Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 30. Januar hat die Weltgesundheitsorganisation den internationalen Gesund heitsnotstand ausgerufen. In der Plenarsitzung am 5. Februar hatten wir eine Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion GRÜNE, mit dem Titel „Besonnen und entschlossen handeln – Baden-Württemberg ist für mögliche Coronavirus-Infekti onen gut gewappnet“.
Zu dieser Zeit, am 5. Februar, hat das Robert Koch-Institut die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung noch als „ge ring“ eingeschätzt. Minister Lucha hat schon damals gesagt: „Aber die Entwicklung ist dynamisch. Wir wissen nicht, wie sich die Entwicklung verhält.“
Lieber Herr Kollege Gögel, ich habe einmal nachgeschaut: Die Kollegin Baum hat diese Dinge, die wir heute diskutiert haben, vor vier Wochen auch noch nicht gewusst.
Ich glaube, wir tun gut daran, auf die Wissenschaft zu vertrau en. Das Robert Koch-Institut geht hiermit sehr konzentriert um. Es hat jetzt die Bewertung „mäßig“ vorgenommen. Für die Politik bedeutet das, entsprechend zu reagieren. Ich glau be, diejenigen, die schon immer alles am besten wussten, soll ten auch auf die Wissenschaftler hören, wie wir das hier an dieser Stelle tun, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Herr Minister Lucha, die von Ihnen vorgetragenen Aktivitä ten sind zweifelsohne alle zu unterstützen. Es ist jetzt, glaube ich, wichtig, dass alle medizinischen Kräfte und die Behör den, die Landesärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung Rückendeckung brauchen, damit vor allem die besonders ge fährdeten Menschen geschützt werden. Auch vonseiten der FDP/DVP-Landtagsfraktion herzlichen Dank für diese wich tige und für diese schwierige Aufgabe für die Menschen in Baden-Württemberg.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU)
Wichtig ist natürlich auch die eigene, persönliche Vorsorge. Vorbildliche Beispiele sollten Schule machen.
Apropos Schulen: Auch hier besteht natürlich Handlungsbe darf in Sachen Hygiene. Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat 2017 einen Antrag zu dem Thema „Hygiene in Schulen“ ge stellt. In der Stellungnahme heißt es an einer Stelle:
Nach Berichten der Gesundheitsämter sind die Schultoi letten in der Regel mit Toilettenpapier, Seife und Papier handtüchern ausgestattet.
Mit dieser Aussage sollten wir uns wirklich nicht zufrieden geben, sondern auch in den Schulen die Hygienestandards schnell und zügig verbessern, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es geht jetzt darum, die Menschen zu schützen und dann im Grunde genommen Sofortmaßnahmen einzuleiten. Danach sollten wir beurteilen, welche Themen wir wie bewerten müs sen und wo Dinge, die hier teilweise auch schon angespro chen wurden, nicht gut gelaufen sind. Ich glaube, es ist wich tig, das in Ruhe aufzuarbeiten.
Währenddessen unternehmen die Stadt- und Landkreise vie le Aktivitäten. Sie schaffen ihre eigenen Strukturen. Diese sind allerdings auch sehr, sehr unterschiedlich. In Stuttgart hat das Klinikum eine zentrale Anlaufstelle geschaffen. In Esslingen wird tagsüber ein Auto die Patienten abfahren, damit sie nicht erst in die Arztpraxen gehen müssen. In der Ortenau hat man eine Notfalldienstmitarbeiterin in die Leitstelle abgeordnet; das Gesundheitsamt übernimmt die zentrale Steuerung.
Die Stadt- und Landkreise sind hier wirklich ausdrücklich zu loben, weil sie hier sehr schnell aktiv werden und auch zei gen, dass sie diese Problematik sehr konzentriert aufgreifen.
