Protokoll der Sitzung vom 30.09.2020

(Beifall bei der SPD)

Es ist auch eine Geisterfahrt gegen eine Kommunalpolitike rin der CDU, die sich im Jahr 2014 dagegen wehrte, dass die CDU in ihrer Stadt Stuttgart pauschal gegen die Ganztagsbe treuung vorging. Sie wollte nicht weniger, sondern mehr Ganz tag. Sie warf ihrer eigenen Partei vor, den Ganztag zu blockie ren. Ja, so war das, als Frau Eisenmann noch Schulbürger meisterin von Stuttgart war und nicht oberste Wahlkämpferin der Südwest-CDU. Letzten Endes ist die aktuelle Politik von Frau Eisenmann in erster Linie auch eine Geisterfahrt gegen sich selbst.

Frau Eisenmann, wenn Ihnen auf Ihrer Geisterfahrt ein Ge sicht entgegenkommt, das Ihnen vertraut erscheint, dann sind Sie das vor sechs Jahren.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Das Allerschlimmste an Ihrer tiefkonservativen Ideologie ist aber nicht, dass Sie der Ganztagsbetreuung ein Bein stellen. Davon können wir ein langes Lied singen: Gemeinschafts schulen, Inklusion, Lehrergewinnung, Ethikunterricht. Über all, wo Innovation notwendig ist,

(Zuruf: Genau!)

ist es für Frau Eisenmann angeblich rote Politik. Ganz egal, ob es ein Lehrerverband ist, ob es ein Elternverband ist, ob es die Bertelsmann Stiftung ist oder ob es die Bundes-CDU ist: Für Frau Eisenmann verbirgt sich überall dahinter nur ein So zi. Selbst die Bayern, die kein Problem damit haben, dieser Vereinbarung für mehr Ganztag zuzustimmen, sind im Leben von Frau Eisenmann vermutlich Sozis.

(Heiterkeit des Abg. Andreas Stoch SPD)

Wahrscheinlich ist Markus Söder ein Juso. Ich weiß es nicht, was da passiert.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das kann man noch klären! – Abg. Nicole Razavi CDU: Da ist aber eher der Wunsch der Vater des Gedankens! Das hätten Sie wohl gern! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Den würden Sie nicht aufnehmen! Aber Merz und Laschet hätten wohl nichts dagegen!)

Gute Bildungspolitik – davon bin ich überzeugt – läuft nicht nach Ihrer Parteiideologie. Gute Bildungspolitik geht vom Kind aus und stellt das Kind in den Mittelpunkt.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: 74 % der Eltern wollen diese kommunale Betreuungsform weiterhin!)

Ach, Herr Reinhart, diese Prozentzahl

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: 74 % der Eltern wollen Wahlfreiheit!)

wechselt bei Ihnen so schnell wie die Wetterlage momentan draußen. Im ersten Pamphlet der CDU waren es 90 %, dann 80 %, und jetzt sind es 74 %.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ich zeige Ihnen die Umfrage!)

Sie wissen doch gar nicht, wie vielen Schulen Sie die Mög lichkeit auf Förderung verbauen. Fest steht nur: Sie verbauen hier den Schulen die Möglichkeit auf Förderung.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Nein!)

Wer gute Politik vom Kind aus macht, der baut Brücken, um Qualität immer weiterzuentwickeln, um rhythmisierte Ange bote in den Blick zu nehmen und um mehr Bildungschancen schaffen zu können. Das tut unserem Land gut. Das hieße auch, Verantwortung zu übernehmen. Sich wie im letzten Jahr gegenüber den Kommunen mit 12 Millionen € billig freizu kaufen ist keine Verantwortungsübernahme.

Herr Abg. Born, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schütte zu – oben auf der Tribüne?

Nein, danke. Ich bin jetzt gerade drin.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der stellt auch heiße Fragen! Das verstehe ich!)

Sich mit 12 Millionen € gegenüber den Kommunen freizu kaufen ist keine Verantwortungsübernahme. Jetzt Panik davor zu haben, mit der Schulaufsicht Folgekosten für das Land zu haben, ist ebenfalls keine Verantwortungsübernahme. Wir wollen, dass das Land als bildungspolitischer Partner der Kommunen Verantwortung übernimmt.

(Abg. Dr. Albrecht Schütte CDU: Die Kommunen können es also Ihrer Meinung nach nicht!)

Das ist das krasse Gegenstück zur Geisterfahrt von Frau Ei senmann.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Frau Abg. Boser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich feststellen, dass ich es dann, wenn der Bund bis 2025 die Ganztagsbetreuung rechtlich verankern will, für richtig, für

folgerichtig halte, dass uns der Bund bei dieser Aufgabe fi nanziell unterstützt. Wir sollten also an dieser Stelle nicht von einem Geschenk sprechen, sondern von einer folgerichtigen Maßnahme, die uns überhaupt die Möglichkeit gibt, die Struk turen für diesen Rechtsanspruch bis 2025 auf den Weg zu brin gen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Dabei muss es natürlich das Interesse von uns Landespoliti kern sein, dass die Länderhoheit nicht infrage gestellt wird, dass sich vielmehr die unterschiedlichen Strukturen der Län der hier wiederfinden. Es war daher richtig, dass sich unser Ministerpräsident Kretschmann im Kanzleramt dafür einge setzt hat, dass die Gespräche für eine Lösung für Baden-Würt temberg wieder aufgenommen werden

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Sehr gut!)

und dass man gemeinsam zu einer Lösung findet, wie wir un sere gewachsenen Strukturen in Baden-Württemberg in das Konstrukt des Bundes einfügen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Jeder weiß, uns Grünen sind die qualitativ hochwertigen Ganz tagsschulen natürlich ein wichtiges Anliegen, weil sie nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf berücksichtigen, sondern wir hierin eine große Chance sehen, mehr Bildungs gerechtigkeit für ein leistungsstarkes und leistungsgerechtes Bildungsangebot zu gewährleisten.

