Protokoll der Sitzung vom 22.07.2020

Allerdings ist Folgendes zu beachten. Nehmen Sie das Bei spiel Breitbandausbau: Es gibt einen Förderbescheid für Land kreis A oder Zweckverband B, aber die Mittel können nicht abfließen. Oder nehmen Sie die Baubranche: Beim Hochbau, aber auch beim Tiefbau war es in der Vergangenheit ein Pro blem, dass sie massiv überlastet waren. In diesem Fall kön nen diese Mittel nicht abfließen. Sie sind verbucht, sie sind gebunden, können aber dem Haushalt nicht wieder zugeführt werden.

Viele Bundesländer haben einen Isthaushalt. Das heißt, wenn das Haushaltsjahr zu Ende und das Geld nicht verausgabt ist, dann fließt dieses automatisch zurück. Das haben wir in Ba den-Württemberg vor sehr vielen Jahren geändert und haben gesagt: Wir wollen kein Weihnachtsfieber, bei dem alle schau en, wie sie die Gelder zum Jahresende noch ausgeben. Viel mehr wollen wir die Möglichkeit geben, Projekte über Jahres grenzen hinweg zu planen und auch umzusetzen.

Vielen Dank. – Mir liegen noch zwei Wortmeldungen vor. Das Wort erhält zunächst Herr Abg. Brauer.

Vielen Dank. – Frau Mi nisterin, am Montag hat die Haushaltskommission das Hilfs paket für Kommunen beschlossen. Welcher Teil dieses Hilfs pakets ist durch bereits genehmigte Kredite und durch Rück lagen abgedeckt, und für welchen Teil müssen neue Schulden aufgenommen werden?

Wir haben, wie Sie wissen, sehr früh, nämlich noch im März, den Kommu nen eine Soforthilfe in Höhe von 100 Millionen € ausbezahlt, und wir haben einen Monat später eine weitere Soforthilfe von 100 Millionen € ausbezahlt. Zusammen sind das 200 Millio nen €. Wir verschicken jeden Freitag an den Finanzausschuss die Liste der Einwilligungen in die Entnahmen aus der Rück lage. Darin sind diese 200 Millionen € eingeplant; sie sind auch bereits verausgabt.

Weiter haben wir zugesagt, dass wir die Kosten für die Schü lerabos kompensieren wollen. Das sind 36,8 Millionen €. Auch hier haben wir in die Entnahme aus der Rücklage ein gewilligt.

Wir haben des Weiteren gemeinsam mit dem Bund gesagt, dass wir die Einnahmeausfälle im öffentlichen Personennah verkehr kompensieren wollen. Mit dem Beschluss der Haus haltskommission sind wir diesbezüglich in Vorleistung gegan gen. Hier werden wir die Einwilligung für 200 Millionen € geben.

Wir haben Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung beschafft, die wir den Kommunen und den kommunalen Krankenhäu sern unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben. Soweit sich das von den allgemeinen Positionen trennen lässt – darin steht ja nur: „Beschaffung von diesem“, „Beschaffung von jenem“ –, waren das 81 Millionen €.

Auch für die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgerä ten für Schülerinnen und Schüler in Höhe von 65 Millionen € ist die Einwilligung auf Entnahme aus der Rücklage erfolgt.

Diese Beträge summieren sich auf etwas mehr als 580 Milli onen €.

Die weiteren Positionen, die dann noch ca. 2,3 Milliarden € ausmachen, sind zukünftig noch zu finanzieren.

Vielen Dank. – Jetzt können wir noch eine letzte Frage zulassen, und zwar von Herrn Abg. Dr. Podeswa.

Vielen Dank, Frau Präsiden tin. – Zunächst einmal möchte ich mich bei der Frau Finanz ministerin recht herzlich dafür bedanken, dass sie uns eine so großartige Zusammenfassung von Informationen gegeben hat, die jeder hier in diesem Haus aus den Zeitungen schon erfah ren konnte. Wir haben also nichts, aber auch gar nichts Neu es erfahren.

Vielleicht liegt das ja daran, dass der Finanzausschuss so gut informiert ist.

