Protokoll der Sitzung vom 17.06.2020

Die Videokonferenzen, die mein Kollege Alexander Salomon und ich mit den Vertreterinnen und Vertretern der Studieren den seit der Coronakrise hatten, haben den Bedarf an digita len Entscheidungsmöglichkeiten wie auch viele andere Prob leme deutlich gemacht.

Auf zwei weitere dieser Probleme bezieht sich dieses Gesetz. Erstens: Wir geben das Sommersemester nicht verloren. Un sere Hochschulen stemmen seit Ende April mit großer Kraft und viel Engagement ein vorrangig digitales Semester. Doch durch die anfängliche Schließung von Bibliotheken und den verspäteten Vorlesungsbeginn ergeben sich unvermeidliche Verzögerungen im Studienbetrieb. Die Studierenden fordern daher zu Recht eine landeseinheitliche Regelung, nach der ih nen dadurch kein prüfungsrechtlicher Nachteil entsteht. Die ser Forderung nach einer Verlängerung der fachsemesterge bundenen Fristen für Studien- und Prüfungsleistungen kom men wir mit dem Gesetz nach.

(Beifall)

Zweitens: Wir kümmern uns um die DHBW-Studierenden, deren Studienplatz an ein Unternehmen gebunden ist. Sollte ein solches Unternehmen aufgrund der Pandemie in eine wirt schaftliche Notlage geraten, sodass es den Ausbildungsver trag kündigen muss, verschaffen wir den DHBW-Studieren den eine deutlich längere Übergangszeit von bis zu sechs statt bisher zwei Monaten, um eine neue Ausbildungsstätte zu fin den.

Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, fügt sich als Puz zleteil in unsere Strategie ein, mit der wir den coronabeding ten Herausforderungen im Hochschulbereich begegnen. Un sere Hochschulen haben auf ein Digitalsemester umgestellt. Einen herzlichen Dank noch einmal an die Studierenden so wie an das wissenschaftliche und nicht wissenschaftliche Per sonal.

Klar ist aber auch: Viele Studierende sind finanziell aktuell besonders stark belastet, weil sie auf den zusätzlichen Ver dienst aus Nebenjobs – etwa in der Gastronomie – angewie sen sind. Laut Umfragen haben zwischen 40 und 60 % der Studierenden ihre Nebenjobs in der Krise verloren. Es war da her richtig, dass wir den landesseitigen Notfallfonds für Stu dierende aufgesetzt haben.

Auf Bundesebene kann seit gestern endlich der mittlerweile lange geforderte, nicht rückzahlbare Zuschuss für Studieren de, die sich durch die Coronapandemie in einer besonders aku ten Notlage befinden, beantragt werden. Das ist wichtig, auch

wenn ich mir durchaus mehr hätte vorstellen können, z. B. das BAföG für all diejenigen zu öffnen, die bisher nicht anspruchs berechtigt waren, denen aber durch die Pandemie das Einkom men weggebrochen ist, oder die zeitweise Aufhebung von Al tersgrenzen beim Kindergeld oder der Krankenversicherung.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz ergän zen wir unsere anderen landesseitigen Maßnahmen. Es ist ein Mehr an Sicherheit für die Studierenden. Wir müssen uns aber auch klar darüber sein, dass die Hochschulen und die Studie renden perspektivisch weitere Unterstützung brauchen wer den. Das ist bei sinkenden Einnahmen im Landeshaushalt si cher kein leichtes Unterfangen.

(Zuruf: Aha!)

Ich möchte, dass wir heute mit diesem Gesetz und ganz grund sätzlich den Hochschulen und den Studierenden im Land ver sprechen: Wir lassen euch nicht allein!

(Beifall – Zurufe, u. a. der Abg. Gabi Rolland SPD)

Nun wird wieder am Mi krofon gesprochen. Frau Kollegin Gentges hat das Wort für die CDU-Fraktion.

(Unruhe)

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Baden-Württemberg studieren zurzeit mehr als 350 000 Menschen, viele von ih nen, ohne im Sommersemester 2020 eine Hochschule von in nen zu sehen. Das liegt nicht daran, dass das Bemühen der Studierenden zu wünschen übrig ließe, sondern das liegt an der Aussetzung des Präsenzstudienbetriebs. Der Beginn des Sommersemesters wurde verschoben, Prüfungen – nicht zu letzt das Zweite Staatsexamen der Medizinstudierenden – wurden ausgesetzt, Bibliotheken und Archive waren bis in den April hinein geschlossen, Praktika und Praxissemester fallen aus. Viele Studierende müssen auf ihren Nebenjob, häufig in der Gastronomie, verzichten. Optimale Studienbedingungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehen in der Tat an ders aus.

Die Gemeinschaft der Lehrenden und Studierenden, die „uni versitas magistrorum et scholarium“,

(Vereinzelt Beifall – Zurufe)

von der sich der Begriff „Universität“ ableitet, stellt sich großen Herausforderungen. Unter dem Primat des Digitalen mussten Homeoffice-Plätze eingerichtet, die technischen Vorausset zungen für den Homeoffice-Betrieb geschaffen sowie digita le Lehrformate in Eigenverantwortung und eigener Entschei dung entwickelt werden.

