Protokoll der Sitzung vom 30.09.2020

Deswegen werden Sie, wenn es sinnvolle Investitionen sind – auch komplementär zu den Investitionen des Bundes –, von uns keine Kritik hören, z. B. wenn es um Investitionen in Was serstofftechnologie oder in Batteriezellenforschung und -tech nik geht. Wir in Baden-Württemberg müssen Antworten fin den, um vielen Firmen – nicht nur den großen Automobilfir men, sondern vor allem vielen Firmen in der Zulieferkette – eine Perspektive für die Zukunft zu bieten. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn es sinnvolle technische Investitionen sind, dann stehen wir an Ihrer Seite.

Aber es reicht eben nicht – ich habe es vorhin am Beispiel Weiterbildung ausgeführt –, nur in technische Innovation zu investieren, wenn die Menschen diesem Wandel nicht stand halten können und Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Wei terbildung ist der beste Schutz der Menschen in Baden-Würt temberg, damit sie ihren Arbeitsplatz auch in Zukunft haben, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Darauf sehen wir in Ihrem Programm eben keine Antwort. Wir sehen keine Investition in Bildung oder in Weiterbildung.

Wenn ich das sage, meine ich nicht, wir müssten die 1,2 Mil liarden € anders verteilen. Nein, ich sage: Möglicherweise brauchen wir sogar mehr Geld. Ich habe in meiner Rede vor hin auch gesagt, dass wir in Baden-Württemberg – Kollege

Reinhart hat die Zahlen zitiert – von dieser Pandemie und ih ren wirtschaftlichen Auswirkungen in besonderer Weise be troffen sind.

Natürlich führt der Strukturwandel, der bereits jetzt in BadenWürttemberg stattfindet, auch in anderen Branchen, vor allem aber im Maschinenbau und in der Automobilindustrie zu ei nem ganz erheblichen Veränderungs- und Handlungsdruck.

Dieser Veränderungs- und Handlungsdruck wurde durch Co rona noch verstärkt. Wir alle wissen es: Die Absatzzahlen ge rade bei den Automobilfirmen sind eklatant eingebrochen. Was jetzt vor der Tür steht und auch schon angekündigt wur de, ist ein Arbeitsplatzabbau in Baden-Württemberg. Das sind keine Beschäftigungsverhältnisse mit besonders niedrigen Löhnen, sondern es betrifft gut verdienende Arbeitnehmerin nen und Arbeitnehmer, die durch die Wertschöpfung in den Betrieben ganz wesentlich zum Wohlstand dieses Landes bei getragen haben.

Darauf braucht es eine Antwort dieser Landesregierung. Da reicht es nicht, Herr Kollege Reinhart, wenn Sie aufzählen, wie viele Milliarden Nordrhein-Westfalen oder Bayern aus geben, und wenn Sie sich darauf zurückziehen wollen, wir sei en da ganz moderat.

Wir brauchen Hilfe, die auch wirkt, die dieses Land wirklich in die Zukunft führt und den Menschen die Zuversicht gibt, auch zukünftig in Baden-Württemberg gute Arbeit zu guten Bedingungen zu finden, meine sehr geehrten Damen und Her ren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie bezüglich der Kommunen den Eindruck erwecken, wir hätten ein Problem damit, den Kommunen in dieser schwie rigen Situation zur Seite zu stehen, dann darf ich schon ein mal an die Diskussionen im Mai, Juni und Juli erinnern. Die Kommunen standen in der Situation, dass Haushaltssperren drohten, was bedeutet hätte, dass alles, was an kommunaler Investitionstätigkeit noch hätte stattfinden können, nicht mehr möglich gewesen wäre. Wir haben damals gesagt: Es reicht eben nicht, mit rechtlich verbindlichen Zusagen im Rahmen eines Nachtrags erst im Herbst zu kommen; dann ist es für viele Kommunen nämlich schon zu spät.

Sie haben sich dann mit diesem Pakt beholfen, der richtig war und gerade noch rechtzeitig kam, weil die Kommunen damit aufgrund Ihrer Regelung mit den Vorschüssen – die jetzt zu entsprechenden Verankerungen im Haushalt führen – eine ver lässliche Planungsgrundlage hatten.

