Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

(Beifall)

Ich bin unserem Minister für Europa dankbar, dass er heute Vormittag für die Landesregierung so klar die Position bezo gen hat, dass es keine Coronabonds geben wird, meine Da men und Herren.

(Zurufe)

Allerdings sitze ich dort hinten. Da bekommt man dann schon mit, wie bei den Grünen Hektik ausbricht, wenn der Minister das sagt.

(Abg. Josef Frey GRÜNE: Das kennen wir nicht!)

Ihr kennt keine Hektik, das ist mir schon klar.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber in dieser Situation dann mit der moralischen Keule zu kommen, lieber Kollege Frey, und über mangelnde Solidari tät zu klagen, wäre tatsächlich falsch. Unter Corona die Ver gemeinschaftung von Schulden durchzudrücken wäre wirk lich unseriös; es gibt keinen Grund dafür.

(Beifall)

Denn wir haben alle Möglichkeiten: Wir haben die Kredite aus dem Eurorettungsschirm ESM. Wir haben die Kredite der Europäischen Investitionsbank EIB. Wir haben bis zu 100 Milliarden € im Rahmen des Programms der EU-Kommissi on zum Thema Kurzarbeit. Auch da gibt es also Möglichkei ten.

Klar ist – noch einmal Danke für die klare Positionierung –, dass auch diese Landesregierung eine Vergemeinschaftung europäischer Schulden ablehnt, und das Ganze natürlich vor dem Hintergrund eines europäischen Paukenschlags.

(Unruhe)

Herr Sänze quatscht jetzt lieber mit seinen Kollegen, anstatt zuzuhören. Nach vorn wird dann immer gerufen: „Wir wol len eine Diskussion über Europa!“ Aber von Ihnen kommt doch überhaupt nichts, wenn das Thema dann einmal auf der Treppe liegt. Da kommt nichts, einfach null.

(Lebhafte Zurufe von der AfD)

Und warum? Ich kann es Ihnen sagen. Weil Sie sich mit den Themen einfach nicht beschäftigen.

(Widerspruch bei der AfD)

Wir haben zum Thema EZB ein klares Urteil des Bundesver fassungsgerichts. Das ist doch etwas, über das man einmal re den kann: die Zuständigkeiten – Europa und staatliche Ebe ne.

(Lebhafte Unruhe)

Das Anleihenkaufprogramm PSPP, also die „Bazooka“ von Frau Lagarde, wurde kritisiert, und zwar in dem Sinn, dass unser Verfassungsgericht sagt: Es ist schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar, dass man in dem Bereich, in dem die Bundesbank aktiv ist, Anleihekäufen nicht mehr zustimmen darf. Das hat sie in der Vergangenheit in der Regel sowieso nicht getan, aber jetzt haben wir hier noch einmal eine Klar stellung, was die europäische Ebene ist und was die nationa le.

Wenn die europäische Ebene für die Geldpolitik zuständig ist und wir für die Wirtschaftspolitik zuständig sein müssen, dann heißt das aber auch: Wir müssen für die Wirtschaftspolitik et was tun und nicht bloß herumfaseln, was uns nicht passt, mei ne Damen und Herren.

(Beifall)

In diesem Sinn – – Ich sehe gerade, dass meine Redezeit zu Ende geht.

Ihre Redezeit ist schon ab gelaufen; sie ist lange vorbei.

Na ja – lange? 16 Se kunden.

Ich habe versucht, eine Zwischenfrage zu lancieren, aber Sie haben ja nicht Luft ge holt.

Aber den Schlusssatz darf ich noch sagen?

Ja.

Deshalb, meine Da men und Herren: Das ist eine Europawoche, wie wir sie uns so sicherlich nicht haben träumen lassen, mit vielen Aufga benstellungen, die vor uns liegen. Lassen Sie sie uns gemein sam anpacken, mit einer Wirtschaftspolitik in Baden-Würt temberg, die dann auch für die europäische Ebene vorbildlich ist.

In diesem Sinn wünsche ich uns allen die europäische Frei heit, die wir in Zukunft wieder brauchen, damit es uns wieder besser geht.

Vielen Dank.

(Beifall – Zuruf: Bravo!)

Nun hat für die Regierung Herr Minister Guido Wolf das Wort.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon heute Morgen eine europapolitische Debatte geführt, die Ge legenheit gab, viele Aspekte der aktuellen europäischen Ent wicklung herauszugreifen, insbesondere die Folgen der Co ronakrise, auch für Europa, und insbesondere die große Her ausforderung, aus der Coronakrise jetzt nicht in zweiter Linie eine europäische Krise werden zu lassen. Da bin ich für vie le Anmerkungen und Aussagen Ihrerseits dankbar, weil sie aus einer großen Übereinstimmung resultieren.

