Protokoll der Sitzung vom 24.06.2020

(Zurufe, u. a. Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir lassen uns den Appetit nicht verderben! – Unruhe)

Keinesfalls, weder beim Rind noch beim Schwein oder Wildschwein, auch nicht beim Reh.

Deshalb, meine Damen und Herren, wird die Jagd auch in der Zukunft bedeutsam bleiben, weil sie das einzige Regulativ ist, in einer Kulturlandschaft das Gleichgewicht zwischen Wild tieren einerseits und der floristischen Natur andererseits zu be wahren. Eine andere Möglichkeit des Eingriffs haben wir nicht. Ansonsten würden sich Wildtiere explosionsartig ver mehren. Das kann am Ende niemand wollen, und es würde auch zu einer Verfälschung der Soziokulturen von Pflanzen und Tieren führen. Dieses Ergebnis wäre widernatürlich. Die sem widernatürlichen Ergebnis kann man nur Einhalt gebie ten, wenn man auch beherzt jagt.

Meine Damen und Herren, konkret soll die allgemeine Schon zeit um zwei Wochen vorverlegt werden. Mit der Vorverle gung werden wir auf die Veränderung der klimatischen Ver hältnisse reagieren. Der Klimawandel hat die Wildtiere längst erreicht. Erfahrene Jäger – Herr Stein, Sie sind noch Jungjä ger;

(Abg. Udo Stein AfD: Nein!)

Erfahrungen von früher haben Sie noch nicht – werden auch bemerkt haben, dass die Rehgeißen ihre Kitze mittlerweile schon Anfang Mai und nicht mehr erst ab Ende Mai setzen und man um den 10. Mai herum schon die ersten Kitze im Wald herumspringen sieht, was früher erst im Juni der Fall war.

Es ist augenfällig: Die allgemeine Vegetation verlagert sich zeitlich nach vorn; jeder Winzer weiß dies, jeder Landwirt weiß dies. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Wild tiere. Deshalb muss ein modernes Gesetz dem Klimawandel, wenn man so will, auch nachfolgen. Wer natürlich den Kli mawandel negiert, der wird dafür auch keine Notwendigkeit sehen.

Eine aktuelle Analyse der seit vielen Jahren durch die Jäger schaft vorgenommenen Rehkitzmarkierungen zeigt, dass sich der Setzzeitpunkt weiter in Richtung Jahresanfang verscho ben hat.

Herr Minister, Herr Abg. Stein würde gern eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die se zu?

Ja, nachdem ich ihn angesprochen habe, lasse ich sie zu.

Ich darf die anderen Ab geordneten bitten, ihre Plätze einzunehmen.

Danke schön, Herr Hauk. Das ist sehr freundlich, dass Sie die Frage zulassen. – Trauen Sie mir nicht

zu, dass ich als Rehkitzretter, der in den letzten Wochen tage lang mit Drohnen unterwegs war, genau weiß, wann Rehkit ze gesetzt werden und wann nicht? – So viel zur fachlichen Praxis.

Ich traue Ihnen nur nicht zu, dass Sie die Ent wicklung über Jahre hinweg beurteilen können, weil Sie noch gar nicht so lange jagdlich aktiv sind. Das war das Einzige, was ich mit dem Begriff Jungjäger gemeint habe – nicht, dass Sie das nicht wissen könnten; das können Sie wissen, natür lich. Aber es war halt vor 30 Jahren nicht so, dass es schon am 10. oder am 5. Mai Rehkitze gab, sondern das ist erst jetzt so. Das ist halt eine Folge des früher einsetzenden Vegetations beginns.

(Vereinzelt Beifall – Zuruf)

Das gilt natürlich auch für andere Tierarten. Es gilt beispiels weise für Wasservögel, für den Feldhasen und die Graugans. Deshalb ist es folgerichtig, die Schonzeiten vorzuverlegen.

Ich will noch mal betonen: Damit ist nicht automatisch ver bunden, dass die Jagdzeit für Rehwild vorverlegt wird. Wir werden die Jagdzeiten im Anschluss an die Novelle des JWMG neu justieren. Die Forschungseinrichtungen arbeiten dabei an einem Konzept. Vertrauen Sie darauf, dass alle As pekte berücksichtigt werden, für das Schalenwild ebenso wie für das Raubwild.

