Stephen Brauer

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Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! 2020 war wahrlich kein gutes Jahr. In der Rückschau werde ich aber sagen kön
nen: Ich durfte zum letzten Tagesordnungspunkt als letzter Redner aus unseren Reihen sprechen. Das ist ein kleiner Hö hepunkt.
Für mich. Vielleicht wird es für Sie auch ein Höhepunkt.
Zunächst gilt unser Dank dem Rechnungshof für die Erstel lung der Denkschrift 2020. Unser Dank gilt dem Präsidenten, Herrn Benz, ebenso wie der Vizepräsidentin sowie allen, die an der Erstellung mitgewirkt haben.
Die Denkschrift bezieht sich u. a. auf die Vermögensrechnung. Was sticht dabei besonders hervor? Zunächst ist es das kras se Missverhältnis von Vermögen und Schulden. Den Vermö genswerten in Höhe von knapp 75 Milliarden € stehen Schul den in Höhe von 250 Milliarden € gegenüber. Der Rechnungs hof stellt dar, dass das Land von insgesamt 250 Milliarden € Fremdkapital rund 200 Milliarden € den künftigen Pensionä ren schuldet. Noch einmal zum Mitschreiben: 200 Milliar den € Rückstellungen für Pensionen. Das nennt man eine ver hagelte Bilanz.
Das ist sogar noch untertrieben. Denn die Vermögensrechnung stimmte 2018 gar nicht. Grund dafür ist, dass bereits fertigge stellte Straßenbauprojekte als Anlagen im Bau bilanziert wur den und deshalb keinerlei Abschreibungen durchgeführt wur den. Das Vermögen wurde dadurch also noch zu hoch bewer tet.
In seinem Beitrag Nummer 3 legt der Rechnungshof dann dar, dass diese falsche Vorgehensweise bei der Abschreibung nicht nur bei den Straßen, sondern auch bei den Gebäuden des Lan des praktiziert wurde. Neben unterlassenen Abschreibungen wurden manche Gebäude gar nicht erfasst, bei anderen wur den Mietereinbauten vernachlässigt. Bei den Straßen gelobte das Verkehrsministerium Besserung. Bei den Gebäuden ver sprach Vermögen und Bau schnellstmögliche Abhilfe. Neh men wir sie beim Wort.
Des Weiteren macht der Rechnungshof Ausführungen zur neu eingeführten Schuldenbremse. Er erkennt an, dass im Urhaus halt 2020/2021 keine neuen Schulden geplant waren und dass eine Kreditaufnahmemöglichkeit in Höhe von 180 Millionen € vom Haushaltsgesetzgeber ungenutzt blieb.
Und dann kam Corona und mit der Pandemie die Notwendig keit, finanzwirksame Maßnahmen mit einer Kreditermächti gung von 5 Milliarden € zu unterfüttern. Die Schuldenbrem se wurde durch das Feststellen einer Naturkatastrophe als Aus nahmefall gelockert, und ein Tilgungsplan über zehn Jahre wurde aufgestellt. Diese Entscheidung haben wir, die FDP/ DVP-Fraktion, ausdrücklich mitgetragen. Wir teilen aber die Bedenken des Rechnungshofs dagegen, beim weiteren Vorge hen alle Schleusen zu öffnen.
Offensichtlich war das den Regierungsfraktionen egal; denn die Warnung vom Juli wurde ja in den Wind geschossen, und es werden weitere Kreditaufnahmen in Milliardenhöhe getä tigt. Dabei wurde alles mit dem Etikett „Corona“ versehen.
Aber nicht überall, wo „Corona“ draufsteht, ist auch Corona drin. Dies hat der Rechnungshof in einem schriftlichen Ap pell an den Finanzausschuss sowohl unmissverständlich zum Ausdruck gebracht als auch mit Beispielen untermauert. Was die Digitalisierung des Straßenbaus, die Förderung der Holz bauweise oder die Förderung von Fotovoltaikspeichern mit Corona zu tun haben, das sollten Sie den Steuerzahlern erklä ren, die die Tilgung der nun insgesamt 13,5 Milliarden € über nunmehr 25 Jahre leisten sollen. Damit haben Sie die Befürch tungen des Rechnungshofs glatt übertroffen.
Herr Benz hat ja vorhin in seiner Rede die unambitionierte Rückzahlung kritisiert. Er wäre sicher froh, wenn die Landes regierung die Anregung des Rechnungshofs einmal umsetzen würde, statt diesem immer nur dafür zu danken.
Ja, die haben wir gemacht. Die können Sie alle nachlesen.
Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen sollten wir aber auch die normalen Fälle der Verschwendung von Steuergel dern nicht aus den Augen verlieren. Ich habe mir den Beitrag Nummer 18 zur Energieversorgung großer Polizeiliegenschaf ten ausgesucht. Neben den Universitäten sind diese nämlich die größten Energieverbraucher. Die Polizeiliegenschaften verbrauchen so viel Energie wie 2 700 Haushalte; da ist also ein riesiges Einsparpotenzial vorhanden. Leider wurde nicht einfach nur versucht, dieses Einsparpotenzial zu heben, son dern man ging, wie so oft unter dieser Regierung, ideologisch vor.
Modern will man sein, grün, und trotzdem wirtschaftlich. Ein virtueller Stromspeicher sollte entstehen. Ein vorab bestellter Gutachter warnte zwar vor der Umsetzung; er gab z. B. zu be denken, dass der geringe Wärmebedarf im Sommer wahr scheinlich mit der zu erwartenden Spitzenleistung der einge setzten Fotovoltaikanlagen zusammentreffen könnte. So war es dann auch. Gegen die strikte Anweisung der grün-schwar zen Landesregierung schien im Sommer tatsächlich die Son ne, und es war warm. Das machte alle Pläne zunichte. Böse Zungen behaupten, man hätte das vorher wissen können, so z. B. der Gutachter. Ich zitiere aus der Denkschrift:
Er empfahl, dieses Konzept nicht zu realisieren, weil es technisch keinen Vorteil biete, weniger CO2-... -Einspa rungen als die anderen Varianten erziele und wirtschaft lich nicht empfehlenswert sei.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, solche Fälle gibt es zuhauf, und es ist richtig, dass sie vom Rechnungshof aufge deckt werden. Viel schlimmer sind aber die grundsätzlichen finanzpolitischen Entwicklungen im Land. Die hohe Gesamt verschuldung sowie die hohe Neuverschuldung mit langen Tilgungszeiten nehmen unseren Kindern und Enkeln die Luft zum Atmen – in Zukunft sicher mehr noch als Corona. Denn Corona vergeht, aber die Schulden bleiben.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem von GrünSchwarz eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des KITGesetzes soll eine Fusion zu einem harmonischeren Gebilde gelingen, als dies bisher der Fall war.
Seit 2009 hat sich das KIT zu einem Leuchtturm für techni sche Forschung und Lehre entwickelt. Die formale Binnen trennung in einen Universitäts- und einen Großforschungsbe reich soll durch die Gesetzesnovelle aufgehoben werden. Der zu überwindende Status quo besteht beispielsweise in der Trennung des Haushalts in einen Großforschungs- und einen Universitätsbereich. Dies führte zu unterschiedlichen Rege lungen bezüglich des Vergaberechts oder bei Verwendungs nachweisen.
Für das „Zusammenwachsen“ der Lehrenden und Forschen den ist es bislang besonders hinderlich, dass auch personal wirtschaftliche Rahmenbedingungen teilweise einer völlig an deren Logik folgten. Zu nennen sind hier beispielsweise die Steuerung über einen klassischen Stellenplan im Universitäts bereich und die Vorgabe von Personalbudgets im Großfor schungsbereich.
