Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

... dass Sie ein Gutachten er stellen wollen, um den Haushalt insgesamt auf Verfassungs mäßigkeit zu überprüfen. Da muss man irgendwann fragen: Was ist eigentlich das, was Sie wollen?

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Das ist widersprüchlich. Zum einen wollen Sie sich mit die sen Änderungsanträgen einbringen, auf der anderen Seite stel len Sie das Gesamtpaket infrage.

(Beifall des Abg. Tobias Wald CDU)

Ich finde, wenn sie den Haushalt so massiv infrage stellt, hät te die Opposition auch eine Gesamt- oder eine globale Alter native vorlegen müssen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE und Abg. Tobias Wald CDU: Richtig!)

Das haben Sie nicht getan.

Insofern kann ich Sie am Schluss nur noch auffordern: Über legen Sie sich noch einmal, ob Sie unserem Antrag nicht doch

zustimmen wollen und damit ein wichtiges Zukunftspaket für das Land Baden-Württemberg unterstützen.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich hoffe nicht, dass ich jetzt jeder Fraktion anderthalb Minuten mehr Redezeit geben muss. – Herr Kollege Wald, Sie haben das Wort und eine Re dezeit von 12,5 Minuten. Das ist viel.

(Abg. Tobias Wald CDU: 12,5 Minuten?)

Bitte?

(Abg. Tobias Wald CDU: Wir haben 12,5 Minuten!)

Ja, genau. Das ist viel. Die will ich jetzt von den anderen Fraktionen nicht unbedingt noch einmal wie eben in Höhe von anderthalb Minuten überzogen sehen.

(Abg. Anton Baron AfD: Sehe ich auch so! – Verein zelt Lachen bei der AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Auswirkungen der Corona pandemie auf die finanzielle Situation unseres Landes sind er heblich. Bereits im März haben wir in einer wichtigen Plenar sitzung gemeinsam die Coronapandemie zur Naturkatastro phe erklärt und den Katastrophenfall festgestellt.

Dadurch haben wir die finanzielle Basis zur Bekämpfung der Coronakrise geschaffen, um die Bürgerinnen und Bürger un seres Landes zu schützen und die wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen im Land abzufedern. Dieser Weg war rich tig und wichtig. Wir haben Verantwortung übernommen, und zu dieser Verantwortung stehen wir auch heute – gerade auch in dieser Krise.

Deshalb haben wir im März – zu Beginn der schwersten Kri se seit 1945 – durchgesetzt, dass wir unsere politische Verant wortung in die Tat umsetzen.

Konkret: Zur Bekämpfung der Pandemie mussten wir den fi nanziellen Rahmen schaffen. Mit der Kreditermächtigung wurde die vorhandene Vorsorge für Haushaltsrisiken verstärkt und aufgestockt, um dem Handwerk, dem Einzelhandel, den mittelständischen Unternehmen, den Künstlern, den Solo selbstständigen und den sozialen Einrichtungen in unserem Land im Rahmen einer Soforthilfe in dieser außergewöhnli chen Krise zu helfen. Nur so konnten wir den wirtschaftlichen Kollaps im Land verhindern.

Auch unsere Gemeinden, Städte und Landkreise tragen eine große finanzielle Last in dieser Pandemie. Steuerausfälle, Ein nahmeausfälle und Mehrkosten belasten die kommunalen Haushalte.

Aus diesem Grund haben wir uns gemeinsam mit der kom munalen Familie in einem Stabilitäts- und Zukunftspakt dar auf verständigt, dass wir massive Unterstützungszahlungen für ÖPNV, kommunale Einrichtungen, Volkshochschulen, Kindertageseinrichtungen, Gesundheitsämter und Kosten der Pandemie übernehmen. Damit unsere Kommunen finanziell überleben können, haben wir uns darauf verständigt, dass wir

die FAG-Ausgleichszahlungen auf der Basis der Steuerschät zung 2019 weiterführen und ferner – gemeinsam mit dem Bund – die Gewerbesteuerausfälle ausgleichen. Als Geber land Baden-Württemberg tragen wir hier übrigens 55 % der Gewerbesteuerausfälle für unsere Kommunen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen)

Wir sind ein verlässlicher und fairer Partner für unsere Städ te, Gemeinden und Landkreise. Im Namen der CDU-Land tagsfraktion danke ich der kommunalen Familie für ihre wert volle Arbeit. Nur gemeinsam meistern wir diese schwere Kri se.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ulli Ho ckenberger CDU: Sehr gut!)