Allerdings ist es keine zentral organisierte Struktur, und wir haben Beispiele, dass hier erhebliche organisatorische Schwie rigkeiten bestehen. Insofern ist es wichtig, seitens des Landes Regelungen herauszugeben, dass wir mehr Struktur hineinbe kommen. Im Moment bewegt die Menschen, wie wir mit Ver anstaltungen umgehen. Herr Minister, beispielsweise haben wir in den Hochschulen große Vorlesungen. Ich glaube, da wäre es gut, Empfehlungen zu bekommen, weil es eine gro ße Unsicherheit gibt, wie man diese Veranstaltungen durch führt. Ich denke, es wäre hilfreich, hier seitens des Landes Empfehlungen zu geben.
Die eigentliche Arbeit und Koordination leisten die Kranken häuser und die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zusam men mit den Gesundheitsämtern vor Ort. Da bewähren sich auch die Strukturen, die die Kassenärztliche Vereinigung zu sammen mit den Krankenhäusern und im Notfalldienst ge schaffen haben. Aber nach Auskunft der niedergelassenen Ärz tinnen und Ärzte in den Landkreisen ist die Arbeit derzeit durch den ohnehin stark ausgelasteten ärztlichen Notdienst kaum mehr leistbar.
Wir wollen es nicht dramatisieren, aber in Baden-Württem berg gibt es Stand heute 44 Fälle. Wir wissen: Wenn die Zahl steigt, ist es notwendig, uns für künftige Fälle besser zu rüs ten. Ich glaube, das haben wir alle erkannt.
Abhilfe können zwei Dinge schaffen. Erstens: ein flächende ckender ganztägiger Hausbesuchsdienst, der zu den Risiko patientinnen und -patienten nach Hause kommt. Denn mit die ser Maßnahme und mit einer gezielten Patienteninformation kann man vorbeugen, dass Patientinnen und Patienten mit Symptomen der Covid-19-Erkrankung Arztpraxen und Kran kenhäuser oder Bereitschaftspraxen direkt aufsuchen.
Zweitens – Herr Minister Lucha, Sie haben es angesprochen –: separate Bereiche bei den 84 Notfalldiensten, also Anlaufzen tren, die beispielsweise in Stuttgart schon eingerichtet wur den.
Aber hier braucht unser Gesundheitswesen natürlich Unter stützung, und zwar auch finanzieller Art. Denn wir wissen, wie sich die finanzielle Situation der Notfalldienste darstellt. Hier ist es wichtig, dass wir den Krankenhäusern schnell und unbürokratisch die entsprechende finanzielle Ausstattung ge währen und nicht erst im Zuge langwieriger Verhandlungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das ist an dieser Stelle auch wichtig.
Ich will noch zwei Hinweise geben, die wir, die FDP/DVPFraktion, in der Aktuellen Debatte am 5. Februar angespro chen hatten.
Das eine ist die personelle Situation des öffentlichen Gesund heitsdienstes. Herr Lucha, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie in Ihrer Rede damals angesprochen hatten, dass wir einen Ärz temangel im öffentlichen Gesundheitsdienst, einen Mangel an ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben und die se aktuelle Situation für den öffentlichen Gesundheitsdienst nutzen sollten, um ihn hier deutlich zu stärken.
Zweitens geht es um ein Thema, das ich angesprochen hatte und das wir in der letzten Sitzung des Sozialausschusses durch einen Antrag der FDP/DVP noch einmal thematisiert hatten. Das ist die Situation, die im Zuge der Pflegepersonalunter grenzen seit 2019 für unsere Kliniken besteht.
In der letzten Woche hat die Regionale Klinik Holding in Lud wigsburg Minister Spahn angeschrieben aus großer Sorge um die künftige Sicherheit der klinischen Notfallversorgung. Denn ein Personalmix und innovative Personalkonzepte sind mit dieser Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung nicht mög lich, da im Rahmen der Pflegepersonaluntergrenzen fast nur examinierte Pflegekräfte angerechnet werden. Der Einsatz von anders qualifiziertem Personal in der Pflege, z. B. Pflegehel fer, Stationssekretärinnen oder -assistenten, ist zwar möglich, wird aber nicht angerechnet und führt deswegen auch zu Straf zahlungen für die Kliniken. Die Folge ist eine stark vermin derte Flexibilität im Personaleinsatz der Kliniken. Hier ist ein schnelles Umdenken der Politik gefordert.