Die Weiterentwicklung des KIT zu einer homogenen Körper schaft war bereits 2009 als Ziel vorgegeben. Mit dieser Ge setzesnovelle werden nun verschiedene Vereinfachungen und Vereinheitlichungen durchgeführt, die für einen effizienten Lehr- und Forschungsbetrieb unabdingbar sind: Finanzierung, Rechtsanwendung, Vergütungsregeln, Reisekostenrecht etc. Eigentlich alles Selbstverständlichkeiten, die aber durch die unterschiedlichen Voraussetzungen einer Landesuniversität auf der einen Seite und der Forschungszentrum Karlsruhe GmbH als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft auf der an deren Seite zu dieser schweren Geburt geführt haben.
Da der vorliegende Entwurf durch die regierungstragenden Fraktionen eingebracht wird, fehlen leider die Erkenntnisse aus einer Expertenanhörung. Diese hätte man sich im Hin blick auf die Länge des Integrationsprozesses auch noch gön nen können, ja müssen.
Welche Schwierigkeiten auch weiterhin in diesem Konstrukt stecken, kann ich Ihnen an einem Beispiel aufzeigen. Gemäß Artikel 2 der Verwaltungsvorschrift muss im KIT zwischen finanziellen Beiträgen von Bund und Land buchhalterisch je derzeit getrennt werden können. Dies führt dazu, dass bei der Mittelverwendung wiederum zwischen Großforschungs- und Universitätsbereich unterschieden werden muss. Diese sekto renspezifische Buchführung und die zweckgebundenen Mit telzuweisungen führten in der Vergangenheit dazu, dass Wis senschaftler aus dem Großforschungsbereich die Studieren den nur mit Einschränkungen an den vorhandenen einzigarti gen Forschungsinfrastrukturen und -einrichtungen ausbilden konnten.
Artikel 6 der Verwaltungsvorschrift liefert die Indizien, dass dieses Problem auch weiterhin nicht gelöst sein könnte. Die administrativen Hemmnisse einer zweckgebundenen Mittel verwendung engen auch weiterhin derart ein, dass die büro kratischen Stolpersteine und administrativen Hemmnisse ei nen Großteil der Synergiepotenziale schlucken werden, die in der besonderen Nähe zwischen Großforschung und universi tärer Lehre eigentlich stecken.
Daran sieht man, dass auch in Zukunft noch nicht ganz zu sammenwächst, was zusammengehört. Aber man befindet sich in einem Prozess der Annäherung. Man könnte auch sagen, man befindet sich zumindest im selben Gewächshaus. Die Wurzeln sind gut, die Nährstoffe im Boden sind vorhanden, der Dünger wird zur Not bereitgestellt.
Wir von der FDP/DVP-Fraktion wünschen dem KIT eine gu te Zukunft zum Wohle der Wissenschaft und stimmen deshalb dem Gesetzentwurf zu.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin! Es geht um die lang angekündigte Coronaprämie für systemrelevante Pflegekräfte. Ich frage die Landesregierung:
a) Ist gewährleistet, dass die von Bund und Land angekün
digte Prämie für die systemrelevanten Pflegekräfte noch in diesem Jahr ausbezahlt wird?
b) Ist die Landesregierung bereit, bei der lang angekündigten
Prämie, auch unabhängig von der Auszahlung des Bundes anteils, in Vorleistung zu gehen?
Der Hintergrund ist: Wir haben im Kreistag von Schwäbisch Hall bereits darüber beratschlagt, ob eventuell der Kreis in Vorleistung gehen muss. Aber wir harren der Dinge, die da kommen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Kunst, Steuern einzunehmen, besteht darin, die Gans zu rupfen, ohne dass sie schreit.
Das sage nicht ich, sondern der Herzog von Sully. Er hat die se Fiskalweisheit Ende des 16. Jahrhunderts als Finanzminis ter von Heinrich III. geäußert. Weit davon entfernt, ein Libe raler zu sein, hat er als Etatist und als Kind seiner Zeit offen bar die Grundsteuerpläne der grün-schwarzen Landesregie rung vorausgesehen.
Ihre Kunst, die Grundsteuer neu zu ordnen, Frau Sitzmann, hat einen sehr profanen Ursprung. Ihre Kunst ist der schlich ten Notwendigkeit geschuldet, ein Urteil des Verfassungsge richts umzusetzen. Sie haben sich bei der Umsetzung für ei nen Weg entschieden, den wir nur teilweise gutheißen kön nen.
Die Grundfläche als Ausgangspunkt der Neubewertung zu nehmen wird der Sache nicht gerecht. Die Sache würde es nämlich erfordern, die Gebäudefläche in die Betrachtung ein zubeziehen. Die Gebäudefläche ist es nämlich, die den we sentlichen Grund für die Erhebung dieser Steuer darstellt. Es geht darum, die Grundsteuer als Abgabe für Leistungen aus zugestalten, die dem Grundbesitz zugutekommen. Professor Kirchhof hat dies in seinem Gutachten zur Grundsteuer aus drücklich betont.
Das weitaus größere Problem ist aber der Umstand, dass Sie über Gutachterausschüsse Bodenrichtwerte ermitteln lassen wollen. Dies hat zwei Konsequenzen: Zum einen birgt dies erhebliches Konfliktpotenzial in der rechtlichen Bewertung, zum anderen ist dies Ihr Einstieg in die Vermögensteuer. Die
Bodenrichtwerte, welche von Gutachterausschüssen ermittelt werden, sind einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich – so die ständige Rechtsprechung des Bun desfinanzhofs.
Frau Ministerin, Sie haben zwar in der letzten Ausschusssit zung versucht, diesen Vorwurf zu entkräften, bzw. Ihre Fach leute haben die gegenteilige Auffassung vertreten. Überzeugt hat mich das nicht. Aber ich hoffe, dass ich mich irre; denn ansonsten steht dem Land eine Klagewelle bevor.
Der Kritikpunkt an Ihrem Modell, der für mich viel schwerer wiegt, ist der Einstieg in die Vermögensteuer – und das mit der CDU an Ihrer Seite.
Wir Freien Demokraten warnen in diesem Zusammenhang immer vor Rot-Rot-Grün im Bund als Horrorszenario. Da wä re die Vermögensteuer sicher ausgemachte Sache. Die Grüne Jugend forderte ja vor Kurzem eine Erbschaftsteuer in Höhe von 100 %.
Die Linke kommt dann wahrscheinlich mit 120 % um die Ecke.
Dass aber die Christdemokraten in Baden-Württemberg die sen Dammbruch ohne Not begehen, hätten sich Späth, Teufel und Oettinger wohl allesamt nicht träumen lassen.
Warum spreche ich davon, dass dieser Einstieg in die Vermö gensteuer ohne Not geschieht? Ohne Not geschieht dieser Ein griff in das Eigentum, weil das Verfassungsgericht zwar von einer Neubewertung spricht, aber nicht explizit fordert, dass an die Stelle der veralteten Einheitswerte neue Größen treten müssen, die den tatsächlichen Wert des Grundstücks wider spiegeln.
Wenn ich meinen Grund und Boden verpachte, sind die Pacht einnahmen steuerbar. Wenn ich auf meinen Grund und Boden zusätzlich eine Substanzsteuer entrichten muss, stellt dies ei nen unzulässigen Eingriff in das Eigentum dar.
Doppelbesteuerung – das ist in diesem Fall gegeben – ist in diesem Land zu Recht verboten. Sie merken, ich schreie zwar nicht wie die eingangs erwähnte Gans, ich spreche nur laut. Haus & Grund schreit auch noch nicht, sondern weist immer wieder auf die Ungerechtigkeit und Eigentumsfeindlichkeit Ihres Bodenwertmodells hin. Allerdings werden Sie den Auf schrei aller Haus- und Wohnungseigentümer sowie aller Mie ter, die die Grundsteuer genauso zahlen, mit Sicherheit laut und deutlich hören.
Die Kunst, die Gans zu rupfen, ohne dass sie schreit, beherr schen Sie also nicht, Frau Sitzmann.
