Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Abg. Sänze, nun ha ben Sie das Wort.

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Sie können ja zwei Mal lang sprechen, mit Redundanzen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist jetzt eigentlich der zweite Aufzug vor dem ersten Aufzug. Die Politik des Gehörtwerdens steht im Mit telpunkt. Das Zauberwort für diese Aufführung heißt jetzt „ITLösung“. Es geht also um die prozessuale Umwandlung von anlogen Inhalten in eine digitale Form, am besten noch als Applikation, allgemein als „App“ bezeichnet.

Anstatt sich mit Systemen zu beschäftigen, die auch die Struk tur dieses Landes, nämlich das Parlament und die einzelnen Behörden, mit berücksichtigen, werden ständig additive Din ge entwickelt, um eine Beteiligung vorzugaukeln. Besser wä re es doch, wir beschäftigten uns mit modernen Wahlsyste men oder vielleicht Beteiligungssystemen zu Volksanträgen, Volksbegehren und Volksabstimmungen. Um diese transpa renter zu machen und zu beschleunigen, setzen Sie auf Betei ligungssysteme wiederum nur für Eliten. Denn nur Eliten hal ten sich in diesem Beteiligungssystem auf, und es sind immer die gleichen Menschen, die sich hier zu Wort melden.

Mehr ist zu diesem Antrag nicht zu sagen. Das Wesentliche kommt dann im ersten Aufzug, wenn wir die richtige Rede hören.

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Abg. Professor Dr. Goll, nun haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Beteiligungsportal des Landes ist eine gute Sache; das sehen auch wir so. Es ist schon gebüh rend hervorgehoben und trefflich beschrieben worden.

Auf einem anderen Blatt steht natürlich, dass die unter den Punkten 3 und 4 aufgeführten Anträge, die man übrigens gut zusammen hätte behandeln können – sie sind auch gleichzei tig eingebracht worden, vor zweieinhalb Jahren schon –, von der Seite der Grünen genutzt werden, um sich selbst zu insze nieren als Anwälte der Bürger, was sie nach unserer Meinung schon längst nicht mehr sind. Um das aber darzulegen, dafür eignet sich der Antrag unter Tagesordnungspunkt 3 wesent lich besser, weshalb ich es hierbei bewenden lasse.

Den Nachweis für das, was ich gerade gesagt habe, nämlich dass sich die Grünen von diesem plebiszitären Ansatz, der sie einmal geprägt hat, mittlerweile sehr weit entfernt haben, möchte ich beim als Nächstes zu behandelnden Tagesord nungspunkt führen.

Danke schön.

(Beifall)

Nun darf ich Frau Staats rätin Erler ans Mikrofon bitten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem uns Grünen vorgeworfen wird, wir hätten angeblich den Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern verloren

(Zuruf: Sehr richtig!)

und das Thema einer ernsthaften Bürgerbeteiligung gewisser maßen beerdigt, möchte ich zuerst aus Überzeugung versu chen, den unter Punkt 4 zu behandelnden kleinen Baustein, das Beteiligungsportal des Landes, noch einmal in den Blick zu rücken. Es ist gewissermaßen ganz gut, dass es drei Jahre her ist, dass der Antrag gestellt wurde, weil mittlerweile das Bild darüber, was dieses Portal leisten will, leisten kann oder nicht leisten kann, viel deutlicher ist.

Das Portal – ich darf noch einmal daran erinnern – war in der Regierung und auch im Landtag extrem umstritten. Man hat te sehr große Bedenken, dass man, wenn Gesetzentwürfe ein gestellt werden und sich die Menschen massenhaft äußern, sehr viel Personalkapazität in den Häusern bindet. Es wurde gesagt, das sei ein Riesenaufwand, den man nicht stemmen könne. Das war die Hauptsorge. Die andere Sorge war, ob man denn überhaupt mit digitalen Mitteln versuchen soll, Leute zu erreichen.

Ich möchte nun kurz etwas zur Kritik sagen. Bertelsmann hat eine Evaluation zur digitalen Beteiligung veröffentlicht und räumt dem Portal eine ganz erhebliche, wenn auch kleine Be deutung als Baustein ein. Es kann beides sein, sowohl ein klei ner als auch ein wichtiger Baustein.

Hier geht es um Transparenz in strittigen Fragen. Das fing bei der JVA an, das können Sie jetzt noch rund um Haiterbach be obachten; leider konnte der Bürgerbeteiligungsprozess zur Oper noch nicht stattfinden. Wenn Sie aber das Portal öffnen, sehen Sie, dass dort alle Informationen und Argumente so auf bereitet sind, dass man alles nachvollziehen kann. Diese in formatorische Komponente und die Offenlegung von Verwal tungswissen hat eine erhebliche Bedeutung für Leute, die sich für diese Vorgänge interessieren. Das sind nicht die großen Massen, aber das Portal gibt den Leuten, die nicht in den An hörungen auftreten können, weil sie keine Verbandsvertreter sind, die Möglichkeit, sich ebenfalls einzubringen.

