Man kann diese Vision aber naturgemäß auch etwas kritischer sehen. Man kann es auch ein bisschen in einem dunkleren Licht erscheinen lassen: Demnach fahren in mittelferner Zu kunft auf unseren Straßen nur noch Autos von Google, Apple und Microsoft. Ab und zu springt noch ein Pokémon durch das Bild.
Das ist sicherlich keine schöne Vorstellung. Der Autofahrer ist entmündigt. Algorithmen aus Cupertino treffen auf den Straßen die Entscheidung über Leben und Tod. Und überhaupt liegt das Automobilland Deutschland darnieder.
Ich glaube, wir einigen uns in der Einschätzung auf die Mit te, und die Wahrheit liegt vermutlich auch irgendwo in der Mitte. Aber wir können nicht beeinflussen, welche globalen Unternehmen welchen Erfolg auf dem Mobilitätsmarkt erzie len. Wir können auch nicht vorschreiben, was Daimler, Por sche oder Audi als Nächstes bauen und entwickeln sollen. Aber ich hoffe inständig, dass wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Denn eines ist klar: Wir stehen vor einer ech ten Revolution der Mobilität; denn die Mobilität der Zukunft bringt innerhalb kürzester Zeit massive Veränderungen für uns alle, für unsere Gesellschaft, ja für unser ganzes Land.
Der Fall vom Tod des Tesla-Fahrers ist bereits erwähnt wor den. Aber wir müssen natürlich ernst nehmen, dass in der Be völkerung auch eine große Skepsis gegenüber diesen neuen Technologien herrscht. Das liegt zum einen natürlich daran, dass wir das Land der Autobauer, aber auch das Land der Au tofahrer sind. Viele Menschen wollen sich gern hinter das Lenkrad ihres Autos setzen.
Da geht es um Eigenverantwortlichkeit, da geht es auch um ein Stück Freiheit. Diese Einstellung in den Köpfen der Au tofahrer zu ändern, das wird sicherlich nicht ganz einfach.
Aber auch der Sicherheitsaspekt ist wichtig. Er spielt eine ent scheidende Rolle. Denn sofern ich nicht überzeugt bin, dass es wirklich sicherer ist, in einem selbstfahrenden Auto zu sit zen, werde ich schlicht und ergreifend kein solches Auto kau fen. Das Thema Sicherheit hat auch noch einen weiteren As pekt – auch das haben wir gehört –, das ist vor allem die Si cherheit der Daten. Es ist schon eine gruselige Vorstellung, wenn ich an Hackerangriffe denke, die dann vielleicht sogar ermöglichen, dass das Auto in eine andere Richtung fährt, als ich mir das vorher überlegt habe. In Bezug auf die Sicherheit der Daten muss man das gewährleisten. Es ist auch keine ein fache Frage.
Wir haben es gehört: Es sind vor allem rechtliche Fragen, die uns umtreiben. Was passiert z. B., wenn ein Unfall droht? Wie entscheidet das computergesteuerte Fahrzeug, ob es einen Un fall vermeidet oder gar einen anderen auslöst? Alles das ist
nicht einfach, auch für den Gesetzgeber nicht. Aber ich möch te ganz bewusst die Chancen und nicht die Risiken annehmen. Denn es sind vor allem Chancen, vor denen unser Land in die ser Frage steht.
Es ist eine Chance für unser Land Baden-Württemberg als Au tomobilland Nummer 1, das Land der Tüftler und Denker, das Erfinderland des Automobils. Bei dieser rasanten Entwick lung, die der Automobilmarkt nimmt, stehen auch in BadenWürttemberg und vor allem in Baden-Württemberg Hundert tausende Arbeitsplätze nicht nur auf dem Spiel, sondern es ist unsere Chance, dass wir uns diesem Thema widmen, um auch künftig ein starkes Automobilland zu sein.
Ich habe bereits erwähnt und möchte daran auch keinen Zwei fel lassen, dass das autonome Fahren die Sicherheit aller Ver kehrssysteme im Ergebnis deutlich erhöhen wird. Menschli che Fahrer von Pkws, Lkws, aber auch von Bussen und Stra ßenbahnen sind natürlich anfällig für Fahrfehler, für Fehlein schätzungen und auch für emotionale Fehlentscheidungen. Ich bin mir also sicher, dass die Einführung eines flächendecken den Systems für autonomes Fahren auch diese Unfälle ver hindern wird, sodass sich sogar die Unfallzahlen drastisch sen ken werden. Allein das ist eine Chance, die wir nutzen soll ten, weil das natürlich eine großartige Chance ist.
