Ich darf Ihnen zu unseren Änderungsvorschlägen etwas sa gen. Ich glaube, dass es gerade in dieser Pandemie doch gro tesk ist, den Bürgerinnen und Bürgern, nur, um dem Öffent lichkeitsgrundsatz gerecht zu werden, nur anzubieten, sich im Rathaus einzufinden. Das Rathaus ist in vielen Gemeinden dieses Landes gerade geschlossen, und durch vorherigen An ruf werden nur Notmaßnahmen umgesetzt. Sie sagen den Bür gerinnen und Bürgern, um den Öffentlichkeitsgrundsatz zu wahren: Ihr sollt euch in so großer Zahl, wie ihr wollt – – Sie
können ja keine Grenze einsetzen, bei deren Überschreitung keine weiteren Personen mehr in den Saal dürfen.
Ich bin regelmäßig in Gemeinderatssitzungen, und ich war zuletzt auch in einer Gemeinderatssitzung anwesend, an der über 300 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen haben. Es gibt Ausnahmen, aber Ausnahmen gibt es auch in diesen Kri sen.
Und da sehen Sie mit Ihrem Vorschlag, was den Öffentlich keitsgrundsatz angeht, ganz schön alt aus. Deshalb wollen wir die Möglichkeit des Livestreams anbieten – nicht vorschrei ben, sondern ermöglichen, dass die Städte und Gemeinden dies in ihrer Hauptsatzung umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich weiß nicht, was aus der Forderung der Grünen bezüglich des Themas Telefon geworden ist. Man konnte diese Forde rung ja in der letzten Woche noch im SWR hören. Wir wären bereit, die FDP/DVP wäre bereit, die Grünen wären bereit. Dann lassen Sie uns, Herr Hockenberger, doch noch mal zu sammensitzen und dies im Sinne der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg ermöglichen. Dann überlegen wir uns noch mal, ob wir doch noch mit unterschreiben, wenn wir hier gemeinsam zu einer Lösung kommen.
Es geht nämlich nicht nur darum, ob Leute direkt mit ihrer Breitbandversorgung Videokonferenzen machen können, son dern es geht auch um jegliche Barrierefreiheit bei diesem The ma. Deshalb sollten jegliche Möglichkeiten genutzt werden, in einer solchen Notsituation an Sitzungen teilzunehmen, ab zustimmen und seine Meinung zu sagen.
In diesem Sinn stehen wir vor spannenden Beratungen. Wir begrüßen grundsätzlich die notwendigen Änderungen, und wir sind sehr froh darüber, dass man in diesem Fall von dem der zeit üblichen Verordnungsweg absieht und wir hier im Parla ment darüber beraten und beschließen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! „Wichtige Entscheidungen zwingen zu Gemeinderatssitzung“. „Rat tagt im Großen Saal der Stadt halle. Masken und Desinfektionsmittel stehen bereit“. So schrieb in der vergangenen Woche eine der lokalen Zeitungen im Alb-Donau-Kreis. Corona stellt alles auf den Kopf – nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen.
Steht bei Corona im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerk samkeit üblicherweise die neueste Verordnung des Innenmi nisteriums und des Sozialministeriums, so entsteht im Wind schatten dieser tief greifenden Veränderung auch Änderungs bedarf, der zwar nicht im öffentlichen Fokus steht, aber ge nauso wichtig ist.
Es geht hier um Kernelemente unserer parlamentarischen De mokratie auf Kreisebene und auf kommunaler Ebene. Und ei ner dieser Kernpunkte ist die Öffentlichkeit von Versammlun gen der Gemeinderäte und Kreisräte in Form von Präsenzsit zungen. Auch wenn der Besuch einer Ratssitzung leider eher das Hobby einer Minderheit der Bürger zu sein scheint – die Teilnahme von 300 Bürgerinnen und Bürgern, das kommt vor, ist aber sicherlich eine Ausnahme –, ist es unvorstellbar, dass Sitzungen der Räte generell unter Ausschluss der Öffentlich keit stattfinden. Dies mag bei einigen nicht öffentlichen Ta gesordnungspunkten gerechtfertigt sein, aber niemals in einer Form, die die Teilnahme aller Bürger grundsätzlich ausschließt.
