Protokoll der Sitzung vom 04.03.2020

Nach den letzten vorliegenden Zahlen sind nur 2 % der Haus halte in Baden-Württemberg so mit Glasfaser versorgt, dass die Verbindung zwischen Ämtern und Haushalten möglich ist. Im Bund liegt die Quote bei 10 %; auch da sind wir deutlich hinterher.

Was wir nebenher brauchen, ist eine zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung in der öffentlichen Verwaltung. Auch da ist es notwendig, dass das Land unterstützende Hilfestellung leistet.

Wir brauchen ein digitales Bürgerkonto nach dem Once-OnlyPrinzip. Es muss möglich sein, dass der Bürger z. B. die Ge burtsurkunde oder den Führerschein nur einmal digital vorlegt und die öffentliche Verwaltung immer wieder darauf zurück greifen kann.

(Beifall bei der FDP/DVP)

In diesem Zusammenhang braucht das Land Baden-Württem berg eine Open-Data-Strategie. Meine Fraktion hat in einer Großen Anfrage vom März 2019 danach gefragt und vom zu ständigen Minister die Antwort erhalten, man arbeite daran. Der Ministerpräsident war ja dann im Herbst jenes Jahres in Skandinavien und hat sich das dort angeschaut. Er war offen sichtlich beeindruckt und hat dann erklärt, so etwas brauch ten wir auch – wahrscheinlich in Unkenntnis der Tatsache,

dass sein Minister das vor einem halben Jahr schon angekün digt hat; wahrscheinlich hat er ihm das auch nicht zugetraut.

Die Frage ist also: Was ist jetzt erreicht? Darauf hätten wir gern Antworten. Es ist notwendig, dass das Digitalisierungs ministerium da mehr leistet und mehr Antworten gibt.

Die Spitzenkandidatin der CDU hat sich zu Recht hinter un sere Forderung gestellt, wir brauchen ein eigenständiges Di gitalisierungsministerium. Das brauchen wir, und zwar mit umfassenden Zuständigkeiten, mit einem Durchgriffsrecht und auch mit einer kompetenten Besetzung. Das ist die Aufgabe spätestens nach der nächsten Landtagswahl.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Abg. Lede Abal.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Da men und Herren! Wenn ausländische Fachkräfte per Visum nach Deutschland einreisen und ihre erste Arbeitsstelle anneh men, machen sie zunächst einmal eine kleine Tour durch den deutschen Verwaltungsapparat. Erst einmal geht es zum Ein wohnermeldeamt; denn ohne behördliche Meldung geht gar nichts; nicht einmal Steuern dürfen sie zahlen. Anschließend geht es vor dem ersten Arbeitstag zur Ausländerbehörde; denn ohne Termin zur persönlichen Vorsprache gibt es keine Auf enthaltserlaubnis, und ohne diese darf man bekanntermaßen nicht arbeiten.

Vielleicht mutet das aus Sicht der ausländischen Fachkraft seltsam an, aber wir hören auch viel Lob über die Effizienz und Integrität unserer Verwaltung. Sosehr wir uns manchmal über augenscheinlich formalistische Vorgehensweisen mokie ren: Wir haben in Deutschland und in Baden-Württemberg ei ne sehr gut funktionierende Verwaltung und nach Ansicht der OECD auch eine der leistungsstärksten der Welt.

Sehr häufig folgen formale Anforderungen einfach nur dem Prinzip, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Das, was der eingewanderte IT-Spezialist kennt, der Deutschland vor allem aus dem Innenleben seines bisherigen Unternehmens kannte, ist eine absolut zuverlässige Verwaltung; aber man hört oft mit verblüffender Ernsthaftigkeit auch die Frage: Ist der Ter min bei der Ausländerbehörde auch per Videokonferenz mög lich?

In der Welt vieler Unternehmen sind E-Mails eher schon Schnee von gestern. Internationale Teams kommunizieren per Videokonferenz über Zeitzonen hinweg. Werkzeuge digitaler Zusammenarbeit sind für sie selbstverständlich. Damit ist ei ne zwingende Präsenz ein Anachronismus. Das sehen wir ge rade auch in diesen Tagen, wenn globale Konzerne aus ge sundheitlichen Erwägungen – wir haben die Debatte gerade geführt – auf Homeoffice und Videokonferenzen statt auf Dienstreisen setzen.

