Vollends kurios wird es allerdings an dieser Stelle: Die Ge meinderäte sollen nicht mehr ins Rathaus kommen, aber die
Man kann ja sagen: sowohl als auch. Übrigens hat auch das etwas mit Barrierefreiheit zu tun. Man kann ja sagen: „Ihr könnt ins Rathaus kommen“, aber gleichzeitig überträgt man das Ganze von dort aus. Also, dieser Punkt ist ein bisschen unverständlich.
Gut, man muss insofern, wenn man dann noch einmal an den Anfang geht, schauen, was das Ganze bringt. Ausgangspunkt war ein Vorschlag des Innenministers. Der wollte das auf dem Verordnungsweg regeln. Wir haben streng genommen nicht gesagt: „Wir brauchen ein solches Gesetz“, aber wir haben gesagt: „Wenn man es macht, braucht man ein Gesetz.“ Ob das Gesetz sehr viel weiter hilft, wird man in der Praxis sehen müssen. Ich muss sagen: Wenn ich in der Lage einer Gemein deverwaltung wäre, würde ich davon sehr zurückhaltend Ge brauch machen. Denn das eignet sich eigentlich wirklich nur für ziemlich klare Sachverhalte – und für klare Mehrheiten. Denn man stelle sich vor: Auf dem Höhepunkt der Debatte wird auf einmal ein Bildschirm dunkel, oder irgendeiner kann sich nicht mehr dazu äußern, und dann kommt es vielleicht auf dessen Stimme an. Dann landet das Ganze wieder vor dem Verwaltungsgericht oder sonst wo. Das hat also einen be stimmten Anwendungsbereich.
Insofern sind wir gespannt, wie es sich in der Praxis bewäh ren wird. Uns würde zunächst freuen – ich habe noch zwei Sekunden Redezeit; das ist eine richtige Punktlandung –,
wenn Sie unseren Änderungsanträgen, die sich, glaube ich, gut begründen lassen, und auch den Vorschlägen der SPD nä hertreten könnten. Dann könnten wir es am Schluss tatsäch lich zu viert oder zu fünft machen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Möglicherweise schon ab dem nächsten Monat können in Baden-Württemberg die Gemeinden, die Landkreise, die Sparkassen und andere kommunale Einrich tungen die Möglichkeit erhalten, notwendige Sitzungen ihrer Gremien unter gewissen Voraussetzungen ohne persönliche Anwesenheit von Gremienmitgliedern in einem Sitzungsraum insbesondere in Form der Videokonferenz durchzuführen. Die Landesregierung unterstützt diesen Gesetzentwurf der Koali tionsfraktionen – GRÜNE und CDU –, und wir durften ihnen ja auch die eine oder andere Formulierungshilfe beisteuern.
Mit diesem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von Grü nen und CDU übernimmt Baden-Württemberg im Übrigen einmal mehr eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik Deutsch land, beim Thema „Digitale Gremiensitzungen auf der kom munalen Ebene“, und wir setzen Baden-Württemberg wieder
einmal bundesweit an die Spitze. Ich will gar nicht verhehlen, dass der Kommunal- und Digitalisierungsminister das gut fin det. Deswegen bin ich den Koalitionsfraktionen, den Grünen und der CDU, dankbar, dass wir gemeinsam mit den Kommu nen Schritt für Schritt in die digitale Welt schreiten und uns auf das Gigabitzeitalter vorbereiten. Herzlichen Dank deswe gen für diesen Gesetzentwurf.
Die Gemeinderäte und die Kreistage werden über die Rück meldungen aus der Bürgerschaft immer wieder wichtige Im pulse erhalten, und deswegen ist es wichtig, dass wir zu jeder Zeit entsprechende Sitzungen abhalten können.
Wir kommen im Übrigen mit dem, was wir jetzt beraten, ei nem Wunsch der kommunalen Familie nach, und wir geben der kommunalen Familie damit ein Instrument an die Hand, mit dem sie in den Coronazeiten und in vergleichbaren Aus nahmesituationen besser und flexibler entsprechende Ent scheidungen treffen kann. Damit greifen wir auf innovative und digitale Möglichkeiten zurück.
Die kommunale Selbstverwaltung lebt ja in besonderem Maß vom Ehrenamt. Gerade für diese Ehrenamtlichen ist es wich tig, dass sie erstens die Impulse aus der Bürgerschaft einbrin gen können, dass sie zweitens informiert werden und dass sie drittens aber auch mitreden und mitentscheiden können, zu mal wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Vielfach stehen ja im kommunalen Bereich auch wichtige Ent scheidungen an, die keinen Aufschub dulden.
