Protokoll der Sitzung vom 17.07.2019

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 97. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Kenner, Frau Abg. Neumann-Martin, Frau Abg. Niemann sowie Herr Abg. Dr. Weirauch.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt hat sich ab der Mit tagspause Herr Staatssekretär Volker Schebesta.

Ganztägig entschuldigt ist außerdem Herr Staatssekretär Dr. Baumann.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute gleich zwei neue Mitglieder in unseren Reihen begrüßen dür fen. Die Landeswahlleiterin hat mit Schreiben vom 27. Juni 2019 mitgeteilt, dass Frau Doris Senger mit Wirkung vom 11. Juli 2019 die rechtliche Stellung einer Abgeordneten des 16. Landtags von Baden-Württemberg erworben und somit die Nachfolge von Herrn Lars Patrick Berg angetreten hat.

Weiter hat mir die Landeswahlleiterin mit Schreiben vom 3. Juli 2019 mitgeteilt, dass Herr Rudi Fischer mit Wirkung vom 11. Juli 2019 ebenfalls die rechtliche Stellung eines Ab geordneten des 16. Landtags von Baden-Württemberg erlangt hat und als Nachfolger von Herrn Andreas Glück in den Land tag nachgerückt ist.

Sehr geehrte Frau Senger, sehr geehrter Herr Fischer, im Na men des ganzen Hauses – –

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Sie ist gar nicht da! – Gegenrufe: Doch! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Brille putzen!)

Herr Abg. Katzenstein! – Sehr geehrte Frau Senger, sehr ge ehrter Herr Fischer, im Namen des ganzen Hauses heiße ich Sie beide als neue Abgeordnete in unserer Runde hier herz lich willkommen und wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg bei der Ausübung Ihres Mandats.

(Beifall bei allen Fraktionen und auf der Regierungs bank)

Auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion GRÜNE für Umbesetzungen im Ausschuss für Europa und Internationales sowie einen Vorschlag der Fraktion der FDP/ DVP für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (An lagen 1 und 2). – Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen. Vielen Dank.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Stillstand, Blockaden und faule Kom promisse – hat die Kultusministerin die Bildungspolitik der grün-schwarzen Koalition noch im Griff? – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Frakti onsvorsitzenden Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der König ist tot, es lebe die Königin. So hieß es 1952 in England, und so heißt es auch im Jahr 2019 bei der baden-württembergischen CDU. Ein Blick auf die Besetzung der Regierungsbank bestätigt dies auch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Die neue Königin der CDU möchte Ministerpräsidentin wer den. Als künftige Ministerpräsidentin, als Spitzenkandidatin sollte man sich zu allen Feldern der Politik äußern. Das fehlt bisher; aber immerhin zur Schulpolitik gibt es Äußerungen, Frau Eisenmann.

Diese Koalition versteht sich selbst als Komplementärkoali tion. Darunter versteht diese Koalition, dass jeder sein Res sort eigenständig führt und dass man dem Koalitionspartner nicht hineinredet. Besonders wenig hineinreden sollte man der Führungsfigur des Koalitionspartners.

Jetzt wollen wir uns einmal anhand von einzelnen Beispielen anschauen, inwieweit dieser Anspruch die Realität abbildet.

Sie haben, Frau Eisenmann, vor Kurzem erklärt – – Überra schend, denn Sie waren die ganze Zeit anderer Meinung. Aber wie man bei Frau Kramp-Karrenbauer sieht, ist das, was CDU-Damen so sagen, nicht besonders verlässlich.

(Zurufe von der CDU, u. a.: Aber der Christian Lind ner! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Bisher sagten Sie: „Zentralabitur ist mit mir nicht zu machen.“ Jetzt plötzlich sind Sie doch für das Zentralabitur. Da würde uns schon interessieren, Frau Eisenmann, wie Sie das auf Län

derebene durchsetzen wollen. Die CSU hat ja gleich erklärt, mit ihr sei das nicht zu machen. Von Südachse kann da also keine Rede sein. Wie wollen Sie das umsetzen? Wann wollen Sie das umsetzen? Und vor allem: Was sagt Ihr Koalitions partner dazu? Herr Kollege Schwarz, sind Sie auch für ein Zentralabitur?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Fragen Sie doch Frau Boser!)

Ich nehme an, Sie werden dazu anschließend Stellung neh men.

Wie sieht es denn mit der Umsetzung aus, Frau Eisenmann? Wir könnten uns durchaus vorstellen, über gemeinsame Stan dards auf Bundesebene zu reden, und der Vorschlag des Phi lologenverbands, sich zunächst einmal auf fünf Prüfungsfä cher zu einigen, hat durchaus Charme. Es würde uns interes sieren, ob diese Koalition in der Lage ist, sich auf so etwas zu verständigen.

