(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Er ist jetzt ein Sänze-Schüler! Jetzt muss er halt liefern! Das ist doch klar! – Gegenruf des Abg. Emil Sänze AfD: Ach, wie schön, dass Sie so mitfühlend sind!)
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für den demo kratischen Parlamentarismus.
Mit dem vorliegenden gemeinsamen Änderungsantrag der Re gierungsfraktionen, der SPD und der Freien Demokraten ge lingt es uns, die Rechte des Landtags zu stärken. Dies ist in der Tat sinnvoll und notwendig, zeigt sich doch nach wie vor, dass die Corona-Verordnungen mitunter wenig stimmig, par tiell widersprüchlich, fragwürdig in Bezug auf die Verhältnis mäßigkeit und insgesamt wenig transparent sind und folglich gerade auch vor dem Hintergrund des bei uns erfreulicherwei se weiter rückläufigen Infektionsgeschehens auch in der Be völkerung zusehends weniger Akzeptanz erfahren.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist insoweit in doppelter Hin sicht erfreulich: einerseits, weil dadurch unserem Ansinnen, dem Parlament im Zusammenhang mit den Covid-19-Be
kämpfungsmaßnahmen wieder mehr Handlungs- und Gestal tungsspielraum zu ermöglichen, entsprochen wird, und ande rerseits, weil entgegen zahlreichen Aussagen von Auguren der Parlamentarismus sich eben als handlungsfähig erweist. Herr Kollege Klos, das ist gerade ein Musterbeispiel von gelebter Demokratie.
Insoweit ist es allerdings bedauerlich, dass uns bei diesem doch so wichtigen Gesetz weder der Ministerpräsident noch der Verfassungsminister heute die Ehre erweisen. Das wäre eigentlich angemessen.
Dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, war die Einigung zwi schen FDP/DVP und SPD einerseits und den Regierungsfrak tionen andererseits auf ein gemeinsames Pandemiegesetz nicht selbstverständlich. Alle Seiten haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Die Re gierungsfraktionen sind dabei nicht der Versuchung erlegen, den untereinander bereits ausgehandelten Gesetzentwurf mit der eigenen Stimmenmehrheit durchzubringen. Umgekehrt wurden durch die Umsetzung der Forderungen der FDP/DVP und der SPD die Rechte des Landtags und im Ergebnis damit auch der Bürgerinnen und Bürger erheblich gestärkt.
Den Anstoß zu dieser jetzt gemeinsam getragenen Initiative gab der Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion für eine bes sere parlamentarische Kontrolle der Freiheitsbeschränkungen infolge von Covid-19. Der so auch erzeugte Handlungsdruck führte bei den Fraktionen von Grünen und CDU einerseits und der SPD andererseits dazu, eigene Gesetzentwürfe einzubrin gen.
Unser Gesetzentwurf sah die zwingende Zustimmung des Landtags zu allen Corona-Verordnungen vor und ging damit am weitesten. Aber auch die anderen Gesetzentwürfe stellten schon damals eine nennenswerte Verbesserung gegenüber der bestehenden Situation dar. Daher war es für uns selbstver ständlich, das Gesprächsangebot der Regierungsfraktionen an zunehmen.
Nunmehr sind wir nach zahlreichen Runden zu einer gemein sam getragenen Lösung gekommen. Hierfür sowie für die konstruktiven und zielorientierten Gespräche will ich Ihnen, lieber Uli Sckerl, liebe Nicole Razavi, lieber Boris Weirauch, aber auch Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dan ken.
Uns war es dabei wichtig, dass im Ergebnis das Mitsprache recht des Parlaments weiter gestärkt wird. So bedarf es nun einer Zustimmung des Landtags zur Corona-Verordnung be reits nach zwei Monaten statt, wie zunächst vorgesehen, nach drei Monaten. Damit erreichen wir, dass der Landtag in der ersten Plenarsitzung nach der parlamentarischen Sommerpau se am 30. September der Corona-Verordnung seine Zustim mung erteilen muss.
Ein Erfolg ist es von unserer Warte aus auch, dass nunmehr klar geregelt ist, dass sämtliche Änderungen der Corona-Ver ordnungen dem Landtag spätestens 24 Stunden nach dem ent
sprechenden Kabinettsbeschluss vorzulegen sind. Ein Aus schuss des Landtags wird dann über die Änderungen – wie von uns gefordert – in einer öffentlichen und idealerweise im Internet übertragenen Sitzung beraten. Damit wird größtmög liche Transparenz geschaffen.
Schließlich haben wir erreicht, dass das Finanzministerium dem Finanzausschuss zeitnah über die Ausgaben berichtet.
Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das vorliegen de Gesetz ein wichtiger Schritt weg von einem einsam anmu tenden Exekutivverordnungswesen hin zu einem Mehr an nor maler Demokratie. Das ist ein prima Ergebnis.
Werte Frau Präsidentin, werte Kollegen! Am 10. April dieses Jahres hat das Bundes verfassungsgericht in einem Urteil deutlich gemacht: Bei überaus schwerwiegenden Eingriffen in Grundrechte – wie es im Rahmen der Covid-19-Krise der Fall war – muss sicher gestellt sein, dass eine Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen fortlaufend zu überprüfen ist. Bei einer Fortschreibung muss eine strenge Prüfung der Verhältnismä ßigkeit erfolgen.