Die Menschen treten also mit einer anderen Erwartungshal tung als früher an unsere Verwaltung heran. Sie erwarten, dass die Verwaltung mit neuen Technologien Schritt hält. Denn die se sind ein Garant für Flexibilität und Mobilität, Eigenschaf ten, die von den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land in der Arbeitswelt ebenfalls erwartet werden. Der Anspruch,

dass Baden-Württembergs Verwaltung vorn mit dabei ist, wenn es um flexible digitale Verfahren geht, ist also völlig richtig.

In den Jahren von 2017 bis 2021 haben wir dafür im Etat des Innenministeriums rund 2 Milliarden € veranschlagt. Selbst verständlich ist Baden-Württemberg mit seiner Verwaltung im Jahr 2020 angekommen. Hierzu nur einmal die Highlights:

Im BITBW-Gesetz haben wir bereits 2015 festgelegt, dass die Verwaltungs-IT aus einer Hand beschafft und organisiert wer den kann. Jetzt schauen wir, wo es Nachbesserungsbedarf gibt. Aus unserer Sicht stimmt die Richtung, und wir sind hierbei auch viel weiter als viele andere Landesverwaltungen.

Noch in der vorherigen Legislaturperiode haben wir das E-Government-Gesetz auf den Weg gebracht, und in diesem wurde der Grundstein für die digitale Verwaltung gelegt. Bei spielsweise wurden alle Landesbehörden verpflichtet, einen Zugang für die elektronische Kommunikation zu schaffen, und in einem weiteren Schritt wurden vor wenigen Wochen unter Federführung des Digitalisierungsministeriums 1 400 Rege lungen des Landesrechts in allen Ressorts daraufhin überprüft, ob bei Verwaltungsverfahren die Schriftform erforderlich ist, ob Bürgerinnen und Bürger tatsächlich persönlich erscheinen müssen. Dort, wo es möglich war, haben wir entstaubt. Das Projekt zeigt aber auch – wir haben uns vor wenigen Wochen darüber unterhalten –: Entbürokratisierung ist mühsame Kleinstarbeit. Eine Landesverwaltung ist nicht einfach von heute auf morgen umzukrempeln.

Im Moment ist die elektronische Rechnungsstellung auf dem Weg, und noch in diesem Jahr soll sie etabliert werden. Dies ist nur ein weiteres Rädchen im großen Ganzen, aber so füh ren wir Schritt für Schritt zeitgemäße Verfahren ein. Alle die se Vorhaben – die Abschaffung schriftlicher Formerfordernis se, die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung – klingen recht technokratisch und sind unspektakulär. Aber es bedeutet eine deutliche Erleichterung für die Menschen hier im Land, dass eine persönliche Vorsprache bei Behörden dort nicht mehr nötig ist, wo Verfahren per E-Mail erledigt wer den können.

Die Digitalisierung der Verwaltung bedeutet aber nicht, auch wenn die FDP/DVP dies mit dem Titel dieser Debatte gern nahelegt, dass das Faxgerät durch E-Mails ersetzt und die elektronische Unterschrift erlaubt wird. Digitalisierung der Verwaltung heißt nämlich auch, dass Tausende Vorschriften akribisch durchkämmt, rechtliche Sachverhalte geklärt und neue Verfahren entwickelt werden müssen.

Wir, die Fraktion GRÜNE, wollen eine moderne Verwaltung, eine digitalisierte Verwaltung. Daher hat die Landesregierung auch im Rahmen der Digitalisierungsstrategie schon vor knapp zwei Jahren die Digitalakademie auf den Weg gebracht. Die entscheidenden Akteure – etwa die Führungsakademie, die kommunalen Landesverbände, auch das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation – sind involviert. Diese sol len digitale Kompetenzen und Lösungen in die Verwaltungen bringen, damit, wie Herr Rülke es angesprochen hat, auch die Gewerbeanmeldung flächendeckend digital erfolgen kann. Auf dem Serviceportal des Landes ist sie übrigens verlinkt. Das Land hat da seine Hausaufgaben also durchaus gemacht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

In diesem Zug sollen Multiplikatoren – die sogenannten kom munalen Digitallotsen – ausgebildet werden. Diese sollen in Städten und Gemeinden eingesetzt werden und in den dorti gen Verwaltungen wirken. Die kommunalen Verbände haben die Aufgabe, dies vor Ort umzusetzen. Das ist aus unserer Sicht der richtige Ansatz; denn es geht dabei auch um die Kul tur einer Verwaltung. Es geht um die Menschen, die in den Behörden und Ämtern arbeiten, um die Menschen hier im Land, die auf eine effiziente und zuverlässige Verwaltung an gewiesen sind.