Aber wenn Sie jetzt über die Struktur Ihres Haushalts reden, Herr Ministerpräsident, dann ist es aus meiner Sicht nicht zwingend, dass Sie unter die Konjunkturkomponente neben den Einnahmerückgängen – 4,4 Milliarden € – auch Ihre 2 Milliarden € mit Rücklagen und dem Investitionspaket sub sumieren. In der Systematik der Einnahmerückgänge – das haben Sie selbst hier gerade gesagt – wäre es aus meiner Sicht mindestens genauso plausibel, die Finanzlöcher bei den Kom munen unter die Konjunkturkomponente zu stellen und sich bei der Frage: „Was sind die richtigen Investitionen in die Zu kunft, und ist diese Rücklage so, wie sie ausgestaltet ist, auch richtig ausgestaltet?“ hier der Diskussion im Parlament zu

stellen, und zwar nicht mit einer Fokussierung auf den dehn baren Begriff der Naturkatastrophe und die dadurch vorge nommene Umgehung der in der Landesverfassung veranker ten Schuldenbremse, sondern mit der Konzentration auf die Frage, ob hier eine allgemeine Notlage vorliegt. Dann brau chen Sie eine Zweidrittelmehrheit, und dann können wir hier auch wirklich diskutieren, ob Ihre Maßnahmen sinnhaft für die Zukunft des Landes sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie dann die Geschlossenheit so ganz besonders her vorheben, Herr Ministerpräsident, sage ich: Wie es um die Ge schlossenheit dieser Landesregierung steht, lesen wir jeden Tag in der Zeitung, und das beobachten wir auch in den Ge sichtern der Abgeordneten, wenn ein Vertreter der jeweils an deren Regierungsfraktion spricht.

(Lachen der Abg. Gabi Rolland SPD)

Ich darf Ihnen sagen: Wenn das Geschlossenheit ist, dann bin ich in meinen 50 Lebensjahren bisher anders durch die Welt marschiert. Geschlossenheit, die sich dadurch ausgedrückt hat, dass wir vor der Sommerpause ein Paket von Wünschen hat ten, das mit 6,5 Milliarden € aus den verschiedenen Ministe rien gefüllt war? Wir hatten alle den Eindruck: Na ja, irgend wie haben Sie Anlauf genommen, ein eigenes Landeskonjunk turpaket auf den Weg zu bringen, weil der Bund ja durchaus in großem und gutem Tempo vorgemacht hat, wie es gehen kann. Dann waren auf einmal so viele Wünsche auf dem Tisch, dass es offensichtlich nicht gelungen ist, unter Führung des Ministerpräsidenten mit den Häusern eine sinnvolle Pri orisierung hinzubekommen. Denn man hat ja damals gehört, Sie wollten nicht mehr als 3 oder maximal 4 Milliarden € aus geben.

So entsteht der Eindruck, angesichts der Feststellung, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, in dieser Landesregierung zu ei ner Einigung zu kommen, und angesichts der Aussicht, dass der Ministerpräsident vielleicht nicht mehr Herr des Verfah rens ist, hat man bei dem Argument Rettung gesucht, dass man die Steuerschätzung im September gern noch abwarten würde, um dann vielleicht eine gemeinsame Linie zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, „geschlossenes Han deln“ in diesem Tempo? Gute Nacht, Baden-Württemberg!

(Beifall bei der SPD)

Wir werden Ihnen in den weiteren Beratungen im Finanzaus schuss und auch hier in der zweiten Lesung ganz konkrete Vorschläge machen, und wir werden auch Beispiele benen nen, bei denen wir sagen: Das sind die falschen Schwerpunk te.

Ich darf Ihnen sagen – vielleicht haben Sie es noch gar nicht gelesen –: Im Nachtrag stehen in ganz erheblichem Maß Sam melansätze. Ich könnte Ihnen also jetzt gar nicht sagen, wie viel für die Biogasanlagen veranschlagt sind, auch wenn ich es gern würde. Aber zu haushaltspolitischer Transparenz wür de es gehören, dem Parlament dazu etwas zu sagen. Geht es dabei vielleicht vielmehr um künstliche Intelligenz in Schlacht höfen? Wissen Sie, wenn Sie hier alles nur in Sammelansätzen versammeln, dann frage ich mich bei der Lektüre der Über

schriften, wie wir als Parlamentarier in der Einzelkritik der konkreten Punkte vorgehen sollen.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP – Abg. Rein hold Gall SPD: Missachtung des Parlaments!)