Herr Minister Lucha, Sie gehen ja nachher zu Herrn Spahn. Nehmen Sie bitte auch diese Thematik mit. Denn unsere Kran kenhäuser, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Kliniken sind engagiert, um auch diese Coronavirus-Erkran kungen zu behandeln. Aber dann brauchen sie auch die finan ziellen Ausstattungen, und sie dürfen nicht durch bürokrati sche Strukturen gehemmt werden.
Letztes Stichwort: Das Coronavirus ist zuerst eine Gefahr für die Gesundheit. Es gibt keinen Grund zur Panik, aber einen Grund zur politischen Entscheidung. Es geht aber natürlich auch um die Arbeitsplätze und die Stabilität unserer Wirt schaft. Dies betrifft den Bund, es betrifft aber auch das Land. Wir, die FDP/DVP-Landtagsfraktion, sehen den Bedarf für ein Akutprogramm, um auch ein Signal der Handlungsfähig keit zu senden.
Wenn ich die Regelungen zur Kurzarbeit sehe und mich erin nere, wie das vor über zehn Jahren während der Wirtschafts krise war, dann können wir hier schnell und entschlossen han deln. Insofern ist es wichtig, dass wir den Betrieben zeigen, dass wir beispielsweise – es gibt noch andere Themen – im Bereich der Kurzarbeit schnell und flexibel reagieren, um sie zu unterstützen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, Sonstige A bis Z! Eine Pandemie rast um die Welt und erreicht Deutschland – und die Behörden lassen die Ärzteschaft im Stich. Praxen müssen schließen, weil nötige Ausrüstungsge genstände wie Desinfektionsmittel zur Neige gehen. Schutz kleidung ist überhaupt nicht vorhanden, denn diese Landes regierung – ehedem Grün-Rot – hat die im Jahr 2012 im Hin
Am 27. Februar verkündete Herr Spahn, Bankkaufmann, sie gessicher mittels Tweet der Öffentlichkeit, dass sich das Bun desgesundheitsministerium jetzt angesichts der Pandemie, die da ja schon zwei Monate bekannt war – denn am 31. Dezem ber 2019 hat China die WHO bereits informiert; zwei Mona te waren ins Land gegangen –, aufmacht, Schutzkleidung und Ähnliches zu organisieren und gegebenenfalls die Produkti onskapazitäten auszuweiten.
Ich habe überhaupt keine Barmherzigkeit mehr für so etwas. Für dieses Handeln habe ich nur noch schiere Verachtung. Die Regierung ist dafür verantwortlich, gerade in diesen elemen taren Fragen Grundstrukturen für die Versorgung des Volkes aufrechtzuerhalten. Wozu erhalten Sie denn sonst unsere Steu ergelder, Herr Ministerpräsident?
Es gibt Planspiele. Eine Drucksache im Deutschen Bundes tag aus dem Jahr 2012: Wie geht man mit einer Modi-SARSPandemie um? Was ist denn aus den Planspielen geworden? Nichts! Rufen Sie in den Gesundheitsämtern an – ich habe das gemacht –, rufen Sie in den Landratsämtern an – ich habe es gemacht –: Kaum einer weiß Bescheid. Kaum einer weiß, wel che Ärzte überhaupt behandeln. Und die Ärzte werden, wenn sie einen Coronavirus-Verdächtigen behandeln, dann ja selbst plötzlich verdächtigt, sie seien möglicherweise infiziert. Sie müssen selbst in Quarantäne gehen mit der Folge, dass die Praxis zu ist. Die Praxen werden geschlossen. Wie soll man dieser Sache überhaupt Herr werden?
Dass die Menschen dann in Sorge kommen oder vielleicht so gar in Panik ausbrechen, kann ich gut verstehen.