Der von mir erwähnte Herzog von Sully hatte aber auch noch einen weiteren Vorzug. Er rupfte nicht nur sehr vorsichtig, er
wirtschaftete auch verantwortungsvoll mit dem Geld. 1597 an die Spitze der französischen Finanzen gestellt, tilgte er eine Staatsschuld von 200 Millionen Livre, erwarb den größten Teil der verkauften Domänen zurück, hob zahlreiche überflüs sige Ämter auf – also arbeitete nicht mit 500 zusätzlichen Fi nanzbeamten –, ordnete und vereinfachte das Steuerwesen, baute Straßen und begünstigte den Ackerbau.
Wenn Sie das alles im Gegenzug hinbekommen würden, lie ße sich über das Bodenwertmodell reden. So allerdings nicht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lange vor der Ver abschiedung der Öffnungsklausel haben wir von der FDP/ DVP-Fraktion davor gewarnt, das sogenannte Scholz-Modell zur Berechnung der Grundsteuer einzuführen.
Der nun vorgelegte Gesetzentwurf ist nicht das befürchtete bürokratische Monster, das uns das Modell nach dem Entwurf des Bundesfinanzministers gebracht hätte, aber Ihr Entwurf ist leider auch nicht viel besser.
Zur Kritik im Einzelnen: Dass die Grundstücksfläche die grundlegende Bezugsgröße für die Erhebung sein soll und die
Gebäudefläche völlig unbeachtet bleibt, ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Gleiches muss gleich behandelt – sprich: gleich besteuert – werden; Ungleiches muss unter schiedlich besteuert werden.
Der Gesetzentwurf führt zu der identischen Besteuerung ei nes zweistöckigen Hauses mit 140 m2 und eines sechsstöcki gen Hauses mit 120 m2 Wohnfläche pro Stockwerk, wenn die Lage und die Grundstücksgröße identisch sind. Das ist nicht nur nach unserer Meinung verfassungswidrig.
Einen weiteren Schwachpunkt stellen die Bodenrichtwerte dar. Diese werden anhand von Berechnungen und Veröffent lichungen von Gutachterausschüssen gebildet. Die Werte sol len verbindlich gelten und sind laut ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einer gerichtlichen Überprüfung nur im Ausnahmefall zugänglich.
Da die ermittelten Werte aber die zweite große Säule der Grundsteuer darstellen, liegt hier erhebliches Konfliktpoten zial vor, wie auch Haus & Grund in seiner Stellungnahme dar legt. Zudem ist die Bindung an den Wert der Einstieg in eine Besteuerung des Vermögens. Eine Vermögensteuer, die nichts anderes als eine Substanzsteuer ist, lehnen wir rundweg ab. Sie widerspricht auch dem Grundgedanken der Grundsteuer; ich zitiere aus dem Gutachten von Professor Dr. Kirchhof:
Die Grundsteuer würde als Äquivalenzabgabe für Leis tungen entrichtet, die dem Grundbesitz zugutekommen, ihn besser nutzbar machen.
Es ist grundfalsch, die Grundsteuer, die eine reine Objektsteu er ist, nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu be messen. Eine Orientierung am Wert scheidet damit aus.
Stellen Sie sich Folgendes vor: Eine vierköpfige Familie erbt in Stuttgart ein kleines Häuschen in bester Lage auf einem großen – weil alten – Grundstück. Die Frau ist kaufmännische Sachbearbeiterin, der Mann Polizist. Nach Ihrem Modell wür de die Belastung durch die Grundsteuer auf ein Vielfaches des bisherigen Betrags ansteigen. Ist diese Familie leistungsfähi ger als ein Chefarzt, der in Langenburg im Landkreis Schwä bisch Hall auf drei Stockwerken residiert? Nein, das ist sie nicht.
Lassen Sie die Kirche im Dorf und die Grundsteuer da, wo sie hingehört, und zwar an das Objekt gebunden. Die Gebäude fläche muss Berücksichtigung finden. Deshalb unser Antrag zum Flächenmodell – er ist die logische Konsequenz aus dem Gesagten.
Neben dieser Ungerechtigkeit für den einzelnen Steuerzahler haben Sie in Ihrem Entwurf noch eine weitere in petto, und zwar die Bevorzugung bestimmter Wohnungsbaugesellschaf ten. Sobald sie Kreisen, Gemeinden, Vereinen oder Genossen schaften gehören und von der Körperschaftsteuer befreit sind, wird ihnen ein Nachlass von 25 % gewährt. Die Begründung liest sich interessant: Es sollen die Belange der Bau- und ins besondere der Wohnungswirtschaft Berücksichtigung finden. Sie rechnen also nur die genannten Institutionen der Woh nungswirtschaft zu diesem erlauchten Kreis, während andere leer ausgehen. Diese sachferne und realitätsfremde Sichtwei se ignoriert dabei, dass 80 % der Wohnungen in Deutschland Privateigentümern gehören und darüber hinaus zwei Drittel
der Mietwohnungen von Privatpersonen zur Verfügung ge stellt werden.
Diese sind eben nicht die oftmals als Kampfbegriff genann ten Spekulanten – das habe ich heute zweimal gehört –, son dern Menschen, die Immobilieneigentum als Teil ihrer Alters vorsorge nutzen.
Wenn Sie diese hier gegenüber anderen Wohnungsbaugesell schaften benachteiligen, haben Sie gleich wieder einen Ver stoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes begangen.
Lassen Sie es nicht zu, dass zum wiederholten Mal Gerichte Ihr Gesetz kassieren, sondern gehen Sie in sich und dann nochmals an Ihren Entwurf. Die Eigentümer im Land der Häuslebauer werden es Ihnen danken, und Sie verhindern da mit auch eine Klagewelle. Wir von der FDP/DVP-Fraktion können gar nicht anders, als Ihren Gesetzentwurf abzulehnen.
Frau Sitzmann, Sie haben davon gesprochen, die Grundsteu er in Baden-Württemberg sei nach Ihrem Modell einfach, ge recht, niedrig und verfassungsgemäß. Einfach ist Ihr Modell durchaus, denn komplizierter geht es natürlich immer. Gerecht ist es mit Sicherheit nicht. Das habe ich im Hinblick auf das eine Beispiel der Familie dargelegt, und es gibt noch zig an dere Beispiele. Ob die Steuer niedrig ist, werden wir in der Praxis sehen.
Das müsste man mal beispielhaft berechnen, wie es die SPD gefordert hat. In Böblingen soll es das Fünf- bis Sechsfache ausmachen; es gibt auch noch höhere Schätzungen.
Ob das Vorhaben verfassungsgemäß ist, da habe ich größte Bedenken. Das werden wir auch sehen. Eigentlich ist es selbst verständlich, dass ein Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist. Diese Beschwörungsformel, dass Ihr Modell wirklich verfas sungsgemäß sei, lässt mich schon daran zweifeln.
An die Adresse der CDU gerichtet: Wenn Haus & Grund das Modell kritisiert, aber der NABU es lobt, sollte Ihnen das zu mindest zu denken geben.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Co vid-19-Erreger, der uns im März getroffen hat, war eine Ka tastrophe. Damit war für mich und meine Fraktion klar, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus und die Abfede rung der Folgen seiner Ausbreitung ihren Niederschlag im Landeshaushalt finden müssen. Ich sage das ausdrücklich: Ei ne Ausnahme von der gerade erst eingeführten Schuldenbrem se war erforderlich. Die Bereitstellung zusätzlicher 5 Milliar den € war notwendig, und die Zeit für die Rückzahlung der Kredite, nämlich zehn Jahre, war auch angemessen.
Was Sie jetzt mit diesem Nachtrag vorhaben, ist jedoch nicht notwendig, ist nicht erforderlich und ist auch in keiner Weise angemessen.
Was Sie vorhaben, ist zutiefst unseriös und widerspricht dem Geist der Schuldenbremse. Nach diesem Geist ist eine Finan zierung von Staatsausgaben durch neue Schulden nur in Aus nahmefällen möglich. Dieser Ausnahmefall wurde festgestellt. Das Geld wurde bereitgestellt, und die Katastrophe wurde ein gedämmt.
