Protokoll der Sitzung vom 05.02.2020

(Beifall bei den Grünen)

An dieser Stelle schon einmal vielen Dank an Minister Lucha und auch an die vielen anderen Akteurinnen und Akteure, die dieses Thema schnell aufgegriffen und umfassende Infekti onsschutzmaßnahmen in Baden-Württemberg in die Wege ge leitet haben.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU)

Wenn es um neuartige Krankheitserreger geht, scheint eine sachliche Diskussion kaum möglich zu sein. Auch bei dem hier vorliegenden Fall, also dem Coronavirus, gibt es die ver rücktesten Verschwörungstheorien über die Entstehung des Virus oder Untergangsszenarien mit apokalyptischem Aus maß.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Trump ist schuld! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Woher wissen Sie das?)

Die Weltgesundheitsorganisation zeigt sich extrem besorgt über eine solch massive „Infodemie“. Das heißt, die gegen wärtige Diskussion zum Coronavirus ist durch eine massive Flut an Desinformationen

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Woher wissen Sie, dass das Fehlinformationen sind? Viel leicht sind es Informationen!)

wirklich ausgesetzt. Dies erschwert es den Menschen, zwi schen Fakten und Mythen zu unterscheiden, und es schürt häu fig unnötige Ängste.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bei aller Brisanz und Betroffenheit sollten wir uns das Geschehen sachlich anschau en und dann entscheiden.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das neuartige Coronavirus ist ein aggressives und ernst zu nehmendes Virus – keine Frage. Es kann zu schwerwiegen den Infektionen der Atemwege, es kann zu Lungenentzündun gen führen. Gerade in China zeigen sich die Auswirkungen. Es gibt dort ansteigende Zahlen von Infizierten und auch töd lich verlaufende Krankheitsgeschehnisse. Hieran gibt es über haupt nichts zu beschönigen, und jeder Todesfall ist tragisch.

Wir befinden uns im Moment an einem Punkt, an dem wir nicht mit hundertprozentiger Sicherheit voraussagen können, wie sich der Verlauf bei diesem Virus entwickeln wird.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Das können Sie nie!)

Man erkennt aber auch schnell – sei es auf globaler oder auf nationaler Ebene –, dass die Behörden, die Wissenschaft und die Politik aus früheren Epidemien oder gar Pandemien, wenn sie wie z. B. das SARS-Virus 2003 weltweit auftraten, viel dazugelernt haben. Der wissenschaftliche Austausch inner halb der internationalen Forscher-Community läuft sehr gut und transparent ab.

Amerikanische, chinesische und auch deutsche Wissenschaft ler bündeln ihre Kapazitäten und ihr Wissen und suchen ge meinsam nach Lösungen. Diese Transparenz ermöglichte es der Charité, innerhalb kurzer Zeit einen Infektionstest zu ent wickeln, der mittlerweile den Universitätsklinika in Deutsch land zur Verfügung steht. Auch die Weltgesundheitsorganisa tion, die WHO, nimmt bei dieser Koordinierung des Infekti onsschutzes eine tragende Rolle ein.

Meiner Meinung nach ist die Einschätzung des Coronavirus als gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite ei ne wichtige und richtige Entscheidung gewesen. Dies ermög licht nämlich einen länderübergreifenden Ansatz bei der Kri senbewältigung.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nicht nur global funktioniert der Krisenschutz, auch auf nationaler Ebene sind wir wirklich gut aufgestellt. Schauen wir uns mal die Zahlen an: Bisher sind in Deutschland zwölf Personen als infiziert gemeldet – zwölf! Allen geht es gesundheitlich gut. In Baden-Württemberg sind uns keine Bürgerinnen und Bürger bekannt, die mit dem Vi rus infiziert sind.

Das Robert Koch-Institut hält einzelne Übertragungen oder den Import von weiteren Fällen nach Deutschland zwar wei terhin für möglich. Generell verläuft die Infektion in Europa aber wirklich sehr mild. Auch schätzt das Robert Koch-Insti tut die Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland durch die se neue Atemwegserkrankung als sehr gering ein.

