M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. D r. F r i e d r i c h B u l l i n g e r F D P / D V P – P i l z d r u c k i n ö k o l o g i s c h b e w i r t s c h a f t e t e n R e b l a g e n
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der „Heilbronner Stimme“ in der Ausgabe „Hohenloher Zeitung“ ist zu lesen:
Die EU-Rechtsverschärfung trifft Bio-Wengerter hart. Ohne eine Lockerung droht dem ökologischen Weinbau im Land das Aus.
tuelle Problematik des Pilzdrucks durch Peronospora in ökologisch bewirtschafteten Reblagen in Baden-Württem berg im Zusammenhang mit den stark eingeschränkten Möglichkeiten des Pflanzenschutzes infolge des gesetzlich bedingten Wegfalls von Phosphonaten auf dem Markt für Pflanzenschutzmittel?
das deutsche Pflanzenschutzrecht sowie im Bereich der Re benzüchtung, um den ökologischen Weinbau in BadenWürttemberg zu erhalten?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich beantworte die Frage des Herrn Abg. Dr. Bullinger unter Buchstabe a wie folgt:
Es stimmt: Die anhaltenden Niederschläge der letzten Wochen haben zu Krisensituationen bei der Bekämpfung des Falschen Mehltaus, der auch noch Peronospora genannt wird, geführt. Speziell Bioweinbetriebe in Baden-Württemberg haben hier besondere Probleme.
Die Ursachen für die schwierige Situation in den Bioweinbe trieben sind zum einen die starken Niederschläge der letzten Wochen und zum anderen, dass Kaliumphosphonate – Sie ha
ben es erwähnt – im Bioweinbau aktuell nicht mehr zugelas sen sind. Der Einsatz von Kaliumphosphonaten war bis 2013 als Pflanzenstärkungsmittel im Bioweinbau zugelassen. Auf EU-Ebene wurde diese Stoffgruppe danach als Pflanzenschutz mittel deklariert und ist damit bei den Biobetrieben ausgefal len.
Damit hat man den ökologisch wirtschaftenden Weinbaube trieben in den niederschlagsreichen mitteleuropäischen Regi onen gewissermaßen den Boden für eine nachhaltige Bewirt schaftung der Rebflächen entzogen, und es sind schwierige Zeiten angebrochen. Mit nur 3 kg bzw. 4 kg Kupfer pro Hek tar – ich komme nachher darauf zu sprechen – kann in sol chen Jahren die Rebenperonospora in Deutschland nicht aus reichend bekämpft werden. Letztes Jahr, 2015, war das gar kein Problem, weil der Sommer sehr trocken war. Sonst wä re es schon 2015 aufgefallen.
Die Frage unter Buchstabe b möchte ich ebenfalls gleich be antworten. Darin geht es darum, was man unternommen hat. Hierzu ist bereits ein Termin mit der EU-Kommission in Brüs sel in Vorbereitung, um das Thema Kaliumphosphonat zu be sprechen.
Die auf europäischer Ebene erforderliche Rechtsanpassung wird aus heutiger Sicht nicht einfach werden. Denn man hat bereits den Bundeslandwirtschaftsminister eingeschaltet, der an Agrarkommissar Hogan geschrieben hatte. Dieser hat es höchstpersönlich abgelehnt, Kaliumphosphonat wieder als Stärkungsmittel einzusetzen.
Darüber hinaus sind in der Vergangenheit auch im Kanon der Rebenregionen Europas schon Vorstöße gemacht worden, aber die anderen Regionen haben kein Interesse daran; denn das trifft in erster Linie die mitteleuropäischen Regionen mit hö heren Niederschlagsmengen.
Außerdem hat Baden-Württemberg am 23. Juni 2016 zusam men mit Rheinland-Pfalz als größtem weinbautreibenden Land einen Antrag beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf eine weitere Erhöhung der Reinkupfermenge zur Bekämpfung der Peronospora gestellt, und zwar wollten wir von 4 auf 6 kg pro Hektar und Jahr er höhen. Mittlerweile wurde dieser Antrag leider abschlägig be schieden.
