Sie sprachen davon, schrittweise die Schulen zu öffnen – nach Pfingsten, in einem rollierenden System – und anschließend die Kindertagesstätten mit einzubeziehen. Das klang, Herr Mi nisterpräsident, als stünde dieser Plan schon unumstößlich fest.
Sie haben dann in einem Nebensatz die Studie erwähnt, die Ihre Landesregierung in Auftrag gegeben hat. Ich glaube, die se Studie und deren Ergebnisse sind schon wichtig. Denn wenn es so ist, wie Professor Henneke aus Freiburg, Kinder infektiologe am Universitätsklinikum, sagt – dass nämlich der Krankheitsverlauf, der Infektionsverlauf bei Kindern und Ju gendlichen nicht nur im Schnitt deutlich milder ist als bei Äl teren, sondern dass Kinder diese Infektion eben auch deutlich seltener weitergeben –, dann kann dieser Plan nicht so blei ben, sondern dann muss er sich verändern.
Es stellt sich also schon die Frage, inwieweit diese Ergebnis se noch geeignet sind, den Plan, den Sie am heutigen Tag für Kindertagesstätten und für Schulen vorgestellt haben, zu ver
ändern. Wenn es möglich ist, Herr Ministerpräsident, dass die se Studie den Plan verändert, dann kann man Ihnen und Ihrer Regierung nur raten, sich besser darauf vorzubereiten, als es im Moment der Fall gewesen ist.
Denn wir stellen fest: Baden-Württemberg ist nicht nur zu sammen mit dem Saarland das letzte Bundesland, das wieder in den Schulunterricht eingestiegen ist, sondern unser Land war offensichtlich auch nicht hinreichend vorbereitet. Wenn Sie auf diese Studie reagieren wollen, dann können Sie mit den Vorbereitungen nicht erst anfangen, wenn die Studie vor liegt.
Deshalb wäre Ihnen anzuraten, sich flexibler auf das vorzu bereiten, was da möglicherweise kommen könnte und was auch wünschenswert wäre, nämlich eine raschere und umfäng lichere Öffnung der Schulen und Kindertagesstätten, als Sie das offensichtlich vorhaben – falls die Studie es hergibt.
Sie sprachen über den Sport. Ich darf Sie zitieren. Sport ist möglich: kontaktlos, outdoor, im Freien. Sie haben dann schon angedeutet, dass die Fußballbundesliga dazu im Grunde nicht passt. Outdoor ja, im Freien auch, aber kontaktlos dürften die Spiele in der Fußballbundesliga nicht verlaufen.
Nun kann man natürlich sagen: „Dort war der Druck beson ders groß.“ Das stimmt. Wer die Nachrichtenlage verfolgen konnte, hat festgestellt: Niemand äußert sich so häufig zu der Notwendigkeit der Überwindung des Shutdowns wie Fußball bundesligisten. Ich habe auch nichts dagegen. Aber mit wel chem Recht sagen wir eigentlich Gastronomen, dass sie ihr Gasthaus nach wie vor nicht öffnen dürfen, wenn gleichzeitig so viel Energie für die Fortsetzung von Geisterspielen in der Fußballbundesliga aufgebracht wird? Das ist schlicht nicht nachvollziehbar.
Darüber hinaus sprachen Sie davon – zumindest mir ist nicht so ganz klar geworden, wie das gemeint ist –, dass Ballett und Schauspiel dann auch möglich sein müssten. Habe ich das richtig verstanden? Ballett wird also geprobt,
Was bedeutet das für andere Veranstaltungen? Kann beispiels weise ein Musikverein, der mit einem solchen Konzept mög licherweise für eine Aufführung proben kann, dann auch da mit rechnen, eine Aufführung machen zu dürfen? Kann er da mit rechnen, dass Publikum kommen darf? Und, wenn ja, un ter welchen Bedingungen?
Also, Sie sprachen davon, Schauspiel und Ballett müssten ei nen ähnlichen Plan vorlegen wie die Fußballbundesliga. Heißt das, dass dann eine Balletttruppe auch 14 Tage in Quarantä ne geht und jeden Tag getestet wird, und nach 14 Tagen kann sie auftreten? Das ist wahrscheinlich nicht sonderlich realis
Gut ist, dass Sie sich jetzt endgültig von der 800-m2-Regelung verabschieden. Das haben wir Ihnen ja schon früher geraten.
