Protokoll der Sitzung vom 22.07.2020

Ich bin in einem Dorf groß geworden, auf einem kleinteiligen Bauernhof. Natürlich habe ich als Kind – noch in Zeiten vor den Flurbereinigungen – erlebt, dass auf jedem kleinen Acker an der Ecke eine Hecke stand. Und ich habe hier schon ein mal darauf hingewiesen, dass in der Frühjahrs- und der Som merzeit aus jeder Hecke Rebhühner verjagt wurden, wenn nur ein Traktor oder ein Pferd vorbeigekommen ist.

Das hat sich alles geändert. Das ist richtig angesprochen wor den; das ist auch wahr. Und natürlich müssen wir uns ehrlich und ernsthaft mit diesen Veränderungen befassen, weil sie uns alle betreffen. Dabei gibt es nicht nur die eine Seite „Eigen tum oder Ökonomie“ oder nur Schutz als die andere Seite. Selbst Eigentum unterliegt nach Artikel 14 Absatz 2 des Grund gesetzes der Sozialbindung.

Und gerade beim Boden ist doch klar: Bei einer Weltbevölke rung, die in Richtung acht Milliarden geht, haben wir es mit

einer anderen Zeit zu tun als nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Weltbevölkerung bei zwei Milliarden lag.

(Beifall)

Das sind doch Fragen. Deshalb will ich hier klar sagen: Wir, die CDU-Fraktion, bekennen uns ausdrücklich zum Erhalt der Biodiversität, auch zum Schutz der Natur. Genauso bekennen wir uns zu unserer heimischen Landwirtschaft und zu den bäu erlichen Familienbetrieben in unserem Land. Beides ist schüt zenswert – die biologische Vielfalt ebenso wie die wirtschaft liche Erzeugung, und zwar von regionalen und gesunden Le bensmitteln aus Baden-Württemberg. Das ist für uns ein zen traler Punkt, und dafür werden wir uns immer einsetzen.

(Beifall – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir haben – Kollege Burger hat es angesprochen, auch Kol lege Schwarz eben – dafür mit dem Doppelhaushalt Geld für unsere Landwirte in die Hand genommen – über 60 Millio nen €.

Die heutige Debatte beinhaltet zwei Botschaften, die beson ders deutlich machen, was unserer Fraktion wichtig ist. Ers tens: Der Schutz der Natur und der Artenvielfalt ist eine Auf gabe der gesamten Gesellschaft. Diese berechtigte Forderung in dem Volksantrag hat deshalb auch die breite Unterstützung des ganzen Parlaments; davon gehe ich aus. Es ist gut und richtig, dass dieser Volksantrag die umfassende gesellschaft liche Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt und auch für den Reichtum unserer Natur dick unterstrichen hat.

Ich will schon sagen, nachdem wir hier über den zweiten Teil der direkten Demokratie gesprochen haben: Manche werden sich an 2015 erinnern. Da waren wir von der CDU in der Op position. Aber es war ein Paket, dem wir alle zugestimmt ha ben. Ein Ausfluss dessen ist das, was wir jetzt erleben: der ers te Volksantrag. Es ist gut, dass wir über beide Themen heute hier sprechen, auch übrigens über das Thema „Rettet die Bie nen“. Der Titel könnte manchmal irreführend sein, wenn man sich mit dem konkreten Inhalt vertieft auseinandersetzt.

Viele wissen noch, dass das Volksbegehren in Bayern dem in Baden-Württemberg vorausgegangen war. 1,8 Millionen Bür gerinnen und Bürger haben das bayerische Volksbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützt. Wenn man aus dieser Erfahrung heraus nun seitens der Landesregierung gesagt hat: „Lasst uns erst einmal mit den Betroffenen, mit den Initiatoren, aber auch mit beiden Seiten, mit den Verbänden reden“, und wenn man dann auch seitens der Regierungsmitglieder zu einem Kon sens gelangt ist, dann sage ich: Chapeau! Wenn der Minister präsident das eine Meisterleistung seiner Minister nennt, dann haben sie dieses Lob auch verdient.

(Beifall)

Herr Abg. Professor Dr. Reinhart, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Ba ron zu?

(Abg. Winfried Mack CDU: Duale Ausbildung!)

Vielen Dank, Herr Reinhart, für das Zulassen der Frage. – Es ist natürlich klar, dass Sie mit den Verbänden gesprochen haben. Aber Sie wissen vielleicht schon, dass die Mitglieder dieser Verbände eine ganz andere Mei nung haben als die Verbände selbst.

