Ramazan Selcuk

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Lärm macht krank, Lärm scha det unserer Umwelt, und Lärm verstärkt die soziale Ungleich heit in unserer Gesellschaft.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Während die ersten beiden Punkte in nahezu jeder De batte über den Lärmschutz vorkommen, werden die sozialen Folgen nur selten zur Sprache gebracht. Das ist nicht verwun derlich, denn wir Abgeordneten dürften persönlich fast nie von anhaltender und schwerwiegender Lärmbelästigung be troffen sein. Warum? Weil ein signifikanter Zusammenhang zwischen einem geringen Einkommen und schlechten Wohn verhältnissen auf der einen Seite und einer starken Belästi gung durch Verkehrs- und Nachbarschaftslärm auf der ande ren Seite besteht.
Deshalb muss ich Sie, Herr Kollege Marwein, leider korrigie ren. Sie haben gesagt: Ob arm oder reich, alle sind gleich be troffen. Nein, das stimmt nicht. Es sind die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die besonders von Lärmbelästigung be
troffen sind und die häufig einer extrem schädlichen Kombi nation aus verschiedenen Lärmquellen ausgesetzt sind.
Damit ist klar: Wer die soziale Ungleichheit in unserem Land bekämpfen möchte, der muss auch auf das Thema Lärm schau en. Neben Bau-, Industrie- und Freizeitlärm sticht in den Mes sungen eine Lärmquelle stets hervor: Das ist der Verkehrslärm. Über 200 000 Menschen sind nach Angaben des Verkehrsmi nisteriums ganztägig einer erhöhten Lärmbelastung durch Straßenlärm ausgesetzt, die zu dauerhaften und schwerwie genden Gesundheitsschäden führen kann.
Die Landesregierung muss deshalb dringend Maßnahmen er greifen, um den Verkehrslärm effektiv zu senken. Erstens müs sen die Kommunen bei der Umsetzung des Lärmaktionsplans unterstützt werden. Dort, wo Ermessensspielräume bestehen, sollen die Kommunen zu konsequenten Geschwindigkeitsre duktionen ermuntert werden. Darüber hinaus muss die Lan desregierung die Kommunen bei der Umsetzung technischer Maßnahmen wie Lärmschutzwände oder Flüsterasphalt finan ziell unterstützen.
Zweitens ist die Lärmbelästigung und die Lärmbelastung – der Kollege hat es angesprochen – in großen Städten aufgrund der engen Bebauung immens. Hier braucht es auch innerstäd tische Rückzugsorte, die es den Menschen ermöglichen, sich von dem konstant hohen Lärmpegel zu erholen. Quartiere mit einkommensschwachen Bewohnern sollten dabei zuerst be rücksichtigt werden, weil – wie ich vorhin schon ausgeführt habe – hier die Lärmbelästigung am stärksten ist.
Drittens benötigen wir eine Kampagne zur Sensibilisierung motorisierter Verkehrsteilnehmer. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, solange der blau-weiße Verkehrsminister Scheuer bei gesetzlichen Regelungen zur Reduktion von Verkehrslärm auf der Bremse steht, so lange sind wir auf gegenseitige Rück sichtnahme der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer an gewiesen.
Die Kampagne sollte vermitteln, dass eine gute und solidari sche Gemeinschaft nur funktionieren kann, wenn wir aufein ander Rücksicht nehmen und versuchen, Schaden von unse ren Mitmenschen abzuwenden. Deshalb sollte auf das über mäßige Beschleunigen an Ortsausgängen, auf Gaspedalspie lereien an Ampeln oder das Tuning von Auspuffanlagen auch innerhalb des gesetzlichen Rahmens verzichtet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Reduktion von Lärm belästigung ist aus gesundheitlichen und sozialen Gründen von großer Bedeutung. Nicht umsonst hat die SPD als Teil der grün-roten Landesregierung im Jahr 2011 erstmals und deutsch landweit damals einmalig eine Lärmschutzbeauftragte beru fen.
Ich möchte an dieser Stelle den aktuellen Lärmschutzbeauf tragten Thomas Marwein nennen. Ich finde es gut, Kollege Marwein, dass Sie sich mit Ihrer Initiative gegen Motorrad lärm deutschlandweit Gehör verschafft haben, auch wenn die
Debatte – die erhitzte Debatte, wie Herr Dörflinger zu Recht gerade sagte – natürlich medial sehr stark auf die Überlegun gen in Richtung Fahrverbote reduziert wurde. Nach meinem Kenntnisstand stand ein generelles Fahrverbot eigentlich nie zur Debatte.
Die breite Unterstützung im Bundesrat zeigt, dass der Kampf gegen Lärm von fast allen Parteien ernst genommen wird. Die SPD steht klar auf der Seite derer, die für gegenseitige Rück sichtnahme stehen. Hoffen wir, dass sich diese Ansicht eines Tages auch im Bundesverkehrsministerium durchsetzt.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister, für das Zulassen der Zwischenfrage. – In Reutlingen gibt es das Umweltbildungszentrum Listhof, das, glaube ich, bekannt ist und das sehr wertvolle und gute Arbeit leistet.
Dieser Verein hat einen Antrag an Ihr Ministerium gestellt. Dieses hat dann gesagt: „Nicht wir sind zuständig, sondern das Umweltministerium.“ Jetzt sagt das Umweltministerium: „Ja, das ist schön. Sie machen eine tolle Arbeit, aber auch wir sind eigentlich nicht ganz die richtigen Ansprechpartner. Sie können zwar dieses oder jenes beantragen...“
Letztendlich wird dieser Verein hin und her geschoben. Was würden Sie diesem Verein oder ähnlichen Vereinen empfeh len? Was sollen sie machen, damit da wirklich einmal Geld fließt und damit diese sehr schwierige Situation beendet wird?
Können Sie mir einen zeitlichen Rahmen nennen – vor der Landtagswahl oder danach?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir unternehmen im Land tag momentan alles – häufig in einer breiten Allianz aller de mokratischen Kräfte dieses Hauses –, um Gefahren für die Gesundheit unserer Mitmenschen abzuwenden. Dafür nimmt jeder persönliche Einschränkungen in Kauf, steckt zurück, um andere nicht zu gefährden, und hilft Mitmenschen dort, wo es nötig und gefahrlos möglich ist.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind über zeugt, dass eine gute und solidarische Gemeinschaft nur dann funktionieren kann, wenn wir einander helfen und versuchen, Schaden von unseren Mitmenschen abzuwenden. Dieser Grund satz leitet uns beim Umgang mit der Coronakrise. Er gilt für uns genauso, wenn es um das Thema Fahrverbote geht.
