Protokoll der Sitzung vom 25.06.2020

Hier gilt übrigens der klare Appell an die Bundesebene, nicht den Fehler zu begehen, den irreführenden „Betonparagrafen“, § 13 b des Baugesetzbuchs, zu verlängern. Nur so erreichen wir mittelfristig eine Nettonull beim Flächenverbrauch.

(Beifall)

Es muss uns auch gelingen, gesellschaftliche Anforderungen und wirtschaftliche Realität in Einklang zu bringen. Die Ver antwortung für die Transformation der Landwirtschaft und un seres Lebensstils trägt die gesamte Gesellschaft.

Mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz sind wir auf dem rich tigen Weg hin zu einer Agrar- und Ernährungswende. Mit über 60 Millionen € werden wir dieses Vorhaben anschieben. Das ist im Haushalt drin, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Uns muss aber auch bewusst sein: Wenn das Gesetz durch ist, beginnt erst die eigentliche Arbeit. Die kommende Legisla turperiode steht im Zeichen der Umsetzung. Erst dann zeigt sich die Wirkung des Gesetzes.

Wir brauchen aber auch zwingend einen Gesellschaftsvertrag, der handelnde und verarbeitende Branchen sowie Verbrauche rinnen und Verbraucher mit ins Boot holt. Gelingt uns dies, werden die im Biodiversitätsstärkungsgesetz angestrebten 40 % an Produkten von ökologisch bewirtschafteten Flächen auch zu fairen Preisen abgenommen. Wir brauchen – das ist auch schon angeklungen – eine Bundesagrarpolitik und eine europäische Agrarpolitik, die unsere Vorhaben finanziell un terstützt. 30 % der Mittel müssen für Agrar, Umwelt, Tierwohl und ländliche Entwicklung bereitstehen.

Baden-Württemberg hat gemeinsam mit der Bevölkerung sei ne Hausaufgaben erledigt. Mit diesem Gesetz werden wir Vor reiter beim Naturschutz, beim Tierschutz und beim Erhalt der bäuerlichen Betriebe in unserem Land.

Die letzten Wochen in der Coronakrise haben gezeigt: In der Bevölkerung steigt die Nachfrage nach gesunder Ernährung und hochwertigen Bioprodukten. Es reicht jedoch nicht aus, darauf zu warten, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher

ihr Kaufverhalten ändern. Die volkswirtschaftlichen Kosten einer weiteren Zerstörung unserer Lebensgrundlage durch ak tuelle Dumpingsysteme sind dafür viel zu hoch.

Wir brauchen eine höhere Wertschöpfung. Daher setzen wir Grünen uns für eine konsequente Umsetzung der Idee eines Genusslands Baden-Württemberg ein. Es muss sich auch fi nanziell wieder lohnen, mit guten, sauberen und fairen Le bensmitteln Geld zu verdienen. Wir, die grüne Fraktion, sind uns unserer Verantwortung bewusst, auf politischer Ebene den Prozess zu gestalten und mit der Unterstützung des Biodiver sitätsstärkungsgesetzes eine wichtige Hürde auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu nehmen, die quali tativ hochwertige Lebensmittel zu fairen Preisen, eine intak te Kulturlandschaft und einen effektiven Artenschutz bietet.

Vielen Dank.

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Rapp das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr viele Aspekte mit Blick auf das Volksbegehren und auf den daraus entstandenen Ge setzentwurf zur Änderung des Landwirtschafts- und Landes kulturgesetzes sowie des Naturschutzgesetzes Baden-Würt temberg wurden dargelegt. Aber ich glaube, es muss deutlich werden, dass wir damit erst am Anfang des Prozesses stehen, dass das jetzt der Beginn mit sehr vielen Chancen in sehr vie le Richtungen sein kann, vor allem ein Beginn mit einer neu en Form der Verantwortung füreinander und einander gegen über. Das gilt für die Umweltseite genauso wie für die land wirtschaftlichen Verbände.

Der Kollege hat das gerade angesprochen; er sprach von ei nem Gesellschaftsvertrag. Da kann man sich zu Recht die Fra ge stellen, wer den eigentlich unterschreiben soll. Wir würden es damit umschreiben, dass es ein gesellschaftlicher Dialog sein muss, der von Wertschätzung und Mitverantwortung ge genüber dem jeweils anderen geprägt ist. Die Verantwortung fängt tatsächlich nicht nur bei den Landwirten und nicht nur bei den Umweltschützern an, sondern eben bei uns allen.

Im Zentrum steht damit auch die Frage, wie wir mit den Pro dukten umgehen: Wo kaufen wir zu welchem Preis ein, und was sind unsere Ansprüche an eine landwirtschaftliche Pro duktion? Sind wir als Gesellschaft nachher auch bereit – da mit meine ich nicht durch Verteilung öffentlicher Gelder, son dern durch unser eigenes Verhalten –, das zu tragen und zu bezahlen?

(Zuruf: Darum geht’s!)

Man könnte es so zusammenfassen: Am Regal entscheidet sich die Moral.

(Beifall)

Deswegen ist als Kern dieses begonnenen Prozesses, der mit einer Einigung über gemeinsam getragene Eckpunkte den ers ten Schritt gemacht hat und in diesem Gesetzentwurf weiter entwickelt wurde, wichtig, dass man das, was Peter Hauk ge sagt hat, in den Mittelpunkt stellt, dass man dafür Sorge trägt

wie es in der Forstwirtschaft schon seit 307 Jahren der Fall ist –: Auf einer Fläche sowohl zu produzieren als auch den un terschiedlichen Schutzfunktionen mit Blick auf die Böden, mit Blick auf das Wasser, mit Blick auf die Umwelt gerecht zu werden, das scheint uns die intelligente und die richtige Lösung zu sein.