(Lachen)

Haben Sie auch mit den Mitgliedern der Verbände gespro chen?

(Zurufe – Unruhe)

Herr Kollege Baron, dass die Verbände selbst eine andere Meinung haben als die Mit glieder der Verbände, ist eigentlich ein Widerspruch in sich, den Sie hier aufzeigen. Denn ich gehe einmal davon aus, dass die Verbände für die Mitglieder des Verbands sprechen. Das ist das eine.

Aber als Zweites muss ich Ihnen sagen: Natürlich hat jeder Verband eine durch gewählte Vertreter legitimierte Führung. Wir haben in der Tat mit den Verbänden gesprochen – die Re gierung und übrigens auch die Regierungsfraktionen. Es wur de ja nicht hoppla hopp von jetzt auf nachher alles durchge peitscht, sondern man hat im Gegenteil sehr sorgfältig mit den Landwirten gesprochen – mit den Winzern übrigens auch. Man hatte gerade mit den Erzeugern von Obst oder Wein in tensive Gespräche. Man hat außerdem auch beim Ökoland bau vernünftigerweise die Formel „Sofern der Markt es zu lässt“ eingebaut. Das war ja klug; niemand will doch einen Preisverfall.

Das Thema, das der Ministerpräsident angesprochen hat, ist doch: Es gibt einen Sieger in Europa, und das ist der deutsche Verbraucher. Die Gründe haben etwas mit dem Markt zu tun, nämlich mit den Discountern,

(Zuruf)

weil in Deutschland der härteste Wettbewerb herrscht. Damit hängt es zusammen, dass der Franzose eher über 20 % seines Einkommens für Nahrungsmittel ausgibt, der Spanier eben falls, während der Deutsche pro Kopf am günstigsten einkauft – bei den gleichen Produkten. Er zahlt beim gleichen Händ ler weniger, weil vielleicht Aldi, Lidl und Co. weltweit unter wegs sind, sich aber in Deutschland den härtesten Wettbewerb liefern. Das ist die Realität, mit der wir es da zu tun haben.

(Beifall)

Politik beginnt eben mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Fast 90 000 Unterschriften für den Volksantrag zeigen eindrucks voll, dass sehr viele Menschen im Land diese gemeinsame Verantwortung sehen, ja, sie auch annehmen. Artenschutz geht alle an. Alle!

(Vereinzelt Beifall)

Vor diesem Hintergrund will ich schon sagen, dass damit auch das Biodiversitätsstärkungsgesetz aufgegriffen worden ist. Wir dürfen diese wichtige Aufgabe nicht einfach nur an die Land wirte outsourcen oder – noch schlimmer! – die Landwirtschaft an den Pranger stellen. Das wäre die falsche Haltung. Mit Bauernbashing kommen wir nicht weiter. Artenschutz findet nicht nur auf dem Acker statt, sondern auch im Stadtpark, im

Garten, daheim, auf der Verkehrsinsel und überall. Darauf le gen wir Wert. Darauf haben wir auch gedrängt.

(Beifall)

Das wollen wir auch im Naturschutzrecht verankern.

Für uns ist klar: Wirksamer Artenschutz gelingt nur gemein sam und funktioniert nur mit der Landwirtschaft und nicht ge gen sie – das wurde zu Recht betont –, und es kann nicht da rum gehen, Bienen gegen Bauern auszuspielen. Wir wollen beides erhalten: den Artenreichtum im Land und unsere bäu erliche Landwirtschaft. Um es noch einmal klar zu betonen: Wir wollen Bienen und Bauern.

Insoweit geht es uns darum, Artenschutz im Miteinander und nicht im Gegeneinander zu begleiten. Das ist im Grunde mit diesem Konsens, zu dem wir jetzt keine Kampfabstimmun gen benötigen, auch durch den Einsatz der Vertreter der Lan desregierung gelungen. Kooperation statt Konfrontation, das ist im Grunde unser Ziel. Ich bin zuversichtlich, dass wir das damit auch schaffen und geschafft haben.

Ich danke deshalb auch den Bauern für ihr Engagement und für ihre Mitwirkung an einer Lösung. Und ich füge hinzu: an einer Lösung im Konsens. Das ist ja der Punkt, über den wir hier in Baden-Württemberg heute sprechen.

Deshalb sind das auch nicht nur Prüfaufträge, die hier zitiert wurden, sondern das ist eine klare Lösung, die angesprochen worden ist. Das ist das eine.