Auch Fahrverbote greifen tief in die Gewohnheiten der Men schen ein. Die Verbote treffen mitnichten nur PS-starke Dreck schleudern. Häufig sind es Berufstätige mit geringem Einkom men: die Altenpflegerinnen, der Mitarbeiter der Betriebsdiens te, die Soloselbstständige, die sich aktuell in einer sehr schwie rigen Auftragslage befinden, die auf ein altes, aber verlässli ches Auto angewiesen sind. Die Fahrverbote treffen diese Menschen mit besonderer Härte. Denn für sie ist es nicht ein fach möglich, auf ein emissionsärmeres Fahrzeug umzustei gen.
Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir die Fahrverbote nicht einfach aufheben. Denn leider ergeben die Messwerte in unserer Landeshauptstadt Stuttgart – obwohl sie sinken – noch immer, dass die Menschen tagtäglich dreckige Luft einatmen und ihre Körper durch Schadstoffe schwer be lastet werden. Das ist ein Fakt, der sich gerade in Zeiten der Coronakrise nicht ignorieren lässt.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine hochaktuelle Studie der Harvard Universität verweisen. Die Forscherinnen und Forscher verglichen die Luftqualität und die Covid-19-To desraten in über 3 000 verschiedenen Kreisen in den USA mit einander. Die Ergebnisse legen nahe, dass Menschen, die über Jahre schlechte Luft einatmen, häufiger schwer oder gar mit tödlichem Ausgang am neuen Coronavirus erkranken.
Demnach machen bereits kleine Differenzen in der Luftqua lität einen großen Unterschied.
Die Zahlen kann ich gern nachliefern. Wenn Sie an Fakten interessiert sind, dann unterstützen wir Sie immer.
Was für den Feinstaub gilt, gilt in gleicher Weise für den ak tuell relevanten Ausstoß von Stickoxiden durch Dieselfahr zeuge. Dabei meinen ja einige hier, einer großen Sache auf der Spur zu sein, weil sie erfahren haben, dass die Stickoxid werte am Neckartor nicht im gleichen Maß zurückgegangen sind wie der durch den Lockdown reduzierte Autoverkehr. Diese Kritiker schlussfolgern daraus, dass Dieselfahrverbote gänzlich überflüssig sind. Ich möchte dazu klar sagen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sagen aus, dass neben dem motorisierten Verkehr ebenso Wind und Wetter einen entschei denden Einfluss auf die Messwerte haben.
Nein.
Das war so, und das wird auch in Zukunft so sein. Maßgeb lich für unsere Entscheidung bleibt daher der Jahresmittelwert – das wurde vorhin ja schon angesprochen –, in dem wetter bedingte Schwankungen über das Jahr hinweg verblassen.
Entscheidungen auf Grundlage einer wöchentlichen Datenba sis sind hingegen nicht valide und sind verantwortungslos.
Darüber hinaus sind die Abschaffung oder die Anhebung der Grenzwerte der völlig falsche Weg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch verrückt: Beim Coronavirus unternehmen wir alles, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, doch bei den Stickoxiden, welche die Gesundheit ebenso gefährden, sollen wir die Gefahren igno rieren und so tun, als hätte es eine solche Gefährdung nie ge geben?
Der richtige Weg ist ein anderer. Wir müssen die Belastung durch geeignete Maßnahmen reduzieren.
Dadurch schützen wir die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und wenden neuerliche Fahrverbote ebenso ab.
Dass entschlossen handelnde Politik dazu in der Lage ist, möchte ich kurz am Beispiel meiner Heimatstadt Reutlingen darstellen. Noch im Jahr 2017 lag in Reutlingen mit über 60 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter der Schadstoff wert weit über dem zulässigen Grenzwert. Reutlingen gehör
te zu den Städten mit der deutschlandweit höchsten Luftver schmutzung. Klagen der Umwelthilfe waren die Folge, und es drohten einschneidende Fahrverbote im gesamten Stadtge biet. Heute sieht die Lage ganz anders aus: Durch eine mo dernisierte Verkehrssteuerung, die Eröffnung des Scheiben gipfeltunnels, Durchfahrtverbote für Lkws und nicht zuletzt den massiven Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sind Fahrverbote für Pkws in Reutlingen abgewendet – bei gleichzeitiger Steigerung der Lebensqualität durch saubere Atemluft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau des Stadtbus netzes wäre nicht möglich gewesen, wenn die Bundesregie rung nicht das von uns angebotene 365-€-Ticket für das ge samte Stadtgebiet finanziell unterstützt hätte.
Leider wird es diese Förderung nicht dauerhaft geben. Des halb, Herr Verkehrsminister Hermann – er hört gerade nicht zu –, sind Sie aufgefordert, den öffentlichen Nahverkehr in Baden-Württemberg dauerhaft zu fördern – nicht mit takti schen Manövern, sondern mit klaren politischen Entscheidun gen.
Konkret fordere ich im Namen meiner Fraktion: Unterstützen Sie die Kommunen beim Ausbau ihrer Busnetze, um die Ab hängigkeit der Menschen vom eigenen Auto zu reduzieren, führen Sie ein 365-€-Ticket für ganz Baden-Württemberg ein, damit die Menschen landesweit mit Bus und Bahn mobil sind, und bitte – im Namen aller Fahrgäste – sorgen Sie endlich da für, dass wir in Baden-Württemberg einen geregelten Betrieb der Regionalbahnen haben.
Nein.
Herr Dörflinger hat die Entschädigungen angesprochen,
die guten Entschädigungen. Erstens werden nicht alle entschä digt, und zweitens, Herr Dörflinger: Die Menschen wollen nicht entschädigt werden, sondern sie wollen sicher von A nach B kommen, sie wollen Sicherheit, sie wollen saubere und schnelle Verbindungen in Baden-Württemberg.
Deshalb, Herr Minister: Reduzieren Sie die massive Anzahl der Zugausfälle und -verspätungen, sichern Sie die notwendi gen personellen Kapazitäten, und verbessern Sie die Anbin dung des ländlichen Raums. Als oberster Fahrdienstleiter ist dies keine parteipolitische Aufgabe, sondern Ihre Dienst pflicht.
An dieser Stelle noch einige Worte an diejenigen, die einwen den, dass gerade der ÖPNV in Zeiten der Coronakrise ein be sonderes Gesundheitsrisiko darstelle. Es ist unstrittig, dass
überall dort, wo sich die Menschen auf einem engen Raum begegnen, das Infektionsrisiko steigt. Da aber aktuell viele Busse und Züge deutlich leerer sind als sonst, kann auch hier der notwendige Abstand häufig eingehalten werden. Die All tagsmasken helfen ergänzend dort, wo es nicht immer mög lich ist.