Das, was Sie jetzt versuchen, ist, den Katastrophenmodus fort zuschreiben, um Ihren mangelnden Sparwillen zu kaschieren und um weiterhin Ihre Lieblingsprojekte finanzieren zu kön nen. Der Wahltag lässt grüßen. Eine zusätzliche Verschuldung in Höhe von 13,6 Milliarden € wird den Schuldenberg des Landes auf dann 59 Milliarden € anwachsen lassen. BadenWürttemberg hat im Rating von Standard & Poor’s die AAABewertung eingebüßt, hat somit an Kreditwürdigkeit verlo ren. Das ist Ihre Bilanz, Frau Sitzmann, das ist die Bilanz grü ner Finanzpolitik.
Da nützt es auch nichts, Frau Ministerin, mit dem Finger auf Bayern zu zeigen und darauf hinzuweisen, dass dort noch mehr Schulden aufgenommen werden. Bayern hatte nämlich zu Beginn von Corona gar keine Schulden, weil dort in den guten Zeiten die Staatsverschuldung auf null zurückgeführt wurde. Selbst wenn Bayern 40 Milliarden € aufnimmt, ist der Schuldenstand dort nicht annähernd so hoch wie bei uns. Das schlechtere Rating ist also nicht auf Corona zurückzuführen, sondern auf den mangelnden Willen zur Tilgung von Kredit marktschulden in der Vergangenheit.
Jetzt fällt Ihnen Ihr Märchen von der impliziten Schuldentil gung auf die Füße. Schauen wir uns mal die Zahlen an: Wir erwarten Steuermindereinnahmen in Höhe von 4,4 Milliar den €. Wir müssen die Kommunen mit 2,2 Milliarden € un terstützen, und – ich sage das ausdrücklich – wir werden das auch tun und mittragen.
Zusammen mit den bereits bewilligten 5 Milliarden € entsteht ein zusätzlicher Finanzbedarf von 11,6 Milliarden €. Diesen ohne jede Aufgabenkritik und ohne erkennbare Sparanstren gungen einfach durch Schulden zu decken ist schon mehr als grenzwertig. Seriöse Politik in der Krise sieht anders aus.
Der Geist der Schuldenbremse verlangt, Neuverschuldung so weit wie möglich zu vermeiden. Das gilt auch, wenn der Ka tastrophenfall festgestellt wurde. Bevor man so in die Ver schuldung geht, muss alles, aber wirklich alles auf den Prüf stand. Ihre Sichtweise ist offensichtlich eine ganz andere. Sie handeln nach dem Motto: Darf’s ein bisschen mehr sein?
Der Konjunkturausgleichsmechanismus der Schuldenbremse eröffnet Ihnen die Möglichkeit, zusätzlich 2 Milliarden € an neuen Schulden aufzunehmen. Diese Möglichkeit nutzen Sie. Sie setzen einfach noch einmal 2 Milliarden € obendrauf. Wa rum tun Sie das? Ich sage Ihnen, warum Sie das tun: ganz ein fach, weil Sie es können.
Das hat in weiten Teilen nichts, aber auch gar nichts mit Co rona zu tun. Lediglich 800 Millionen € dieser 2 Milliarden € stehen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Besei tigung bzw. Bewältigung der Folgeschäden der Covid-19-Pan demie. Das sage nicht nur ich, das sagt auch der Rechnungs hof. Er spricht wörtlich von der „Intention“ – ich sage: Geist; der Rechnungshof sagt: Intention – der Schuldenbremse, die Sie mit Ihrer Schuldenpolitik konterkarieren.
1,2 Milliarden € zusätzliche Schulden unter der Überschrift „Zukunftsland Baden-Württemberg – Stärker aus der Krise“: Was verbirgt sich hinter der Überschrift? Liegt Ihnen die Zu kunft unseres Bundeslands denn erst seit Corona am Herzen?
Ich sage Ihnen, was sich hinter dieser Überschrift verbirgt: Ih re Wahlkampfkasse, 600 Millionen € je Fraktion für die fi nanzwirtschaftliche Hinterlegung der sogenannten Komple mentärkoalition aus Grün und Schwarz.
Frau Sitzmann hatte ja mal erwähnt, dass die Regierung die Rücklage für Haushaltsrisiken im Gegensatz zu anderen Bun desländern komplett zur Bekämpfung der Pandemie verwen det hat. Das waren genau 1,2 Milliarden €. Fällt Ihnen an dem Betrag etwas auf? Genau diesen Betrag holen sich die Frak tionen über die Neuverschuldung jetzt zurück, um Dinge zu finanzieren, die sie schon länger geplant hatten und die sie jetzt trotz Corona auf den Weg bringen können.
So wird nämlich ein Schuh daraus: Nicht wegen Corona wird in die gigantische Verschuldung gegangen, sondern trotz Co rona halten die Regierungsfraktionen an ihren ursprünglichen Plänen fest.
Hinter den Schlagworten „intelligente Verkehrssteuerung“, „Fotovoltaikspeicher“, „Digitalisierung des Straßenbaus“ oder „Holzbauoffensive“ mögen sich teilweise sinnvolle Maßnah men verbergen. Überhaupt nicht zu erkennen ist aber, ob sie wirksam, effizient und prioritär im Sinne der Bekämpfung der Pandemiefolgen sind. Dafür fehlt mir ebenso wie dem Präsi denten des Landesrechnungshofs wahrscheinlich die Fanta sie.
Der Brief, den Herr Benz am 1. Oktober an den Vorsitzenden des Finanzausschusses geschrieben hat, klingt wie ein Appell an die finanzwirtschaftliche Vernunft, aber auch wie ein Hil feruf – ein Hilferuf, die Schuldenbremse nicht bereits kurz nach ihrer Einführung ad absurdum zu führen.
Er wiederholt diese Kritik übrigens heute auch in der „Stutt garter Zeitung“ auf Seite 2; da kann man es noch einmal nach lesen.
Die Rückführung der Schulden in einem angemessenen Zeitrahmen zu bewerkstelligen ist Teil der Schuldenbremse. Der von Ihnen gewählte Tilgungszeitraum von 25 Jahren zeigt, dass Sie es nicht ernst meinen mit der viel zitierten Ge nerationengerechtigkeit.
Den Tilgungsplan von zehn auf 25 Jahre zu strecken ist ein weiteres Mosaiksteinchen in Ihrer unsoliden Haushaltsfüh rung.
Herr Benz nennt Ihren Tilgungsplan „nicht ambitioniert“. Da geht er noch richtig schonend mit Ihnen um. Nicht ambitio niert genug, hat er gesagt. Aber das ist in diesem Fall ein Eu phemismus.
Die Koalition aus Grünen und Schwarzen ist keine Komple mentärkoalition, bei der sich die Partner ergänzen. Sie ist viel mehr eine unheilige Allianz zweier grundverschiedener Par teien, von denen jede ihr eigenes Süppchen kocht und deren Differenzen nur mit Geld zugekleistert werden können.
Nun handeln Sie nach der Devise: „Jetzt kam uns irgendwie Corona dazwischen, und das schöne Geld ist weg. Dann ma chen wir halt einfach mit Schulden weiter.“ Das ist einfacher, als einen wirklichen Kompromiss zu finden, einfacher als Spa ren und einfacher als echte Aufgabenkritik.
Ich hatte es zu Beginn meiner Rede gesagt: Corona war eine Katastrophe, deren Folgen hoffentlich bald nicht mehr spür bar sind. Aber auch diese Landesregierung ist eine Katastro phe. Ihre Folgen werden wir noch lange spüren, sollte dieser schuldenfinanzierte Nachtragshaushalt so verabschiedet wer den.
