Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Green Deal ist hier das Leitthema der Debatte, könnte man fast schon sagen. Ei ne Vorbemerkung: Dass man das Ding ausgerechnet Green Deal genannt hat, hat mich doch verwundert.
Denn es suggeriert ja irgendwie, es wäre eine Idee der Grü nen gewesen. Das kann man, glaube ich, definitiv so nicht sa gen.
Zunächst einmal sollte man aber auch sehen, was dieser so genannte Green Deal zum heutigen Zeitpunkt ist und was er nicht ist, und dann sollte man ihn behandeln als das, was er ist, nämlich als Absichtserklärung.
Diese Absichtserklärung hat festgelegt – und das erstmals in einem internationalen Rahmen und von einem Parlament le gitimiert –, dass man sich auf das Ziel des Erreichens der Kli maneutralität in der Europäischen Union bis 2050 einigt. End lich gibt es da eine europäische Einigung, und hoffentlich ist endlich bald auch Schluss mit den Alleingängen, die die eine oder andere Landesregierung oder nationale Regierung macht. Denn gemeinsam können wir mehr erreichen, wenn wir ko ordiniert vorgehen, ohne unkoordinierte Einzelmaßnahmen zu ergreifen. Daher ist das Ansinnen schon einmal eine ganz gute Idee.
Angekündigt ist das Klimaschutzgesetz. Es soll wohl im März vorgelegt werden. Da wird es natürlich spannend, wie es kon kret aussieht und was für konkrete Forderungen da enthalten sind. Da sind dann tatsächlich die Parlamentarier gefordert, da sind auch die Regierungen der Länder und auch des Bun des gefordert, unsere Interessen entsprechend zu vertreten, da mit der Green Deal nicht so ein Drama wird, wie es der Kol lege Sänze gerade dargestellt hat, sondern uns hilft.
Eine Bemerkung an Herrn Sänze habe ich auch noch: Sie ha ben hier gerade so getan, als würde das Geld, das man da in vestiert, einfach verpuffen und vernichtet werden. Das ist hier aber mitnichten der Fall. Vielmehr ist dieses Geld eine Inves tition in Tätigkeiten, die vollzogen werden können. Irgendje mand muss diese machen. Ein Stück weit geht das ja in die Wirtschaft ein,
(Abg. Rüdiger Klos AfD: Das ist doch Sozialismus pur! – Abg. Anton Baron AfD: Sie setzen sich doch selbst für Zertifikatehandel ein!)
Zum Klimaschutzgesetz ist zu sagen: Es drohen – das zeigt die bisherige Debatte – Verbote, beispielsweise des Verbren nungsmotors. Dagegen müssen wir entschieden eintreten, denn wir stehen für Technologieoffenheit,
Auch die Ziele, die Individualmobilität durch restriktive Maß nahmen einzuschränken, können nicht Sinn dieses Klima schutzgesetzes sein. Dagegen müssen wir vorgehen. Starre Quoten, irgendwelche restriktiven Maßnahmen dürfen nicht der Leitfaden für die Mobilitätspolitik in Europa sein.
Denn wir haben gesehen: Zu strenge Ziele und zu starre Re geln wie z. B. beim Flottenverbrauch ziehen ganz andere Pro bleme nach sich, vor allem dann, wenn eine Ungleichbehand lung verschiedener Technologien vorhanden ist. Ich nenne als Beispiel die synthetischen Kraftstoffe, die im Flottenverbrauch wie fossile Kraftstoffe gewertet werden, was eigentlich kei nem vernünftig denkenden Menschen zu erklären ist.
Wir haben beim Klimaschutz ein klares Ziel, nämlich den Zer tifikatehandel auszuweiten und ihn stärker und wirksamer zu machen. Denn wir glauben, dass der Marktmechanismus das deutlich besser regeln kann, wie es sich zuletzt auch im Strom markt und im Stromsektor gezeigt hat.
Die Transformationshilfen, die ins Spiel gebracht werden, sind sicherlich notwendig, um die Strukturfolgen auszugleichen. Das darf dann aber nicht zu einem „Wünsch dir was“ werden wie jüngst beim Kohlekompromiss in Deutschland, bei dem die Unternehmen irgendwelche Rechnungen schreiben und dann die Beträge bekommen. Nein, das muss alles auf eine solide Basis gestellt werden. Diese sehe ich momentan noch nicht. Da muss also noch nachgebessert werden.
Ich komme damit zum Schluss. Aus deutscher Sicht ist es schon einmal ein richtiger Schritt, dass man sich internatio nal, auf europäischer Ebene darauf einigt, Schritte in Rich tung Klimaneutralität zu gehen. Diese müssen wir jetzt sinn voll ausloten und dürfen uns nicht der Verbotskeule hingeben. Wir müssen hier im Land und auch hier im Landtag von Ba den-Württemberg genau aufpassen, was da an konkreten Re gelungen aufgenommen werden soll.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Stefan Her re und Harald Pfeiffer [fraktionslos] – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Sehr gut!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich komme mir fast vor wie in der Kirche. Jeder fühlt sich bemüßigt, ein Glaubensbekenntnis zur EU abzugeben: „Wir glauben an die allein selig machende EU, und wenn die EU nicht wäre, wären wir sicherlich schon alle in der Hölle.“ So komme ich mir allmählich vor.