Nun, einige Monate später, stellen wir fest, dass die Covid19-Krise noch nicht überwunden ist. Der Schutz der Men schen hat weiterhin höchste Priorität.

Nach der Sondersteuerschätzung im September haben wir ei nen Kassensturz vorgenommen und uns auf die Aufstellung eines zweiten Nachtragshaushalts konzentriert. Die Landes regierung hat nun mit wesentlicher Beteiligung der Regie rungsfraktionen einen Haushalt vorgelegt, welchen ich mit den Worten Umsicht, Rücksicht und Weitsicht beschreiben möchte.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ui! – Zuruf von der SPD)

Wir handeln umsichtig. Denn wir treffen mit diesem Nach tragshaushalt weitere Vorsorge für den Gesundheitsschutz, in dem wir die Rücklage für Haushaltsrisiken massiv aufstocken. Diese Rücklage für Haushaltsrisiken schützt uns vor einer möglichen zweiten Welle. Denn die Gesundheit der Menschen im Land hat für uns höchste Priorität.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir handeln umsichtig, indem wir unsere Kommunen weiter hin finanziell unterstützen. Dadurch erhalten unsere Kommu nen Planungssicherheit, und der kommunale Konjunkturmo tor bleibt weiterhin am Laufen. Wir handeln mit diesem Nach tragshaushalt rücksichtsvoll, indem wir neue Kredite aufneh men, um die Folgen der Pandemie für Menschen, Gesellschaft und Unternehmen weiter abzufedern.

Ja, wir nehmen in dieser Legislaturperiode neue Schulden auf. Dies hätte keiner von uns gedacht, aber es ist unausweichlich. Wir nehmen mit diesem Nachtragshaushalt 8,6 Milliarden € neue Schulden auf. Hierfür werden wir von der Opposition kritisiert. Doch bis heute liegen uns keine konkreten Opposi tionsanträge zur Finanzierung der Maßnahmen im Zusammen hang mit der Coronapandemie vor. Meine Damen und Her ren, Fehlanzeige!

(Abg. Thomas Blenke CDU: Deswegen sind sie auch Opposition!)

Wir haben einen Tilgungsplan vorgelegt. Demnach werden wir diese Schulden in den nächsten 25 Jahren zurückführen. Warum in 25 Jahren? Wir alle können die Zukunft nicht vor

hersehen. Die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Coro napandemie und deren Auswirkungen auf den Staat und die Gesellschaft bleiben abzuwarten. Aus heutiger Sicht halten wir einen Tilgungszeitraum von 25 Jahren für angemessen, auch deshalb, weil er künftigen Haushaltsgesetzgebern einen Spielraum lässt, um mit geeigneten Maßnahmen das Land auf Dauer aus seiner schwersten Krise zu führen. Andere Länder haben sich vor diesem Hintergrund für eine viel längere Til gungsdauer entschieden, so z. B. Nordrhein-Westfalen, mei ne Damen und Herren von der FDP/DVP, mit 50 Jahren.

Wir nehmen Rücksicht auf die nächste Generation und füh ren die Neuverschuldung schneller zurück.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Im Kontext, meine Damen und Herren, darf ich darauf hin weisen, dass bei einer entsprechenden konjunkturellen Ent wicklung, die hoffentlich auch dank der bereits eingeleiteten und noch erfolgenden Maßnahmen schon bald wieder nach oben gehen wird, die nach dem Produktionslückenverfahren aufgenommenen Kredite auch schneller wieder zu tilgen sind.