Die gezielten Ausnahmen bei Dieselfahrverboten in der Lan deshauptstadt schützen zudem besonders gefährdete Men schen. Ich denke also, dass wir hier wirklich pragmatische Lö sungen gefunden haben.
Wer hingegen im Zuge der Coronapandemie am Gesamtkon zept des ÖPNV rüttelt und die Rückkehr zum Individualver kehr beschwört, ist eindeutig auf dem Holzweg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, reißen wir jetzt nicht wieder alle Fortschritte ein, die wir in mühsamer Arbeit erreicht haben, sondern begreifen wir die aktuelle Situation als Chance, um noch besser zu werden. Denn eines ist klar: Das Coronavirus bekommen wir in den Griff, die Herausfor derungen der Klimakrise bleiben jedoch bestehen.
Eine Abkehr vom Klimaschutz auf dem Rücken der Corona krise wird es mit der SPD nicht geben.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Hugo Josef Kauffmann, Pro fessor für Chemie und Textilkunde, galt am Reutlinger Tech nikum als streitbarer Geist und Kämpfer für seine Rechte. So verwundert es nicht, dass der Professor jüdischen Glaubens im Sommer 1933 schnell in das Visier des württembergischen Wirtschaftsministeriums geriet, welches ihn auf der Grundla ge des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamten tums in den vorzeitigen Ruhestand versetzte.
Kauffmann gab nicht schnell klein bei, musste jedoch nach zahlreichen Schriftwechseln mit dem Wirtschafts- und dem Kultusministerium einsehen, dass gegen die rassistischen Ge setze des NS-Regimes kein Ankommen war. Selbst das mu tig erstrittene Ruhegehalt erwies sich schnell als Makulatur, wurde es ihm doch im Rahmen der Judenvermögensabgabe größtenteils wieder entzogen.
Hugo Josef Kauffmann gelang am 22. Februar 1939 die Flucht nach New York. Sein Bruder hingegen blieb in Stuttgart zu rück und starb bei der folgenden Deportation nach Theresien stadt im August 1943.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ergebnisse der Forschungsgruppe zur NS-Vergangenheit badischer und würt tembergischer Ministerien sind eindeutig. Die Landesminis terien waren ein integraler Bestandteil des nationalsozialisti schen Repressionssystems. Sie waren an den rassistischen und politischen Säuberungen öffentlicher Einrichtungen ebenso beteiligt wie am Vollzug des menschenverachtenden Antise mitismus und an der Umsetzung der totalitären Programma tik der Nationalsozialisten.
Dabei war ein weitgreifender Austausch der Verwaltungsbe amten – das wurde vorhin ja schon gesagt – nicht notwendig, vielmehr erfolgte die politische Neuausrichtung durch eine weitgehende Selbstgleichschaltung des Beamtentums.
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs erwarb die große Mehrheit der Beamten die NSDAP-Mitgliedschaft, und – noch schlimmer – nach Ende der NS-Herrschaft blieb das Personal
der Ministerien nahezu unverändert. Eine Entnazifizierung fand nicht statt.
Die Konfrontation mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen ist schmerzhaft, aber zwingend notwendig, denn die ehrliche und selbstkritische Aufarbeitung der Vergangenheit ist von zentraler Bedeutung für die Landesministerien und ihre Be diensteten. Die Landesverwaltung benötigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich der geschichtlichen Verantwortung bewusst sind, sie benötigt starke Persönlichkeiten, die sich für unsere freiheitliche Grundordnung einsetzen und fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Das noch von der grün-roten Landesregierung in Auftrag ge gebene Forschungsprojekt leistet dazu einen wichtigen Bei trag, und ich begrüße sehr, dass die Forschungen nun auf die Zeit nach 1945 ausgeweitet werden. Darüber hinaus schlage ich vor, die Posterausstellung zur Geschichte der Landesmi nisterien in der Zeit des Nationalsozialismus hier im Landtag auszustellen. Hier erfährt sie eine weit größere Aufmerksam keit als die bereits erfolgte Ausstellung im Innenministerium.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Aufarbeiten der eigenen Vergangenheit ist kein Akt der Selbstauflösung, kei ne dämliche Bewältigungspolitik und erst recht kein Schuld kult. Die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur sind singulär, sie sind kein Vogelschiss.
Als Abgeordnete dieses Hauses tragen wir eine besondere Ver antwortung. Wir sind der Spiegel der Gesellschaft, die uns ge wählt hat, wir sind die Stützen unserer Demokratie, und wir sind Vorbild für die Beamtinnen und Beamten in unserem Land. Seien wir uns dieser Verantwortung zu jeder Zeit be wusst!
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Entscheidend ist nicht, woher die Wurzeln kommen, sondern entscheidend ist, wo man Wurzeln geschlagen hat. Ich habe meine Wurzeln hier geschlagen, und ich fühle mich hier zu Hause und liebe natürlich mein Land.
Kommen wir zum Thema.
Diese grün-schwarze Landesregierung macht vieles falsch. Während in anderen Bundesländern massiv in den Ausbau moderner Mobilitätskonzepte investiert wird, gilt im Stuttgar ter Kabinett das Motto: Weniger ist mehr. Damit ist nicht der Autoverkehr in und um Stuttgart gemeint, sondern das Enga gement von Verkehrsminister Hermann. Auch im Bereich der Digitalisierung ist Baden-Württemberg ein riesiges grünschwarzes Loch.
Zwar zeigt die Landesregierung gern auf einzelne leuchtende Sterne, doch können diese nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Dörfer im Schwarzwald noch immer Lichtjahre von ei nem Breitbandanschluss entfernt sind.
Die ganze Hilflosigkeit der Regierung zeigt sich jedoch erst am Beispiel des geplanten Batterieforschungszentrums Ulm. Obwohl alle Fakten dafür sprachen, das Forschungszentrum in Ulm anzusiedeln, gelang es der Landesregierung nicht, die zuständige Bundesforschungsministerin Karliczek zu über zeugen. Noch schlimmer: Den Zuschlag erhielt am Ende Münster, der Nachbarwahlkreis von Frau Karliczek. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Wahlgeschenke statt Ar beit fürs Land, das ist Ihre Forschungspolitik.
Kommen wir aber nun zur Stellungnahme des grün geführten Ministeriums zur Innovationsfähigkeit unserer Hochschulen – eine dankbare Aufgabe, wurden doch kritische Fragen von der grünen Fraktion ausgespart und bei vielen Fragen die pas sende Antwort gleich mitgeliefert.