Die Afrikanische Schweinepest ist durch die Coronapande mie verständlicherweise ein wenig aus dem medialen Interes se gerückt, jedoch ist klar: Ein Ausbruch der ASP würde uns hart treffen, gerade jetzt, da die Wirtschaft angeschlagen ist. Deshalb wird auch jedem Einzelnen viel abverlangt.

Wie werden die Menschen unter dem Eindruck der Corona pandemie reagieren, wenn es Betretungsverbote für ASPKernzonen gibt, wenn die Mastbetriebe schließen, wenn Wild schweinschutzzäune gebaut werden? Daher gilt umso mehr, dass alles Mögliche zur ASP-Prävention unternommen wer den muss.

Der Gesetzentwurf enthält notwendige Regelungen zur Seu chenbekämpfung. Hier sind wir einmal mehr bundesweit Vor reiter. So ist die unmittelbare Bejagung durch Dritte ausdrück lich auf den Seuchenfall beschränkt, aber sie wird eben auch ausdrücklich erlaubt, wenn es notwendig werden würde. – Aber auch außerhalb der JWMG-Novelle will ich an Sie ap pellieren, die ASP nicht aus dem Auge zu verlieren.

Im Wildschadensersatzrecht wird der Grundstein für bessere Absprachen zwischen Jägern und Landwirten gelegt. Ebenso wie ich nichts von Debatten wie „Wild vor Wald“ oder „Wald vor Wild“ halte, halte ich auch nichts davon, Jagd und Land wirtschaft gegeneinander auszuspielen. Ich bin zuversichtlich, dass insbesondere die Präventions- und Ausgleichssysteme ei ne weitere Möglichkeit bieten, gemeinsam Wildschäden zu verhüten. Ich glaube, es ist entscheidend wichtig, dass einer seits für die Landwirte die Hürde genommen wurde, Wild schäden geltend zu machen, ohne gleich vor Gericht ziehen zu müssen – der Gang vor Gericht ist ja schon eine Hürde, die mit Kosten, Zeit und Aufwand verbunden ist –, und es damit auch zur verpflichtenden Einschaltung des Wildschadenschät

zers kommt. Andererseits ist auch klar, dass Landwirte Oblie genheiten – so nennt sich das rechtstechnisch im Gesetz – zu erfüllen haben, damit ihre Flächen nicht wildschadensgeneigt sind. Und diese Obliegenheiten müssen sie auch erfüllen.

Ich halte den Kompromiss, der erzielt worden ist, für gut. Kompromisse leben auch davon, Herr Stein, dass sie sich über die Jahre weiterentwickeln und man nicht an einem Tag ste hen bleibt und sagt: „Das ist der Kompromiss für alle Zeiten.“ Vielmehr wird das Ganze bei neuen Erkenntnissen auch wei ter gelebt. Da geht es nicht um Worte des Landwirtschaftsmi nisters, nicht um Worte des einen und Worte eines anderen Meisters. Vielmehr geht es darum, auf aktuelle Situationen hin im Gespräch eine Weiterentwicklung zu erzielen.

Das Thema Jagd bleibt am Ende gesellschaftsfähig. Auch soll ten die an der Jagd Beteiligten – die Grundeigentümer, die Be wirtschafter und die Jäger, die ja meist auch nur Beliehene sind und keine direkten Grundeigentümerrechte haben –

(Zuruf)

miteinander im Gespräch bleiben. Ich glaube, das ist sehr gut gelöst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, insofern: Die Än derungen, denen der Ausschuss mehrheitlich zugestimmt hat, sind wiederholt angesprochen worden. Ich werbe auch um die Zustimmung zu der ausgewogenen Änderung des JWMG.

Klimawandel und übertragbare Krankheiten sind auch in der Jagd leider heute noch tagesaktuelle Themen. Wir packen sie an; diese Landesregierung hat sie angepackt.