Wir können das schon jetzt beobachten, wenn wir uns die Sys teme ansehen, die auch schon auf dem Markt sind. Es gibt au tomatische Einparksysteme, die Notbremsfunktion, die Spur halte- und Spurwechselassistenten. Wir sehen also schon seit Jahren einen Rückgang der Zahl der Verkehrstoten, und man wird in den nächsten Jahren auch hier einen Quantensprung sehen können.
Jetzt ist die Frage, ob wir dadurch zu einer Reduzierung der Staus im Land kommen. Da wage ich Zweifel zu hegen. Aber eines ist klar: Die Verkehrseffizienz wird mit der zunehmen den Automatisierung natürlich zunehmen. Denn durch auto nomes Fahren werden die Ursachen von Staus verringert, weil die Autos miteinander kommunizieren können. Durch diese Vernetzung können Fahrzeuge zudem deutlich besser auf den wenig ausgelasteten Strecken fahren. Wir haben uns vor ein paar Wochen an dieser Stelle über Feinstaubbelastungen un terhalten. Auch in dieser Hinsicht sind das natürlich alles Chancen.
Wir wissen, dass allein durch Staus in der Bundesrepublik Deutschland pro Jahr ein volkswirtschaftlicher Schaden zwi schen 25 und 100 Milliarden € entsteht. Wir wissen, wenn es um die Emissionen geht, dass durch eine Verringerung des Verbrauchs von Kraftstoff natürlich Emissionen vermieden werden können. Allein durch die Staus werden in Deutsch land 1,2 Milliarden Liter Sprit im Jahr unnötig „verblasen“. In der Stadt Stuttgart hätte man 2014 27 Millionen Liter Sprit einsparen können, wenn es weniger oder gar keine Staus ge geben hätte.
Es ist eine Frage, die wir uns natürlich vor allem hier im Land tag von Baden-Württemberg stellen müssen, weil wir uns als Landesgesetzgeber und als Verkehrspolitiker zusammen mit dem Verkehrsministerium auf den Weg machen müssen, um diese Prozesse zu begleiten.
Aus unserer Sicht gibt es ein paar Punkte, die wir begleiten können. Wir können und müssen eine politische, gesellschaft liche, rechtliche und vor allem eine ethische Diskussion über die Zukunft dieser Projekte in Gang setzen. Wir können und müssen einen zuverlässigen und sicheren Rechtsrahmen für künftige Entwicklungen schaffen. Wir können und müssen da für sorgen, dass die digitale Infrastruktur und die Verkehrsin frastruktur für die Zukunft geschaffen werden. Denn seien wir ehrlich: Mir nützt es recht wenig, wenn mein Auto allein durch meinen Wahlkreis im Schwarzwald fährt, wenn es kein Mo bilfunknetz gibt, auf das es zurückgreifen kann. Ein EU-Kom missar hat neulich gesagt: „Wir brauchen mehr Schlaglöcher als Funklöcher.“ Dem würde ich mich jetzt so nicht ganz an schließen.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Was? So hat er es nicht gesagt! – Abg. Nicole Razavi CDU: Er hat es anders gesagt: Lieber Schlaglöcher als Funklöcher! – Weitere Zurufe)
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sagen Sie einfach, Sie haben sich geirrt! – Zuruf: Weniger Funklöcher! – Weitere Zurufe)
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Weniger Schlaglö cher, weniger Funklöcher! – Abg. Nicole Razavi CDU: Lieber Schlaglöcher als Funklöcher! – Abg. Gabi Rolland SPD: Am besten keine Löcher!)
Wir müssen eine Diskussion mit unserer Wirtschaftsministe rin, Frau Dr. Hoffmeister-Kraut, darüber in Gang setzen, wie wir in unserem Land die Entwicklungen bei Start-up-Unter nehmen gerade in diesem Bereich noch stärker forcieren kön nen.
Kurzum: Wir können Rahmenbedingungen schaffen, die al len Akteuren Rechtssicherheit gewährleisten und optimale Chancen eröffnen. Ich glaube, wir alle sind dazu bereit und sollten diese Chancen nutzen.
Frau Präsidentin, meine Kollegin nen und Kollegen! Dies scheint jetzt eine Aktuelle Debatte zu sein, die nicht von großen Kontroversen geprägt ist,
(Abg. Nicole Razavi CDU: Mal schauen, was die SPD jetzt sagt! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)
Ich denke, wir haben auch hier in unserem Bundesland wirk lich Großes vor uns. Es ist eine Zeitenwende für das Autofah ren, vergleichbar eigentlich nur mit der Elektrifizierung des Verkehrs, was ja zurzeit stattfindet. Dies sind zwei Bewegun gen, die ineinandergreifen.
