Protokoll der Sitzung vom 21.07.2016

möchte man den Führerschein im hohen Alter nicht abgeben. Es gibt durch ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger verschul dete Unfälle. Wenn jedoch dem Fahrer entsprechend assistiert wird, wenn er Bremsunterstützung oder Unterstützung beim Fahren in die Garage oder beim Einparken erhält, kann er im Alter länger selbstbestimmt mobil und unterwegs sein. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt beim Thema „Au tonomes und assistiertes Fahren“ hier in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Seit den letzten Monaten rückt für diejenigen, die in der ent sprechenden Forschung und Entwicklung tätig sind, das The ma „Autonomes und assistiertes Fahren im Lkw- und Güter verkehr“ immer stärker in den Mittelpunkt. Gestern gab es wieder einen schweren Unfall auf der A 8; vier Lastwagen sind ineinandergefahren. Unfälle, die auf Übermüdung der Fahrer zurückzuführen sind, sind durch solche assistierten Systeme zu verhindern. Das ist ein großer Schwerpunkt. Da kann man relativ schnell in die Markteinführung gehen; das ist ein wichtiger Punkt.

Das hat für den Lkw- und Güterverkehr auch ganz klare wirt schaftliche Gründe. Womöglich ist dann denkbar, dass für ei nen Fahrer, dessen Fahrzeug halbwegs autonom fährt, länge re Lenkzeiten gelten. Das sind wirtschaftliche Aspekte, die auch diskutiert werden müssen. Es kann auch darum gehen, den Beruf des Kraftfahrers durch solche Systeme wieder at traktiver zu machen.

Auch im ÖPNV sind die entsprechenden Auswirkungen zu erwarten. Die Szenarien wurden bereits genannt. In Nürnberg gibt es eine fahrerlose U-Bahn. An sich haben die schienen gebundenen Systeme einen Vorteil bei der Automatisierung, wenn es darum geht, den Menschen im Leitstand der Fahr zeuge zu ersetzen. Aber auch hier sind Haftungsfragen zu klä

ren. Auch die Berufsbilder Busfahrer und Straßenbahnfahrer werden sich in den nächsten Jahren entsprechend verändern.

Auch das Thema Robotaxi – ich will es einmal so nennen – spielt hierbei eine Rolle. Es wurde schon beschrieben: Selbst fahrende Autos könnten einen abholen und irgendwohin fah ren. Es kann ein völlig neuer ÖPNV entstehen, nämlich ein individueller öffentlicher Nahverkehr. Jemand könnte sich ein Taxi rufen, auf dem Weg zum Ziel noch andere Menschen mit nehmen und wiederum andere wieder absetzen, sodass man in Zukunft einen sehr individuellen, aber trotzdem gemein schaftlichen Nahverkehr haben wird.

Zu Baden-Württemberg: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten über das Testfeld für autonomes Fahren diskutiert. Die ehemalige Landesregierung hat einen Wettbewerb ins Le ben gerufen. Drei Standorte haben sich beworben:

(Zuruf: Schwieriges Thema!)

Karlsruhe, Ludwigsburg/Stuttgart und Ulm. Die Entscheidung in diesem wettbewerblichen Verfahren ist auf Karlsruhe ge fallen. Das tut mir als Ulmer natürlich schrecklich weh; aber es ist jetzt so. Das muss man sehen. In dem Bewusstsein, dass dieser ganze Wettbewerb und dieses Verfahren in unserer Re gierungsverantwortung gestartet worden sind, will ich durch aus die Fragen in den Raum stellen, ob es wirklich sinnvoll und gut war, hier die drei Standorte in Baden-Württemberg, die stark sind, bei diesem Wettbewerb sozusagen gegeneinan der laufen zu lassen, sie in gegenseitigen Wettbewerb zu stel len, oder ob es nicht gescheiter gewesen wäre, die wirklichen Stärken der einzelnen Standorte zu identifizieren und dann die entsprechenden Stärken weiter zu fördern.

Denn ich sage eines: Im Silicon Valley ist wesentlich mehr Geld und sind wesentlich stärkere und massivere Kompeten zen vorhanden als hier in Baden-Württemberg. Das heißt, hier noch unter den einzelnen Standorten zu teilen ist, wie ich mei ne, wenig sinnvoll.

Herr Minister, Sie haben ja schon angekündigt, dass Sie die beiden Standorte, die jetzt nicht zum Zuge gekommen sind, entsprechend wieder mit einbinden wollen. Ich glaube, da muss eine klare Strategie her, weil wir die Standorte, die in Baden-Württemberg beim Thema „Autonomes Fahren“ stark sind, wieder zusammenbringen und gemeinsam nach vorn bringen müssen.