Dann stellt sich die Frage: Wie geht es mit G 8 und G 9 wei ter? Die FDP/DVP hat in ihrem Angebot zum Schulfrieden schon im Jahr 2014 den Vorschlag gemacht, es den Gymnasi en freizustellen, ob sie mit denselben Ressourcen G 8 oder G 9 umsetzen. Sehr erfreulich, dass der Landesparteitag der SPD jetzt auch diesen Weg gegangen ist. Da würde uns inte ressieren, Frau Eisenmann, ob das mit Ihnen zu machen ist oder ob Sie dauerhaft diesen Unsinn fortsetzen wollen mit ei nem angeblichen Schulversuch und einem Gymnasium quasi pro Landkreis, das G 9 anbietet, während die anderen Gym nasien G 8 anbieten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dann beklagen Sie, Frau Eisenmann, immer wieder, die Ab schaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung sei ein Fehler gewesen – dieser Auffassung sind wir auch –, man müsse das einmal evaluieren. Wenn sich die hohe Sitzenblei ber- und die hohe Schulwechslerquote nicht reduzierten, müs se man über die Grundschulempfehlung reden. Wie geht es hier weiter? Ist das mit Ihrem grünen Koalitionspartner um setzbar? Die Sitzenbleiber- und die Schulwechslerquote ver bessern sich nämlich nicht. Die Abschaffung der verbindli chen Grundschulempfehlung war ein Fehler, und das sollte in der baden-württembergischen Landespolitik endlich mal ver standen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wie geht es mit der Haupt- und Werkrealschule weiter?

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Sie möchten doch angeblich Standorte sichern, Frau Ministe rin. Auf Druck Ihres grünen Koalitionspartners mussten Sie ja unseren Gesetzentwurf zur beruflichen Realschule blockie ren. Aber selbst bekommen Sie zum Thema Standortsicherung nichts hin. Nicht einmal Ihren eigenen Gesetzentwurf zur Re form der regionalen Schulentwicklung bekommen Sie durch – völlig versandet. In welche Richtung geht es?

(Zuruf der Ministerin Dr. Susanne Eisenmann)

Ja, den gibt es. Aber ist er beschlossen?

(Zuruf der Ministerin Dr. Susanne Eisenmann)

Ja, wann wird er beschlossen? – Das alles sind Fragen, die wir uns stellen. Und wenn es Ihnen, Frau Eisenmann, mit der Standortsicherung ernst ist, müssen Sie das bei Ihrem Koali tionspartner mit eiserner Gewalt durchdrücken.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Kein Applaus bei der FDP/DVP!)

Kein Applaus bei der CDU. Auch das stelle ich fest, Herr Kollege Schwarz.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, auch kein Ap plaus bei der eigenen Fraktion!)

Wie geht es mit der Ganztagsschule weiter? Da sind Sie, Frau Ministerin, für Wahlfreiheit. Das wird von Ihrem grünen Ko alitionspartner blockiert. Vielleicht wird der Kollege Schwarz anschließend verkünden, dass es mit der Wahlfreiheit jetzt vo rangehe. Nicht einmal der Minimalkonsens des Koalitions vertrags, die Wiederaufnahme der Bezuschussung der kom munalen Betreuungsangebote, wurde bisher durchgesetzt. Wie sieht es denn da aus? Wann kommt das, Frau Ministerin?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Mit der Privilegierung der Gemeinschaftsschule geht es wei ter.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Albern!)

Wenn Sie es mit der Standortsicherung ernst meinen, wenn Sie auch für die berufliche Bildung wirklich etwas tun wol len, dann muss mit der Privilegierung der Gemeinschaftsschu le endlich Schluss sein.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Es gibt keine Privile gierung!)

Dann darf es nicht sein, dass die Gemeinschaftsschule den Klassenteiler 28 behält und alle anderen einen höheren Klas senteiler haben. Wie sieht es an dieser Stelle aus, Frau Minis terin?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir stellen also vorläufig fest: Die Union hat eine Minister präsidentenkandidatin, die sich zu anderen Politikfeldern als der Schulpolitik nicht äußert und die in einer Komplementär koalition – in dieser sollte man im eigenen Ressort angeblich das Sagen haben – in der Schulpolitik am grünen Nasenring durchs Neue Schloss geführt wird, meine Damen und Herren. Das ist die Bestandsaufnahme.