Als Beispiel für dieses Theater zitiere ich Ihnen die Frage 9 aus dem Antrag:
... ob sie
die Landesregierung –
der Aussage zustimmt, dass es verkürzt wäre, den Inno vationsbegriff auf technische und ökonomische Innovati on zu begrenzen, sondern dass ein zukunftsfähiger Inno vationsbegriff auch soziale Innovationen und Fragen der Nachhaltigkeit umfassen sollte;...
Liebe Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, warum verschwenden Sie die Zeit der Ministerin mit solchen Fragen?
Da uns die im grünen Selbstbeschäftigungsprogramm aufge worfenen Fragen also nicht weiterbringen, konzentriere ich mich in der Folge auf die Fragen, die nicht im Antrag gestellt wurden.
Erstens: Wenn ein Innovationsbegriff Zukunftsfähigkeit, so ziale Innovationen und die Fragen der Nachhaltigkeit umfasst, warum sind unsere Hochschulen dann kein Vorbild für gute Arbeit? So liegt der Anteil unbefristeter Beschäftigung an un seren Universitäten nur bei knapp über 20 %, und die Betreu ungsrelation zwischen Professoren und Studierenden ist mehr als ausbaufähig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, beim Thema Hoch schulfinanzierung wäre es nicht redlich, aus der Opposition heraus Luftschlösser zu bauen. Aber eine unbefristete Anstel lung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist doch nicht die goldene Turmspitze, sondern das Fundament eines innovati onsfähigen Hochschulbetriebs.
Zweitens reicht es beim Thema Digitalisierung nicht aus, nur einzelne prestigeträchtige Schaufensterprojekte zu fördern, sondern es braucht einen grundlegenden Wandel, damit an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen die Digitalisie rung auch vorangetrieben werden kann. Dies betrifft die Leh re, die Vernetzung der Wirtschaft und Big Data, aber auch ITAusstattung und Campusmanagementsysteme.
Nein, ich würde gern weiterfah ren.
Und drittens ist es nicht weiter hinnehmbar, dass HAWs und die DHBW bei der Finanzierung weiterhin deutlich schlech ter gestellt sind als die Universitäten.
Wir sind zu Recht stolz auf die Arbeit an unseren Hochschu len. Sorgen wir mit einer anständigen Finanzierung dafür, dass die Forscherinnen und Forscher dies auch in ihrer täglichen Arbeit erleben.
Um die Innovationskraft Baden-Württembergs dauerhaft si cherzustellen, sind Maßnahmen an den Hochschulen selbst je doch bei Weitem nicht genug. Es braucht ein ganzheitliches Konzept, das nicht erst an den Hochschulen ansetzt, sondern schon viel früher. Die Landesregierung ist hier handlungsun fähig und gefährdet die Zukunft junger Generationen.
Deshalb hat die SPD in ihrem Leitantrag zur Bildungspolitik zahlreiche Forderungen formuliert. Erstens – –
Ich komme gleich zum Schluss. – Erstens: Abschaffung der unsozialen Kitagebühren. Zwei tens: Förderung der rhythmisierten Ganztagsschulen. Und drittens: Abschaffung aller Studiengebühren.
Denn für uns ist klar – –
Mein letzter Satz. – Für uns ist klar: Wenn Bildung den Innovationsstandort fördern soll, dann darf sie nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Seit 2010 gelten in Deutsch land wie in der ganzen EU strengere Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide, Grenzwerte, die gut begründet sein müssen und deren Konsequenzen nicht einseitig zulasten weniger Be troffener gehen dürfen. Dass die Grenzwerte ehrgeizig und streng sind, kann man auch daran erkennen, dass es außerhalb der EU kaum strengere Grenzwerte gibt.
In Kalifornien z. B., das in diesen Fragen ja als besonders fort schrittlich und streng gilt, gelten 57 Mikrogramm für NOx.
Außerdem wird nicht wie bei uns in Deutschland direkt ne ben der Straße gemessen. Mit der dortigen Regelung stünde bei uns also kein einziges Fahrverbot im Raum. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss uns zu denken geben.
Doch wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass wir hier im Land Grenzwerte nicht nach Belieben ändern können. Die Ge
setzeslage ist eindeutig, und die parlamentarische Mehrheit ist nicht bereit, eine entsprechende Initiative zu starten. Aber ebenso eindeutig können und müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, für einen verhältnismäßigen Umgang sorgen und uns dem Thema stellen.
Knapp acht Wochen ist es her, dass in Stuttgart deutschland weit das größte Fahrverbot für Dieselfahrzeuge eingeführt wurde. Regelmäßig kommt das Thema zur Sprache, fast wö chentlich ist davon in der Zeitung zu lesen. Es ist ein Thema, das bewegt – bei einem so weitreichenden Eingriff zu Recht.
Auch politisch birgt das Thema Sprengkraft, vor allem bei der CDU, die im Land gespalten ist.
So langsam kann sie sich auf kleine Kompromisse mit Herrn Kretschmann einigen – reichlich spät, wie ich meine,
denn der Schaden ist immens, und viel Vertrauen ist zerstört.
Die nun erzielten Kompromisse hängen sicherlich auch mit der jüngsten Mitteilung der EU-Kommission zusammen, wo nach sie keine grundsätzlichen Bedenken hat, eine Verhältnis mäßigkeit von Fahrverboten erst ab einer durchschnittlichen Belastung von 50 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft anzuerkennen.
Für viele Städte in unserem Land ist das eine gute Nachricht. Sollte diese Regel tatsächlich Anwendung finden, müsste das Thema Fahrverbote z. B. auch für meine Heimatstadt Reut lingen vom Tisch sein.
Für Stuttgart bedeutet diese Mitteilung jedoch kein Ende der Fahrverbote, wie in dem gerade debattierten Antrag verlangt wird. Jedoch machen die jüngsten Meldungen aus dem Koa litionsausschuss auch für die Landeshauptstadt Hoffnung. So begrüßen wir die Freigabe der Park-and-ride-Parkplätze für Euro-4-Diesel.
Richtig. Wir haben es ja schon lange gefordert.
Auch die Erhöhung der Anzahl von Messstationen von 14 auf 52 ist ein wichtiger Schritt in Richtung repräsentativer Mess werte für die Stadt.