Bei Daimler ist es so, dass es beim Thema „Autonomes Fah ren“ einen Standort für Forschung und Entwicklung gibt, der für Sensorik verantwortlich ist. Der befindet sich im For schungszentrum in Ulm. Alles andere, was Daimler und das Thema „Autonomes Fahren“ angeht, sitzt in Kalifornien. Das heißt, der Schwerpunkt ist auch bei deutschen, bei badenwürttembergischen Firmen durchaus außerhalb unseres Lan des. Wir müssen schauen, dass die Kompetenz, die hier ist, gestärkt wird und nach vorn gebracht wird.

Da sind Sie, Herr Minister, jetzt am Zuge. Es gibt, wie wir ge lesen haben, in dieser Nebenabsprache auch eine Festlegung für Geld für ein Digitalisierungspaket. Vielleicht können Sie uns hier nachher berichten, was diesbezüglich geplant ist. Ich denke, man muss dort auch in den Bereich „Autonomes Fah ren“ deutlich mehr investieren und diesen nach vorn bringen,

damit der Standort Baden-Württemberg in diesem Bereich nicht zurückfällt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dr. Leh nig, es ist fast schade, dass Sie schon wieder aus dem Land tag ausscheiden; denn dies ist eine zielgerichtete, innovative Debatte zur Verkehrspolitik, wie ich sie hier im Parlament – initiiert seitens der grünen Fraktion – viele Jahre vermisst ha be. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: War das etwa eine Kritik?)

Die FDP/DVP hat sich immer für innovative Mobilität, für nachhaltige Mobilität eingesetzt. Ich darf an die McKinseyStudie aus dem Jahr 2010 zu wirtschaftlichen und technolo gischen Perspektiven in Baden-Württemberg erinnern. 2010 wurden von McKinsey vier Handlungsfelder mit einem Volu men von 50 bis 80 Milliarden € Wachstumspotenzial festge macht.

Eines der Handlungsfelder war die nachhaltige Mobilität. Das betraf also genau die Themen, die in der heutigen Aktuellen Debatte angesprochen wurden und werden und die mit dem digitalen Testfeld in Karlsruhe hier in Baden-Württemberg neue Impulse bekommen.

Ich darf auch daran erinnern, was alles unter Schwarz-Gelb bereits initiiert wurde und was von Grün-Rot zumindest zum Teil fortgeführt wurde. Ich darf an die Landesinitiative Elek tromobilität erinnern, die 2011 in der zweiten Stufe weiterge führt wurde, an e-mobil BW, an die Leichtbau BW, an den Batterieforschungsstandort in Ulm, das Helmholtz-Institut, die Fraunhofer-Institute, also an eine Vielzahl von Themen feldern, die belegen, dass man schon sehr früh mit nachhalti ger Verkehrspolitik, mit nachhaltiger Mobilität begonnen hat und nicht erst unter der jetzigen Regierung. Vielmehr wurden schon in den 2000er-Jahren erhebliche Investitionen geleis tet. Das ist ein Verdienst der damaligen schwarz-gelben Lan desregierung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Vom Verkehrsminister wurde uns immer wieder einmal vor geworfen, wir brächten keine Innovationen in der Verkehrs politik. Ich darf daran erinnern, dass wir 2013 hier im Land tag eine „Mobilitätsoffensive Baden-Württemberg 23“ mit vier Handlungsfeldern vorgestellt haben, nämlich mit Ver kehrsmanagement, Zukunftstechnologien, Mobilitätsdiensten und auch Logistik.

Das letztgenannte Thema ist eines der ganz wichtigen The men. Denn wir wissen, dass gerade auch in der Logistik die Herausforderungen zunehmen. Unternehmen wie Daimler set zen seit Jahren auch im Bereich der Güterverkehre autonomes Fahren ein und erstellen Testfelder, auf denen beispielsweise

drei Lkws auch hintereinander fahren können. Hier müssen wir von der Politik her wesentlich aktiver begleiten, als es in Baden-Württemberg bisher der Fall war, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Albrecht Schütte CDU)

Wenn ich die letzte Legislaturperiode Revue passieren lasse, dann fällt mir auf: Wir hatten eben gerade viel zu wenige sol cher Debatten. Wir hatten Debatten über die Verhinderung des Feldversuchs zum Lang-Lkw; wir haben vier Jahre lang ge kämpft, bis der Verkehrsminister aufgrund des Drucks des Mi nisterpräsidenten nachgegeben hat. Wir hatten gleich zu Be ginn der vergangenen Legislaturperiode über die Citymaut ge sprochen. Wir hatten über Fahrverbote und all diese Dinge de battiert.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das ist jetzt eine olle Kamelle!)

Ich muss sagen: Ich konnte bisher nicht erkennen, dass der Verkehrsminister wirklich eine wertfreie nachhaltige Mobili tät in Baden-Württemberg umsetzen wollte, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Deswegen ist dies nun der richtige Zeitpunkt.