Die Coronapandemie bestimmt derzeit unseren Alltag in al len politischen Handlungsfeldern, auch und gerade in der Eu ropapolitik. Das Jahr 2020 hatte jedoch mit anderen gewich tigen europapolitischen Themen begonnen. Ich will das schon anmerken: Ich mache mir manchmal ein bisschen Sorgen, dass wir angesichts der herausragenden Herausforderungen in der Coronakrise das Gespür für die anderen politischen Themen und Herausforderungen verlieren könnten, um die wir uns kümmern müssen:

(Vereinzelt Beifall)

die schwierigen Verhandlungen über den Mehrjährigen Fi nanzrahmen, der Brexit, die Zukunftsdebatte oder die Turbu lenzen an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Das sind zum Teil Umstände, die man schon ganz aus dem Blick, zum Teil sogar aus dem Gedächtnis verloren hat, ob wohl sie als unerledigte Tagesordnungspunkte unverändert auf der europäischen Agenda stehen.

Der aktuelle Europabericht informiert über die Aktivitäten der Landesregierung bei diesen und weiteren Themen. Fast alle Themen auf europäischer Ebene werden inzwischen aber durch die Coronapandemie überlagert und massiv davon beeinflusst.

Massiv beeinflusst werden auch unsere Vorbereitungen für die deutsche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020. Der zeit ist noch völlig offen, ob die geplanten Ratssitzungen, Ver anstaltungen und Konferenzen wenigstens nach der Sommer pause stattfinden können. Klar ist aber schon, dass das Pro gramm der Präsidentschaft anders aussehen wird als von der Bundesregierung ursprünglich geplant. Denn eine Ratspräsi dentschaft muss natürlich auch auf aktuelle politische Ent wicklungen Rücksicht und Bezug nehmen. Dies alles gilt al lein schon deshalb, weil die Regularien des Einhaltens von Abstand bestimmte Veranstaltungsformen nicht zulassen oder erschweren; schon deshalb wird es auch im Rahmen der deut schen Ratspräsidentschaft darum gehen, sich in Videokonfe renzen zu treffen, wenngleich dies sicherlich – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – zwar eine Form der Kommunikation ist, nicht aber eine Form der Begegnung. Doch gerade in Europa spielt die Begegnung eine ganz entscheidende Rolle.

(Beifall)

Die Prioritäten werden sich auf die Bewältigung der Folgen der Pandemie und die Aufhebung der Beschränkungen hin verschieben. Ganz oben auf der Agenda werden daher insbe sondere der wirtschaftliche Wiederaufbau und der Mehrjähri ge Finanzrahmen stehen.

Und – ich will es schon erwähnen, auch in diesem Zusammen hang –: Auch im europäischen Kontext wird der Tourismus eine besondere Rolle spielen müssen. Ich werde nicht müde, diese Branche ins Gespräch zu bringen. Sie ist natürlich in dieser Coronapandemie in ganz besonderer Weise getroffen, und es wird voraussichtlich lange dauern, bis diese Branche die Krise überwunden haben wird – übrigens nicht nur in Ba den-Württemberg, sondern in ganz Europa.

Wenn Sie einmal an unsere Nachbarländer, an Spanien, Itali en oder Griechenland, und deren finanzielle und wirtschaftli che Entwicklung in den letzten Jahren denken und jetzt unter stellen, dass der Tourismus dort in gleicher Weise abstürzt, dann können Sie erkennen, in welch große wirtschaftliche Probleme diese Länder kommen werden.

Die Tourismusbranche steht für 11 % des Bruttoinlandspro dukts der Europäischen Union, für 12 % der Arbeitsplätze und für drei Millionen Unternehmen; 90 % davon sind kleine und sehr kleine Unternehmen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Daher ist es gut, aber auch höchste Zeit, dass die Europäische Kommission die Tourismusbranche bei den Hilfen in den Blick nehmen will. Auch dort muss ein Akzent gesetzt wer den. Der zuständige Kommissar für Binnenmarkt und Dienst leistungen hat bereits gefordert, dass Mittel aus dem geplan ten Erholungsfonds gezielt in den Tourismussektor fließen sol len.

Das europäische Tourismusforum, das wir für Herbst in Fried richshafen geplant haben, wäre ein guter Ort, um weitere Im pulse zu geben. Schauen wir, in welcher Weise wir dort die Gespräche und die Debatten führen werden. Sicher ist: Wir werden auch in der zweiten Jahreshälfte und darüber hinaus weitere Perspektiven für den Tourismus brauchen.

Auch ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte die Zu kunftskonferenz Europas ansprechen. Sie hätte am 9. Mai in

Kroatien starten sollen. Kollege Sänze, Sie haben einmal mehr unterstellt bzw. kritisiert, dass diese Konferenz ja ohnehin kei ne Bedeutung habe, weil sie nicht ergebnisoffen geführt wer de. Nun bin ich nicht unkritisch, was europäische Beteili gungsprozesse angeht – ich habe das auch schon beim Weiß buch zum Ausdruck gebracht. Aber ich werde auch nicht mü de, Ihnen immer wieder zu sagen, was diese Ergebnisoffen heit angeht: Wir diskutieren europafreundlich.

(Beifall)

Das Bekenntnis zu den Werten Europas steht nicht zur Dispo sition. Diese schlagen sich eben auch – ich weiß wohl um Ih re Unterscheidung zwischen Europa und Europäischer Union – im Konstrukt der Europäischen Union nieder.

(Zurufe)