Wichtiger als die Messstationen selbst werden jedoch die Kon sequenzen sein, die diese Landesregierung aus den neuen Er kenntnissen schlussfolgert. Denn so scheint es aktuell vielen Akteuren nicht um die Umwelt zu gehen, sondern allein um den Kampf gegen das Auto auf der Grundlage einer strengst möglichen Auslegung der Grenzwerte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Werte sind auch so ein Thema, das so manchen von Ihnen eigentlich in Verlegenheit bringen müsste. So wird z. B. kräftig für eine Flottenerneuerung geworben – am besten schafft sich jeder Haushalt neben einem Stromer auch einige E-Bikes an –, ein Umstand, gegen den nichts einzuwenden wäre, wenn das nicht zeitgleich bedeuten würde, dass Hunderttausende von Fahr zeugen aus der Region in Drittländer verschifft werden oder gar verschrottet werden sollen – von den Auswirkungen der Batterieproduktion, der Förderung von Seltenen Erden oder von späteren Entsorgungsproblemen mal ganz zu schweigen. Es ist schon komisch, dass sich die Grünen daran gar nicht stören.
Lieber Herr Kollege Katzenstein, diese Mentalität hat mit Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit nichts zu tun. Das ist reiner Zweckegoismus.
Ich hoffe, dass diese Überlegungen zukünftig auch eine Rol le spielen werden, und unterstreiche daher nochmals die mit Vorsicht zu genießende, im Ansatz positive Entwicklung, die sich aktuell bei diesem Thema abzeichnet.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Landesre gierung zur Umsetzung des neuen BW-Tarifs fragen:
a) Weshalb ist der neue Baden-Württemberg-Tarif nur elekt
ronisch über die App und am Bahnhof, nicht aber an den Automaten der Verkehrsverbünde erhältlich?
b) Weshalb sind der Geltungsbereich des Baden-Württem
berg-Tarifs und der des Baden-Württemberg-Tickets nicht identisch, sodass man beispielsweise mit dem Baden-Würt temberg-Ticket nach Lindau fahren kann, nicht aber mit dem Baden-Württemberg-Tarif?
Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass die SPD das JobTi cket unterstützt, steht außer Frage.
Wir haben es schließlich gemeinsam mit den Grünen initiiert. Der nicht ganz neue Gedanke dahinter lautet: Das Land soll den Beschäftigten helfen, vermehrt öffentliche Verkehrsmit tel zu nutzen. Die Hilfe findet dabei durch die finanzielle Un terstützung statt. Frau Kollegin Zimmer hat es erwähnt: Es gibt seit Neuestem 5 € mehr. So weit, so gut.
Ich meine, das sollte in Zeiten von Fachkräftemangel und Fahrverboten eigentlich kein bemerkenswerter Vorgang mehr sein. Erstaunlicher sind hier die Ergebnisse, die dieser nicht allzu neue Antrag zutage förderte. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum wir hier so lange auf diese Debatte war ten mussten. Ich glaube nicht, dass die beiden Kollegen Schwarz und Katzenstein ihrem Minister mit diesem Antrag einen Ge fallen getan haben.
An dieser Stelle möchte ich gleichwohl meinen Respekt ge genüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministeri um ausdrücken. Die Stellungnahme wirkt dank viel Interpre tationskunst und sehr schönen Charts als Erfolg – was man den Beiträgen der Vorrednerinnen und des Vorredners auch anmerken konnte.
Immerhin steht am Ende des Titels von Abbildung 6 – „Wir kung JobTicket BW auf Klima und Schadstoffbelastung?“; das sind ja Punkte, die Sie auch schon angesprochen haben – ein ganz dickes Fragezeichen.
Aber kommen wir zum Antrag zurück. Schauen wir uns doch das Ergebnis in der Stellungnahme an. Trotz stetigem Zuwachs beanspruchen nur magere 10 % aller Anspruchsberechtigten das JobTicket, also knapp 22 000 der über 200 000 Mitarbei terinnen und Mitarbeiter. Für die Übrigen ist das JobTicket leider keine interessante Alternative.
Herr Kollege Schuler hat vorhin gesagt, 10 % seien umgestie gen. Das ist natürlich nicht ganz richtig, weil ja sehr viele das ÖPNV-Angebot schon vorher genutzt haben. Da gab es sicher lich auch Mitnahmeeffekte.
Zudem haben wir bei diesen knapp 22 000 einen deutlichen Schwerpunkt in den Regionen Stuttgart und Freiburg. Dass die Nutzung in Ballungsräumen in relativen wie auch in ab soluten Zahlen höher ist, liegt sicherlich neben der Konzent ration von Ministerien oder anderen Landeseinrichtungen auch an der besseren Angebotsdichte von öffentlichen Ver kehrsmitteln in urbanen Regionen.
Ein ebenso großer Anteil von Nutzerinnen und Nutzern hat, wie gesagt, den ÖPNV bereits vorher genutzt. Das ist auch nicht verwunderlich, schließlich sucht der rationale Mensch das für sich praktischere Verkehrsmittel.
Eine gute Anbindung und ein gutes Angebot erhöhen entspre chend die Chance, dass die Menschen das öffentliche Ver kehrsnetz nutzen. Es ist daher wichtig, dass der Komfortver lust kompensiert wird, ein Komfortverlust, der durch etwaige Umstiege, längere Fußwege oder das Risiko von Verspätun gen oder gar Ausfällen begründet ist.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es unumgäng lich, dass wir sowohl den ÖPNV als auch den Schienenper sonennahverkehr kräftig ausbauen und möglichst auch noch den Takt weiter verbessern.
Da können Sie ruhig klatschen, Herr Katzenstein. – Denn dann müssen wir auch keine Hochrechnungen über theore tisch gesparte CO2- und NOx-Emissionen besprechen. Hier geht es um Maßnahmen, die im Gesamten eine jährliche Re duktion um ca. 1 300 t CO2 ausmachen; Herr Kollege Schu ler hat es vorhin schon erwähnt. Aber wir müssen es einmal ins Verhältnis setzen. Wenn alle MdLs in diesem Parlament einmal nach New York und wieder zurück fliegen, erzeugt dies bereits einen CO2-Ausstoß von 500 t.
Schon der Helikopterflug über 167 km von Rheinfelden nach Bad Wurzach verursachte 1 t CO2.
Ich komme mit der Bahn,
wenn sie denn pünktlich fährt. Leider stehe ich oft in Reutlin gen am Bahnhof und muss dann erfahren, dass sich die Bahn fünf Minuten verspätet, dann zehn Minuten verspätet und dann womöglich gar nicht kommt. Ich weiß, wovon ich spre che. Fragen Sie mal Ihren Fraktionskollegen aus meinem Wahlkreis, wie der hierherkommt.
Ich komme zum Schluss. Ich bin gerade noch auf die Zwischenrufe eingegangen. Sie ent schuldigen, Frau Präsidentin.