Eine Hoffnung – eine einzige Hoffnung – für die Schulden bremse bleibt den Bürgerinnen und Bürgern im Land: Die Ab wahl dieser Regierung im März 2021 wäre eine wirkliche, ei ne nachhaltige Schuldenbremse für Baden-Württemberg.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch auf ein paar Dinge eingehen. Frau Ministerin Sitzmann hat ge sagt, Sie seien extrem schnell gewesen und Sie seien sich bei diesem Nachtragshaushalt sehr einig gewesen – ich sage: ex trem schnell und sehr einig beim Griff in die Kassen und beim Schuldenmachen; das stimmt natürlich.
Wir haben Sparvorschläge beim Doppelhaushalt gemacht, die allesamt nicht goutiert wurden – das ist klar. Aber wenn Sie nicht titelscharf mit konkreten Beträgen arbeiten, können Sie von uns auch keine konkreten Sparvorschläge verlangen.
Sie liefern uns seit März über den aktuellen Haushaltsvollzug die Informationen nur tröpfchenweise. Wir haben hier einen Informationsnachteil; wir haben beispielsweise mehrfach nachgefragt, wie der aktuelle Stand der Auszahlung ist. Die Kritik des Rechnungshofs – diese aus meiner Sicht desolate Kritik – noch als Bestätigung zu sehen, das deutet für mich auf Endzeitstimmung im Amt und bei dieser Koalition hin.
Wir wissen auch gar nicht, was hinter Ihrem „Zukunftsland Baden-Württemberg“ konkret steckt. Kollege Reinhart hat ja in Aussicht gestellt, dass dort auch Dinge drin sind, die wir, die FDP/DVP-Fraktion, unterstützen würden.
Da sage ich natürlich: Gut so! Aber wir hätten schon ganz gern gewusst, was in Ihrer Wundertüte noch so alles drin ist außer Überschriften. So bleibt uns nichts anderes übrig, als den Nachtragshaushalt abzulehnen.
Vielen Dank. – Frau Mi nisterin, am Montag hat die Haushaltskommission das Hilfs paket für Kommunen beschlossen. Welcher Teil dieses Hilfs pakets ist durch bereits genehmigte Kredite und durch Rück lagen abgedeckt, und für welchen Teil müssen neue Schulden aufgenommen werden?
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, ich habe einen Rationalisierungsvorschlag: Wenn ich meine Fragen von hier aus stelle, muss man das Redepult nicht immer desinfizieren.
Ich frage die Landesregierung:
a) Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über das
insbesondere in letzter Zeit im Bereich des Gaildorfer Po lizeipostens vermehrt durchgeführte sogenannte Autopo sing (siehe hierzu „Gaildorfer Rundschau“ vom 15. Juni) und die Fortschritte bei der Aufklärung durch die Ord nungskräfte vor?
b) Welche Diskrepanz bestand innerhalb des letzten halben
Jahres zwischen der Sollstärke und der Istbesetzung des Polizeipostens Gaildorf unter Berücksichtigung von krank heitsbedingten Ausfällen, sich im Mutterschutz befindli chen Beamtinnen sowie sich in Aus- und Weiterbildung be findlichem Personal?
Nach Ihren Ausführungen ist der Polizeiposten leicht, also ganz minimal, unterbesetzt. Sie sagten, dass das Revier hauptsächlich zuständig ist. Dann hat es vielleicht etwas mit der Unterbesetzung im Revier Schwäbisch Hall zu tun. So hat es auch Herr T. H., der Re vierleiter, am Montag im „Haller Tagblatt“ kundgetan.
Kann es sein, dass die Unterbesetzung des ganzen Reviers da zu führt, dass zu wenig Polizei vor Ort ist? Vielleicht ist es nicht ganz so dramatisch, wie es in der „Gaildorfer Rund schau“ geschildert worden ist, vielleicht ist es aber doch ur sächlich für die Nichtaufklärung.
Vielen Dank, Frau Präsi dentin. – Es geht um häusliche Quarantäne bei Lehrkräften im Zusammenhang mit privaten Auslandsaufenthalten trotz Rei sewarnung.
Ich frage die Landesregierung:
a) Hat die Landesregierung die Lehrkräfte über die einschlä
gigen Quarantäneregelungen informiert, welche im Zusam menhang mit privaten Reisen ins Ausland im Anschluss an die Rückkehr nach Baden-Württemberg gelten?
b) Ist ihr bekannt, ob sich derzeit im Landkreis Schwäbisch
Hall Lehrkräfte in häuslicher Quarantäne befinden, weil sie sich während der Pfingstferien im Ausland – z. B. in Schweden – aufgehalten haben?
Mich wundert schon, dass Sie keine Erkenntnisse darüber haben, wenn ich die Erkennt nisse habe und Ihnen den Namen dieser stellvertretenden Schulleiterin nennen könnte. Das ist natürlich datenschutz rechtlich schwierig; darum geht es auch nicht. Es sind sicher einige im Ausland gewesen und befinden sich jetzt in Quaran täne.
Ich halte es in Bezug auf die Schwierigkeiten, die man hatte, um den Schulbetrieb mit Müh und Not aufrechtzuerhalten und an diesem Montag wieder vernünftig zu starten, für unverant wortlich, sich in ein Land zu begeben, von dem man weiß, dass man danach in Quarantäne gehen muss. Dem sollte man unbedingt nachgehen.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rechnung des Kollegen Podeswa von gerade eben konnte ich nicht ganz nachvollziehen.
Der Landtag hat für die Intervention aufgrund der Corona krise Kreditbewilligungen in Höhe von 5 Milliarden € freige geben – so weit d’accord. Nimmt man die 1,2 Milliarden € Haushaltsrücklage hinzu, so beläuft sich der zusätzliche finan zielle Handlungsspielraum auf mehr als 6 Milliarden €. Die se Summe wird noch durch die Zuweisungen des Bundes für Soforthilfen und den Gesundheitsfonds ergänzt.
Dass diese Ad-hoc-Bewilligungen und die Verwendung von Rücklagen hier dringend erforderlich waren, bestreitet nie mand ernsthaft. Über die Mitnahmeeffekte, die dabei entstan den sind, lässt sich allerdings trefflich streiten, und hier muss auch dringend nachgeprüft werden, welche Unternehmen in unsolidarischer Weise Soforthilfen in Anspruch genommen haben.
Jetzt wird ja nicht mehr nur mit der Gießkanne agiert, sondern seit gestern werden auch branchenspezifische Hilfen auf den Weg gebracht. Ministerpräsident Kretschmann wollte dies ja eigentlich nicht; seine Minister haben aber bereits im Vorfeld die genaue Höhe sowie die Modalitäten der Auszahlung hin ausposaunt – nur, um dann von ihm teilweise zurückgepfiffen zu werden.
Nebenbei bemerkt: Die 10 Millionen €, die Sie für den Sport übrig haben, sind ein Treppenwitz der Coronageschichte.
Bei der Mittelverwendung lief also nicht alles rund. Bei der Mittelherkunft beginnen die Probleme erst jetzt. Umsatzsteu er, sonstige Verbrauchsteuern, Gewinnsteuern und die Ein kommensteuer – überall sind drastische Rückgänge zu erwar ten. Die Rede ist von 6,8 Milliarden € im Jahr 2021, die we niger in der Landeskasse sein werden, und ein Delta von 5,9 Milliarden € im selben Zeitraum bei Kreisen, Städten und Ge meinden. Für diese ist der Einbruch bei den Gewerbesteuer einnahmen natürlich besonders dramatisch.
Da erübrigt sich die Frage, ob man diese enormen Steueraus fälle nur durch zusätzliche Schulden kompensieren kann. Man kann das nicht; man darf es nicht. Wir werden also auf der Ausgabenseite alles zur Disposition stellen müssen, was in der Gegenwart nicht unbedingt erforderlich ist und was nicht der Sicherung unseres Wohlstands in der Zukunft dient.
Ausgabenkritik mit einer gehörigen Portion Selbstkritik – das erwarte ich von der Landesregierung.