Man sieht also: Wir sind auf dem richtigen Weg. Dem Digi talisierungsministerium wird die Arbeit so schnell nicht aus gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Deuschle das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Stempel, Faxgerät und Personal Computer“: Über dieses Thema möchte die FDP/ DVP im Rahmen der heutigen Aktuellen Debatte sprechen. Wir tun das auch.

Ich möchte meine Ausführungen allerdings nicht beginnen, ohne zunächst den fleißigen und motivierten Angestellten, den Richterinnen und Richtern, den Staatsanwältinnen und Staats anwälten, der Beamtenschaft in unserem Land einen Dank auszusprechen. Sie alle sind das Rückgrat unseres Staates und füllen ihn mit Leben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, in einem sind wir uns, glaube ich, alle einig: Digitalisierung kann den Menschen nicht ersetzen. Auch eine leistungsfähige digitale Verwaltung braucht tatkräftige Männer und Frauen, und wir sind stolz, dass wir sie in Baden-Württemberg auch haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Jetzt kommt die FDP/DVP als Bedenkenträger.

(Lachen des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Sie hat Bedenken, ob unsere Verwaltung im Land das Rück grat mitbringt, um modern, digital und smart daherzukommen. Liebe FDP/DVP, die Bedenken können Sie haben. Das ist Ihr Job in der Opposition. Unser Job in dieser Koalition ist es, nicht nur die Digitalisierung der Verwaltung zu beschwören, sondern hier auch etwas zu bewegen. Und das tun wir.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Ich weiß, Ihnen geht das alles noch zu langsam, ist das alles noch zu wenig, zu schlecht. Wie könnte es auch anders sein?

Sehr geehrter Herr Dr. Rülke, es wäre gut, wenn Sie hier nicht nur Ihre Bedenken und Ihre Kritik, sondern auch ein Stück Realismus in die Debatte einbringen würden. Nach fast genau vier Jahren ist das Schema Ihrer Strategie hier im Landtag

nämlich klar zu erkennen: Anstatt die Fortschritte anzuerken nen, reden Sie den Menschen im Land ermüdend ein: „Herr Strobl kann dies nicht, Herr Strobl kann das nicht, wählt bit te beim nächsten Mal wieder die FDP.“ Heute steht ausnahms weise nicht der Innenminister, sondern der Digitalisierungs minister in Ihrer Kritik. Aus Ihrer Sicht sind wir da ja schon fast im Bereich der Kreativität angelangt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber nur fast! – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Reden wir über Digitalisierung; das können wir machen. Wenn ich jetzt behaupte: „Wir in Baden-Württemberg stehen gut da“, glauben Sie mir das ohnehin nicht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein!)

Ich greife jetzt auf den gleichen Trick zurück wie Sie: Ich zi tiere nämlich eine Studie. So hat „eco – Verband der Internet wirtschaft“ im vergangenen Sommer Baden-Württemberg zum „Digital Hero“ gekürt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Nicole Razavi CDU: Oh!)

Baden-Württemberg ist im Bundesländervergleich auf Platz 2 gelandet, was die Strategien für eine digitale Standortpolitik anbelangt, die, so der Verband, die Chancen der Digitalisie rung für Kommunen und Städte optimal nutzt.

(Zuruf: Hört, hört! – Abg. Stefan Räpple AfD: Schau en Sie mal nach Estland!)

Und das von der AfD. Sie schauen doch eigentlich am liebs ten nach Deutschland und nicht nach Estland. Aber okay, ein bemerkenswerter Zwischenruf.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Für uns, die CDU, ist klar: Das A und O im Land ist der Breit bandausbau.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)