Wie erwähnt, unterstützen wir das JobTicket aus vollem Her zen und fordern gar einen weiteren Ausbau. Ärgerlich ist an dieser Stelle daher neben dem schwachen Zuspruch zum Job Ticket, dass hier eine überschaubare Bilanz als Erfolg verkauft wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so sollten Sie mit Da ten und Fakten nicht umgehen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Sckerl, für das Zulassen der Frage. – Ich freue mich natürlich, dass Sie dem Antrag der Stadt Reutlingen und des Gemeinde rats mit Sympathie begegnen. Ich frage mich aber, wie Sie die Entscheidung des Gemeinderats bewerten. Übergehen Sie mit diesem Entschließungsantrag nicht auch ein Stück weit das Votum des Gemeinderats?
Zur Frage des Gemeinwohls, die Sie jetzt zu Recht angespro chen haben, hätte ich eine Nachfrage: Der Antwort auf die Große Anfrage entnehme ich, dass es um die Steigerung der Leistungsfähigkeit von Kommunen geht. Was heißt das? Wä re das durch den Stadtkreis gegeben? Die Effizienz der kom munalen Aufgabenwahrnehmung durch den Stadtkreis wäre gegeben. Die Sicherung und Solidität der Haushalte wären nach meiner Ansicht durch den Stadtkreis auch gegeben. Auch eine Sicherung der umfassenden Daseinsvorsorge wäre durch den Stadtkreis gegeben. Oder sehen Sie das anders?
Vielen Dank, Herr Kollege Po reski, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben gesagt, es dürfe so nicht weitergehen. Es wurde jetzt immer wieder gesagt, es sei etwas entschieden worden. Ich sehe es nicht so, dass es sich um eine Entscheidung handelt.
Es wurde immer dieser Dialog angesprochen. Nach dreiein halb Jahren soll jetzt ein Dialog stattfinden. Ich frage Sie: Wie sieht es bezüglich der Verbindlichkeit dieses Dialogs aus? Wie verbindlich soll er sein, und was für einen Zeithorizont soll dieser Dialog haben? Wenn es schon dreieinhalb Jahre gedau ert hat, bis wir so weit sind, wie lange soll dann hier der Zeit horizont sein?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister Hermann!
a) Werden – neben Einzelfahrscheinen und Tagestickets –
auch streckengebundene Wochen- und Monatskarten bzw. Jobtickets nach Stuttgart für Pendlerinnen und Pendler aus dem Raum Reutlingen/Tübingen und anderen Verkehrsver bünden mit Einführung des neuen Baden-Württemberg-Ti ckets bzw. mit der Tarifstruktur der Verkehrs- und Tarifver bund Stuttgart GmbH (VVS) günstiger?
b) Welche Möglichkeiten haben Fahrgäste mit streckengebun
denen Einzelfahrscheinen, Wochen- oder Monatskarten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und ohne Zusatzkosten vom Hauptbahnhof Stuttgart Richtung Reutlingen bzw. Tü bingen zu gelangen, wenn sich im abendlichen Berufsver kehr – was leider sehr oft vorkommt – gleich mehrere Zü ge in Folge erheblich verspäten, ausfallen und wenn zeit gleich auch die S-Bahn Richtung Herrenberg entfällt?
Bedeutet diese Möglichkeit, die Sie jetzt zur zweiten Frage erläutert haben, einen enormen zeitlichen Mehraufwand, oder ist der zeitliche Aufwand un gefähr gleich?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr geht mit großen Schritten auf Weihnachten und das Jahresende zu – eine schö ne Zeit, wie man meinen sollte. Der erste Advent steht vor der Tür. Doch statt aufkommender Besinnlichkeit vernehme ich bei vielen Menschen eine zunehmende Verunsicherung, die sich teilweise zwischen Wut und Resignation bewegt, eine Verunsicherung, da wir jetzt trotz des Fahrverbots ab dem neu en Jahr in Stuttgart für betroffene Menschen keine wirklichen Lösungsvorschläge bieten – eines Fahrverbots, welches schät zungsweise 500 000 Fahrzeuge in der gesamten Region be trifft oder deren Nutzung zumindest stark einschränken wird.
500 000 Menschen wird und wurde ein erheblicher Schaden zugefügt, Menschen, die teilweise aufgrund der Diesel-Ver sprechen der Autoindustrie ein solches Auto gekauft haben, teilweise auf Kredit, den sie immer noch abbezahlen müssen und damit auch den Schaden bezahlen müssen.
Das sind Menschen, für die ein Grenzwert von 40 Mikro gramm pro Kubikmeter eine andere Bedeutung hat als ein Grenzwert von 100 Mikrogramm pro Kubikmeter – was im Übrigen dem Grenzwert in den USA entsprechen würde –, Menschen, für die ein solcher höherer Grenzwert dann keine Entwertung ihres Besitzes, ja, keine Einschränkung ihrer Mo bilität bedeuten würde. Das sind Betroffene, die sich nach vollziehbar Fragen stellen, wenn sie in den Medien von Ex perten hören, der Grenzwert sei willkürlich – Aussagen wie die von Alexander Kekulé, einem Arzt und Biochemiker, der sagt, der Grenzwert sei aus medizinischer Sicht schlicht Un sinn.
Verstärkt wird die Unsicherheit auch millionenfach, wenn in der Timeline Berichte auftauchen, dass Messstationen falsche Ergebnisse liefern, also Pollen die Messwerte verfälschen.
Ich würde gern fortfahren.
Im Kern wollen die Menschen eine nachvollziehbare Erklä rung für diesen sehr konkreten Schritt. Denn eines ist für die Betroffenen klar: Ihnen erfolgt aus den Messergebnissen und den Grenzwerten ein unverhältnismäßiger Schaden, ein Scha den, den man, sollte er nicht kompensiert werden, zumindest
mit guten Erklärungen rechtfertigen müsste – verständlich, wie ich meine.
Statt diesen Menschen ein transparentes Verfahren oder eine klare Antwort zu ermöglichen, erhalten sie neben all den ver wirrenden Nachrichten einen Werbebrief vom Kraftfahrt-Bun desamt, in welchem von staatlicher Seite aus interessante Tat sachen aufgezeigt werden. So heißt es:
Die Maßnahme zur Hardware-Nachrüstung befindet sich derzeit noch in der Ausarbeitung und wird erst im Laufe des Jahres 2019 zur Verfügung stehen.
Und weiter:
Durch Ihr Mitwirken bei der Flottenerneuerung kann die Luft in unseren Städten weiter verbessert werden, ohne dass Sie eine Einschränkung für Ihr Mobilitätsverhalten fürchten müssen.
Das ist eine Einschränkung, die ab dem 1. Januar 2019, also in 34 Tagen, in weniger als 816 Stunden, in Stuttgart zur Re alität wird, eine Einschränkung, die ab Neujahr im ganzen Stadtgebiet greift, also bereits in der Silvesternacht – in der über 5 000 t Feinstaub freigesetzt werden; eine Menge, die etwa 17 % der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Fein staubmenge entspricht. In dieser Nacht wird das Fahrverbot in Kraft treten und damit für viele Menschen nur eine Lösung zulassen: die Flottenerneuerung auf eigene Kosten.