Herr Minister Hauk hat aufgrund der sich abzeichnenden Kri sensituation im ökologischen Weinbau kurzfristig – bereits am 20. Juni – zu einem Gespräch der Weinbauverbände – auch der Deutsche Weinbauverband war anwesend – und der Ver bände des ökologischen Landbaus eingeladen und die Sach- und Rechtslage ausführlich mit ihnen beraten. Dabei wurden die Besonderheiten des Jahres 2016 und die aktuellen Hand lungsmöglichkeiten angesprochen.
Um den Ökoweinbaubetrieben in Baden-Württemberg kurz fristig eine Alternative zu geben, wurde ein sogenannter Groß versuch zum Einsatz von Kaliumphosphonat in kritischen Flä chen ermöglicht. Die Ökoweinbaubetriebe in Baden-Würt temberg wurden aufgefordert, alle in Bezug auf Peronospora befall kritischen Flächen, die mit Kaliumphosphonat behan delt werden müssen, umgehend zu melden.
Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. Man hört: Das ist eine ehemalige Wein königin und eine wirkliche Fachfrau, die von diesem Thema etwas versteht.
Ich habe trotzdem noch eine Frage. Ich selbst habe ein biss chen Probleme mit dem Thema „Einsatz von Kupfer“, was das Rückstandsproblem und die Anreicherung dieses zwar gif tigen, aber anscheinend doch erforderlichen Mittels im Boden angeht. Wie beurteilen Sie das?
Vor allem: Es nützt ja nichts, einen Großversuch anzukündi gen. Es geht vor allem um Betriebe, die in ihrer Existenz be droht sind. Deshalb frage ich: Welche Möglichkeiten der fi nanziellen Unterstützung sehen Sie, um in einem so schwie rigen Jahr wie diesem ausnahmsweise eventuell zu helfen, bei spielsweise durch Steuerstundung durch das Finanzministeri um oder anderes? Beispielsweise könnte über die Landesbank geholfen oder sonstige Unterstützung geleistet werden. Sieht man so etwas vor, um zumindest dem einen oder anderen Be trieb zu helfen, damit er diese Zeit übersteht?
Zunächst einmal zur Frage zur Schädlichkeit von Kupfer: Kupfer – das wissen wir alle aus dem Chemieunterricht – ist ein Schwermetall. Wenn es ausgebracht wird, dann landet es im Boden und wird dort nicht abgebaut. Es ist auch wahr, dass z. B. die sogenann te Bordeauxbrühe, die man früher hatte, sich in Bordeaux nachhaltig angelagert hat.
Wenn Sie heute in dortigen Weinlagen Salat anbauen wollen, dann funktioniert das nicht, da der Boden eben mit Schwer metall angereichert ist. Deshalb haben sich auch die Biobe triebe selbst damit einverstanden erklärt, dass man die Kup fergaben auf 3 kg begrenzt, und die Erweiterung auf 4 kg ist nur im Kontext von fünf Jahren möglich. Auf diese Möglich keit musste man sich inzwischen schon besinnen und die 4 kg in Anspruch nehmen.
Dennoch ist das natürlich, in die Zukunft gerichtet, keine Per spektive für die ökologisch wirtschaftenden Weinbaubetrie be. Deshalb machen wir in unseren Versuchsanstalten in Weins berg, aber auch in Freiburg Versuche, um die Applikation von Kupfer etwas effizienter zu gestalten. Das heißt, man will Kupfer nicht nur als Kupfer ausbringen – es wird dann wie der weggeschwemmt –, sondern man will das Ganze mit Li piden, also Fettstoffen, etwas nachhaltiger machen, sodass es länger auf die Blätter wirkt. Das ist ein Versuch, der gemacht wird.
Wie gesagt, Kaliumphosphonat – das muss unser mittelfristi ges Ziel sein – sollte wieder als Pflanzenstärkungsmittel zu gelassen werden. Wir sind im Kanon mit anderen Weinbau be treibenden Ländern immer wieder dabei, dies zu thematisie ren. Aber das lässt sich so schnell nicht regeln, denn seien wir einmal ehrlich: Es ist leichter, in Italien Bioweine zu erzeu gen, wo es so gut wie keine Peronospora gibt. Dort hat man wenig Ehrgeiz, den Kollegen zur Seite zu springen. Deshalb haben wir im Moment vor allem eine gewisse Gefolgschaft und Unterstützung durch Tschechien, das etwa auf dem glei chen Breitengrad wie unser Land liegt, und durch Luxemburg. Aber dass dies im Vergleich zu 28 Staaten nicht die Welt ist, ist vollkommen klar. Das angesprochene Ziel wollen wir al so wieder erreichen.