Aktuell ist ein Zusammenkommen zu Sitzungen, wie wir es bislang kennen und schätzen, nicht uneingeschränkt möglich. Es ist nicht unmöglich, aber sehr aufwendig, dem Infektions schutz im Rahmen von Sitzungen angemessen Rechnung zu tragen. Für viele Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, bietet die digitale Gremienarbeit, bieten Sitzungen per Videokonferenz für die kommunale Ebene daher eine grund sätzlich mögliche Antwort.
Herr Abg. Dr. Goll, vielleicht noch ein Wort dazu: Was spricht dafür, dass wir auf Videokonferenzen setzen und nicht die Te lefonschalte? Na ja, auch unsere Innenausschusssitzungen sind derzeit überwiegend als Videositzungen gedacht. Oder nehmen Sie beispielsweise die neue Möglichkeit für Haupt versammlungen von Aktiengesellschaften, auch großen Akti engesellschaften in der Republik, die ja jetzt doch in einer gro ßen Zahl per Videokonferenz eine Hauptversammlung abhal ten. Ich habe noch nicht gehört, dass das per Telefonschalte geschehen würde. Das möchte ja einen guten Grund haben, auf den der Kollege Hockenberger hingewiesen hat, dass es nämlich schon ein Unterschied ist, ob man sich sieht oder ob man nur miteinander telefoniert.
Warum sollen wir eigentlich nicht die digitale Möglichkeit der Videokonferenz nutzen, wenn es sie doch jetzt gibt, statt auf das Telefon aus dem vergangenen Jahrhundert zurückzugrei fen? Insofern glaube ich schon, dass es auch gute Argumente dafür gibt, dass wir gleich den Schritt machen, wie es bei spielsweise auch Aktiengesellschaften, die Wirtschaft in un serem Land machen, dass wir das also ebenso tun.
Ich finde jedenfalls: Ein Gemeinderat ist genauso bedeutend wie die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. Aber möglicherweise wird das ja in der FDP/DVP anders gesehen.
Das funktioniert ja immer besser, Herr Abg. Weinmann, und ich kann Ihnen einmal sagen: In der Stadt Heilbronn können Sie sich morgen 1 Gbit/s – 1 Gbit/s! – bestellen. Das müssen Sie natürlich bei einem entsprechenden Provider tun. Herr Abg. Karrais ist sicher bereit, Ihnen zu erklären, dass Sie mit 1 Gbit/s nicht nur eine Videokonferenz, sondern 50 Videokon ferenzen von Ihrem Hausanschluss locker abhalten können.
Schauen Sie sich den Breitbandatlas der Bundesrepublik Deutsch land 2016 an. – Vielen Dank für diesen Zwischenruf. – Als wir Verantwortung für die Digitalisierung in diesem Land übernommen haben, waren wir noch bei 70 % der Haushalte mit 50 Mbit/s. Wir haben um 20 Prozentpunkte zugelegt. Inzwi schen haben über 90 % der Haushalte mindestens 50 Mbit/s. Daran sehen Sie, dass wir gearbeitet haben, dass sich unsere Förderpolitik inzwischen in der Tat auszahlt, dass auch die privaten Telekommunikationsunternehmen in Baden-Würt temberg nachhaltig investieren. Es geht voran. 20 Prozent punkte mehr Haushalte mit über 50 Mbit/s, inzwischen über 90 % der Haushalte! Ja, wir haben auch noch etwas zu tun, aber diese Koalition und diese Regierung haben sehr viel Geld in die Hand genommen und auch sehr viel in diesem Bereich vorangebracht. Das nützt uns auch jetzt in diesen Tagen.
Herr Innenminister, sagt Ih nen die folgende Ansage etwas – ich glaube, es gibt hier mehr Leute, die sie kennen, und das passiert mitten in Stuttgart –: „Sie sind der Konferenz jetzt zugeschaltet. Sie sind der einzi ge Teilnehmer“?
Bei der FDP ist Kollege Goll bald allein zu Hau se. Aber dann freuen wir uns, dass es wenigstens ihn noch gibt.
Die neuen gesetzlichen Möglichkeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen aber nicht nur für Coronazeiten gelten – das war auch ein Wunsch, der aus der kommunalen Familie her aus sehr stark artikuliert wurde –, sondern sollen auch für in der Schwere vergleichbare Fälle in der Zukunft zur Verfügung stehen. Um diesem ausdrücklichen Wunsch aus der kommu nalen Familie nachzukommen, beraten wir nun eine gesetzli che Regelung.
Auf dem Verordnungsweg hätten wir freilich den Gemeinden und Landkreisen nicht über die Coronapandemie hinaus eine solche Hilfestellung geben können.
Wenn das Gesetzgebungsverfahren nun – darauf hat Herr Abg. Hockenberger ja hingewiesen – zeitnah über die Bühne ge bracht werden soll, den Landtag passieren soll, wird das auch dem ursprünglichen Gedanken, der kommunalen Familie ei ne schnelle Hilfe zuteilwerden zu lassen, ausreichend Rech nung tragen.
