstehen zu können, muss man sich mit den ideologischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts zwischen dem Kommunismus einerseits und dem Faschismus andererseits befassen. Diese Fragen sind wiederum eng verknüpft mit der sozialen Frage, die in Form von kommunistischen Revolutionen die Welt im 20. Jahrhun dert bewegte. Wie wir alle wissen, haben diese Auseinander setzungen viele Millionen Menschen das Leben gekostet. Dies lehrt uns, dass man sich in ideologisch aufgeheizten Atmo sphären davor hüten sollte, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verkürzen oder gar zu negieren.
In den Studien wurde festgestellt, dass ideologisch instrumen talisierte und obrigkeitshörige Personen die Verwaltungsab läufe in ihrem Sinn beeinflusst haben. Diesem Missbrauch ist aus unserer Sicht heute und auch in Zukunft Paroli zu bieten.
Diese Erkenntnisse lehren uns, dass parteipolitisch und ideo logisch besetzte Themen oftmals die Interessen und Bedürf nisse der Bürger nicht berücksichtigen. Die Geschichte zeigt auch, dass Ideologie und reine Parteipolitik häufig zu Macht missbrauch führen. Es ist nicht verwunderlich, dass einzelne Mitglieder der hier schon länger regierenden Parteien uns un gerechtfertigt und verleumderisch in die Nähe einer NS-Ideo logie stellen.
Wir kommen in der historischen Forschung nur dann weiter, wenn die Politiker dem Versuch widerstehen, die Geschichte für den parteipolitischen Kampf zu nutzen.
Im Zuge dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse ist positiv festzustellen, dass Gedenkstätten im ganzen Land eingerich tet wurden, die an diese unmenschliche Ideologie des Natio nalsozialismus erinnern.
Wenn die bereits erforschten Sachverhalte dazu führen, dass die Erkenntnisse sich auch bei den Altparteien im Umgang mit den Andersdenkenden auswirken, können wir die Fortfüh
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wahlen allein machen noch keine De mokratie, wusste Barack Obama. Und er hat recht. Demokra tie braucht vielmehr Demokraten, Demokratie braucht Enga gement, und Demokratie braucht täglichen Einsatz.