Gleichzeitig liegt in dieser Zeit ein besonderes Augenmerk auf Forschung und Entwicklung, gerade im medizinischen Be reich. In dieser Situation erklären sich 5 000 Studentinnen und Studenten bereit, in Krankenhäusern, in Gesundheitsämtern oder in Laboren zu helfen. Allen, die sich so besonders ein setzen, von dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.

(Beifall)

Persönlich fände ich es schön, wenn es nicht bei dem rein ver balen Dankeschön bliebe, sondern für diese Studierenden im Grunde auch ein erkennbarer Mehrwert damit verbunden wä re, dass sie sich in dieser Situation über Gebühr einsetzen.

Der Gesetzentwurf, den die Regierungsfraktionen heute ein bringen, hilft in dieser Situation mit drei Regelungen, die die Hochschulen und die Studierendenwerke handlungsfähig er halten und die Nachteile für Studierende vermeiden. Das ist sachgerecht, das ist sinnvoll, und das ist unkompliziert.

Wir schaffen eine verbindliche Grundlage für digitale Sit zungsformate von Hochschulgremien und den Gremien der Studierendenwerke – sachgerecht, sinnvoll, unkompliziert.

Wir verlängern die Fristen fachsemestergebundener Studien- und Prüfungsleistungen. Bei den Prüfungsleistungen, die bis spätestens zu einem bestimmten Fachsemester erbracht wer den müssen, soll die Frist um jeweils ein Semester verlängert werden – sachgerecht, sinnvoll, unkompliziert.

Und wir schauen auf die DHBW, in der die Studierenden im mer auch ein Ausbildungsverhältnis brauchen. Mit den Aus bildungsverhältnissen gestaltet es sich schwierig; das ist schon jetzt absehbar. Ausbildungsverhältnisse können unverschul det wegfallen, beispielsweise durch die Insolvenz des Ausbil dungsbetriebs. Nach den bisherigen Regelungen droht die Ex matrikulation des Studierenden, wenn er nicht binnen acht Wochen einen neuen Ausbildungsbetrieb findet. Dies gestal tet sich in der aktuellen wirtschaftlichen Situation einfach schwieriger als sonst. Deshalb ist es sinnvoll, sachgerecht und unkompliziert, diese Frist auf insgesamt bis zu sechs Monate zu verlängern.

Um es zusammenzufassen: Es ist sachgerecht, es ist sinnvoll, und es ist unkompliziert, was wir hier zur Regelung vorschla gen. Deshalb lade ich Sie alle herzlich ein, diesen Gesetzent wurf der Regierungsfraktionen mitzutragen.

Besten Dank.

(Beifall – Zurufe)

Nun hat das Wort für die SPD Frau Kollegin Gabi Rolland. Bitte.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank, Frau Kollegin Gentges, für die Einladung, diesem Gesetzent wurf zu folgen. Ich kann es vorwegnehmen: Die SPD-Land tagsfraktion wird Ihrer Einladung gern folgen. Sie haben auch die Situation richtig beschrieben, der die gesamte Hochschul gemeinschaft seit Mitte März ausgesetzt ist.

Ich meine, wir sollten hier im Haus dann aber auch über die Auswirkungen dieses digitalen Studiums des Sommersemes ters 2020 diskutieren. Bei mir kommen viele Ansprachen an, die deutlich machen: Digitale Sprachausbildung ist doch sehr schwierig. Junge Wissenschaftlerinnen haben große Proble me. Die Zahlen von Publikationen haben zugenommen, ja – von den männlichen Kollegen. Kinderbetreuung ist schwie rig; Notbetreuung gibt es für die Forscherinnen und Forscher nicht, weil sie nicht systemrelevant sind. Da haben wir also viel zu tun.

Wir haben auch im Hinblick auf die Fragen zu tun: Wie stel len wir uns denn eigentlich Fort- und Weiterbildung im Be reich der digitalen Lehre vor? Wo kommen die Ressourcen her, sowohl im Softwarebereich als auch im Hardwarebereich, aber auch im persönlichen Bereich? Da müssen wir wirklich noch genau hinsehen. Ich glaube, wir müssen sehr viel darü ber diskutieren, wie in Baden-Württemberg die digitale Un terstützung in der Lehre, aber auch in der Forschung zukünf tig aussehen kann. Ich lade Sie dazu ein, dies mit uns zu dis kutieren.

(Beifall)

Sie haben die drei Punkte deutlich beschrieben, die digitalen Formen von Entscheidungen in Gremien in den Hochschulen wie auch den Studierendenwerken zu organisieren. Das ist richtig. Es sollte aber auch nicht die Regel werden. Denn wir merken ja auch, dass Videokonferenzen nicht wirklich gut sind für eine politische Entscheidungsfindung und Auseinander setzung.