Das mag sein.

(Zuruf)

Vor allem kann man nach dieser Rede eigentlich nur noch fest stellen: Der Haushalt wurde unter Bedingungen aufgestellt, die sich grundsätzlich geändert haben.

(Abg. Stephen Brauer FDP/DVP: Ach nee?)

Wir sind in der größten Krise seit 100 Jahren; darüber besteht Einvernehmen. Die Landesregierung hat in den letzten vier Monaten offensichtlich keinerlei Maßnahme zur Haushaltsre vision unternommen,

(Zuruf)

sonst würden Sie darüber ja berichten können – was nicht ge schehen ist.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Herr Podeswa, ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Wie Sie sich viel leicht erinnern, hat der Landtag von Baden-Württemberg

(Zuruf: 19. März!)

bereits im März auf die Herausforderungen, die man als noch nie da gewesen und historisch bezeichnen kann, reagiert. Es wurde eine Naturkatastrophe festgestellt, es wurde die Kre ditaufnahme in Höhe von 5 Milliarden € beschlossen, es wur de ein Tilgungsplan beschlossen, und es wurde ein Nachtrags haushalt beschlossen, der im Wesentlichen zwei Punkte um fasst: zum einen die Erweiterung der Erläuterung, wofür Ent nahmen aus der schon bestehenden Rücklage in Höhe von 1,2 Milliarden € getätigt werden dürfen, um den Bereich „Be kämpfung der Coronapandemie“, insbesondere was den ge sundheitlichen Teil anbetrifft, aber eben auch was den wirt schaftlichen Teil betrifft. Wir haben also die Erläuterung für die Entnahme ergänzt. Zum anderen haben wir dieser Rück lage 5 Milliarden € Kreditermächtigungen zugeführt.

Wir haben außerdem – wie ich finde, sehr schnell, sehr effizi ent und vor allem sehr erfolgreich – die Infektionswelle, Stand heute, in den Griff bekommen. Die Zahlen sprechen für sich. Wir hatten etwa keine italienischen Verhältnisse; wir hatten natürlich zu viele Todesfälle zu beklagen. Aber in Relation zu anderen Ländern und auch der dortigen Situation der gesund heitlichen Versorgung muss man doch anerkennen, dass un ser Vorgehen ein voller Erfolg war. Warum war das möglich? Weil wir im Vollzug die Mittel aus dieser Rücklage schnell und sehr unbürokratisch verausgaben konnten.

Es gab Situationen, in denen Beatmungsgeräte, Schutzausrüs tung usw. extrem knapp waren, und zwar weltweit. Es ging darum, schnell ein Angebot abgeben zu können und sich die Unterstützung namhafter baden-württembergischer Unterneh men im Ausland zu sichern, die dann für uns und die Gesund heitsversorgung agiert haben.

Herr Podeswa, wir haben dem Finanzausschuss am Ende je der Woche – freiwillig und nicht auf Nachfrage – eine aktua lisierte Liste über Einwilligungen in die Entnahme aus der Rücklage vorgelegt. Wir haben in jeder Finanzausschusssit

zung selbstverständlich die Möglichkeit gehabt, über die haus halterische Situation zu sprechen. Diese Möglichkeit hat der Ausschuss genutzt, was mich freut. Vielleicht ist das der Grund, dass Sie so gut informiert sind, wie Sie sich fühlen.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir haben unseren Zeitrahmen komplett ausgeschöpft. Man kann sagen: eine Punktlandung.

Damit ist Punkt 4 unserer Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu dem Volks antrag und der Stellungnahme der Landesregierung – Ge meinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg – Drucksachen 16/7908, 16/8379

Berichterstatterin: Abg. Martina Braun

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von 7,5 Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Hahn.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Es ist mir eine große Ehre, zum ersten Volksantrag Baden-Württembergs heute hier reden zu dürfen. Ich muss sagen, ich glaube, dieje nigen, die dieses Element der direkten Demokratie vor unge fähr fünf Jahren miteinander entwickelt haben – bei uns in der Fraktion waren es Uli Sckerl, glaube ich, und unser jetziger Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz sowie viele andere, die daran mitgearbeitet haben –, haben ein gutes Element für Baden-Württemberg entwickelt.