Aber man darf auch nicht zu euphorisch sein. Das Bild, das gerade von der Kollegin gezeichnet worden ist, dass wir uns alle autonom bewegen und ohne selbst am Steuer zu sitzen hier am Landtag ankommen, kommt vielleicht in den Dreißi ger- oder Vierzigerjahren dieses Jahrhunderts auf uns zu. Der Weg dorthin ist lang.
Vor drei Jahren fand die erste Fahrt statt, und zwar auf der „Bertha Benz Memorial Route“ von Mannheim nach Pforz heim; Daimler hat dort erstmals ein autonom fahrendes Fahr zeug als Versuchsfahrzeug fahren lassen.
Drei Jahre später ist die technische Entwicklung gerade so weit, dass man vom teilautomatisierten Fahren in den hoch klassigen, hochwertigen Fahrzeugen ins hochautomatisierte Fahren übergeht. Der Weg zu einem wirklich autonomen Fah ren ist noch sehr weit.
Wir, die SPD, begrüßen diese Entwicklung; wir sehen sie als große Chance auch für die Industrie, für den Mittelstand in Baden-Württemberg. Ich sage jetzt einmal: Wer solche Autos bauen will, der muss gut programmieren können und auch gu te Autos bauen können. Wir in Baden-Württemberg können beides: Wir können gute Autos bauen, und Unternehmen wie Bosch können auch gut programmieren. Die Konkurrenz in Amerika kann nur gut programmieren; beim Bauen guter Au tos sind Unternehmen wie Apple noch nicht so weit.
Einen Aspekt, der hier jetzt noch keine Rolle gespielt hat, will ich hier kurz anreißen – nachher werde ich noch einmal dar auf eingehen –: Das Thema „Autonomes Fahren“ ist auch ein ganz wichtiger Aspekt für unsere älter werdende Gesellschaft. Darauf will ich später noch eingehen.
Wie meine Vorrednerinnen und Vorredner es gemacht haben, will auch ich das Thema der rechtlichen Problematik durch aus kurz streifen. In der Tat stellt sich die Frage, wer bei ei nem Unfall mit autonomem oder automatisiertem Fahren zur Haftung herangezogen wird, wer schuld ist. Deswegen ist es, finde ich, völlig richtig, dass man neben den technischen Fra gen, die uns hier in Baden-Württemberg in den letzten Mona ten beschäftigt haben, auf Bundesebene auch die rechtlichen Fragen der Gesetzesänderung in den Fokus rückt. Es wurde bereits beschrieben, was zu beachten und zu diskutieren ist.
Ich bin der Meinung, dass wir für eine lange Übergangszeit in die Gesetze schreiben müssen, dass immer ein aufmerksa mer Fahrer, der jederzeit in das System eingreifen kann, an Bord des solchen Fahrzeugs sein muss. Bis zum Kartenspie
len oder Bücherlesen neben dem Fahren auf der Autobahn muss man, glaube ich, noch einige technische Entwicklungen und Entwicklungen bei der Sicherheit abwarten.
Außerdem sind Datenschutzfragen zu klären. Es wurde ange sprochen: Wer haftet bei einem Unfall? Wer bekommt die Da ten: der Fahrer, der Hersteller, die Polizei, die Versicherung? Diese Fragen müssen sorgfältig abgewogen werden. Sie sind nicht trivial.
Auch das Thema Hackerangriffe – als dritter Redner hat man es immer schwer, wenn man ein Thema noch einmal aufgreift – wurde schon angesprochen. Ein autonom fahrendes Fahr zeug, das sich auf der Autobahn oder in der Stadt bewegt, be findet sich in einem permanenten Datenaustausch. Über Sa tellit oder Funkmasten ist es möglich, von außen in das Sys tem einzugreifen. Wie wird die Sicherheit gewährleistet? Wie ist der Austausch der Daten geschützt? Wie schützt man sich vor Angriffen von außen?
Ich glaube, dass das Thema „Autonomes und assistiertes Fah ren“ – dieser Aspekt wird noch zu wenig diskutiert – auch ei ne Chance für unsere älter werdende Gesellschaft ist. Wenn man 30, 40 oder 50 Jahre lang den Führerschein hatte und selbst Auto gefahren ist,
möchte man den Führerschein im hohen Alter nicht abgeben. Es gibt durch ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger verschul dete Unfälle. Wenn jedoch dem Fahrer entsprechend assistiert wird, wenn er Bremsunterstützung oder Unterstützung beim Fahren in die Garage oder beim Einparken erhält, kann er im Alter länger selbstbestimmt mobil und unterwegs sein. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt beim Thema „Au tonomes und assistiertes Fahren“ hier in Baden-Württemberg.