Gut ist, dass es bei den Altenheimen zu Lockerungen kommt – natürlich unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen; das ist angesichts der vulnerablen Gruppen klar –, dass es die Möglichkeit gibt, dass solche Menschen dann wieder in Kon takt mit ihren Angehörigen treten.
Nicht so ganz klar geworden ist aber: Was haben Sie mit der Gastronomie vor? Ich habe irgendetwas von Außengastrono mie gehört. Wann soll das losgehen? Ihre Wirtschaftsministe rin hat gefordert: am Muttertag. Vom Muttertag habe ich bei Ihnen jedoch nichts gehört. Vor Pfingsten? Okay. Und nach Pfingsten dann Tanzschulen, Freizeitparks etc.
Ich habe ja ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie mit Ihrer Regierung vielleicht ein paar Tage brauchen, um die entspre chenden Verordnungen auszuarbeiten. Was ist denn beispiels weise die konkrete Voraussetzung dafür, dass ein Freizeitpark öffnen darf? Welche Abstandsregelungen sind dann notwen dig, welche Hygienebestimmungen sind dann einzuhalten? Wir würden uns wünschen, dass Sie das schon einmal deut lich machen.
Das muss dann aber auch für alle gelten. Es darf nicht so sein, dass nur der Fußballbundesliga Kontaktsport genehmigt wird und allen anderen nicht. Es darf auch nicht so sein, dass die Tests machen müssen und die anderen nicht. Wir brauchen vielmehr nachvollziehbare Kriterien, die auch wirklich für al le gelten und bei denen nicht Einzelnen, die besonders laut schreien, eine Extrawurst gebraten wird. Denn genau das ist der Grund dafür, dass in der Bevölkerung die Akzeptanz schwindet.
Erstellen Sie also bitte möglichst bald klare Kriterien, und ge ben Sie diese Kriterien dann auch an die Betroffenen weiter, aber möglichst nicht sonntagabends um 23 Uhr und mit der Er wartung gegenüber den Kommunalen, das Ganze dann Mon tagmorgen um acht umzusetzen.
Also, es sind viele Fragen offengeblieben, Herr Ministerprä sident. Der Landtag von Baden-Württemberg und unsere Mit bürgerinnen und Mitbürger erwarten da zu Recht noch eine ganze Menge Antworten.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, vielen Dank für die schnelle und ausführliche Information des Parlaments nach der Ministerpräsidentenkonferenz. Ich begrüße es aus drücklich, dass die Abgeordneten aus erster Hand informiert werden.
Ich finde das auch sehr notwendig, und ich begrüße es aus drücklich, Herr Ministerpräsident, dass Ihre Landesregierung eine transparente Öffentlichkeitsarbeit praktiziert.
Sie haben nach jeder Ministerpräsidentenkonferenz die Bür gerinnen und Bürger in diesem Land informiert. Ich finde: Diese transparente Haltung heute gegenüber dem Parlament und grundsätzlich gegenüber der Öffentlichkeit ist wichtig, Herr Ministerpräsident.
Ich möchte Ihre Haltung ganz klar bekräftigen und auch für meine Fraktion sagen, dass wir den Weg, den Sie heute mit der Kanzlerin sowie Ihren Kolleginnen und Kollegen bespro chen haben, mitgehen. Es ist in meinen Augen ein Weg des Ausgleichs, ein Weg der Verantwortung sowohl für das Leben der Menschen in unserem Land als auch für das gesellschaft liche Leben und für die wirtschaftliche Kraft unseres Landes. Das ist bei der Landesregierung gut aufgehoben. Dieser Weg erhöht die Planbarkeit. Das ist vernünftig, das ist verlässlich, und das ist verantwortungsvoll, liebe Kolleginnen und Kolle gen.
Ich bin Ihnen dankbar, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich in den letzten Tagen nicht am Wettbewerb der Marktschreier beteiligt haben. Ihren Ausführungen entnehme ich: Die Lan desregierung wahrt hier Maß und Mitte mit einem Kurs der angemessenen Maßnahmen auf der Grundlage wissenschaft lich basierter Daten. Ich bin mir sicher: Mit diesem Kurs von Maß und Mitte, mit dem Wahren der Verhältnismäßigkeit, dass wir unsere Maßnahmen immer auf der Grundlage wissen schaftlich basierter Daten treffen, können wir auch gut die Kri se überwinden.
