Herr Ministerpräsident, vielleicht will ja Herr Abg. Stickelberger etwas Konkretes fra gen. Lassen Sie das zu?
Mit solch einer Kritik kann man dann umgehen. Aber es ist mitnichten der Fall, dass wir immer gerade so wie am Anfang weitermachen würden.
Und dass einmal eine falsche Zahl kommuniziert wird, die an schließend korrigiert wird: Man kann in solch einer Situation doch nicht völlig fehlerfrei agieren. Was ist denn das für ein Vorwurf? Das verstehe ich überhaupt nicht.
Die Zahl ist kor rigiert worden. Man richtet sich nach den realen Zahlen und nicht nach den Fehlern, die bei diesem Vorgang auch einmal passieren.
Vielen Dank, Herr Minis terpräsident. – Sie haben davon gesprochen, der Krisenmodus würde noch so lange andauern, bis ein Impfstoff wirken könn te. Bedeutet das, dass Sie über den 15. Juni hinaus grundsätz lich im Wege der Rechtsverordnung regieren? Und wie beur teilen Sie dann die Perspektive
vor dem Hintergrund, dass vonseiten der CDU-Fraktion heu te ein Pandemiegesetz ins Spiel gebracht wurde, das gerade verhindern würde, dass weiter mit Rechtsverordnungen re giert würde? Wie beurteilen Sie diese Situation?
Wir sind im Kern schon in den Normalmodus zurückgekehrt – Sie hatten ja das Verwaltungshandeln am Wochenende kritisiert. Wir sind in den Normalmodus zurückgekehrt.
Wie immer verhandelt die Haushaltskommission und verhan deln die Regierungsfraktionen mit der Regierung über diese Sachen. Dann wird das dort beschlossen. Dann müssen Kabi nettsvorlagen dazu gemacht werden. Die werden umgesetzt und gehen in das ganz normale Verfahren. Wir sind also im Großen und Ganzen wieder im Normalmodus angelangt, weil die Pandemie das schlichtweg zulässt.
Wenn das Parlament aus dieser Situation grundsätzlich jetzt Konsequenzen zieht – was Sie ja nach der Verfassung können, indem Sie eine gesetzliche Regelung machen, sodass wir jetzt nicht einfach aufgrund des Infektionsschutzgesetzes des Bun des, sondern über ein Infektionsschutzgesetz des Landes agie ren –, so ist dies dem Parlament unbenommen.
Die verfassungsrechtlichen Grundlagen liegen vor. Wie das dann aussieht und ob es sinnvoll ist, so vorzugehen, darüber werden wir uns auseinanderzusetzen haben, aber grundsätz lich ist dieser Weg möglich. Ich habe auch nicht kritisiert – im Gegenteil –, dass das Parlament in diese Richtung gehen können muss.
Jetzt kommen wir noch einmal zu den Zustimmungsraten von 60 %. Erst einmal muss ich Ihnen sagen, Herr Rülke: Ich mei ne, Sie sind ja nicht gerade zimperlich beim Austeilen, und es sind nicht die allerzartesten Reden, die Sie hier führen.
Wenn dem dann einmal entgegnet wird, muss man nicht gleich beleidigt sein und sagen: Der ist arrogant.
Nein, zur Bevölkerung habe ich gar nichts gesagt, sondern nur zu Ihrem sehr gewagten Vergleich, dass die Größe der De monstration in Stuttgart ein Maß für die Fehlerhaftigkeit des Regierungshandelns wäre. Das ist doch ein bisschen weit her geholt.
Sie können nachlesen, dass ich schon nach der ersten Demons tration in einem Interview gesagt habe: Diese Leute haben das Recht zu demonstrieren, das Recht, dort ihre Meinung zu sa gen. Aber ich muss nicht jede Meinung teilen, die dort geäu ßert – bei manchen muss man auch sagen: verzapft – wird.
Kollege Reinhart hat gerade noch einmal deutlich gemacht, was dort alles geredet und auch verzapft wird. Dass darunter auch Bürgerinnen und Bürger sind, die aus ernsthaften Anlie gen demonstrieren, bestreitet kein Mensch. Man muss aber schon wissen, wer die Organisatoren sind, welche Reden sie halten, wen sie einladen und welche Reden diese Eingelade nen halten. Ich meine, das müssen wir als demokratische Po litiker schon auch werten und beurteilen. Diesbezüglich stim me ich mit Ihnen sicher überein.
Beispielsweise sind dort auch Impfgegner. Ich meine: Man kann vertreten, wenn man meint, man wolle nicht geimpft werden.
Aber man muss sehen: Es ist doch gar kein Impfstoff vorhan den. Es hat auch noch gar niemand davon gesprochen, dass es dazu eine Impfpflicht geben wird. Dann schon dagegen zu po lemisieren und so zu tun, als sei das der Fall, ist schon ein we nig weit hergeholt. Das darf man dann auch zurückweisen.
(Lebhafter Beifall – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Frau Eisenmann hat davon geredet! – Abg. An ton Baron AfD: Die Bundesregierung wollte einen Ausweis! – Unruhe)
Zu allen Argumenten, die die Impfgegner vorbringen, gibt es ein sehr gutes Dokument des RKI – ich kann es nur empfeh len –, das in sehr sachlicher Weise auf diese Anfragen oder Behauptungen eingeht.
Das Entscheidende in einer Demokratie ist doch: Wir haben zum Schluss nichts als Argumente. Jeder muss auch bereit sein, sich auf Argumente und Gegenargumente einzulassen. Das gehört einfach dazu, sonst können wir uns zum Schluss über nichts mehr einigen und zerstreiten uns, weil jeder sagt: „Ich habe recht, und die Argumente dagegen interessieren mich nicht.“ Das ist schon ein Streit, den wir führen müssen.