Den Verweis auf Alternativen, den wir vorhin gehört haben, auf öffentliche Verkehrsmittel, kann man angesichts der Prei se und der Pünktlichkeitsquoten der Bahn für viele Menschen als nicht alltagstauglich zurückweisen.
Auch werden die neuen Fahrradstraßen beispielsweise für ei nen Großteil der über 55 000 Ein- und Auspendler, die täglich nach Reutlingen oder von Reutlingen fahren, keine Lösung sein – meine Heimatstadt, für die nach wie vor das Risiko von Fahrverboten besteht, allerdings nicht unmittelbar, wie für Stuttgart, wo täglich 224 000 Menschen einpendeln und knapp 92 000 Menschen auspendeln.
84 % aller Pendler nutzen laut einer Studie das Auto oder das Motorrad. Ein relevanter Teil dieser Fahrzeuge werden Diesel fahrzeuge sein. Diesen Pendlern und allen betroffenen Men schen sollten wir gut erklären, warum der Grenzwert so festge legt wurde, wenn wir keinen dauerhaften Vertrauensverlust in unser Rechts- und politisches System erhalten wollen.
Diese Erklärung beginnt mit einem weitreichenden Konsens. Wir wollen in unseren Ballungsräumen bessere Luft haben, eine bessere Lebensqualität. Einig sind wir uns mit Blick auf die objektiven Daten hoffentlich auch, dass die Luft in unse ren Städten in Summe in den letzten Jahrzehnten deutlich bes ser geworden ist. Es ist uns nicht nur gelungen, die Schwefel dioxid- und Bleibelastung drastisch abzusenken, sondern Feinstaubkonzentrationen, Benzol- und Stickoxidkonzentra tionen gehen ebenfalls kontinuierlich zurück.
Nicht rückläufig jedoch sind die CO2-Emissionen des Auto verkehrs, weil die Zahl der Fahrzeuge steigt, unsere Gesell schaft immer mobiler ist und auch ein Trend zu größeren Fahr zeugen besteht.
Aber zurück zum Stickoxid: Nachdem man beim Feinstaub allmählich Entwarnung geben kann und die Werte in unserer Luft erfreulicherweise sinken, sind die Schwefeldioxidemis sionen aus Dieselautos gestiegen – nicht zuletzt wegen der Anstrengungen der Ingenieure, den Feinstaubausstoß zu sen ken. Nun sind wir teilweise in eine unsinnige Diskussion ge schlittert.
Böse Diesel sollen durch gute Benziner ersetzt werden – zu mindest da, wo ein Elektroauto nicht infrage kommt oder be zahlbar ist. Damit aber steigen die CO2- und auch die Fein staubemissionen wieder an.
Es gibt nämlich keine emissionslose Mobilität, und es gibt kein emissionsloses Leben.
Vor diesem Hintergrund muss man selbstverständlich dafür plädieren, den strengen und international sehr ehrgeizigen Grenzwert für Stickoxid auch neuen Analysen, Studien und Untersuchungen zu unterziehen. Denn die Kritiker sind ja kei ne ahnungslosen Spinner, sondern ausgewiesene Lungenfach ärzte und andere Experten.
Die Konsequenzen für die betroffenen Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer sind zu einseitig und zu hart.
Doch für uns im Jetzt und Hier gilt: Wir leben in einem Rechtsstaat.
Das ist gut, und das ist ein großes Glück für unser Land. Des halb gelten die Grenzwerte und Gesetze, die festgelegt bzw. erlassen wurden. Weder Richter noch Regierungen oder Kom munen können sie ignorieren – auch wenn sie umstritten sind.
Wie eingangs gesagt, befreit uns das jedoch nicht davon, den Menschen eine gute Begründung für die kommenden Ein schränkungen zu liefern, eine Begründung, die auch von der Landesregierung geliefert werden muss.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ehemaliger Raucher, ich habe über 20 Jahre lang geraucht. Ich habe – das muss ich gestehen – lange gebraucht, bis ich verstanden habe, dass Rau chen nichts bringt. Ich habe damit aufgehört.
Das kann ich mir aussuchen. Aber ich habe ja vorhin gesagt: 224 000 Menschen pendeln täglich nach Stuttgart ein, und 92 000 pendeln aus. Und die Zahlen steigen. Ich sehe das an den Zahlen in meiner Region, in meinem Wahlkreis, und ge nauso ist es hier auch.
Die Zahl der Pendlerinnen und Pendler steigt. Eine Schicht arbeiterin oder ein Schichtarbeiter kann es sich nicht aussu chen,
ob sie oder er zur Arbeit fährt oder nicht. Darum geht es. Es geht um die Mobilität der Menschen. Diese nimmt zu. Das müssen wir hier einfach sehen.
Natürlich sind Grenzwerte Vorsorgewerte; keine Frage, Herr Minister. Das wissen wir. Aber es geht hier auch um Vorsor ge bei der Mobilität. Sie als Minister sollten für mehr, für sau bere und für bezahlbare Mobilität sorgen, und das tun Sie nicht.
Glauben Sie denn, dass sich die Menschen freiwillig auf der B 27 in den Stau stellen?
Sie müssen Alternativen schaffen,
und die schaffen Sie nicht. Nein!
Gehen Sie an den Bahnsteig, sprechen Sie einmal mit den Leuten hier in Stuttgart, und fragen Sie sie, was sie von dem Angebot halten. Dann werden Sie hören: nicht viel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Innovationen und Erfindun gen sind stets mit Risiko und einem hohen persönlichen Ein satz verbunden. Das gilt heute genauso, wie es 1885 für Benz oder Daimler galt. So wie viele große Erfinderinnen und Er finder unseres Landes zu ihrer Zeit suchen auch wir heute durch Visionäre und Erfinder nach Lösungen.
Im Kern geht es oftmals darum, das Leben von betroffenen Menschen durch neue Ideen zu verbessern, Lösungen für Pro bleme zu finden. Aber manchmal geht es auch nur um die Su che nach besseren Wegen für bestehende Herausforderungen. Dabei müssen wir zwischen echten Innovationen und Plagia ten unterscheiden. Es geht darum, neue Visionen und Heran gehensweisen zuzulassen, statt nur alte Konzepte grün anzu streichen.