Wir sind weit davon entfernt, eine Epidemie in Baden-Würt temberg zu bekommen. Der Gesundheitsstandort, die Gesund heitswirtschaft und die Gesundheitsforschung hier in BadenWürttemberg machen einen top Job.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

So gibt es zahlreiche vielversprechende Fortschritte bei der Forschung zum Impfschutz. Hier nehmen baden-württember gische Unternehmen international eine führende Rolle bei der Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus ein. Auch Forschungsinstitutionen wie das Deutsche Zentrum für Infek tionsforschung, welche u. a. in Tübingen und Heidelberg sit zen, beteiligen sich an der Forschung zum Coronavirus.

Die hiesigen Gesundheitsbehörden sind beim Auftreten von Infektionskrankheiten gut eingespielt und gut ausgestattet. Wir haben ein umfassendes Infektionsschutzgesetz und detaillier te Pandemiepläne, die in Notfällen zum Greifen kommen. In Stuttgart gibt es ein Behandlungszentrum im Robert-BoschKrankenhaus und ein Kompetenzzentrum Gesundheitsschutz am Landesgesundheitsamt, welche sich ausschließlich mit dem Umgang mit hoch pathogenen Keimen befassen. Die Universitätsklinika, das Landesgesundheitsamt und die Ge sundheitsämter in Baden-Württemberg sind in der Lage, schnell Ergebnisse zu liefern, mögliche Infektionsketten aus zumachen und diese auch zu unterbrechen.

Meine Damen und Herren, in diesen Zeiten zeigt sich, wie wichtig ein starker öffentlicher Gesundheitsdienst – also der ÖGD – ist, um den kollektiven Schutz der Gesundheit der Be völkerung gewährleisten zu können. Die grün geführte Lan desregierung steht für einen öffentlichen Gesundheitsdienst ein. Ich bin wirklich froh, dass es uns gelungen ist, im Dop pelhaushalt 2020/2021 die finanziellen Mittel für den Infek tionsschutz ordentlich zu erhöhen.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, der Entwicklungsverlauf eines Vi rus lässt sich nicht voraussagen, aber mit vorausschauendem und entschlossenem Handeln kann man mögliche Risiken stark minimieren. Die Bürgerinnen und Bürger von BadenWürttemberg können sich auf ein starkes Gesundheitssystem verlassen. Gute Versorgungs- und Behandlungsmöglichkeiten sind vorhanden.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Zum Schluss möchte ich noch Folgendes sagen: Angesichts der Tatsache, dass aus China abstammende Menschen oder Menschen, welche nur asiatisch ausschauen, in der Debatte um das Coronavirus schon heute stigmatisiert werden,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Von wem denn?)

zeigt sich mal wieder: Die schlimmsten Viren sind hierzulan de das Virus der Ausgrenzung,

(Beifall der Abg. Martina Braun GRÜNE – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

das Virus des Rassismus und das Virus der Angstmacherei. Diesen müssen und werden wir uns mit aller Kraft entgegen stellen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

In diesem Sinn: Bleiben Sie gesund!

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Jetzt spricht für die CDU Frau Kollegin Neumann-Martin.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos] – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Nehmen Sie erst mal Ihre Getränkedose vom Tisch! Wir sind hier nicht in der Kneipe! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ich habe keinen Raum! Wenn ich in Ihren Raum gehen darf, dann ma che ich das! – Weitere Zurufe)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, es ist jetzt gut. – Frau Abg. Neu mann-Martin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Weltgesundheitsorganisation schreibt in ihrem Situationsbe richt von Montag dieser Woche, dass der Ausbruch des neu artigen Coronavirus sowie die Reaktionen und Ereignisse seit dem mit einer massiven „Infodemie“ einhergehen, einer Über fülle an Informationen, die es den Menschen schwer macht, vertrauenswürdige Quellen und verlässliche Orientierungshil fen zu finden, wenn sie diese benötigen.

Diese Feststellung der Weltgesundheitsorganisation kann ich nur bestätigen. Wir spüren in diesen Tagen nicht nur selbst ei ne Verunsicherung, sondern erleben auch, dass die Bürgerin nen und Bürger nicht wissen, was sie glauben können, wel chen Informationen sie vertrauen können und welche Schutz maßnahmen sie treffen können oder sogar müssen, wie ernst die Lage in der Welt, aber natürlich auch ganz konkret bei uns ist. Die Besorgnis der Menschen ist nachvollziehbar, zumal die Weltgesundheitsorganisation selbst den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen und damit auch den Ernst der weltweiten Lage verdeutlicht hat.