Prestigeprojekte, Stellenaufwuchs in den Ministerien und Selbstbeweihräucherung – genannt: Imagekampagnen – ha ben in einer Krise dieses Ausmaßes gar nichts verloren. Das müssen Sie jetzt einsehen und auch danach handeln. Ihr Ver halten in der Vergangenheit war nicht dazu geeignet, dieses Land krisenfest zu machen. Ein aufgeblähter Haushalt, der keinen Raum mehr für nennenswerte Tilgungsleistungen lässt, ist das Ergebnis von neun Jahren Regierung Kretschmann. Das Ergebnis ist ein riesiger Schuldenberg von 45 Milliar den €, der jetzt natürlich im Zuge von Corona noch weiter an wachsen wird.
Ja, das Land kann sich auch mit der Schuldenbremse weiter verschulden. Auch nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Schuldenbremse ist es möglich, dass im Zuge eines Konjunk turausgleichs im Sinne des Absatzes 2 oder durch Feststellung einer Notlage gemäß Absatz 3 des Artikels 84 der Landesver fassung die Einnahmen und Ausgaben durch weitere Schulden aufnahme ausgeglichen werden.
Die Finanzministerin wird ja nicht müde, zu betonen, dass ei ne Verschuldung von rund 1 Milliarde € schon beim letzten Doppelhaushalt – unter Maßgabe der Verfassungsänderung – möglich gewesen wäre. Das stimmt auch. Aber, Frau Sitz mann, erwarten Sie von der Opposition tatsächlich, dass wir Sie loben, nur weil Sie in Zeiten der höchsten Steuereinnah men in der Geschichte Baden-Württembergs ohne neue Schul den ausgekommen sind? Das können Sie nicht von uns erwar ten; das ist nämlich eine reine Selbstverständlichkeit.
Die Ausnahmeregelungen innerhalb der Schuldenbremse sind sinnvoll, bedeuten aber nicht, dass man sie immer bis zum Äußersten ausreizen muss. Sie definieren lediglich eine Ober grenze für die Neuverschuldung und sind an bestimmte Vor aussetzungen gebunden, auf deren Einhaltung wir, das Parla ment, ein besonderes Augenmerk werfen werden. Sie können sicher sein, dass wir das tun und unserer Rolle als Haushalts gesetzgeber auch weiterhin gerecht werden. Das galt in der Vergangenheit ohne und das gilt in Zukunft mit der Schulden bremse. Auch deshalb können wir der sinnvollen Verfassungs änderung nur zustimmen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion beantragt eine allgemeine Haushaltssperre. Das klingt hart.
Der Begriff „Sperre“ soll konsequent erscheinen und soll den Eindruck radikalen Durchgreifens vermitteln.
Das ist der Hauruckstil der AfD, den wir kennen und den Sie sich bei Ihren Vorbildern Putin, Trump und Co. abgeschaut haben.
Sicher ist ein Nachsteuern aufgrund der durch die Coronakri se verursachten Mehrausgaben und der zu erwartenden Min dereinnahmen unerlässlich. Ob eine allgemeine Haushalts sperre in dieser Situation hilfreich ist, möchte ich, ebenso wie meine Vorredner, bezweifeln.
„Haushaltssperre“ würde bedeuten, dass alle Ausgaben, für die noch keine rechtlichen Verpflichtungen eingegangen wur den, automatisch obsolet sind,
mit Ausnahme der Stellenbesetzungen im Bereich des Poli zeivollzugsdienstes und mit Ausnahme der Bereiche, die di rekt mit der Lösung der Coronapandemie betraut sind –
so die AfD in ihrem Antrag.
Das von Ihnen präsentierte Rezept einer Haushaltssperre ist aber nur eine Scheinlösung. Wenn man sich die Posten im Landeshaushalt anschaut, die zur kurzfristigen Konsolidie rung herangezogen werden können, sind das sehr überschau bare Beträge. Wollen Sie allen Ernstes den Landeshaushalt retten, indem Sie Beförderungen im öffentlichen Dienst aus schließen und Stellen für Grundschullehrer streichen – für die man vielleicht mit Müh und Not geeignete Bewerber gefun den hat? Ist es Ihre Art von Politik, Infrastrukturprojekte im Keim zu ersticken, indem Sie fordern, nur Maßnahmen aus zunehmen, für die vertraglich oder gesetzlich der volle Betrag gezahlt werden muss? Das sind übrigens die meisten.
Ich schaue in Ihre Gesichter und stelle fest: Ja, Sie meinen das ernst. Und ja, das ist Ihre Art von Politik. Diese Politik ist nämlich rückwärtsgewandt; sie ist so rückwärtsgewandt wie die ganze AfD.
Wenn wir jetzt Bildungsinvestitionen kappen oder Infrastruk turprojekte einstellen würden, um den Haushalt zu konsoli dieren, wäre das viel zu kurzfristig gedacht. Die Zeche wür den wir alle durch Wohlstandsverluste in der Zukunft bezah len.
Richtig ist: Wir stehen vor immensen finanziellen Herausfor derungen: Mindereinnahmen auf der einen Seite, Ausgaben steigerungen auf der anderen. Durch die dringend erforderli chen steuerlichen Erleichterungen für Unternehmen werden mindestens 6 Milliarden € weniger in den Landeshaushalt flie
ßen; aufgrund der nachlassenden Konjunktur ist mit weiteren 4 Milliarden € Steuermindereinnahmen zu rechnen. Diesen Mindereinnahmen stehen Mehrausgaben in Höhe von derzeit 2,3 Milliarden € entgegen, wobei rund 1,5 Milliarden € vom Bund getragen werden – das ist in der öffentlichen Kommu nikation auch noch nicht so deutlich herausgekommen.
Aber hier ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht er reicht. Weitere Soforthilfen müssen schnell auf den Weg ge bracht werden; insbesondere den Gaststätten, Restaurants und Hotels geht bald die Luft aus.
In der Analyse der prekären Situation sind wir uns also einig; der Schluss allerdings, den die AfD aus dieser Situation zieht, ist falsch. Eine generelle Haushaltssperre ist nicht der richti ge Weg, um aus der Krise zu finden. Noch nicht einmal die kurzfristige Konsolidierung des Haushalts lässt sich so errei chen. Dazu sind die Einsparpotenziale, die man dadurch rea lisieren kann, einfach zu gering.
Noch viel weniger ist die geforderte Haushaltssperre dazu ge eignet, die Weichen für die Zukunft, für die Zeit nach Coro na zu stellen. Bei Zukunftsprojekten eine Kontinuität in der Finanzierung sicherzustellen ist das Gebot der Stunde. Hier Investitionen zu kappen und Unterbrechungen zu riskieren würde bedeuten, dass uns das Virus nicht nur verletzt, sondern geschlagen hat. Und das darf nicht sein.
Eine seriöse Einordnung der Mittelabflüsse im Hinblick auf die zu erwartenden Mindereinnahmen ist erst nach der Steu erschätzung Mitte Mai möglich. Dann ist es auch die Zeit, auf einen Nachtragshaushalt hinzuarbeiten, der der neuen Reali tät gerecht wird. Denn nicht alles – da gebe ich Ihnen recht –, was im Dezember für manche wünschenswert erschien, ist heute noch bezahlbar. Der Stellenaufwuchs – Herr Hofelich hat es bereits angesprochen – in den Ministerien, den wir be reits bei der Aufstellung des Doppelhaushalts kritisiert hatten, muss erneut auf den Prüfstand. Prestigeprojekte, die in dieser Sondersituation gar nicht mehr diskussionswürdig sind, müs sen auf den Prüfstand. Wie wollen Sie denn erklären, dass das Land für alle Kommunen zusammen bislang 200 Millionen € bereitgestellt hat, wenn allein der Beitrag der Stadt Stuttgart zur Opernsanierung 500 Millionen € beträgt und die restlichen 500 Millionen € dann vom Land kommen sollen? Das ist nicht darstellbar; das ist nicht vermittelbar.
