Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

(Beifall bei der AfD)

Nun spricht für die FDP/ DVP-Fraktion Herr Abg. Brauer.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Co vid-19-Erreger, der uns im März getroffen hat, war eine Ka tastrophe. Damit war für mich und meine Fraktion klar, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus und die Abfede rung der Folgen seiner Ausbreitung ihren Niederschlag im Landeshaushalt finden müssen. Ich sage das ausdrücklich: Ei ne Ausnahme von der gerade erst eingeführten Schuldenbrem se war erforderlich. Die Bereitstellung zusätzlicher 5 Milliar den € war notwendig, und die Zeit für die Rückzahlung der Kredite, nämlich zehn Jahre, war auch angemessen.

Was Sie jetzt mit diesem Nachtrag vorhaben, ist jedoch nicht notwendig, ist nicht erforderlich und ist auch in keiner Weise angemessen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Was Sie vorhaben, ist zutiefst unseriös und widerspricht dem Geist der Schuldenbremse. Nach diesem Geist ist eine Finan zierung von Staatsausgaben durch neue Schulden nur in Aus nahmefällen möglich. Dieser Ausnahmefall wurde festgestellt. Das Geld wurde bereitgestellt, und die Katastrophe wurde ein gedämmt.

Das, was Sie jetzt versuchen, ist, den Katastrophenmodus fort zuschreiben, um Ihren mangelnden Sparwillen zu kaschieren und um weiterhin Ihre Lieblingsprojekte finanzieren zu kön nen. Der Wahltag lässt grüßen. Eine zusätzliche Verschuldung in Höhe von 13,6 Milliarden € wird den Schuldenberg des Landes auf dann 59 Milliarden € anwachsen lassen. BadenWürttemberg hat im Rating von Standard & Poor’s die AAABewertung eingebüßt, hat somit an Kreditwürdigkeit verlo ren. Das ist Ihre Bilanz, Frau Sitzmann, das ist die Bilanz grü ner Finanzpolitik.

Da nützt es auch nichts, Frau Ministerin, mit dem Finger auf Bayern zu zeigen und darauf hinzuweisen, dass dort noch mehr Schulden aufgenommen werden. Bayern hatte nämlich zu Beginn von Corona gar keine Schulden, weil dort in den guten Zeiten die Staatsverschuldung auf null zurückgeführt wurde. Selbst wenn Bayern 40 Milliarden € aufnimmt, ist der Schuldenstand dort nicht annähernd so hoch wie bei uns. Das schlechtere Rating ist also nicht auf Corona zurückzuführen, sondern auf den mangelnden Willen zur Tilgung von Kredit marktschulden in der Vergangenheit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Jetzt fällt Ihnen Ihr Märchen von der impliziten Schuldentil gung auf die Füße. Schauen wir uns mal die Zahlen an: Wir erwarten Steuermindereinnahmen in Höhe von 4,4 Milliar den €. Wir müssen die Kommunen mit 2,2 Milliarden € un terstützen, und – ich sage das ausdrücklich – wir werden das auch tun und mittragen.

Zusammen mit den bereits bewilligten 5 Milliarden € entsteht ein zusätzlicher Finanzbedarf von 11,6 Milliarden €. Diesen ohne jede Aufgabenkritik und ohne erkennbare Sparanstren gungen einfach durch Schulden zu decken ist schon mehr als grenzwertig. Seriöse Politik in der Krise sieht anders aus.

Der Geist der Schuldenbremse verlangt, Neuverschuldung so weit wie möglich zu vermeiden. Das gilt auch, wenn der Ka tastrophenfall festgestellt wurde. Bevor man so in die Ver schuldung geht, muss alles, aber wirklich alles auf den Prüf stand. Ihre Sichtweise ist offensichtlich eine ganz andere. Sie handeln nach dem Motto: Darf’s ein bisschen mehr sein?

Der Konjunkturausgleichsmechanismus der Schuldenbremse eröffnet Ihnen die Möglichkeit, zusätzlich 2 Milliarden € an neuen Schulden aufzunehmen. Diese Möglichkeit nutzen Sie. Sie setzen einfach noch einmal 2 Milliarden € obendrauf. Wa rum tun Sie das? Ich sage Ihnen, warum Sie das tun: ganz ein fach, weil Sie es können.