Aber in Zeiten von Corona stellt sich natürlich auch die Fra ge der Rechtssicherheit von Gemeinderatssitzungen und de ren Beschlüssen sowie die Frage, wie man das Ganze umset zen kann. Mit dem aktuellen Gesetzentwurf der Regierungs fraktionen wird für die Gemeinden und Kreise klargestellt, dass Beratungsgegenstände einfacher Art ohne persönliche Anwesenheit im Sitzungsraum behandelt und beschlossen werden können. Es geht also um Angelegenheiten von gerin ger Bedeutung, die nach ihrem Sachverhalt keine Beratung erfordern.
Wir begrüßen an dieser Stelle, dass die Regierungsfraktionen Anregungen aus den Kommunen, von den Bürgermeistern mit aufgegriffen haben. Dies ist mal ein vernünftiger Gesetzent wurf, den die Regierungsfraktionen vorgelegt haben. Wobei: Ich fand einen Kommentar vorhin schon sehr befremdlich, als der Kollege Hockenberger von „letzten Löchern“ sprach. Das klang so, als wenn er dabei Kommunen mit einem recht schlech ten Internetausbau beschreibt. Da finde ich diese Wortwahl unsäglich, zumal die Regierungsfraktionen ja auch eine Mit verantwortung haben, dass in den letzten Jahren in diesem Be reich zu wenig passiert ist, auch wenn der Innenminister in den letzten dreieinhalb Jahren versucht hat, das zu kompen sieren.
So über die Kommunen zu reden, die man in den letzten Jahr zehnten vernachlässigt hat, das ist im Grunde schon, gelinde gesagt, unverschämt.
Sie haben recht, Herr Hockenberger: Das ist billig. Da stim me ich Ihnen zu. Das, was Sie gesagt haben, ist billig.
Die Gemeinderäte und die Kreisräte – davon bin ich überzeugt – sind hochsensibel hinsichtlich der Einhaltung der Maßga ben, die auch in diesem Gesetzentwurf enthalten sind. Kein Bürgermeister würde es wagen, auf diesem Weg wichtige Din ge unter dem Radar der Präsenzsitzung durchzubringen. Er liefe garantiert schwer auf Grund. Und den Landräten würde es genauso gehen.
Die wirkliche, aus der Coronanot geborene Neuerung ist im Gegensatz dazu alles andere als eine Routinevorschrift. Erst wenn, überspitzt ausgedrückt, ein Weltuntergang bevorsteht, dürfen in Videokonferenzen Themen nicht einfacher Art be handelt werden. Der Terminus der schwerwiegenden Gründe
wurde vernünftigerweise gleich mit definiert, um auch dafür zu sorgen, dass es nicht bei jeder Gelegenheit zur Anwendung kommt.
Welche „anderen Gründe“ neben den außergewöhnlichen Not situationen, Naturkatastrophen und dem Seuchenschutz aller dings noch vorstellbar sind, entzieht sich ein wenig meiner Fantasie. Wir würden es begrüßen, wenn diese anderen Grün de wegfielen, damit sie nicht als mögliche Schlupflöcher ver wendet werden können.
Insgesamt sind die eingebauten Sicherungen vernünftig und zweckmäßig. Das gilt sowohl für den Hauptsatzungszwang, die Übertragung in den öffentlichen Raum als auch das Ver bot von Wahlen per Videokonferenz. Wir können dem Gesetz entwurf letzten Endes also guten Gewissens zustimmen.
Gleichzeitig möchten wir noch einen Denkanstoß geben. Wir sehen hier, dass der Gesetzgeber durchaus zu einschneiden den Neuerungen in den kommunalen Ratsverfassungen in der Lage ist. Aber warum bedarf es erst solcher unentrinnbaren Zwangslagen? Warum kann man nicht auch mal außerhalb ei nes solchen Zwangs kreativ werden?
2011 beispielsweise wogte bereits eine Diskussion über die Liveübertragung von Ratssitzungen. Einzelne Gemeinden ha ben das versucht, die Mehrheit aber nicht, u. a. weil der recht liche Rahmen unsicher war. Inzwischen sind fast zehn Jahre vergangen. Die technische Entwicklung ist weiter fortgeschrit ten. Gründe, die damals dagegen sprachen, sind entfallen. Hier sollte der Gesetzgeber versuchen, einen Rahmen vorzugeben, der auf Freiwilligkeit beruht.