Für die konkrete Einschätzung ist es aber wichtig zu wissen, was das überhaupt bedeutet. Ziel des internationalen Gesund heitsnotstands ist es in erster Linie, die Verbreitung eines Er regers über Landesgrenzen hinweg einzudämmen. Um dies zu erreichen, empfiehlt die WHO mit dem Ausruf des Not stands verschiedene Maßnahmen, sodass ein gewisses stan dardisiertes Programm ablaufen kann. Von den mehr als hun dert WHO-Mitgliedsstaaten wird zwar erwartet, dass sie die sen Empfehlungen folgen, sie sind aber nicht dazu verpflich tet. Ein weiteres Ziel ist es, die Maßnahmen der einzelnen Länder aufeinander abzustimmen, damit diese koordiniert ab laufen können.

Besorgt ist die WHO insbesondere darüber, dass sich der Er reger in Ländern mit schlechten Gesundheitssystemen aus breiten könnte und dort wichtige Maßnahmen nicht durchge führt werden können, weil das Gesundheitssystem einfach nicht darauf vorbereitet ist. Diese Länder sollten unterstützt werden, um die weltweite Ausbreitung in den Griff zu bekom men.

Neben den gesundheitlichen Risiken hat dieses Virus inzwi schen auch massive wirtschaftliche Auswirkungen. Das öf

fentliche Leben sollte nach dem traditionellen Neujahrsfest Ende Januar in China wieder voll in Gang kommen. Stattdes sen stehen aber Teile in China still. Viele Unternehmen haben vorsorglich geschlossen. Die Börse in China schwankt.

Wir in Baden-Württemberg haben enge wirtschaftliche Ver bindungen in den asiatischen Raum. China ist nach den USA der zweitgrößte Markt für die Exporte aus Baden-Württem berg. Deshalb können sich diese Ereignisse auch ganz direkt auf die Wirtschaft in unserem Land auswirken. Es gibt bereits Automobilwerke außerhalb von China, die aufgrund von feh lenden Teilen aus China ihre Produktion zum Teil schon ein geschränkt haben.

Gerade erfahren wir aber auch nachdrücklich, dass durch die Globalisierung nicht nur Menschen und Waren in unglaublich kurzer Zeit rund um den Globus reisen können, sondern eben auch Krankheiten und Erreger und vor allem auch Informati onen und Nachrichten – damit einhergehend aber auch Ge rüchte und Verschwörungstheorien.

Auf den Homepages verschiedener Institutionen kann jeder von uns die aktuelle Entwicklung mitverfolgen: den Stand der von der Infektion Betroffenen, die Zahl der Toten, das Ver breitungsgebiet des Erregers. Aber kann ich, können Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Daten auch wirklich auswerten, einschätzen und womöglich mit den Daten zu an deren Epidemien und Pandemien vergleichen? Ich meine, das ist gar nicht so einfach. Mir geht es nicht darum, irgendetwas zu verharmlosen. Jeder Tote ist einer zu viel. Aber wir sollten angesichts der Flut von Informationen, die der Öffentlichkeit gerade in diesem Fall zur Verfügung stehen, sehr sorgfältig damit umgehen.

Auch beim Gesundheitsamt Karlsruhe, das für die Stadt Karls ruhe und den Landkreis Karlsruhe und damit auch für meinen Wahlkreis zuständig ist, fragen in den letzten Tagen und Wo chen vermehrt besorgte Bürger, aber auch Institutionen wie Schulen und Kindergärten sowie Ärzte nach, wie die Lage konkret in unserer Region aussieht, welche Vorsichtsmaßnah men zu treffen sind. Dabei ist die Verunsicherung mit Händen zu greifen. Diese wird auch dadurch verstärkt, dass niemand voraussagen kann, wie sich die Lage in den kommenden Wo chen oder gar Monaten entwickelt.

Viele Eigenschaften des Virus sind noch nicht genau einzu schätzen, beispielsweise wie ansteckungsfähig es ist, wie häu fig die Krankheit tatsächlich schwer verläuft und was die ge naue Quelle des Ausbruchs in China war. Dieser Verunsiche rung können wir nur mit großer Offenheit und großer Trans parenz entgegenwirken.

(Zuruf: Sehr gut!)