Was Sie eben ansprachen: Die langfristige Lösung wäre – hiervon hat Frau Lindlohr als Abgeordnete einer Weinbaustadt natürlich Ahnung –, die PIWI-Sorten, die wir haben – –
Das sind neue Sorten, die in den letzten 40, 50 Jahren gezüch tet wurden, teilweise sehr ansprechende Sorten, die unserem Bedürfnis entgegenkommen, rieslingähnliche Produkte zu ha ben. Aber es sind dann eben keine Rieslinge. Wenn ein Bio betrieb diese Sorten anpflanzt, hat er einen um 80 % vermin derten Schadstoffbefall, muss dort also kaum pflanzenschutz mäßig tätig werden. Das ist eine Option.
Sie fragten nach möglichen Schäden. Bis jetzt sind sie noch nicht identifizierbar. Im Weinbau kann man die Ernte eigent lich erst drei, vier Wochen vorher bewerten, Herr Pix, und das, was jetzt schlecht verblüht ist oder aufgrund des Pilzbefalls überhaupt nicht geblüht hat, ist natürlich irreparabel. Dabei gehen wir schon davon aus, dass in manchen Betrieben man che Gewanne hundertprozentig geschädigt sind und manche zu ca. 40 %. Da hilft natürlich nur die ganze „Kiste“, die wir für alle notleidenden landwirtschaftlichen Betriebe immer wieder ins Kalkül ziehen: eben dass wir an den Bundesfinanz minister herangehen. Es ist ja ein altes Anliegen – auch von Ihnen, Herr Bullinger –, dass man eine steuerlich begünstig te Risikoausgleichsrücklage haben sollte, um den Betrieben etwas Luft zu verschaffen.
Im Übrigen gibt es auch immer wieder die Überlegung – wie für alle landwirtschaftlichen Betriebe –, mit Bürgschaften und dergleichen zu helfen. Aber man muss jetzt erst einmal abwar ten, was Sache ist.
Vielen Dank. – Es gibt eine weitere Zusatzfrage. Aber ich würde vorher sagen, da manche Kolleginnen und vor allem Kollegen extrem ins Schwitzen kommen: Sie können gern – natürlich auch die Kolleginnen, solange die Schultern bedeckt bleiben – das Jackett ablegen.
Frau Staatssekretärin, ich möch te mich ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie meiner Intui tion gefolgt sind, kurzfristig eine Ausnahme zu machen und trotz aller rechtlich schwierigen Fragen die Genehmigung von Teilflächen mit Phosphonatbehandlung zu gewährleisten. Nur kam diese Anordnung leider etwas zu spät.
Der Einsatz von Kupfer ist keine Alternative. Ich spreche aus 30 Jahren Praxis im Ökoweinbau. Durch Klimaveränderung und ein Jahr wie dieses sind die Biobetriebe dann gezwungen, alle drei bis vier Tage auf völlig nassem Boden zu spritzen. Das heißt, das führt zu Wachstumsdepressionen und kann kei ne Alternative sein. Das ist die einzige Alternative; sonst kommt nämlich alles zu spät.
Viele Weinbaubetriebe werden ihren ökologischen Weinbau aufgeben, wenn wir nicht im Laufe dieses Winters eine Phos phonatregelung auf EU-Ebene erreichen. Ich möchte Sie des wegen noch einmal ermuntern, von Baden-Württemberg aus vor allem mit Rheinland-Pfalz und Hessen eine Initiative zu starten. Denn das Eisen ist heiß; man muss es jetzt schmie den.
Wir wissen, dass auch im Elsass, in Norditalien, Nordspani en, Nordfrankreich alle Betriebe unter dem Peronosporapro blem leiden. Ich könnte mir vorstellen, dass es dazu erhebli che Bewegungen auch in Brüssel gibt. Deswegen noch ein mal: keine mittelfristige Lösung, sondern eine kurzfristige Lö sung ansteuern.