Protokoll der Sitzung vom 22.07.2020

Wenn nicht alle Aspekte eines Volksbegehrens 1 : 1 umgesetzt wurden, heißt das nicht, dass das für die Katz war, wie der Kollege Dr. Rülke meinte. Vielmehr bedeutet das, dass im Prinzip die Anliegen des Volksbegehrens aufgenommen wur den und in eine vielleicht praktikablere und auch akzeptable re Form umgesetzt wurden. Das ist, glaube ich, geglückt, weil wir am Ende einen breiten Konsens erzielt haben.

(Beifall)

Zu den Anliegen des Volksantrags, die im Einzelnen in den Ziffern 1 bis 10 niedergeschrieben wurden, hat die Landesre gierung nicht nur Stellung genommen, sondern die Anliegen sind ein Stück weit auch erledigt. Aber auch der Volksantrag hat eine immerwährende Funktion. Denn mit dem Gesetz, das wir heute – so hoffe ich – verabschieden, und mit dem Volks antrag, über den wir beraten, bleiben die Themen eine Dauer aufgabe.

Wenn der Landtag die Landesregierung ersucht, die nähere Gestaltung eines Kulturlandschaftsrats zu prüfen, dann wird das kein Prüfergebnis zu Sankt Nimmerlein, sondern über das Prüfergebnis werde ich im Herbst berichten. Wenn der Land tag die Landesregierung außerdem ersucht, die Ergreifung weiterer Maßnahmen zur Vermarktung regionaler Produkte, ökologisch sowie konventionell, insbesondere in Zusammen arbeit mit dem Handel zu prüfen, dann ist auch das kein Lip penbekenntnis auf dem Papier, sondern dann ist das am Ende unterlegt. Ich werde zum Jahresende auch berichten, was hier konkret unternommen wurde.

Denn wir bewegen uns nicht im Ungefähren. Vielmehr ist das, was hier steht, Wille dieser Landesregierung. Das machen wir uns zu eigen. Die Mehrheit des Landtags ist uns natürlich stets Befehl; das ist vollkommen klar. Wir machen das aber nicht widerwillig, sondern aus voller Überzeugung. Denn wir wol len im Prinzip die Themen voranbringen – auch im Sinne der Initiatoren des Volksantrags. Deswegen werden wir auch die Anliegen des Volksantrags in den nächsten Wochen und Mo naten immer wieder aufgreifen und am Ende in die praktische Politik einmünden lassen.

Ich kann aber nur ermuntern, die Bekenntnisse nicht nur dann abzugeben, wenn es um Fragen des Naturschutzes geht. Viel mehr haben wir auch andere umweltrelevante Fragen – was serwirtschaftliche, immissionsschutzrechtliche und derglei chen mehr – immer wieder zu klären, auf die ich jetzt nicht näher eingehe. Auch dort zählt es zur Gesamtsicht dazu: Wer bäuerliche Familienbetriebe erhalten will – das haben wir als gemeinsames Leitbild in dieser Koalition –, darf diese Betrie be nicht dadurch überfordern, dass er Anforderungen stellt, die nur noch arbeitsteilige Großindustriebetriebe erfüllen kön nen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Drucksache 16/8379. Der Ausschuss für Ländlichen Raum

und Verbraucherschutz schlägt Ihnen in den Abschnitten I und III vor, verschiedene Feststellungen zu treffen. In Abschnitt II sollen zwei Ersuchen an die Landesregierung gerichtet wer den.

Zu Abschnitt I Ziffer 2 der Beschlussempfehlung liegt der Än derungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 16/8524, vor, der eine Ergänzung um die Buchstaben e und f begehrt. Wer diesem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent haltungen? – Der Änderungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Sind Sie damit einverstanden, dass ich, wie im Umweltaus schuss gewünscht, die Abschnitte I und II der Beschlussemp fehlung gemeinsam zur Abstimmung stelle? – Das ist der Fall. Wer also den Abschnitten I und II zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Den Abschnitten I und II ist mehrheitlich zugestimmt.