Ich möchte nochmals in Erinnerung rufen, auch Ihnen, Herr Kollege Rülke: Mit diesem Virus können wir nicht verhan deln.
Mir ist das am Beispiel der Sporttaucher aus Innsbruck sehr eindrücklich geworden. Es waren sechs Sporttaucher – nicht Amateurtaucher, sondern Sporttaucher –, die etwas jünger als ich waren, kerngesund. Sie hatten Corona, waren positiv ge testet, waren infiziert. Nach einigen Wochen waren sie gene sen. Nach wiederum fünf bis sechs Wochen gingen sie zu ei nem Sportmediziner. Der Sportmediziner musste eine deutli che Sauerstoffunterversorgung feststellen. Das ist für mich ein Warnsignal: eine deutliche Sauerstoffunterversorgung. Das heißt, obwohl das sportliche Leute waren, obwohl die mal ih ren Tauchschein bekommen hatten, kam es an ihrer Lunge zu erheblichen Schädigungen, die durch die Genesung nicht be hoben worden sind. Das sollte ein Warnsignal sein. Die haben ihren Tauchschein am Ende nicht mehr bekommen.
Deswegen, glaube ich, tun wir alle gut daran, weiter dafür zu sorgen, dass sich das Virus nicht verbreitet, die Verbreitung
Wichtig ist uns, dass die Bundesländer hier vom Grundsatz her gemeinsam vorgehen und dass lokalen Gegebenheiten Rechnung getragen wird. Denn es zeigt sich ja: Die Entwick lung des Virus ist in den einzelnen Regionen, in den einzel nen Bundesländern jeweils eine andere. Deswegen finden wir, Herr Ministerpräsident, die regionale Differenzierung, die Sie besprochen haben, zielführend.
Herr Rülke, zu dieser regionalen Differenzierung gehört, dass wir feststellen müssen: Baden-Württemberg und Bayern sind große Ballungsräume für dieses Virus und verzeichnen die größte Zahl von Infektionen. Das heißt: Vergleiche mit Meck lenburg-Vorpommern oder mit Sachsen-Anhalt und Hinwei se auf Öffnungen, die Mecklenburg-Vorpommern für Strände und Sachsen-Anhalt jetzt für die Gastronomie vornehmen können, gehen fehl. Da haben Sie Äpfel mit Birnen vergli chen, Herr Kollege. Das passt nicht. Wir müssen die Situati on in unserem Land berücksichtigen. Das sind wir den Bür gern unseres Landes schuldig.
Die Strategie für das Land Baden-Württemberg muss sein, so viel gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Aktivität wie möglich zu eröffnen und sich dabei so streng wie nötig an die Einschränkung der Kontakte zu halten. Ich glaube, mit die sem Vorgehen sind wir gut aufgestellt.
Wir begrüßen die Ampelsystematik, die Sie, Herr Minister präsident, präsentiert haben. Denn mit diesem Ampelmodell wird der jeweilige Bereich mit fachlicher Expertise bewertet. Es geht also nicht nur um regionale Differenzierung. Vielmehr verstehe ich die Ampelsystematik, die Sie präsentiert haben, so, dass jede Branche, jeder Sektor – Gastronomie, Verkehrs gewerbe, Veranstaltungen, Bildung, Kindertagesstätten – un terschiedlich bewertet werden.
Wir halten es für wichtig, dass diese Bewertung anhand von epidemiologischen Gesichtspunkten erfolgt. Hier werden dann klare Kriterien herangezogen – und das macht die Debatte wieder transparent. Dann sind wir nicht beim Marktschreier, bei demjenigen, der am lautesten schreit, sondern wir sind auf einem klaren, planbaren und nachvollziehbaren Weg. Und das ist wichtig, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Uns in der grünen Landtagsfraktion geht es um das ganze Land, nicht um eine Lobby, die am lautesten schreit. Mit dem Stufenplan bietet die Landesregierung – Herr Ministerpräsi dent – eine Perspektive auf der Basis konkreter wissenschaft licher Kriterien. Herr Dr. Rülke, die Wissenschaft überprüft sich nämlich regelmäßig.