Wir sehen uns heute offenkundig vermehrt einer Situation aus gesetzt, in der sich Bürger – übrigens häufig völlig zu Recht – gezwungen sehen, ihre Grundrechte auf dem Rechtsweg ein zuklagen, weil die Maßnahmen offensichtlich nicht verhält nismäßig und angemessen waren.
Ich halte diese Situation für untragbar. Es ist daher meines Er achtens dringend erforderlich, die Rolle des Parlaments sig nifikant zu stärken. In Zukunft sollten doch wieder mehr die Parlamente – statt die Bürger auf dem Gerichtsweg – die Exe kutive reglementieren. Ich unterstütze deshalb das, worauf sich Regierung und Opposition hier gemeinsam verständigt haben.
Lassen Sie mich schließen mit einem weisen Spruch des Kö nigs Salomon: Wo es an Beratung fehlt, da scheitern die Plä ne. Wo viele Ratgeber sind, gibt es Erfolge.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Noch immer ist die Coronapolitik mehr Panikmache als rationale Politik. Das beginnt schon bei den Grundlagen, nämlich den Zahlen, die wir immer wieder hören. Am Anfang ging es um den „Verdopplungszeitraum“ – den man beliebig durch die Anzahl der Tests verlängern oder verkürzen konnte –, als Nächstes kam dann die „R-Zahl“ – die man auch geschätzt hat, die man unterschiedlich definiert hat und die man de facto nun zurückgezogen hat –, und nun sprechen die Nachrichten von den „Infiziertenzahlen“ als dem
Das, was wir hier vorgelegt bekommen, sind nicht die Infi ziertenzahlen, sondern es sind die Zahlen der positiv Geteste ten. Das ist mitnichten identisch. Denn diese Tests sind nicht ausreichend validiert; das ist unbestritten. Zwar heißt es im Internet, es gebe alle möglichen Fehlerquoten, falsch positi ve Ergebnisse im Umfang von 30 bis 50 %; dies findet man aber nicht nur im Internet, sondern auch in „The Lancet“, ei ner der renommiertesten Medizinzeitschriften.
Es gibt also jede Menge Angaben, aber das Robert Koch-In stitut sagt, die seien alle falsch. Fragt man aber das Robert Koch-Institut: „Wie hoch ist denn dann die Fehlerquote?“, kommt die Antwort: „Das wissen wir nicht.“ Sie wissen also, dass eine bestimmte Zahl falsch ist, aber wie hoch die Zahl tatsächlich ist, wissen sie nicht. Das ist lächerlich. Das Robert Koch-Institut hat jegliche Autorität in dieser Frage verloren.
Der nächste Punkt: Auch wenn es sich jetzt tatsächlich um In fizierte handeln würde, so wissen wir, meine Damen und Her ren, inzwischen doch alle: Infiziert und erkrankt sind zwei ganz verschiedene Dinge. Lediglich 5 bis 10 % der Infizier ten erkranken überhaupt. Wenn wir also eine Zahl brauchen, an der wir Politiker uns orientieren sollten, dann wäre das die Zahl der belegten Betten in den Krankenhäusern.
Wie viele Leute sind ins Krankenhaus gekommen? Aber ir gendwelche ominösen Zahlen bezüglich positiver Tests als Maßstab für die Politik zu setzen – das ist nicht Politik, son dern das ist Panikmache, meine Damen und Herren.
Daher begrüße ich es, wenn sich der Landtag nun stärker in das ganze Geschehen einschaltet. Aber das hilft natürlich nichts, wenn der Landtag das im Grunde nicht will, wenn er nicht die Mentalität und den Mut dazu hat.
Manchmal kommt mir diese Versammlung wirklich vor wie ein Ackergaul, der mit Mühe auf die Rennbahn getragen wer den muss.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die Frau Bundeskanzlerin hat am Verfas sungstag gesagt: „Dieses Virus ist eine Zumutung für die De mokratie.“ Wir haben im Präsidium des Landtags bereits ganz früh – das war schon Mitte April – darüber gesprochen, wie wir die verfassungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den Maßnahmen gegen das Coronavirus zu sehen haben.
Ich freue mich, dass wir heute mit diesem Gesetzentwurf, der von allen Fraktionen guten Willens getragen wird, zu einem
Ergebnis kommen – und das als erster Landtag in ganz Deutsch land. Wir haben diese Fragen umfassend angeschaut, und wir können jetzt allen Bürgerinnen und Bürgern sagen: Unsere parlamentarische Demokratie funktioniert, auch und gerade in der Coronapandemie.
Wenn wir das auch im Systemvergleich sehen, zeigt sich: Wir haben in diesem Land beherzt gehandelt; und wir wollen, dass die Exekutive handelt. Wir unterstützen die Exekutive – das ist ein wichtiges Anliegen von Arnulf von Eyb – ganz und gar. Es ist ihre Aufgabe, beherzt zu handeln. Deswegen war es richtig, wie es vor sich gegangen ist.
Aber nach der Stunde der Exekutive kommt die Woche des Parlaments, wie der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg, Malte Graßhof, gesagt hat. Deswegen haben wir dieses Gesetz gemacht. Die Regierung muss dem Parlament nun unverzüglich, innerhalb kurzer Zeit, berichten. Die Maßnahmen sind zeitlich alle strikt begrenzt, und das Budgetrecht des Landtags ist ebenfalls gewahrt. Mit diesen Maßnahmen brauchen wir den Vergleich nicht zu scheuen.