Nun stelle ich Abschnitt III der Beschlussempfehlung zur Ab stimmung. Wer Abschnitt III zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Abschnitt III ist mehrheitlich zugestimmt.

Wir können Tagesordnungspunkt 5 verlassen.

(Beifall)

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes – Drucksache 16/8272

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft – Drucksache 16/8382

Berichterstatterin: Abg. Gabi Rolland

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Rede zeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE beginnt Herr Abg. Dr. Rösler.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Kooperation statt Konfrontation, Vertrauen statt Misstrauen, Gesellschaftsver trag statt Miesmachen – das sind zentrale Botschaften für un ser heute zu beratendes Biodiversitätsstärkungsgesetz.

Stop the loss – Stopp dem Schwund an Arten! Das war welt weit das Ziel der UN im Jahr 1992 für das Jahr 2010. Die UN und die EU haben ihr Ziel angepasst: Stopp dem Schwund bis 2020 – jetzt. Erneut müssen wir uns weltweit und auch in der EU eingestehen: Keines der Länder hat das Ziel erreicht.

Im Übrigen ist der Schwund von Insekten der letzten Jahre nichts Neues.

(Der Redner hält ein Blatt hoch.)

Ich zeige Ihnen hier Ergebnisse einer Untersuchung von Pro fessor Heydemann, den Vergleich zwischen 1951 und 1981. Bereits vor knapp 40 Jahren war der Schwund von Insekten dramatisch und nachgewiesen.

Dabei dürfen wir im Ländle stolz anmerken: In der letzten Le gislaturperiode haben wir mit den Kolleginnen und Kollegen von der SPD in einem Dreiklang aus Naturschutzstrategie, Naturschutzgesetz und Naturschutzfinanzen große Schritte vo ran gemacht. Vielen Dank! In dieser Legislaturperiode haben wir mit der CDU die Mittel für den Naturschutz weiter erhöht, ein bundesweit vorbildliches Sonderprogramm „Biologische Vielfalt“ aufgelegt, und wir beschließen heute ein neues Na turschutz- und ein neues Landwirtschaftsgesetz. Vielen Dank für die gute Kooperation mit der CDU.

(Vereinzelt Beifall)

Wir werden unsere Verantwortung für Schöpfung und Schä ferei, für Naturerbe und Kulturerbe ernst nehmen.

Unser Dank gilt auch den Initiatoren des Volksbegehrens – Imkern, Naturschutzverbänden, Bio- und konventionellen Bauern. Sie haben den Startschuss für eine sehr dynamische Entwicklung und eine kontroverse Diskussion gegeben. Die Regierungsfraktionen haben aber bald gesehen: gute Ziele, aber nur teils die richtigen Mittel. Wenn selbst der Einsatz von Biomitteln in Landschaftsschutzgebieten nur noch in Ausnah mefällen möglich gewesen wäre: Da war der Bogen über spannt.

Es brodelte zudem völlig zu Recht in der Landwirtschaft. Der Mercosur-Vertrag war der Aufhänger für die grünen Kreuze. Unsere Landwirte leiden, wenn immer mehr billige Produkte zu uns gelangen. Und, mit Verlaub: Ein verstärkter Gütertrans port über 10 000 km ist auch kein Beitrag zum Klimaschutz.

Grün-Schwarz hat Ideen aus dem Volksbegehren wie aus dem Volksantrag aufgegriffen. Im Gesetz sind weitere Aspekte ent halten: Ausgleichsregister, Schottergärten, Lichtverschmut zung. Denn das, was wir bisher getan hatten, genügt noch nicht, um dem Verlust an artenreichen Blumenwiesen, an Grünspechten, an Schwarzkehlchen, an Rotkopfwürgern oder an Blaumeisen entgegenzuwirken. Es ist uns jedenfalls gelun gen, Gräben zuzuschütten; denn dieses Gesetz zielt schon jetzt – im Gegensatz zu dem, was der Kollege Rülke gesagt hat – auf einen Gesellschaftsvertrag ab. Der Ministerpräsident sprach davon.