Gestatten Sie mir, dass ich an dieser Stelle allen Danke sage, die da beteiligt waren. Es waren vor allem die Landwirt schaftsverbände sowie die Umwelt- und Naturschutzverbän de, die in einer sehr vernünftigen Art und Weise den Umgang miteinander gepflegt haben, um genau diese Prozesse anzu stoßen, diese Schritte gehen zu können. Ich danke auch den Herren Ministern Untersteller und Hauk für die Moderation, für die Steuerung dieses Prozesses.

Ich möchte Sie alle bitten, diesen Weg mit Besonnenheit, mit Vernunft, aber auch mit Weitblick zu begleiten, in positiver Art und Weise; denn nur so können wir in Baden-Württem berg die Zukunft gestalten.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank. – Für die SPDFraktion erteile ich Frau Abg. Rolland das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Sprecher der Re gierung und der sie tragenden Fraktionen heute hört, kommt man schon auf den Gedanken, dass aus der Zweckehe bald ei ne Liebesheirat wird. Sagen Sie uns, wenn die Hochzeitsglo cken klingen.

(Zurufe)

Was mich erschreckt hat, ist, dass Sie, Kolleginnen und Kol legen von der FDP/DVP, im Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft offensichtlich nicht anwesend sind – zumindest nicht mental. Wir haben so oft darüber diskutiert, dass wir selbst in unserem sehr differenziert und in kleinen Strukturen bewirtschafteten Land Baden-Württemberg einen erheblichen Artenschwund haben. Selbst hier haben wir einen unglaublichen Artenschwund. Lebensräume für Tiere und Pflanzen bei uns sind in einem schlechten Zustand. Drei Vier tel der oberirdischen Gewässer in unserem Land sind in ei nem mäßigen bis schlechten Zustand. Da können Sie, Frau Kollegin Reich-Gutjahr, mir doch nicht vormachen wollen, dass das der Markt richtet. Das hat in den letzten 30 Jahren nicht funktioniert. Wie soll es denn zukünftig funktionieren?

Wir haben doch hier im Land in den vergangenen vier Jahren eine Konfrontation zwischen der ökologischen Landbewirt schaftung und der konventionellen Landbewirtschaftung er lebt. Bislang ist es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz und Grün,

(Zuruf: Die gab es doch vorher auch schon!)

nicht gelungen, diesen Konflikt aufzuarbeiten. Es ist Ihnen nicht gelungen. Es war doch Notwehr der Bürgerinnen und Bürger, mit diesem Volksbegehren dafür zu sorgen, dass end lich etwas passiert.

(Zuruf)

Sie haben recht: Es ist jetzt eine gute Gesetzesgrundlage hier in der Diskussion. Mit Verlaub: Es wird ja wohl möglich sein, das miteinander zu diskutieren und da den Finger in die Wun de zu legen, wo es vielleicht noch nicht so gut ist oder wo man über Änderungen nachdenken kann.

Wir sind überzeugt, dass eine naturverträgliche Landbewirt schaftung in Baden-Württemberg möglich ist. Ihr wird die Zu kunft gehören. Dazu gehört auch, dass die Landwirtinnen und Landwirte in ihrer Existenz abgesichert werden müssen.

(Beifall)

Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, wenn man Natur schutz, Umweltschutz und landwirtschaftliche Urproduktion in eine Richtung bringen will.

Wir werden hier niemanden gegen jemand anderen ausspie len, sondern gemeinsam zu dieser naturverträglichen Land wirtschaft – die möglich ist – kommen. Letztlich kommt es dann darauf an, wie all die guten Gesetze, die wir in BadenWürttemberg haben – – Das Wassergesetz, das wir in BadenWürttemberg haben, ist wunderbar. Auch das wird ein gutes Gesetz. Aber letztlich wird es darum gehen: Wie wird es um gesetzt? Und da wird dann die Frage sein, ob das Gute, das heute von allen beschworen wird – insbesondere von den Re gierungsfraktionen –, zu halten ist. Da sind wir gespannt; da wird die Evaluierung wahrscheinlich einiges zutage bringen.

Vielen Dank.

Frau Abg. Rolland, lassen Sie noch eine Frage zu?

Ich bin fertig.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Alles gut. – Für die AfD-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Stein das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf)

Wie bitte?

(Zuruf: Bis dahin stimmt es!)

Bis dahin stimmt es. – Ich möchte Ihnen, Herr Kollege, ein mal etwas zur Wahrheit sagen. Sie reden hier von einem Ge sellschaftsvertrag, Sie reden hier von wegweisenden Regelun gen für die Zukunft. Ich glaube, Sie haben noch immer nicht begriffen, in welcher Situation wir uns aktuell befinden. In der Zukunft wird der Haushalt ein anderer sein als bisher, Herr Rapp. Wir rennen geradewegs in eine Rezession hinein.

Jetzt komme ich einmal auf die Kosten zu sprechen. Wer soll das alles bezahlen? Diese ganze „Rettet die Bienen“-Geschich te zahlt einer, und das ist die Landwirtschaft in unserem Land. Ihr steht alle hier und sagt, ihr würdet der Landwirtschaft den Rücken stärken. Und was ist die Wahrheit? Die möchte ich euch jetzt nämlich einmal sagen.

(Zuruf: „Ihnen“!)