Das hat in weiten Teilen nichts, aber auch gar nichts mit Co rona zu tun. Lediglich 800 Millionen € dieser 2 Milliarden € stehen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Besei tigung bzw. Bewältigung der Folgeschäden der Covid-19-Pan demie. Das sage nicht nur ich, das sagt auch der Rechnungs hof. Er spricht wörtlich von der „Intention“ – ich sage: Geist; der Rechnungshof sagt: Intention – der Schuldenbremse, die Sie mit Ihrer Schuldenpolitik konterkarieren.

1,2 Milliarden € zusätzliche Schulden unter der Überschrift „Zukunftsland Baden-Württemberg – Stärker aus der Krise“: Was verbirgt sich hinter der Überschrift? Liegt Ihnen die Zu kunft unseres Bundeslands denn erst seit Corona am Herzen?

Ich sage Ihnen, was sich hinter dieser Überschrift verbirgt: Ih re Wahlkampfkasse, 600 Millionen € je Fraktion für die fi nanzwirtschaftliche Hinterlegung der sogenannten Komple mentärkoalition aus Grün und Schwarz.

Frau Sitzmann hatte ja mal erwähnt, dass die Regierung die Rücklage für Haushaltsrisiken im Gegensatz zu anderen Bun desländern komplett zur Bekämpfung der Pandemie verwen det hat. Das waren genau 1,2 Milliarden €. Fällt Ihnen an dem Betrag etwas auf? Genau diesen Betrag holen sich die Frak tionen über die Neuverschuldung jetzt zurück, um Dinge zu finanzieren, die sie schon länger geplant hatten und die sie jetzt trotz Corona auf den Weg bringen können.

So wird nämlich ein Schuh daraus: Nicht wegen Corona wird in die gigantische Verschuldung gegangen, sondern trotz Co rona halten die Regierungsfraktionen an ihren ursprünglichen Plänen fest.

Hinter den Schlagworten „intelligente Verkehrssteuerung“, „Fotovoltaikspeicher“, „Digitalisierung des Straßenbaus“ oder „Holzbauoffensive“ mögen sich teilweise sinnvolle Maßnah men verbergen. Überhaupt nicht zu erkennen ist aber, ob sie wirksam, effizient und prioritär im Sinne der Bekämpfung der Pandemiefolgen sind. Dafür fehlt mir ebenso wie dem Präsi denten des Landesrechnungshofs wahrscheinlich die Fanta sie.

Der Brief, den Herr Benz am 1. Oktober an den Vorsitzenden des Finanzausschusses geschrieben hat, klingt wie ein Appell an die finanzwirtschaftliche Vernunft, aber auch wie ein Hil feruf – ein Hilferuf, die Schuldenbremse nicht bereits kurz nach ihrer Einführung ad absurdum zu führen.

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Er wiederholt diese Kritik übrigens heute auch in der „Stutt garter Zeitung“ auf Seite 2; da kann man es noch einmal nach lesen.

Die Rückführung der Schulden in einem angemessenen Zeitrahmen zu bewerkstelligen ist Teil der Schuldenbremse. Der von Ihnen gewählte Tilgungszeitraum von 25 Jahren zeigt, dass Sie es nicht ernst meinen mit der viel zitierten Ge nerationengerechtigkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Den Tilgungsplan von zehn auf 25 Jahre zu strecken ist ein weiteres Mosaiksteinchen in Ihrer unsoliden Haushaltsfüh rung.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Bayern!)

Herr Benz nennt Ihren Tilgungsplan „nicht ambitioniert“. Da geht er noch richtig schonend mit Ihnen um. Nicht ambitio niert genug, hat er gesagt. Aber das ist in diesem Fall ein Eu phemismus.