(Beifall)

Wir haben da ein neues Instrument, und wir haben den ersten Volksantrag vorliegen. Die Bäuerinnen und Bauern im Land haben dieses Instrument gut genutzt. Sie haben es geschafft, den Volksantrag zu stellen, zu mobilisieren und die erforder lichen Unterschriften zu sammeln, damit sich der Landtag da mit befasst. Dadurch haben sie eine ganz neue Öffentlichkeit geschaffen. Ich glaube, das ist das Wesentliche neben dem, dass wir heute das Geschäftsmäßige behandeln. Es ist wich tig, dass sich die Debatte, die durch diesen Volksantrag in die Bevölkerung kam, gewaschen hat und dass sie zu einem neu en Miteinander bezüglich dieser Themen, die für uns so wich tig sind, geführt hat.

(Beifall)

Die Ausschussanhörung hat das schon gezeigt. Wir hatten dort auf Initiative der Bäuerinnen und Bauern, die den Antrag ge stellt haben, zu wesentlichen Teilen eine wissenschaftliche Anhörung durchgeführt. Diese hat uns gezeigt, wie breit und wie vielfältig das Feld ist. Ich glaube, da ist viel passiert.

Rückblickend muss man noch mal sehen: Was ist eigentlich letztes Jahr um diese Zeit und danach gewesen? Die Land

wirtschaft befand sich in einer schwierigen Debatte. Auf der einen Seite gab es viel Druck von der Öffentlichkeit, vonsei ten der Verbraucher, aber vor allem ökonomischen Druck. In vielen Sparten war die Situation hinsichtlich der Preise, der Wirtschaftlichkeit an den Märkten verheerend. Es gab eine schlechte Situation, die schon zu einer sehr schlechten Stim mung in der Landwirtschaft geführt hat. Das muss man ein fach noch mal rückblickend sehen.

Dann kam Ende Mai die Einreichung des Volksbegehrens hin zu. Dies führte zu einem neuen Druck auf die Landwirtschaft, auf die Bäuerinnen und Bauern, die in einer ökonomisch schwierigen Situation noch mehr aushalten mussten, noch mehr Anfragen bekamen.

Im Laufe des Sommers kam dann das Papier aus Berlin. Die beiden Minister haben noch einmal ein Papier vorgelegt, was dazu geführt hat, dass die Bäuerinnen und Bauern noch mehr Fragen hatten: Wollt ihr uns? Wie wollen wir zusammenarbei ten? Und wie sieht das zukünftige Wir zwischen Landwirt schaft und Gesellschaft aus? Ich glaube, das war der Grund, die Grundlage dafür, dass dieser Volksantrag entstehen konnte.

Für viele von uns war die Stimmung in der Bevölkerung sehr aufgeheizt. Meine fachpolitischen Kollegen in der eigenen Fraktion, aber auch in den anderen Fraktionen waren wie ich sehr froh über die Initiative des Ministerpräsidenten, der dann auch den Auftrag an seine Fachpolitiker, an seine Fachminis ter gab, diesen einen Kompromiss zu dem, was das Volksbe gehren wollte, vorzulegen. Dieser Kompromiss ist, glaube ich, gelungen. Darüber werden wir nachher reden.

(Beifall)

Zeitgleich kommt der Volksantrag von Bäuerinnen und Bau ern. Da gibt es Synergien. Wenn wir den Volksantrag mit dem Eckpunktepapier vergleichen, das Grundlage der nachher zu fassenden Gesetzesbeschlüsse ist, dann kann man sagen: Zwei Initiativen völlig unterschiedlicher Herkunft haben fast die gleichen Themen – natürlich in Nuancen unterschiedlich – aufgerufen. Das hat uns beflügelt, die Vorlagen, die wir hat ten, neu zu diskutieren und den gesetzlichen Rahmen für das zu schaffen, was Bäuerinnen und Bauern heute als das neue Miteinander in der Gesellschaft bei Landwirtschaft und Er nährung bezeichnen.

(Beifall)