Dies wird unterschiedlich genutzt. Es gibt Häuser, die dies stark nutzen. Das Umweltministerium hat exemplarische Pro zesse durchgeführt. Es gibt Häuser, die lassen ihre Gesetze durchlaufen. Das ist die jeweilige Politik des Hauses. Jedem Haus ist unbenommen, ob und wie stark es dafür wirbt.

Der AfD darf ich noch sagen: Dies ist weit und breit das ein zige und auch das erste Portal, das es möglich macht, dass Ge setzentwürfe wie der, den Sie zur Schlechterstellung von Asy lantenunterkünften zum Zwecke der Abschreckung von Asy lanten bzw. der schnelleren Ausweisungsmöglichkeit einge bracht haben, kommentiert werden. Es ist Ihnen vorbehalten, dafür zu sorgen, dass sich Menschen in diesem Portal dazu äußern. Dies ist also ein Portal, das in alle Richtungen offen ist.

Ich möchte auch noch daran erinnern, dass die Angst am An fang so groß war, dass man gesagt hat, nur zwei Häuser dürf ten ihre Vorhaben überhaupt dort einstellen; sonst werde das Land mit Kommentaren überflutet. Das Portal hat sich dann

aber durchgesetzt. Es leistet einen Beitrag zur Transparenz, es leistet auch einen Beitrag für die Beamten, die sagen, durch die Kommentare würden sie auf bestimmte Aspekte noch ein mal aufmerksam.

Das Portal hat nicht den Anspruch, repräsentative Beteiligung zu leisten. Das wurde nie gesagt. Es hat den Anspruch, Infor mationen an Leute zu geben, die sich interessieren und die sich einbringen möchten. Für andere Beteiligungsthemen ha ben wir das VwV-Portal, gibt es die ganze Debatte um Volks entscheide versus andere Formen.

Mit diesem Portal haben wir weithin Beachtung im Land ge funden. Viele machen es inzwischen nach. Die Regierungs präsidien entwickeln eigene Portale. Es hat sich einfach eta bliert, auch diese Form zu nutzen. So banal und trivial und kleinteilig es heute wirkt, ist es ein wichtiger Bestandteil, der auch in der Öffentlichkeit weithin anerkannt wird.

Noch einmal zum Thema Musterland. Ja, wir sind vielleicht nicht weit genug. Und ja, wenn man lange regiert, hat man manchmal auch weniger Lust zu beteiligen. Ich muss immer dagegen angehen und dafür sorgen, dass sich die Häuser trotz dem äußern. Das ist ein ganz normaler Prozess. An manchen Punkten kann man von mir aus gern mehr beteiligen. Das ist nicht der Punkt.

(Zurufe, u. a. des Abg. Anton Baron AfD)

Kein Bundesland hat so viele Instrumente und ist so erfolg reich in der Erarbeitung landespolitischer und ortspolitischer Themen wie wir mit unseren Instrumenten der Bürgerbeteili gung und unserer Politik des Gehörtwerdens. Das ist ein lan ger Weg. Man muss ihn immer wieder korrigieren, man braucht zwischendurch auch einmal einen Konflikt, damit dies wieder ins Bewusstsein rückt.

Wir gehen auf diesem Weg weiter und stellen uns der Bevöl kerung mit immer besseren Mitteln. Perfekt ist niemand in puncto Anbindung an die Bevölkerung. Das ist ja das Grund problem der Politik heute.

Das war die Rede zu Tagesordnungspunkt 4.

(Heiterkeit – Beifall)

Meine Damen und Her ren, gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungs punkt 4 (alt) bzw. Punkt 3 (neu) – Beteiligungsportal? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur geschäftsordnungsmäßigen Behand lung des Antrags Drucksache 16/2197. Das ist ja ein reiner Berichtsantrag. Wir können ihn für erledigt erklären. – Sie stimmen dem zu.

Damit haben wir den Tagesordnungspunkt zum Beteiligungs portal abgeschlossen.

Jetzt kommen wir zurück zu Punkt 2 der Tagesordnung:

a) Antrag der Fraktion der AfD – Einsetzung und Auftrag

des Untersuchungsausschusses „Aufarbeitung des Mordanschlags in Stuttgart-Bad Cannstatt am 16. Mai 2020“ – Drucksache 16/8368

b) Wahl der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglie

der, der/des Vorsitzenden und der/des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses

Jetzt liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vor:

Beteiligt haben sich 135 Abgeordnete.

Mit Ja haben 18 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 117 Abgeordnete gestimmt; enthalten hat sich niemand.

Der Antrag Drucksache 16/8368 ist damit abgelehnt. Der Un tersuchungsausschuss wird also nicht eingesetzt, und wir brau chen daher auch keine Wahlen dafür durchzuführen.

Mit J a haben gestimmt:

AfD: Dr. Rainer Balzer, Anton Baron, Dr. Christina Baum, Bernd Gö gel, Dr. Bernd Grimmer, Rüdiger Klos, Dr. Heiner Merz, Thomas Axel Palka, Dr. Rainer Podeswa, Daniel Rottmann, Emil Sänze, Doris Senger, Hans Peter Stauch, Udo Stein, Klaus-Günther Voigtmann, Uwe Wanke, Carola Wolle.

Fraktionslos: Dr. Wolfgang Gedeon.