Natürlich sehen wir jetzt in dieser Pandemie, bei diesem Vi rus: Es gibt nicht einfach nur ein wissenschaftliches Ja oder Nein. Kollege Reinhart hat gerade noch einmal ein Beispiel
genannt. Wichtig ist aber – auch das ist Wissenschaft –: Wie führt man einen wissenschaftlichen Diskurs? Dazu gehört auch, sich darauf einzulassen und die Argumente zu falsifizie ren oder zu verifizieren. Das ist ein ganz normaler Prozess.
Mit jemandem, der das ablehnt, wird es schwierig, überhaupt eine vernünftige Debatte zu führen – wenn Meinungen, die einem nicht passen, einfach als Fake News betrachtet werden, ohne das irgendwie zu belegen. Diese Auseinandersetzung müssen wir führen.
Zu den Zustimmungsraten: Das ist ein schwaches Argument; da gebe ich Ihnen recht. Sich auf Zustimmungsraten bei Um fragen zu berufen, ist ein schwaches Argument. Da gebe ich Ihnen recht. Denn Sie haben zu Recht gesagt: Das kann sich schnell ändern. Das wissen wir. So ist das mit Umfragen.
Auch dann, wenn die Umfragewerte ganz anders aussähen, würde ich mit ziemlicher Sicherheit nicht anders handeln. Ich kann mein Handeln in der Tat – da muss ich Ihnen recht ge ben – nicht davon abhängig machen, ob es jetzt hohe Zustim mungsraten hat oder nicht.
Aber in einer Demokratie kann es einem auch nicht gleich gültig sein, ob das Handeln auf Zustimmung trifft oder nicht. Vor allem in einer Krise kann ich mich nicht im Letzten da nach richten. Man muss auch dann regieren, wenn man schlech te Umfrageergebnisse hat. Aber es ist wichtig, zu wissen, ob das, was man tut, auf Zustimmung trifft. Denn das ist für die Durchsetzung, die Legitimität, aber auch dafür, ob die Men schen das, was wir beschließen, befolgen, von nicht geringer Bedeutung. Aber im Kern gebe ich Ihnen recht: Zustimmungs raten, auf die man sich beruft, sind immer ein schwaches Ar gument.
Haben wir nun eine Strategie oder nicht? Natürlich haben wir eine Strategie. Die Strategie heißt Eindämmung der Pande mie. Das ist die Strategie, und die verfolgen wir so lange, bis ein Impfstoff gefunden ist. In diesem Prozess wägen wir das ab mit anderen Auswirkungen, die die Maßnahmen z. B. auf die Wirtschaft, auf die sozialen Strukturen, auf Kinder – alles Themen, die heute angesprochen wurden; das ist klar – haben. Von Orientierungslosigkeit kann also überhaupt keine Rede sein. Wir sind klar orientiert.
Zum Schluss will ich noch einmal sagen: Das, was Sie, Herr Kollege Stoch, gefordert haben, dass man in einem solchen Prozess widerspruchsfrei agiert, ist ein Ding der Unmöglich keit. Ich habe das im vorletzten Plenum schon einmal gesagt: Wenn man schrittweise öffnet und nicht nur nach systemati schen Regeln vorgeht, kommt man in Widersprüche. Sie ha ben die ja alle hervorgehoben – das lässt sich eine Oppositi on natürlich nicht entgehen; das ist ja völlig verständlich. Das ist jedoch nicht vermeidbar.
Das ist nämlich eine Frage der Strategie: Öffne ich schrittwei se, oder öffne ich alles unter systematischen Regeln? Für bei des gibt es Befürworter und Gegner. Das habe ich Ihnen beim letzten Mal erläutert. Sie wissen, wo ich einzuordnen bin. Ich bin der Meinung: Wir müssen schrittweise öffnen und können nicht alles auf einmal nach einheitlichen Regeln öffnen. Da für ist die Wirklichkeit schon zu unterschiedlich; es ist aber auch aus epidemiologischen Gründen nicht angesagt. Deswe
Ich verstehe also die Erwartungshaltung. Ich verstehe, dass man einen klaren Plan will, dass man klare Perspektiven will, und in dem Maß, wie sich die Zahlen entwickeln – es ist zu hoffen, dass sich die Pandemie so weiterentwickelt wie jetzt, nämlich dass die Zahlen sinken –, werden auch Zuverlässig keit und Planbarkeit dessen, was wir machen, zunehmen. Al les andere wäre ja auch nicht sehr verantwortlich.
Deswegen haben wir das Ampelsystem gemacht. Es zeigt noch einmal eine gewisse Flexibilität; aber das ist das, was man im Zustand der Krise machen kann. Ich glaube, das ist ein guter Hinweis, nach dem sich die Bevölkerung richten kann und auf dessen Grundlage sie mit uns diskutieren und streiten kann und ihre Anliegen vorbringen kann.
Seien Sie sich wirklich bewusst: Es ist uns klar, was das be deutet – allein die Schulden, die wir jetzt auftürmen müssen. Darum hat das so lange gedauert. Das geschieht nicht, weil wir nachher mit den 1,5 Milliarden € protzen möchten. Das machen wir höchst skrupulös. Ich meine, es gibt auch ein Le ben nach der Krise, und jede Milliarde, die wir jetzt ausgeben, werden wir, wenn sie nicht wirkt, hinterher zu Recht vorge halten bekommen. Deswegen protzen wir nicht damit, dass wir 1,5 Milliarden € ausgeben, sondern wir versuchen, zu be gründen, warum wir das machen. Dabei haben Sie uns gehol fen, diese Schulden machen zu dürfen.