So in Baden-Württemberg: Die letzte Erfindung im Verkehrs bereich, die dieser Verkehrsminister und seine Partei vorbe haltlos unterstützen, ist das vor 200 Jahren erfundene Fahrrad – zumal das dann auch noch in der Öffentlichkeit als Fort schritt vermarktet wird. Dabei müssen wir uns in Baden-Würt temberg mit einer Exportquote von 40 % der Wirtschaftsleis tung, also dem Export von Innovationen aus unserem Land, besonders Gedanken darum machen, was heute notwendig ist, um morgen erfolgreich zu sein.
Die Mobilität ist dabei entscheidend. Denn wenn Sie die Mo bilität der Menschen einschränken, statt diese zu ermöglichen, ist der Erfolg unseres Landes nicht mehr sicher. Da stellt sich die Frage heute mehr denn je: Was müssen wir – im urbanen wie auch im ländlichen Raum – heute tun, um morgen mobi ler zu sein?
Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig, und manche Tei le der Lösungen können früher umgesetzt werden als andere. Ein wichtiger Teil ist die langfristige Verlagerung der Mobi lität, z. B. in den dreidimensionalen Raum, oder neue Mobi litätskonzepte, wie sie in anderen Teilen der Welt bereits heu te mehr und mehr zur Realität werden: Drohnen für den Trans port von Gütern und Menschen, neue autonome Mobilitäts konzepte für Mensch und Logistik, eine emissionsfreiere, günstigere, schnellere und bessere Mobilität für alle Men schen.
Doch lassen Sie uns von den wünschenswerten Visionen zur Realität zurückkommen. Denn diese ist in Baden-Württem berg im Jahr 2018 eine andere. Von außen in das Schaufester der grün-schwarzen Landesregierung geblickt, scheint das An
gebot reich und nachhaltig. Aber wenn wir den Laden betre ten, dann zeigt sich ein anderes Bild: grün-schwarz lackierte Projekte ohne Vision und Zukunft –
ohne Vision und Zukunft im Schatten der Fahrverbote –,
Züge, die verspätet oder gar nicht verkehren, weil Schotter im Gleisbett fehlt,
Bahnhöfe ohne Wi-Fi, Bahnhöfe, die trotz alternder Bevölke rung nicht barrierefrei sind.
Nicht einmal flächendeckendes Internet gibt es im Jahr 2018. Der Landesregierung ist aber ihr Image und der Schein um die emissionslose Mobilität ihrer Minister mehr wert als wah re Innovation.
So lässt sich die Landesregierung ihre eigene Elektromobili tät mehr kosten, als sie für das Testfeld Autonomes Fahren – von dem Sie ja vorhin auch gesprochen haben – oder das För derprogramm Smart City zur Verfügung stellt.
Zusammengefasst: Die großen und kleinen Würfel mit viel Potenzial enden und türmen sich zu einem Haufen unglückli cher Ansätze. Chancen werden unglücklich vergeben. Um zwei weitere zu nennen: „moveBW“ und ein pünktlicher und bezahlbarer Nahverkehr. Nichts, nichts von alldem ist im Jahr 2018 in unserem Land Realität.
Wie wollen wir denn den beiden Anträgen mit den hochloben den Titeln „Daheim im Innovationsland: Innovationen für ei ne moderne und nachhaltige Mobilität der Zukunft“ und „Mo bilitätsland Baden-Württemberg stärken – innovativ den Ver kehr der Zukunft gestalten“ unsere Aufmerksamkeit, ja unse re Glaubwürdigkeit schenken? Ich lese darin nur eines:
gut klingende Begriffe, Begriffe wie Innovation und Nachhal tigkeit. Erkennen kann ich aber nur veraltete, grün lackierte Konzepte ohne Raum für Innovation und Nachhaltigkeit.
Und ich sehe eine Welt im Fortschritt – –
Und ich sehe eine Welt im Fort schritt, die uns in vielen Bereichen Tag für Tag weiter abhängt.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Berichterstattung, welche durch Messungen des renom mierten KIT vom vergangenen November angestoßen wurde, hat einigen Staub aufgewirbelt. So berichtete u. a. der FOCUS in einem Artikel mit dem Titel „Stickoxid-Werte in Stuttgart: Wissenschaftler stellen Messdaten in Frage“ von erheblichen Abweichungen zwischen den Ergebnissen des KIT und den offiziellen Messdaten.
Die SPD hat daraufhin eine Anfrage an die Landesregierung gestellt – mit guter Begründung, bei einer in Aussicht gestell ten Beurteilung der Folgen der offiziellen Werte. Die Antwort lautete: Um die Umweltbelastung vor Ort konkret festzustel len, wurden und werden Messstationen nach festgelegten Kri terien aufgestellt.
Über die Richtigkeit von deren Standorten kann man sicher lich im Detail streiten, und streiten kann man sicher auch da rüber, ob der jetzige Standort am Neckartor in jeder Hinsicht repräsentativ für die Belastungen in diesem Bereich der Stutt garter Innenstadt ist. Wichtig ist allerdings eines: Alle Mess daten werden nach den gleichen Maßstäben bewertet. Eine Bewertung nach dem Motto „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ darf es nicht geben. In dieser Hin sicht hat das KIT mit seinem Bericht vor allem eines bewirkt: Es hat die Situation verdeutlicht.
Erstens: Die Politik muss sich unangenehmen Fragen auch in Bezug auf die politische Verantwortung im Zusammenhang mit drohenden Fahrverboten stellen. Das Thema ist noch lan ge nicht ausdiskutiert, und die Folgen sind nicht absehbar.
Zweitens: Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern gegen über gut begründen, was wie und wann passiert. Unsere Fra gen müssen die richtigen sein, und unsere Antworten müssen überzeugen. Schaffen wir dies nicht, werden die Populisten das Thema für sich nutzen.
Je länger die Diskussion um Fahrverbote dauert – – Wenn Sie sich angesprochen fühlen, kann ich auch nichts dafür.
Je länger die Diskussionen um Fahrverbote dauern, desto kla rer wird auch, dass die Messwerte am Neckartor für den Ver kehrsminister nur einen perfekten Vorwand dafür geliefert ha ben, mit dem Vergleich vom April 2016 seinen Feldzug gegen die Automobilindustrie und gegen den Diesel zu beginnen.
Fahrverbote waren schon immer sein Ziel, Herr Dr. Schütte. Wie anders als mit Fahrverboten hätte er sonst das Ziel von 20 % weniger Fahrzeugen – nicht 20 % weniger Schadstoffe
erreichen sollen? Dass er dabei das Verschlechterungsver bot an anderer Stelle offensichtlich übersehen hat, bleibt die Tragik dieses Ministers. Deshalb musste er auch zähneknir schend die Zusage des Landes zu diesem Vergleich zurück ziehen.