Mit dieser Meinung stehen wir ja nicht allein. Viele Rankings zeigen, dass hochwertige Ganztagsangebote ein wichtiger Baustein für mehr Bildungsqualität sind – sei es PISA, sei es die Studie der Bertelsmann Stiftung oder zuletzt auch der jähr liche Bildungsmonitor der arbeitnehmernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die uns nur deshalb im Ranking ei nen Platz 5 gegeben hat, weil wir eben in Baden-Württemberg mit dem Ausbau der qualitativ hochwertigen Ganztagsschul angebote nicht so weit vorangehen konnten, wie dies in ande ren Ländern der Fall war.

Dabei war es für uns Grüne in der letzten Legislaturperiode ein Erfolg, dass wir die Ganztagsbeschulung an Grundschu len im Gesetz verankern und damit die Qualitätssicherung auf den Weg bringen konnten, die Baden-Württemberg im Be reich der Ganztagsschule braucht.

(Beifall bei den Grünen)

Ich sage an dieser Stelle aber auch ganz klar: Daneben sind die kommunalen Betreuungsangebote für uns ein fester Be standteil der Schullandschaft in Baden-Württemberg. Dies ha ben wir, die grüne Fraktion, in den vergangenen Jahren im mer anerkannt und die Mitfinanzierung von kommunalen An geboten an den Schulen, an denen keine Ganztagsbeschulung eingerichtet wurde, unterstützt. Uns Grünen war es aber be reits letztes Jahr ein Anliegen, dass auch hier die Qualitäts standards ausgebaut werden – beispielsweise mit einem Fach kräftekatalog, den es ja bereits bei den Kindertageseinrichtun gen gibt. Dies war leider nicht möglich, und so wird aktuell im Gesetz nur darauf verwiesen, dass pädagogisch geschultes Personal zum Einsatz kommen sollte, aber nicht muss.

Nun stehen wir im Land vor der Situation, dass wir den Aus bau der Ganztagsschulen nicht in der Form voranbringen konnten, wie wir uns das politisch gewünscht hätten, sondern dass an vielen Stellen die kommunalen Ganztagsbetreuungs angebote stärker nachgefragt werden. An dieser Stelle ist für uns ganz klar: Die Situation im Land darf nicht dazu führen, dass wir am Ende von den Mitteln des Bundes nicht profitie ren können.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Es ist gut, dass der Bund mit diesem Programm und mit die sem Rechtsanspruch auch Qualitätskriterien verbindet, wie es auch Spitzenverbände und Gewerkschaften gefordert haben. Auf der anderen Seite braucht es natürlich Möglichkeiten, dass die Länder ihre Strukturen in diese Qualitätskriterien mit einfließen lassen können.

Grundsätzlich sieht der Bund Horte in der Angebotsstruktur vor. Sollten unsere Betreuungsangebote der kommunalen Sei te innerhalb dieser Qualitätskriterien nicht aufgehen, braucht es Lösungen, wie dies gewährleistet werden kann. Andere Länder haben bereits gezeigt, dass das geht – sei es beispiels weise durch einen Fachkräftekatalog, der pädagogisch ge schultes Personal gewährleistet, oder durch die Einbindung der Schulaufsicht. Letztlich muss es ja auch im Interesse der Kommunen sein, dass ihre kommunalen Angebote beim Recht auf Ganztagsbetreuung akzeptiert werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Deshalb waren die kommunalen Landesverbände bei der Aus arbeitung der Qualitätskriterien im Bund mit eingebunden.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Daher braucht es nun zügig eine gemeinsame Lösung mit dem Bund, damit wir in Baden-Württemberg von diesen finanziel len Mitteln profitieren, um bis 2025 die Strukturen zu schaf fen, damit der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung auch bei uns gewährleistet werden kann.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Dann macht doch mal!)

An den Bund gerichtet möchte ich aber an dieser Stelle auch ganz klar sagen: Es darf nicht sein, dass wir ständig zeitlich befristete Programme ins Schaufenster gestellt bekommen. Wenn der Bund einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung einführt, den aber letztlich in der Folge die Länder weiter fi nanzieren müssen, dann reicht eine zeitlich befristete Lösung nicht aus. Zudem müssen die unterschiedlichen Strukturen an erkannt werden. Wir erwarten daher, dass die Folgefinanzie rung auf den Weg gebracht wird und die Länder am Ende nicht alleingelassen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Ein verklausulier tes Ja zu Herrn Born! Das hat sie gut gemacht! – Ge genruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wir ha ben es aber trotzdem verstanden!)