Die Koalition aus Grünen und Schwarzen ist keine Komple mentärkoalition, bei der sich die Partner ergänzen. Sie ist viel mehr eine unheilige Allianz zweier grundverschiedener Par teien, von denen jede ihr eigenes Süppchen kocht und deren Differenzen nur mit Geld zugekleistert werden können.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD und der AfD)

Nun handeln Sie nach der Devise: „Jetzt kam uns irgendwie Corona dazwischen, und das schöne Geld ist weg. Dann ma chen wir halt einfach mit Schulden weiter.“ Das ist einfacher, als einen wirklichen Kompromiss zu finden, einfacher als Spa ren und einfacher als echte Aufgabenkritik.

Ich hatte es zu Beginn meiner Rede gesagt: Corona war eine Katastrophe, deren Folgen hoffentlich bald nicht mehr spür bar sind. Aber auch diese Landesregierung ist eine Katastro phe. Ihre Folgen werden wir noch lange spüren, sollte dieser schuldenfinanzierte Nachtragshaushalt so verabschiedet wer den.

(Zuruf des Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU)

Eine Hoffnung – eine einzige Hoffnung – für die Schulden bremse bleibt den Bürgerinnen und Bürgern im Land: Die Ab wahl dieser Regierung im März 2021 wäre eine wirkliche, ei ne nachhaltige Schuldenbremse für Baden-Württemberg.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Jawohl! – Zu ruf von der AfD: Richtig!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich darf Frau Ministerin Sitzmann das Wort geben.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist im Vergleich zu anderen Ländern bisher gut durch die Krise ge kommen. Das haben wir insbesondere der Besonnenheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sowie dem ent schlossenen Krisenmanagement von Bund, Ländern und Kommunen zu verdanken.

Wir sind aber noch längst nicht über den Berg. Nein, wir sind weiterhin mitten in der größten Krise seit der Gründung des Landes. In vielen Regionen Deutschlands und auch bei uns im Land steigen die Infektionszahlen wieder an.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Wie viele sind im Kranken haus?)

In vielen europäischen Ländern schnellen sie sogar drama tisch nach oben.

Mit diesem Nachtragshaushalt schaffen wir jetzt und heute die finanzielle Voraussetzung, damit unser Land weiter so gut wie möglich durch diese schwere Krise kommen kann – gesund heitlich und wirtschaftlich. Wir unterstützen die Kommunen mit knapp 4,3 Milliarden €. Das ist ein bundesweit vorbildli cher Pakt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir gleichen die erwarteten Steuermindereinnahmen – 4,4 Milliarden € – aus. Wir stocken die Rücklage für Haushalts risiken um 800 Millionen € auf, damit wir stets handlungsfä hig sind. Ich denke, das ist angesichts der jetzigen Pandemie entwicklung ein enorm wichtiger Punkt. Und wir stellen 1,2 Milliarden € für zusätzliche Investitionen in die Zukunft un seres Landes bereit, damit wir möglichst stark aus der Krise kommen.

Ja, um dieses Paket zu schultern, müssen wir 8,6 Milliarden € neue Kredite aufnehmen: 2,2 Milliarden € nach der Ausnah mekomponente der Schuldenbremse für die Stützung der Kommunen und 6,4 Milliarden € nach der Konjunkturkom ponente, also regulär, für den Ausgleich der Steuerminderein nahmen, die Vorsorge für Haushaltsrisiken und die Zukunfts investitionen.

Ich war schon sehr überrascht über die Wortbeiträge, die hier gerade von der Opposition kamen. Meines Erachtens sind sie vollkommen haltlos.

(Lachen des Abg. Rüdiger Klos AfD – Abg. Tobias Wald CDU: Außerdem falsch!)

Ich empfehle Ihnen – wir haben heute auch die Drucksache mit der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschus ses für Finanzen vorliegen –, einmal nachzulesen, was Sie selbst im Ausschuss gesagt bzw. nicht gesagt haben.

(Abg. Tobias Wald CDU: Richtig!)

Die Nachfragen vonseiten der AfD: null. Hätten Sie im Aus schuss das nachgefragt, was Sie heute als Antrag auf den Tisch gelegt haben, dann wäre das das richtige Vorgehen gewesen. Vonseiten der AfD gab es aber null Nachfragen, meine Da men und Herren.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Tobias Wald CDU: Sage ich doch!)