Noch weiter konkretisieren, Kollegin Rolland, werden wir die Pestizidreduktion. Wir werden klären, wie wir die 40 bis 50 % Reduktion erreichen. Wir arbeiten noch an transparenten und kontrollierbaren Kriterien, die sich an der Menge orientieren. Und: Menge und Wirkstoffmenge ist nicht das Gleiche. All das klären wir noch. Deswegen werden wir dem Antrag der SPD nicht zustimmen. Sie wissen das.

Der FDP-Antrag zielt ins Gegenteil: Nicht einmal mehr Zie le will die FDP formulieren. Da war die FDP vor 50 Jahren bei ihren Freiburger Thesen schon weiter. So ist die FDP nicht zukunftsfähig, sondern maximal rückwärtsgewandt. Dem kann man beim besten Willen nicht zustimmen.

(Beifall)

Konkretisieren werden wir noch andere Punkte. Noch ist z. B. ungeklärt, ab wie vielen Streuobstbäumen eine Rodung unter die Regelung des neuen Gesetzes im Streuobstbau fällt. Im Übrigen gilt es hier seitens des Gesetzgebers darauf hinzuwei

sen, dass wir keine neue Definition von Streuobstbäumen ein führen: 160 oder 180 cm Stammhöhe waren seit dem 19. Jahr hundert immer das Minimum. Wir stellen zusätzlich allerdings einige Obstbaumbestände unter Schutz, die erhaltenswert, aber nicht überwiegend hochstämmig sind.

Konkretisieren werden wir auch ein Anliegen, das im Volks begehren und im Volksantrag deutlich wurde. Das Kompe tenzzentrum für Artenkenntnis der Universität Hohenheim und des Staatlichen Naturkundemuseums – Frau Ministerin Bau er ist gerade nicht hier – sowie die Umweltakademie – der Umweltminister ist da – werden 2 Millionen € bekommen.

(Zurufe)

Ja, natürlich, weil er dafür verantwortlich ist.

(Zuruf)

Entschuldigung, die Ministerin war hier hinter der Ecke und für mich nicht sichtbar.

Die beiden Minister sind dafür zuständig, dass angehende Wissenschaftler und ehrenamtlich Tätige darin ausgebildet werden, Insekten zu bestimmen. Insektenforscher sind teils seltener geworden als die Insekten selbst. Wenn wir den Arten schwund stoppen wollen, müssen wir in gleichen Kategorien denken wie bei anderen globalen Problemen.

Ich komme zum Schluss. Coronaviren kommen innerhalb von Monaten oder einzelner Jahre, der Artenschwund und die Kli maerwärmung sind globale Prozesse von Jahrzehnten und Jahrhunderten. Daher stehen sehr große Aufgaben vor uns. Der heutige Beschluss ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Ich werbe daher um Zustimmung zu diesem Gesetz.

Vielen Dank.

(Beifall – Das Redepult wird desinfiziert.)

Wir setzen die Beratung fort. – Das Wort hat Herr Abg. Haser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Baden-Württemberg gibt es 1 043 Naturschutzgebiete, die 2,4 % der Landesfläche über decken. Die allermeisten von ihnen wurden noch im vorigen Jahrhundert eingerichtet. Seit den 1990er-Jahren sind nicht nur die FFH-Flächen im Rahmen von Natura 2000 und eine Fokussierung der Auszahlungen aus der zweiten Säule für na turnahe Bewirtschaftungsmethoden nach MEKA und FAKT hinzugekommen, sondern auch die Biosphärengebiete Schwä bische Alb und Südschwarzwald sowie der Nationalpark. Das zeigt, wie ernst wir es mit dem Naturschutz meinen.

Wir verzeichnen in manchen landwirtschaftlichen Bereichen bundesweit den höchsten Bioanteil. Die Hofgrößen und Land wirtschaftsstrukturen im Land sind weit von dem Wahnsinn entfernt, der teilweise in anderen Bundesländern, in Europa und in der Welt herrscht. Die Nitratbelastung in unserem Land bestimmt zwar viele Debatten, aber die tatsächlichen Werte zeigen, wie erfolgreich die SchALVO und andere Maßnah men zum Schutz unserer Gewässer waren und sind.

(Beifall)