Dringende Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen- und Brü ckenbau oder die Digitalisierung im ländlichen Raum zu ver nachlässigen, um einer kleinen Minderheit Kulturgenuss zu ermöglichen, das wäre in der jetzigen Situation schlicht und ergreifend nicht angebracht und erscheint dekadent.
Wir sagen Ja zu einer Überprüfung aller Positionen – Revisi on: ja –
und zu einer Aufstellung eines Nachtragshaushalts im Lichte von Corona. Eine allgemeine Haushaltssperre, wie sie die AfD fordert, lehnen wir dennoch ab.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast alle Abgeord neten werden voraussichtlich für die Schuldenbremse stim men und somit dieser zukunftweisenden Änderung unserer Landesverfassung durch eine breite Mehrheit Geltung ver schaffen.
Die Ausnahmeregelungen, welche unsere finanzpolitische Fle xibilität erhalten sollen, wurden bereits ausreichend themati siert. Dass uns die erste Ausnahme in Form von Corona be reits vor dem Inkrafttreten der Verfassungsänderung über rascht hat, ist schlimm. Dass entsprechende Ausnahmen vom Verbot der Neuverschuldung existieren, spricht aber auch für den Weitblick der den Entwurf einbringenden Fraktionen.
Obwohl die Schuldenbremse dringend erforderlich ist, möch te ich einige kritische Anmerkungen machen, die sich auf die konkrete Umsetzung der Regeln beziehen und die auch als Leitfaden für die jeweils Regierenden verstanden werden kön nen. Dabei beziehe ich mich auf die Stellungnahme des Münch ner ifo Instituts, die im Rahmen der Anhörung zum Gesetz entwurf erfolgt ist.
Ohne die Schuldenbremse infrage stellen zu wollen, muss man konstatieren, dass der Teufel wie so häufig im Detail steckt.
Würde man dies außer Acht lassen, dann würde die eigentli che Intention ausgehöhlt und von dieser sinnvollen Regelung nur eine wohlklingende Hülle übrig bleiben.
Laut den Absätzen 2 und 5 des Artikels 84 soll ein im Auf- und Abschwung symmetrisches Konjunkturbereinigungsver fahren eingerichtet werden. Dies meint im Grunde nichts an deres als eine Lightversion des von Keynes propagierten De ficit-Spending. Im Grunde handelt es sich auch bei der Schul denbremse um antizyklische Fiskalpolitik. Allerdings setzt sie lediglich auf der Einnahmeseite an und beinhaltet keine sys tematische Ausgabensteigerung in der Rezession.
Grundlage für die Berechnung soll das sogenannte Produkti onslückenverfahren sein. Hierbei wird die Abweichung des realen Bruttoinlandsprodukts vom Produktionspotenzial er mittelt. Diese Ermittlung erfolgt allerdings durch Schätzun gen. Diese sind naturgemäß fehleranfällig und erlauben er heblichen Spielraum, zu viel Spielraum. Deshalb empfiehlt der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2019/2020, sich mit dem neuesten Schätzverfahren auseinanderzusetzen und verschiedene Modelle bei der Konjunkturbereinigung an zuwenden.
Eine weitere wichtige Regelung, um der Aushöhlung der Schuldenbremse entgegenzuwirken, ist das sogenannte Kon trollkonto. Liegt die tatsächliche Nettokreditaufnahme in ei nem Jahr über der definierten Obergrenze zur zulässigen Neu verschuldung, bewirkt das Kontrollkonto, dass dies zu einer niedrigeren Kreditgrenze im Folgejahr führt. Man führt sozu sagen seine finanzpolitischen Sünden mit. Allerdings nützt hier die Beichte im Gegensatz zur katholischen Kirche rein gar nichts. Die Sünden bekommt man nur los, indem man sich durch einen geringeren Verschuldungsspielraum in der Zu kunft freikauft. Dies ist der finanzpolitische Ablasshandel der Schuldenbremse, wenn man so will.
Entscheidend dafür, ob man das Kontrollkonto belastet, ist na türlich die Festlegung dieser Obergrenze für die Neuverschul dung. Auch hier steckt der Teufel im Detail, und nur durch ei ne verantwortungsvolle, also nicht zu hohe Festlegung dieser Obergrenze kann das Kontrollkonto seine Wirksamkeit auch entfalten.
Wenn man fragt, ob eine Schuldenbremse wirkt, lohnt ein Blick in die Empirie. Acht deutsche Bundesländer haben die Schuldenbremse eingeführt, in sieben davon ist die Staats schuldenquote gesunken. Der Ministerpräsident sprach hier davon, dass es immer Riesendiskussionen gibt, wenn andere Länder etwas anders machen. Es ist aber auch entscheidend, etwas besser zu machen als die anderen Länder, und es ist gut, dass wir hier nachziehen.
Blickt man über den Großen Teich und betrachtet die Bundes staaten der USA, kann dort, wo Fiskalregeln eingeführt wur den, eine sinkende Staatsschuldenquote beobachtet werden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ausgerechnet in Colorado, dem Bundesstaat mit den strengsten Fiskalauflagen, der soge nannten Taxpayer Bill of Rights, zeigte die Schuldenbremse gar keine Auswirkung.
Die Schuldenbremse ist also nur so gut wie der verantwor tungsvolle Umgang mit ihr und die Nutzung der Spielräume. Spielräume gibt es bei der Beurteilung, ob eine Notlage oder
eine Naturkatastrophe überhaupt vorliegt, der realistischen Schätzung der Produktionslücke und der Festlegung eines niedrigen Schwellenwerts zur Bestimmung der Nettokredit aufnahme.
Die Schuldenbremse ist also kein Mittel zur automatischen Konsolidierung des Landeshaushalts. Sie entbindet uns nicht von der Verantwortung, Spielräume ungenutzt zu lassen – oder sie eben zu nutzen, wenn dies angezeigt ist. So wenig, wie man in der Coronakrise Virologen die alleinige Verantwor tung für politische Entscheidungen überlassen kann, so we nig entbindet uns die Schuldenbremse von unserer finanzpo litischen Letztverantwortung für das Land.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal von dieser Stelle gute Besserung an unseren erkrankten Kollegen von den Grünen.
Er weiß noch nicht, ob er am Coronavirus erkrankt ist, aber er ist krank. Er ist unter Beobachtung. – Andere hier in die sem Parlament sind ja auch unter Beobachtung.
Ja. Herr Stein hat sich ja heute über zu wenig Polemik be schwert. Da dachte ich mir, ich steige einmal damit ein, da mit Sie wieder wach werden.
Vielen Dank an den Rechnungshof. Vielen Dank, Herr Präsi dent Benz, und vielen Dank an die Vizepräsidentin, Frau Ta xis. – Herr Benz hat gerade ganz irritiert geguckt. Er hat gar nicht gewusst, inwieweit mein Vorredner überhaupt auf die Denkschrift 2019 eingeht. Er hat den Zusammenhang mit dem ganzen Flüchtlingsthema – so nehme ich an – gar nicht her stellen können.
Ich danke allen Abteilungsdirektorinnen und -direktoren so wie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie leisten vor allem für uns in der Opposition, die wir kein Ministerium im Hintergrund haben, unschätzbare Arbeit. Sie sind gegenüber uns Abgeordneten immer hilfsbereit. Man kann nachfragen, man kann auch anrufen, wenn man noch Nachfragen hat. Sie sind gegenüber der Regierung hart in der Sache, freundlich im Ton. So muss ein Rechnungshof agieren, um seiner Kon trollfunktion nachkommen zu können. Vielen Dank dafür.