Es ist selbstverständlich richtig, die Fristen beim Erbringen von Prüfungsleistungen und Studienleistungen jetzt zu ver längern. Ich würde gern auch noch im Ausschuss mit Ihnen darüber diskutieren, was dazu noch notwendig ist. Denn die Landes-ASten-Konferenz, die Studierenden, mit denen Sie of fensichtlich gesprochen haben, haben noch andere Anregun gen gebracht. Natürlich müssen wir den Azubis der DHBW eine Fristverlängerung zum Finden eines Ausbildungsplatzes gewähren. – So weit, so gut.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrakti onen Grün und Schwarz und liebe Landesregierung, Sie ha ben in den vergangenen Wochen – und tun es bis heute – dem Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg wie auch den Stu dentinnen und Studenten in vieler Hinsicht einen Bärendienst erwiesen. Ich will daran erinnern: das Gezerre um die münd liche Staatsexamensprüfung für das Lehramt – die Grünen sind dagegen, dass sie gemacht werden soll; die Schwarzen sind dafür, dass sie gemacht werden soll. Das Gezerre um die zweite Medizinerprüfung, die vom grünen Sozialminister aus gesetzt worden ist, obwohl 14 andere Bundesländer bei der bundesweiten Prüfung die Option erhalten, dass sie gemacht oder verschoben werden kann. Die grüne Wissenschaftsmi nisterin hält dagegen und sagt: „Kann man anders machen.“ Das Gezerre um die Landarztquote: Die Schwarzen sind da für, dass sie eingeführt wird, obwohl sämtliche Fakultäten der Medizin in Baden-Württemberg sich dagegen aussprechen, auch die Studentinnen und Studenten, mit denen Sie so viel videokonferiert haben. Die grüne Ministerin ist dagegen und sieht diese Quote sehr skeptisch. Das sagt sie auch öffentlich – zu Recht.

(Beifall)

Ich war dankbar, dass die Kollegin Seemann die Nothilfe für die Studierenden angesprochen hat und Ihnen da auch ins Handbuch schreibt: Das haben Sie im Bund schlecht gemacht. Wir hätten uns als SPD sowohl hier im Land wie auch im Bund gewünscht, dass die Frau Ministerin der Schwarzen im Bund ein bisschen mehr bringt als das, was sie über die BAföG-Not hilfe jetzt zur Verfügung stellt. Dass das notwendig ist, erken nen Sie an den überlaufenden Downloads bei den Studieren denwerken. Die Studentinnen und Studenten hier in BadenWürttemberg brauchen das Geld, damit sie ihren Lebensun

terhalt sichern können. Also, bitte tun Sie da noch ein biss chen mehr!

Ja, Frau Seemann, last, but not least: Gern dürfen Sie Taten folgen lassen. Es gibt einen Bereich der Studentinnen und Stu denten, dem es noch schlechter geht als allen anderen. Das sind die internationalen Studierenden.

(Zuruf)

Liebe Grünen, jetzt haben Sie die Möglichkeit, diese unge rechte, unsoziale, unwirtschaftliche Studiengebühr für die in ternationalen Studierenden abzuschaffen. Nehmen Sie die Chance wahr. Machen Sie es jetzt, schaffen Sie diese Studi engebühr ab.

(Beifall – Zurufe)

Herr Abg. Weinmann, Sie haben das Wort für die FDP/DVP.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Was habe ich jetzt übersehen? – Ach, Entschuldigung. Tut mir leid.

Frau Abg. Senger, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren Abgeordnete! Können Sie sich heute Ihr Le ben oder Ihren Alltag ohne Smartphone vorstellen? Die meis ten vermutlich nicht, nehme ich an. Das Smartphone ist das beste Beispiel dafür, wie moderne Gesellschaft von heute funktioniert. Denn das Smartphone ist nicht nur ein Telefon, sondern auch Musik- und Videoplayer und vieles andere mehr. Die Digitalisierung, dieser Megatrend, ist längst in vielen Le bensbereichen angekommen und zum praktischen Beispiel strategischer Planungen geworden, ob auf Unternehmerebe ne, bei der Forschung oder Hochschulen.

Dies hat Konsequenzen. Im Betreff der Hochschulen wirkt die Digitalisierung nicht nur auf bestimmte Teilbereiche, sondern auf die Hochschulen insgesamt, auf Lehre, Forschung und Verwaltung. Alle genannten Bereiche könnten in erheblichem Maß von der Digitalisierung profitieren, wenn die Verände rungsprozesse flächendeckend und vor allem strategisch statt finden.

Seit Jahren wird über Digitalisierung an den Hochschulen ge sprochen, und sie ist ja auch zu einem Teil des Hochschulall tags geworden, aber sie ist noch immer nicht Teil einer um fassenden Hochschulstrategie. Insofern bleibt die Digitalisie rung an unseren Hochschulen aktuell begrenzt, und viele Po tenziale bleiben leider ungenutzt.