Wenn ich mir den Koalitionsvertrag anschaue, sehe ich: Die se Landesregierung will zu einer Ideenschmiede für nachhal tige Mobilität in Baden-Württemberg werden. Ich wünsche mir, zu erfahren – vielleicht können wir das gleich hören –, wie der Masterplan für diese Ideenschmiede für nachhaltige Mobilität in Baden-Württemberg aussieht.

Das Testfeld für autonomes Fahren befindet sich jetzt in Karls ruhe. Aber auch Sie haben im Koalitionsvertrag ausdrücklich die Zielstellung einer nachhaltigen Mobilität in der Mobili tätsregion Stuttgart angesprochen, und dafür gilt diese Ziel stellung ebenfalls. Das ist ein ganz wichtiges Element. Wir müssen die Situation, die wir in Stuttgart haben, auch tatsäch lich intensiv angehen.

Es gibt in Baden-Württemberg bei 10,8 bzw. 10,9 Millionen Einwohnern 7,6 Millionen Fahrzeuge. Wir haben im Jahr 2015 im Pkw- und Güterverkehr noch einmal eine Verkehrszunah me in Höhe von 2,5 % verzeichnen können. Das zeigt, wie wichtig auch das Thema „Nachhaltige Mobilität“ in BadenWürttemberg ist.

Ich will auch noch auf weitere Stichpunkte eingehen. Alle meine Vorredner haben das Thema „Silicon Valley“ angespro chen. Wir müssen Schritt halten mit dem Silicon Valley.

(Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

Ich bitte darum, dass man sich nicht nur mit der technischen Seite des Silicon Valley beschäftigt. Denn wenn man an den Technologiestandorten mit den Zulieferern der Automobilin dustrie spricht, dann hört man, dass auch Rahmenbedingun gen benötigt werden, die es ermöglichen, dass innovativ ge forscht und produziert werden kann. Als Stichwort will ich

hier die Arbeitszeitflexibilisierung und die unsägliche Ver schärfung hinsichtlich der Werkverträge nennen. Diese füh ren dazu, dass diese Forschungsthemen zunehmend ins Aus land verlagert werden müssen, weil es hier nicht mehr mög lich ist, Werkverträge so abzuschließen, dass man Vorhaben noch umsetzen kann. Das sagt übrigens nicht die FDP/DVP, sondern das sagen diejenigen, die in der Praxis forschen und tätig sind.

Wer vor einigen Wochen auf Einladung von Daimler im Tech nologielabor vor Ort war – Frau Lindlohr, Sie waren ebenfalls anwesend, vielleicht haben Sie es auch gehört –, konnte ver nehmen, dass mehr Flexibilität für solche Gestaltungen benö tigt wird, damit wir gegenüber dem Silicon Valley wettbe werbsfähig bleiben. Das ist auch ein Appell an die CDU und die SPD, die in Berlin regieren, diese Themen ins Auge zu fas sen. Ansonsten verlieren wir den Anschluss an das Silicon Val ley.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Kollege Rivoir hat es bereits angesprochen – das halte ich ebenfalls für wichtig –: Wir brauchen eine politische Diskus sion für die Verkehrsteilnehmer. Die demografische Entwick lung erfordert es eben zunehmend, dass ältere Verkehrsteil nehmer auch mit dieser Innovation Schritt halten. Wenn man mit Seniorinnen und Senioren spricht, wird klar: Hier besteht eine große Sorge, ob sie – in Baden-Württemberg und in Deutschland – künftig noch in der Lage sein werden, Schritt zu halten. Deswegen brauchen wir auch diese ethische, diese unterstützende, diese politische Diskussion, damit wir alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer mitnehmen, damit gerade auch ältere Fahrzeuglenkerinnen und -lenker im Stra ßenverkehr mobil sein können. Ich sehe das genauso wie Sie als eine große Chance.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir erwarten, dass der Verkehrsminister den Masterplan vor stellt und wir uns nicht immer mit Nebenkriegsschauplätzen beschäftigen, wie wir es in den letzten fünf Jahren getan ha ben. Dann wird ein Schuh daraus, und dann können wir auch Baden-Württemberg nach vorn bringen. Dabei haben Sie die FDP/DVP an Ihrer Seite.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Gögel das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und fraktionslo sen Abgeordneten)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Was wir hier in einer sehr harmoni schen Debatte über das autonome Fahren gehört haben, hat mich doch etwas stutzig gemacht. Vor allem hat mich stutzig gemacht – darauf komme ich später –: Es fehlt komplett die soziale Komponente. Da muss ich die Kollegen von der SPD ansprechen. Da hat man vielleicht nicht über den Tellerrand

geblickt und auch kein bisschen weiter über die Auswirkun gen nachgedacht.