Es sind also noch sehr viele Fragen offen, bevor wir beurtei len können, ob das, was Sie uns mit Ihrem 1,2 Milliarden € schweren Zukunftsinvestitionspaket vorlegen, oder das, was in dem 800-Millionen-€-Rücklagenpaket steckt, Sinn macht.

Es sind noch derart viele Fragen offen, dass wir gespannt sind auf Ihre Ausführungen im Finanzausschuss. Danach werden wir dann entscheiden, inwieweit wir diesem Paket zustimmen können.

Aber der Vorwurf bleibt: So, wie Sie es machen – die Tatsa che, dass Sie die Haushaltsreste nicht einbringen und nicht be nennen und dass Sie die Naturkatastrophe bis in alle Ewigkeit als Begründung für Ihre weitere Verschuldung bringen wol len – – Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer so mit der Landesverfassung umgeht, der hat die Systematik der Schuldenbremse nicht verstanden, und der hat vor allem die Rolle des Landtags in Haushaltsfragen nicht verstanden.

Sie haben vorhin gesagt, Sie stehen am Ende einer Koalition.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Man merkt das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehnen dies je den Tag herbei.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Gögel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Ich habe dieser Nachtragshaushalts debatte jetzt über eine Stunde lang interessiert gelauscht. Ei niges hat mich an die letzten Haushaltsberatungen der DDRVolkskammer erinnert.

(Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU: Waren Sie da bei?)

Man hat diskutiert, wie man Ausgaben tätigen kann, obwohl man keine Einnahmen hat. Das war sehr interessant, und es waren eigentlich Themen, die eher auf eine sozialistische Planwirtschaft hindeuten und weniger mit einer sozialen Markt wirtschaft zu tun haben.

(Zuruf von den Grünen)

Darauf komme ich beim nächsten Tagesordnungspunkt zu rück. Dann kann ich diese Ausführungen sicher vertiefen.

Ich möchte zunächst einmal auf die Chronologie dieser Kri se zurückkommen. Denn über diese wird überhaupt nicht mehr gesprochen. Im Dezember 2019 hat Berlin die ersten Nachrichten aus Wuhan bekommen, aber nicht reagiert. Sie haben hier im Land die ersten Monate nicht reagiert. Man hat festgestellt, dass man bei der Vorsorge im Gesundheitsbereich

versagt hat, dass man keine Masken hat, keine Schutzausrüs tung, keine Medikamente. Daher musste man dieses Virus zu nächst einmal verharmlosen. Man musste sich erst mal hin stellen und sagen: „Das wird uns nicht betreffen“,

(Zuruf von der AfD: Herr Lucha hat es mit einer Grippe verglichen! – Gegenruf von der CDU: Die AfD verharmlost es heute noch!)

um dann festzustellen, dass man die Ausrüstung nur sehr, sehr schwer und mit viel, viel Geld auf dem Weltmarkt besorgen kann.

(Zuruf von der CDU)

Sie dürfen gleich eine Frage stellen. Aber jetzt möchte ich erst einmal weiter ausführen.

Sie haben in der Chronologie, als im März die Infektionszah len – – Das heißt nicht Infektionszahlen. Diesen Begriff ha ben Sie heute schon fünfmal fälschlicherweise verwendet, und jetzt verplappere ich mich auch noch. Es sind positiv geteste te Personen, und bei diesen Personen wurde ein Test verwen det, der eine sehr hohe Ungenauigkeit aufweist.

(Beifall bei der AfD)

Ob daraus Infektionen und Krankheitsverläufe werden, ent scheidet sich später.

Im März, als die Anzahl der positiv getesteten Personen schon deutlich gesunken war, wurde in Berlin und auch hier diese soziale und wirtschaftliche Katastrophe herbeigeführt, indem Sie einen Lockdown beschlossen haben, indem Sie Existen zen vernichtet haben und indem Sie eine völlig neue soziale Welt erschaffen haben. Vielleicht ist das Ihre Vorstellung von der Zukunft. Unsere Vorstellung von der Zukunft, also die der AfD, ist es mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der AfD)