Die Konjunkturkomponente wird mittel- und langfristig dazu führen, dass neben den Krediten nach der Ausnahmesituation auch die nach der Konjunkturkomponente zu tilgen sein wer den. Auch diesbezüglich bleibt die weitere Entwicklung der Steuereinnahmen abzuwarten.

Aber wir dürfen die künftigen Regierungen und das Parlament in unserem Land nicht mit einer zu hohen Schuldentilgung von Anfang an überfordern. Deshalb setzen wir auf 25 Jahre. Dies, meine Damen und Herren, schließt eine kürzere Tilgung selbstverständlich nicht aus. Eine solche Tilgung kann über Haushaltsüberschüsse jederzeit erfolgen; es kann also schnel ler getilgt werden. Über eine schnellere Rückzahlung kann je derzeit der Haushaltsgesetzgeber, also wir, von Haushalt zu Haushalt entscheiden.

Meine Damen und Herren, mit diesem Nachtragshaushalt han deln wir mit Weitsicht. Mit der Schaffung einer Zukunftsrück lage für das Maßnahmenpaket „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ in Höhe von 1,2 Milliarden € werden die Fol gen der Coronapandemie weiter abgefedert. Unser Ziel muss es sein, mit geeigneten Maßnahmen sowohl Impulse zur Sta bilisierung und zur Stärkung zu geben als auch die Zukunfts fähigkeit von Baden-Württemberg zu sichern.

Die Coronapandemie hat die Vorzeichen und damit die Aus gangslage für die Digitalisierung und die Transformation von Baden-Württemberg vor allem in den Bereichen der Wirt schaft und des Gesundheitswesens verändert und die Entwick lung auf eine komplett neue Grundlage gestellt. Auch unsere Gesellschaft steht vor neuen, bis dato nicht bekannten Her ausforderungen. Auch und gerade vor diesem Hintergrund müssen geeignete Maßnahmen zur Bewältigung der Krise in vielen Bereichen eingeleitet und ergriffen werden – und dies nicht kurzfristig, sondern konsequent und dauerhaft. Dafür steht diese Koalition.

Die Rücklage dient folglich der Vorsorge für die infolge der Coronapandemie notwendigen Investitionen für landespoli tisch bedeutende Maßnahmen. Somit geben wir wichtige Im pulse zur Stabilisierung und Stärkung sowie zur Sicherstel

lung der Zukunftsfähigkeit von Baden-Württemberg. Deshalb werden wir mit unserer Zukunftsrücklage auf dem richtigen Weg sein. Wir unterstützen Forschung, Entwicklung, Wirt schaft und somit viele Arbeitsplätze und die innovativen Un ternehmen in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Denn es geht um die Zukunftsfähigkeit von uns allen.

Die Rücklage dient auch der Kofinanzierung der Zukunfts maßnahmenmittel von Bund und EU. Gerade im Bereich Ge sundheitsstandort – Krankenhäuser – erhalten wir Mittel vom Bund, und diese müssen wir kofinanzieren. Dasselbe gilt für Mittel für Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Wenn wir diese Kofinanzierung nicht sicherstellen, verlieren wir wichtige Mittel von Bund und EU, und das darf nicht sein. Denn wir sind schließlich Geberland, und wir sollten uns die uns zustehenden Mittel auch wieder holen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist richtig!)

Zu berücksichtigen gilt: Die Zukunftsrücklage mit dem Maß nahmenpaket ist einseitig deckungsfähig zugunsten der Rück lage für Haushaltsrisiken. Durch diese Verknüpfung der bei den Rücklagen ist sichergestellt, dass, sofern ein weiterer Pan demieverlauf weiter gehende Maßnahmen erfordert, hierfür entsprechend Entnahmen aus der Rücklage für Haushaltsrisi ken möglich sind. Dies war uns, der CDU-Fraktion, wichtig.