Deswegen hat es vielleicht auch Sinn, immer wieder einmal ein allgemeines Statement von einem anerkannten Heiligen der EU zu zitieren. Sie kennen Schuman; er ist ja allgemein anerkannt. Juncker kennen Sie sicherlich auch; ihn habe ich gestern schon zitiert. Und Jean Monnet kennen Sie, Herr Mi nister, sicher auch – ein ganz großer Europäer. Wenn wir uns hier über Green Deal, Black Deal und Red Deal unterhalten, ist es vielleicht gut, zu fragen, welcher Geist hinter alldem steckt, worüber wir uns so viele Gedanken machen.
Das wird in drei Sätzen von Jean Monnet wunderbar ausge drückt. Vielleicht können Sie anschließend in Ihrem Statement darauf eingehen. Ich lese Ihnen die drei Sätze vor. Jean Mon net ist 1979 gestorben. Er sagte:
Europas Länder sollten in einen Superstaat überführt werden, ohne dass die Bevölkerung versteht, was ge schieht. Dies muss schrittweise geschehen, jeweils unter einem wirtschaftlichen Vorwand. Letztendlich führt es aber zu einer unauflösbaren Föderation.
Das steckt hinter dem ganzen Projekt, das wir EU nennen. Das ist nicht von mir erfunden, sondern stammt von Jean Monnet.
Also, denken Sie bitte darüber nach. Diese Zitate sind in ei nem sehr interessanten Buch mit dem Titel „Der grüne Kom munismus“ zu finden.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erlaube mir zu nächst den Hinweis, dass sich dieser Tagesordnungspunkt in zwei Unterpunkte gliedert: Das ist zum einen der Bericht über aktuelle europapolitische Themen, und das ist zum anderen die Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten, hier der europäische Grüne Deal. Wir haben in der zurückliegen den Debatte nach meinem Eindruck etwas schwerlastig über den Green Deal diskutiert
und sollten dabei, glaube ich, auch andere Entwicklungen in Europa nicht aus den Augen verlieren. Deshalb will ich zu nächst auch ein paar andere Aspekte ansprechen.
Dieser Satz von Antoine de Saint-Exupéry trifft auf vieles zu und aktuell in besonderer Weise auf die Europäische Union. Denn die EU ist letztlich immer nur das, was wir aus ihr ma chen.
Da Baden-Württemberg ein starkes Land ist, aber weite Tei le seiner Stärke erst durch den Rahmen entfalten kann, den die Europäische Union politisch und wirtschaftlich bietet, en gagieren wir uns schon seit vielen Jahren für Europa. Wir tun dies mit konstruktiven Vorschlägen, wie wir Europa noch bes ser machen können. Sie erinnern sich an unseren Europadia log, an das Europaleitbild. Wir haben aber Anfang Dezember 2019 auch ein Positionspapier mit den Erwartungen des Lan des an die neue Kommission gerichtet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debatte geht nun auf EU-Ebene in eine neue Phase. Da dürfen wir unseren Euro padialog durchaus als Blaupause für die sogenannte Konfe renz zur Zukunft der Europäischen Union empfinden, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt hat und die am 9. Mai 2020, dem 70. Jahrestag der SchumanErklärung, starten soll.
Natürlich sind da noch viele Fragen offen: Wer soll an der Konferenz teilnehmen? Welche Themen soll sie behandeln, wie ist die Struktur, und welches Ziel verfolgt sie? Aus mei ner Sicht sind folgende Dinge zentral:
Erstens: Die deutschen Länder sind von der Weiterentwick lung der Europäischen Union in vielen Bereichen direkt be
troffen. Sie müssen daher auch an der Zukunftskonferenz be teiligt werden. In der Europaministerkonferenz der Länder ha ben wir uns dazu in der vergangenen Woche in Brüssel mit der zuständigen Kommissarin Suica ausgetauscht und unsere Forderungen in einem Beschluss zusammengefasst.
Ein sinnvoller Weg wäre die direkte Beteiligung des Bundes rats als nationales Parlament. Beim Verfassungskonvent 2002/2003 haben wir damit gute Erfahrungen gemacht. Der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel konnte als Vertreter des Bundesrats viele Anliegen der deutschen Länder mit Er folg einbringen.
In diesem Sinn hat sich auch die Konferenz der EU-Ausschüs se der nationalen Parlamente, die sogenannte COSAC, am 19. und 20. Januar in Zagreb geäußert. Als Vorsitzender des EUAusschusses des Bundesrats habe ich an dieser Sitzung teil genommen. Dabei fiel auf, dass viele der Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Mitgliedsstaaten sich eine stärkere Rolle der nationalen Parlamente in der Zukunftsdebatte wün schen.
Zweitens muss die Zukunftskonferenz auch eine breite De batte in der Bürgerschaft auslösen. Auch hier können wir mit unseren Erfahrungen beim Europadialog einiges einbringen. Wir Baden-Württemberger werden voll auf die Prinzipien Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit setzen. Wir wollen ein Europa der Regionen und kein Europa, das sich zu sehr auf die Brüsseler Bürokratie konzentriert.