Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

(Glocke des Präsidenten)

Kollege, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage der Kollegin Wölfle?

Am Schluss.

Am Schluss gibt es keine Zwischenfragen.

Dann keine.

Dann keine.

(Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist die Endfrage! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP: Die Abschlussfrage!)

Vor dem letzten Satz gebe ich ein Zeichen.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Dies ist mehr als bedauerlich, denn in einem so wichtigen Be reich sollte uns eigentlich daran gelegen sein, die Weichen so zu stellen, dass sie den aktuellen Anforderungen gerecht wer den. Dies gelingt nur, wenn man die bestehenden Normen nicht nur weiterentwickelt, sondern auch auf ihre Tragfähig keit hin kritisch überprüft und gegebenenfalls auch die not wendigen Anpassungen vornimmt.

Wer den Herausforderungen im Pflegebereich erfolgreich be gegnen will, der muss für gute Rahmenbedingungen auf der Bundes- und auf der Landesebene sorgen. Auf der Bundes ebene – auch das hat Kollege Poreski angesprochen – haben wir mit den Pflegestärkungsgesetzen schon wichtige Weichen stellungen vorgenommen, und im Landtag sind bereits mit der Enquetekommission „Pflege“ eine Vielzahl von Handlungs empfehlungen erarbeitet worden, welche zur Verbesserung

beitragen werden. Bei vielen Punkten waren sich die Frakti onen einig; bei manchen Punkten gab es aber unterschiedli che Auffassungen.

Ein solcher Punkt war die Landesheimbauverordnung. Das Thema Landesheimbauverordnung und dabei insbesondere die Einzelzimmervorgabe hat bis zum heutigen Tag immer wieder zu Kritik und Diskussionen geführt. Es ist mir sehr wohl bewusst, dass die Union es war, die im Jahr 2009 den Weg für die Einzelzimmervorgabe geebnet hat. Gleichwohl haben sich in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen ge ändert, und darauf muss man reagieren. Auch heute noch se hen wir die Einzelzimmervorgabe als grundsätzlich richtig an. Unser Ziel war und ist es, für alle Heimbewohner ein größt mögliches Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

Trotzdem verschließen wir uns nicht den an uns herangetra genen Sorgen der Träger und zeigen uns offen, die von uns auf den Weg gebrachten Verordnungen zu prüfen und vor dem aktuellen Kontext noch einmal zu evaluieren.

Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass die ermessenslenkenden Richtlinien lange Zeit nicht vor gelegt wurden. Das hat zu Unsicherheit bei Trägern geführt. Erst 2015 wurden die ermessenslenkenden Richtlinien her ausgegeben. Auch hier wurde Kritik laut, auf die damals lei der nicht eingegangen wurde.

Die CDU-Fraktion hat sich aufgrund der an sie herangetrage nen Rückmeldungen und Beschwerden zu einer öffentlichen Anhörung zu beiden Punkten entschlossen. Bei der Anhörung wurden die jeweils jetzt auf dem Tisch liegenden Punkte der Landesheimbauverordnung auch beleuchtet und dargelegt. Es wurde deutlich, dass es in manchen Bereichen noch erhebli che Schwierigkeiten gibt. Es gibt Schwierigkeiten im Hinblick auf die Bestandsbauten, aber auch die Träger von Komplex einrichtungen sehen sich besonderen Herausforderungen ge genüber.

Wir haben die in der Anhörung geäußerten Sorgen und Anre gungen aufgenommen. Bereits im Abschlussbericht der En quetekommission „Pflege“ hat die CDU-Fraktion dafür plä diert, flexiblere Handhabungen zu ermöglichen.

Die grün-schwarze Landesregierung hat das Thema daher zu Recht im Koalitionsvertrag aufgegriffen. Es heißt darin:

Die Landesheimbauverordnung... inkl. der ermessenslen kenden Richtlinien und der Verordnung über personelle Anforderungen für stationäre Einrichtungen... wollen wir im Hinblick auf Möglichkeiten zu Erleichterungen und Vereinfachungen überprüfen.

Nicht mehr und nicht weniger.

Wie man darauf kommen kann, bei einer solchen Prüfung die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch die Situation der Träger außer Acht zu lassen, ist mir persönlich nicht klar – es sei denn, Sie haben festgestellt, dass Ihre Über prüfungen in der Vergangenheit zu einer Verschlechterung der Situation geführt haben und Sie dies nun als Maßstab nehmen.