Eines, verehrte Kolleginnen und Kollegen, will ich freilich noch betonen: Die sonstigen Regelungen zum Geschäftsgang in den kommunalen Gremien werden durch den Gesetzent wurf nicht außer Kraft gesetzt. Dies gilt in besonderem Maß für den Grundsatz der Öffentlichkeit, dem gerade in Ausnah mesituationen, die der Gesetzentwurf vor allem im Blick hat, eine besondere Bedeutung zukommt. Da rate ich uns einfach zur Vorsicht. Herr Abg. Binder, zunächst einmal ist die Rechts lage ja schon heute so, dass man selbstverständlich eine Ge meinderatssitzung per Livestream ins Netz stellen kann. Die se Möglichkeit besteht ja.
Selbstverständlich ist die Voraussetzung dafür im Augenblick, dass alle einverstanden sein müssen. Wir haben im Unter schied zu Parlamenten jetzt eine über wirklich viele, viele Jahrzehnte – wenn Sie so wollen, seit Freiherr vom Stein – geübte Tradition, dass Film- und Tonaufnahmen in Ratssit zungen grundsätzlich nicht erlaubt sind – außer, es sind alle einverstanden. Wenn ja, darf schon heute im Internet ge streamt werden.
Ich persönlich will Ihnen sagen – auch als jemand, der 27 Jah re einem Gemeinderat angehört hat –: Ich will mich mal gar nicht per se und für alle Zeiten dagegen sperren, dass man so etwas beispielsweise auch per Mehrheitsentscheid macht oder in der Hauptsatzung festschreibt. Nur, da würde ich uns ein fach dazu raten, dass man sich mehr als drei Wochen Zeit nimmt, um das einfach einmal ausführlich zu diskutieren: mit den kommunalen Landesverbänden, mit der kommunalen Sei te, mit der Wissenschaft, mit den Datenschützern. Denn eines ist eben auch wahr: Das Internet vergisst nichts und auch nichts, was dann in einer solchen Gemeinderatssitzung gesagt und getan wird oder sich sonst wie ereignet.
Mein Rat an den Landesgesetzgeber ist: Beschäftigen wir uns mit diesem Thema. Das Innenministerium, das Kommunal ministerium, wird Sie gern mit allem, was wir zur Verfügung stellen können, dabei unterstützen. Aber das ist ein solcher Pa radigmenwechsel, dass ich raten würde, dass man sich etwas Zeit dafür nimmt.
Dass wir uns jetzt mit der Möglichkeit des Abhaltens von Ge meinderatssitzungen und Kreistagssitzungen, Sparkassengre miensitzungen usw. per Videokonferenz an die Spitze in Deutsch land stellen, ist schon ein mutiger Schritt, und ich bin dank bar, dass die Koalitionsfraktionen diesen mutigen Schritt ge hen und die kommunale Familie nicht alleinlassen und ihr ei ne weitere Option, eine weitere Möglichkeit geben, in be stimmten Zeiten Sitzungen auch per Videokonferenz abzuhal ten.
Herr Minister, es ist richtig: Man muss Dinge abwägen. Das gilt aber auch für viele Freiheits rechte, die durch Verordnung gerade eingeschränkt werden. Deshalb traue ich dem Parlament durchaus zu, das jetzt zu tun.
Deshalb die Frage: Wir wollen das Thema Livestream deshalb in diesem Gesetz, weil für den Fall der Videokonferenzen, die ja für bedeutende Themen eine Rolle spielen sollen, und bei besonderen Naturkatastrophen und Pandemien der Öffentlich keitsgrundsatz überhaupt in der Praxis gewahrt werden kann, wenn die Bürgerinnen und Bürger dazu in hoher Anzahl – ich kann keinen Bürger abweisen – in das Rathaus kommen. Da gibt es aus meiner Sicht einen Widerspruch: die Bürger ins Rathaus zu holen, während die Mitglieder des Gemeinderats es vom Küchentisch aus machen können.
Ich habe Ihnen ja die Bedenken, die es mal grundsätzlich gegen das Thema Videostream geben kann, auf geführt. Ich war 27 Jahre lang im Gemeinderat, und ehrlich ge sagt tue ich mich ziemlich schwer damit, mich daran zu erin nern, dass wir regelmäßig größere Probleme mit der Tatsache gehabt hätten, dass die Anzahl der Zuschauer so groß gewe sen wäre, dass wir diese nicht hätten unterbringen können. Herr Kollege Hinderer, selbst unter Infektionsschutzgesichts punkten ist es jedenfalls bei der Stadtratssitzung in Heilbronn regelmäßig möglich, alle Zuhörer und Zuschauer, alle, die zu hören oder zuschauen wollen, unterzubringen. Der Infektions schutz ist dabei gut einzuhalten.