Zweitens: Die bäuerlichen Betriebe in unserem Land und die flächendeckende Pflege unserer Kulturlandschaften haben für uns einen hohen, ja einen sehr hohen Wert. In diesem Land hat dies Tradition und Geschichte, sage ich einmal – von Wei ser bis Hauk. Das war für uns und auch in Europa immer ein großes Thema und stellte eine große Herausforderung dar, auch in Zeiten, als die Zuständigkeit für Natur- und Umwelt schutz sowie Landwirtschaft sogar noch in einem Haus res sortierte. Dies hat sich bis heute durchgezogen. Dass BadenWürttemberg insoweit Vorbildcharakter hat, hat der Minister präsident angesprochen.

Wir wollen, dass gerade die besonders naturnahen, die ökolo gischen Anbauformen – z. B. im erwähnten Wein- und Obst bau – weiter möglich sind, auch in der Landwirtschaft.

Ich habe gesagt: Ich bin in einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen. Der war aber so klein, dass er auf Dauer nicht rentabel war. Deshalb musste man sich in einen anderen Be ruf umorientieren.

(Heiterkeit – Zurufe)

Aber ich habe mit meinem Pächter gesprochen.

(Zuruf: Da haben Sie ein Windrad drauf?)

Nein. – Er hat mir Folgendes gesagt: Er hat von konventio nellem auf ökologischen Anbau umgestellt und ist hochzufrie den. Die Umstellung bringt ihm im Grunde sowohl wirtschaft lich als auch von der Anbauweise her Erfolg. Dann habe ich gesagt: Es ist in Ordnung, wenn du auf meinen Grundstücken in Zukunft ökologisch wirtschaftest.

Aber ich füge hinzu: Auch die 80 %, die nicht ökologisch be wirtschaften, genießen genauso unsere Wertschätzung – wir schätzen beide Anbauweisen wert. Das ist auch der Punkt, um den es gehen muss: dass wir hier nicht Ideologie in den Vor dergrund stellen dürfen. Das gilt auch für Obst- und Weinbau. Obstbauern und Winzer dürfen ihre Bäume und Reben auch weiterhin schützen. Dafür haben wir hier im Dialog Lösun gen gefunden, die Pflanzenschutz und Artenschutz mit Augen maß verbinden.

Es hat sich gelohnt, wie ich finde, auch die überschießenden Forderungen des Volksbegehrens noch einmal zur Diskussi on zu stellen. Es gab viele substanzielle und berechtigte Ein wände dagegen, und zwar von allen Seiten. Kein Koalitions partner hat gesagt, nur der eine oder der andere wolle das nicht. Aus der ganzen Gesellschaft heraus hat man sich mit den Themen befasst

(Abg. Anton Baron AfD: Die Landwirte müssen zu frieden sein!)

ja –, auch aus der konventionellen Landwirtschaft und dem Ökolandbau, aus den Imkerverbänden, dem Naturschutz, der Wissenschaft.

Ich habe noch in Erinnerung, wie der Landwirtschaftsminis ter von einem Treffen in Weinsberg berichtet hat, dass die Landwirtschaftsverbände zugestimmt hätten. Ich habe noch in Erinnerung, dass sich die Imker zu Wort gemeldet und ge sagt haben, sie würden diesem Kompromiss jetzt zustimmen und das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ so nicht mehr ha ben wollen.

Wir haben vor dieser Entscheidung großen Respekt. Im Er gebnis werden wir jetzt miteinander Schlimmes für die Land wirtschaft verhindern und Gutes für den Artenschutz errei chen. Darum geht es. Das war unser Anliegen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben in BadenWürttemberg – es wurde angesprochen – etwa 1,3 Millio nen ha Waldfläche, 1,6 Millionen ha landwirtschaftliche Flä che, etwa 500 000 ha besiedelte Fläche und 400 000 ha Na turschutzfläche. In dieser Vorlage hat man jetzt festgeschrie ben, dass wir zum Schutz der 400 000 ha, die unter Natur schutz stehen, dort auf den Einsatz von Pestiziden verzichten, aber dass wir auch auf den landwirtschaftlichen Flächen den Pestizideinsatz mit moderner Technik reduzieren. Ich halte das für richtig.

Übrigens gibt es heute auch viele neue, kluge, technologisch verbesserte Spritzmethoden,

(Abg. Winfried Mack CDU: So ist es, genau!)