Dies wird wahrscheinlich die letzte JWMG-Novelle in dieser Legislaturperiode sein. Ich bin aber sicher, dass wir in diesem Landtag nicht das letzte Mal über das Jagdrecht diskutieren werden. Einer neuen Regierung, einer neuen Koalition bleibt vorbehalten, noch bessere Regelungen zu treffen. Ich kenne auch schon ein paar.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall – Zurufe)

Es wurde auch schon angesprochen. Herr Kollege Gall hat ge fragt, warum der Luchs erwähnt worden sei, der Wolf aber nicht. Kollege Hoher hat die Antwort halb gegeben: weil der Wolf noch nicht im Jagdrecht verankert ist. Ich sage nur: Das ist eine Aufgabe. Wenn der Anspruch der alten Regierung, ein Wildtiermanagementgesetz zu gestalten, richtig gewesen sein soll, dann muss auch der Anspruch richtig sein, alle Wildtie re zu managen und nicht nur solche, die letztlich im Belieben des Naturschutzes stehen.

(Beifall)

Deshalb ist es notwendig – –

Herr Minister, Herr Abg. Dr. Schweickert möchte gern eine Zwischenfrage stellen. Las sen Sie diese zu?

Ja.

(Zuruf: Sie hätten eine Mehrheit!)

Herr Minister, vielen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage. – Wenn Sie so da von überzeugt sind, dass es Dinge gibt, die man eigentlich re geln sollte, und Sie so dahinterstehen, warum treffen Sie die se Regelungen dann nicht jetzt bei dieser Novelle, statt auf die nächste Legislaturperiode zu warten?

(Zurufe)

Ich bezweifle gar nicht, dass hier in diesem Haus eine Mehrheit vorhanden wäre.

(Heiterkeit)

Das will ich gar nicht bezweifeln. Aber wissen Sie, Herr Schweickert: Am Ende muss ein Land in der Summe gut re giert werden.

(Vereinzelt Beifall)

Da reicht es nicht aus, sektoral zu sagen: „Wir brauchen das Jagdrecht dort, wo es besonders gut ist.“ Ich will auch eine gute Landwirtschaftspolitik machen. Ich will eine gute Ver braucher- und eine gute Schulpolitik etc. machen. Dazu brau chen Sie eine stabile Koalition. Das wissen Sie eigentlich auch. Deshalb brauchen Sie keine rhetorischen Fragen zu stel len.

(Beifall)

Deshalb entscheiden wir solche Dinge in guter Freundschaft, aber nicht in voller Einheit, sondern in dem Sinn, in dem man sich eben geeinigt hat. Wir haben uns ja geeinigt, und auch dieser Gesetzentwurf ist ein Einigungsgesetzentwurf. Das heißt nicht, dass man nicht überall noch ein bisschen mehr machen könnte. Das will ich nur ausdrücklich ankündigen. Deshalb bin ich überzeugt: Es wird nicht die letzte Änderung bleiben. Aber ich glaube, die Änderungen in dieser Legisla turperiode haben viel dazu beigetragen, dass die Jagd einfach praktikabel bleibt und dass die Jäger das tun können, was sie mit Leidenschaft tun, nämlich jagen, hegen, sich um die Na tur und um ihren Bestand kümmern – aber auch beherzt schie ßen, wenn es sein muss.

Übrigens soll auch deshalb mit fünf Kugeln nacheinander im Halbautomaten geschossen werden dürfen, weil wir damit be reits existierendes bundesdeutsches Recht, das Ihre Partei, Herr Gall, auf Bundesebene im Waffenrecht mitgetragen hat, 1 : 1 übernehmen.

Wir wollen in dieser Frage keinen Flickenteppich. Der Jäger soll in Baden-Württemberg nicht für etwas strafbar gemacht werden, was in Hessen oder anderswo unter Umständen er laubt ist. Waffenrechtliche Fragen sind immer mit einer ho hen Sensibilität verbunden. Das wissen Sie selbst. Deswegen haben wir das Bundesrecht einfach nachvollzogen. Es war auch richtig und sinnvoll, dies zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall – Zurufe, u. a.: Sehr gut! – Bravo!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Damit kommen wir in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/8038. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Aus schusses – –