Nicht jeder Bürger hat am Donnerstagabend – oder wann auch immer die Ratssitzungen stattfinden – die Zeit, bis Mitternacht im Rathaus dabei zu sein, wenn das nach der Coronakrise wie der einmal möglich ist.
Zurück zum Gesetzentwurf. Wir tragen ihn mit, hoffen aber, dass nach der Beendigung der Coronakrise die Regelungen in dieser Form nicht mehr angewendet werden müssen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Dieses Vorhaben der Regierungsfrak tionen sieht einerseits durchaus nach einem Konsensprojekt aus – das muss man sagen –, andererseits stellt man schnell fest, was man nicht nur bei dieser Maßnahme so empfindet – wir jedenfalls –, sondern auch bei anderen Maßnahmen, dass einerseits die Zielrichtung nachvollziehbar ist, aber es in der Durchführung dann ziemlich schnell nach Bevormundung oder auch nach Willkür riecht – Stichwort: 800 m2.
So ist es nach unserer Meinung übrigens auch in diesem Fall. Zunächst kann man sich die Frage stellen: Soll man so etwas überhaupt zulassen? Jede Gemeinde hat in der Regel die Mög lichkeit, in eine Mehrzweckhalle zu gehen und auf diese Wei se die Abstände einzuhalten. Ich bin ein großer Anhänger der klassischen Form. Aber man kann natürlich auch fragen: Wa
rum soll man den Kommunen nicht weitere Möglichkeiten dieser Art eröffnen? Dafür sind wir ebenfalls. Aber wenn man es macht, können wir es doch eigentlich richtig machen. Man könnte es konsequent machen. Da kommt ein bisschen das ins Spiel, was ich als Bevormundung und auch als Willkür emp finde. Das sind die beiden Punkte, die uns nicht sachgerecht vorkommen, die wir auch sofort moniert haben. Dazu haben wir ja jetzt auch einen Änderungsantrag eingebracht; der müsste Ihnen vorliegen.
Das ist das Erste: der Ausschluss des Telefons. Auf ein so ho hes Ross, diese technische Möglichkeit auszuschließen, wür de ich mich in diesem Land nicht unbedingt setzen.
Wir hatten ja kürzlich – freundlicherweise, muss man sagen – virtuellen Besuch vom MP bei uns in der Fraktionssitzung. Ich muss Ihnen sagen: Es hat eine ganze Weile gedauert, bis der Ministerpräsident im Bilde war.
Man muss fairerweise übrigens auch sagen, dass in unserer eigenen Fraktion die realen technischen Bedingungen auch schon zu gefährlichen Aggressionsstauungen geführt haben.
Also, die Sache mit der Öffentlichkeit finde ich an dieser Stel le ein bisschen witzig. Die wird ja auch herangezogen, also das Argument, dass man das Gesicht sehen muss. Verzeihung, aber ich glaube, in 80 % der Ratssäle dieses Landes sehen die Zuhörer die Gemeinderäte von hinten, würde ich mal sagen. Die können da nicht ins Gesicht schauen. Das Ganze ist ein bisschen witzig.
Ich persönlich habe festgestellt, dass Telefonkonferenzen zu nächst einmal eine Eigenschaft haben: Sie dauern länger, weil manche länger reden, weil die missbilligende Körpersprache der anderen wegfällt, wenn jemand zu lange redet. Aber das ist eigentlich auch der einzige Effekt.
Im Übrigen hat nach unserer Information das Land Branden burg das schon vor zwei Wochen eingeführt und gestattet mei nes Erachtens sogar reine Telefonkonferenzen. Darin sehe ich kein Problem, gerade übrigens auch bei Gremien, wo man sich ja kennt, wo man eigentlich weiß, wie die anderen aussehen. Das ist also keine ernsthafte Begründung.
Es ist manches Richtige gesagt worden, übrigens auch zur Barrierefreiheit. Dieses Thema könnte man gut mit erledigen.