Den Inhalt der Denkschrift, die mehr als 200 Seiten umfasst, in zehn Minuten darstellen zu wollen, ist unmöglich. Man kann nur Teilaspekte herausgreifen. Die Denkschrift gliedert sich in drei große Teile: „Haushaltsrechnung, Haushaltsplan und Haushaltsvollzug“, Ressortübergreifende Empfehlungen“ und „Besondere Prüfungsergebnisse“ in Bezug auf die Ein zelpläne. Mit Letzteren möchte ich beginnen.
Ich wollte eigentlich auch mit dem Beitrag zur Elektromobi lität im ländlichen Raum beginnen, aber Frau Staatssekretä rin Gurr-Hirsch hat gesagt: „Das gibt es doch nicht, es kann doch nicht sein, dass es eine Verfehlung ist – auch noch in meinem Ministerium.“
Ich komme daher zu dem Beitrag Nummer 10, der den Ein zelplan 05 – Ministerium der Justiz und für Europa – betrifft und in dem es um die Dienstunfähigkeit im Justizvollzugs dienst geht. Die Quote derjenigen, die vorzeitig aus dem Jus tizvollzugsdienst ausscheiden, ist nach wie vor sehr hoch. Et wa ein Drittel der Beamten gehen nicht nach der regulären Dienstzeit in den Ruhestand, während es in der übrigen Lan desverwaltung gelungen ist, diesen Anteil auf unter 10 % zu senken.
Was sind die Gründe? Das sind natürlich spezifische psychi sche Belastungen in diesem Beruf: übervolle Gefängnisse, psychische Auffälligkeiten bei den Gefangenen. Eine ander weitige Verwendung der Beamten ist oftmals nicht möglich und gelang in keinem einzigen geprüften Fall. Umso wichti ger sind die Anregungen des Rechnungshofs, die Zurruheset zungsverfahren wieder zentral beim Justizministerium zu be arbeiten, eine verstärkte Prüfung anderweitiger Verwendun gen vorzunehmen – auch wenn dies zugegebenermaßen schwierig ist – und die Stellenzulagen zu streichen, sobald das Verfahren der Zurruhesetzung eingeleitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist nämlich auch der Grund für die Zulage entfal len.
Trotz der zunehmenden Belastung der Beamten sind diese Forderungen sinnvoll. Wir stimmen dem Beschlussvorschlag des Rechnungshofs zu. Die Reaktion der Landesregierung, im Haushaltsplan 2018/2019 neue Stellen zu schaffen, greift zu kurz. Ich zitiere aus der Denkschrift 2019, denn besser kann man es gar nicht formulieren:
Dies enthebt aber
die Landesregierung –
nicht davon, die Ursachen für die vergleichsweise hohe Zahl an Zurruhesetzungen wegen Dienstunfähigkeit im Justizvollzugsdienst näher zu untersuchen.
Bei den ressortübergreifenden Empfehlungen sticht insbeson dere der Beitrag Nummer 6 ins Auge. Dabei geht es um die Liquiditätsüberschüsse außerhalb des Landeshaushalts bei ausgewählten Landesbeteiligungen. Jetzt sind Überschüsse gemeinhin kein so großes Problem wie Defizite; allerdings er gibt sich hier eine andere, eine grundsätzliche Frage. Durch die Anhäufung – man muss es so nennen – von Liquidität in landesbeteiligten Unternehmen, in Landesbetrieben und bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden liquide Mittel in erheblichem Umfang der Entscheidung des Haus haltsgesetzgebers entzogen. Der Haushaltsgesetzgeber sind Sie, meine Damen und Herren Kollegen. Sie haben über die se überschüssigen Mittel keine Verfügungsgewalt. Das ist ei ne sehr ungute Situation.
Um welche Beträge handelt es sich? Der Rechnungshof hat drei besonders kritische Beispiele herausgegriffen:
Beteiligungsgesellschaft des Landes Baden-Württemberg mbH: 36 Millionen € potenzielles Ausschüttungsvolumen. Das ist eine Hausnummer.
Fernwärmegesellschaft Baden-Württemberg mbH: Hier be trägt die freie Liquidität 4 Millionen €. Das ist jetzt nicht ganz so viel, aber bei einer Bilanzsumme von nur 5 Millionen € ist es ein ganz krasses Missverhältnis, das hier festgestellt wur de.
Baden-Württembergische Spielbanken GmbH & Co. KG: 13 Millionen € freie Liquidität. Hier wurde allerdings ein In vestitionsbedarf in Höhe von ca. 11 Millionen € angemeldet. Fraglich ist, ob die Investitionen auch in dieser Höhe getätigt werden. Wenn ja, sind noch immer 2 Millionen € übrig.
Was ist zu tun? Alle Mittel, die nicht als Barreserve gehalten werden und die nicht als Investitionsrücklagen benötigt wer den, müssen dem Landeshaushalt zugeführt werden. Konkre te Maßnahmen sind dabei:
Erstens: Entlastung des Staatshaushalts. Dies geschieht durch Abschmelzen der Reserven durch Senkung der Zuschüsse und der Zuführung an die Betriebe, Kürzung der Mittel bei insti tutionell geförderten Einrichtungen, sobald nicht gebundene Überschüsse festgestellt werden, und Ausschüttung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen bei landesbeteiligten Unter nehmen.
Zweitens: Engere Überwachung der Liquiditätssituation, um der Gefahr von zu hohen Überschüssen in Zukunft entgegen zuwirken. Was ich nicht habe, kann ich nicht bunkern.
Drittens: Dringend anzuraten ist eine zentrale Bündelung der liquiden Mittel. Dieses sogenannte „Cash Pooling“ erfolgt be reits bei Landesbetrieben in der Landesoberkasse. Bei den an deren Einrichtungen des Landes sollte ein entsprechendes Ver fahren auf den Weg gebracht werden.
Solange derart hohe Liquiditätsüberschüsse bestehen, gerät die Landesregierung immer in die Defensive, wenn sie sinn volle Ausgaben wie beispielsweise für dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen aus Geldmangel ablehnt.
Kommen wir zur Haushaltsrechnung 2017. Man könnte mei nen, das sei kalter Kaffee. Es ist aber kein kalter Kaffee, son dern man sieht ganz gut, wohin die Reise geht. Ich habe ein
mal die Personalausgaben herausgegriffen. Der Rechnungs hof listet diese für die Jahre 2009 bis 2018 auf. Die Steige rung beträgt 3,55 Milliarden €. Das wäre eigentlich nicht be merkenswert, wenn nicht die Aufwendungen für die Versor gungsempfänger im selben Zeitraum mit 1,95 Milliarden € zu Buche schlagen würden. Nimmt man die Beihilfe für die Ver sorgungsempfänger hinzu, ergibt sich eine Steigerung von 2,33 Milliarden €. Von der gesamten Personalkostensteige rung entfallen also 65 % auf die Versorgungsempfänger. Die se Zahl müssen Sie einmal auf sich wirken lassen.
Ich gönne den Pensionären die finanzielle Absicherung im Ru hestand und die private Krankenversicherung auch. Gleich zeitig bitte ich Sie aber alle miteinander: Wir müssen dieses Problem im Blick behalten. Es ist eben nicht zu spät – wir können noch etwas tun.
Schauen Sie sich die Vermögensrechnung an. Nachdem die Kommunen zur Doppik gezwungen wurden, bequemt sich auch das Land, doppische Elemente aufzunehmen. Bei der Vermögensrechnung wird sozusagen eine vereinfachte Bilanz mit Aktiv- und Passivseite aufgestellt.
Blickt man auf die Passivseite, fällt einem die Kinnlade her unter. Bereits zum 31. Dezember 2017 standen da 176,6 Mil liarden € bei der Position „Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen“. Das ist der größte Posten auf der Passivseite. Passivseite bedeutet, dass es sich hier um Schul den handelt, Schulden gegenüber zukünftigen Pensionären.
Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, liebe Kolle ginnen und Kollegen. Inzwischen sind die Pensionsrücklagen auf 190 Milliarden € gestiegen, das heißt, fast auf das Vierfa che des Volumens des Landeshaushalts.