Wir sehen diesen Prüfungsauftrag jedenfalls als Chance, den stationären Einrichtungen im Land die notwendige Sicherheit auch mit Blick auf die veränderten Grundlagen zu geben. Des

wegen wollen wir mit unserem Änderungsantrag, dem Ände rungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion GRÜNE, in der heutigen Debatte deutlich machen, dass wir die notwen digen Anpassungen in der Zukunft fortführen und so gestal ten wollen, dass nichts zementiert ist, sondern dass die Rah menbedingungen abgebildet sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Dr. Kuhn das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was bewegt mich im Zusam menhang mit dem hier diskutierten Antrag? Zum einen habe ich als Allgemeinarzt in einem Alten- und Pflegeheim über viele Jahre Erfahrungen sammeln können. Zum anderen ist in meinem Alter die eigene Anwartschaft auf einen Pflegeplatz nicht ausgeschlossen – bei möglicherweise nachlassenden Kräften.

Folglich diskutiere ich mit Ihnen nicht über ein abstraktes Thema. Ich diskutiere über die Frage, wie wir unseren Lebens abend gestaltet wissen wollen, sollten wir das allein bzw. im familiären und häuslichen Umfeld nicht mehr leisten können.

„Würde und Privatheit“, wie es im Antrag der SPD-Fraktion und in der Stellungnahme des Ministeriums für Soziales und Integration genannt wird, stellen grundlegende Wertentschei dungen für Standards dar, an denen es nichts zu deuteln gibt. Deshalb unterstütze ich die angesprochene Einzelzimmerver ordnung mitsamt den Regelungen hinsichtlich der Ausnah men, wie sie in den ermessenslenkenden Richtlinien aufge führt sind. Letztere geben meines Erachtens den Trägern und den Betreibern einigen Spielraum zur Umsetzung der Verord nungen.

Nicht ganz verständlich ist mir allerdings die grundsätzliche Aufgabe von Doppelzimmern für Paare. Der Durchbruch der Wand zwischen zwei Zimmern ist meines Erachtens keine rechte Lösung, wenn zuvor im Bestand schon Doppelzimmer vorhanden waren, die auch spezielle Wünsche erfüllen halfen und noch immer erfüllen.

Da mit diesen Veränderungen erhebliche Investitionen ver bunden sind, sind Auswirkungen auf das Kostenniveau der Pflegesätze nicht zu vermeiden. Das führt mitunter, wie ich mir habe sagen lassen, zu Fällen von unbilliger Härte bei den Bewohnern, die sich die Unterbringung wegen der gestiege nen Kosten nicht mehr leisten können und deswegen andere Wege suchen müssen – z. B. die Suche nach einer günstige ren Unterbringung und der Versuch der Rückkehr in die häus liche Pflege, was nicht immer der bessere Weg ist.

Außerdem sind die Träger und auch die Kommunen mit der Finanzierung der Umbauten konfrontiert. Dort, wo neben Ein zelzimmern noch Doppelzimmer vorhanden sind, trifft das auf alle Fälle zu. Hier ist die Landesregierung aufgerufen, mit ent sprechenden Fördermitteln die von ihr veranlassten Lasten mitzutragen oder durch Einzelfallentscheidungen zu ermög lichen, die Pflegeplätze wie vorhanden beizubehalten.

Neben der Würde und der Privatheit sehe ich noch einen drit ten und wesentlichen Wert, nämlich den der Menschlichkeit. Diese kann nicht verordnet, sondern allenfalls durch flankie rende Maßnahmen unterstützt werden. Dazu gehört der Per sonalschlüssel, der immer verbesserbar ist, insbesondere bei Zunahme der Multimorbidität und der Demenzerkrankungen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die Pflegereform ist der gegebene Anlass und der Auftrag, das Messsystem zur Bestimmung des Pflegeaufwands zu aktuali sieren und den Personalschlüssel entsprechend anzupassen.

An dieser Stelle möchte ich allen Fachkräften und Betreuern in den Pflegeeinrichtungen, ob stationär oder ambulant, für ihre immer schwerer werdende Arbeit herzlich danken.

(Beifall bei der AfD und Abgeordneten der CDU)

Insbesondere bedarf es weiterer Anstrengungen, um ihnen die Arbeit zu erleichtern. Ich fordere dazu auf, das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag – Abbau von bürokratischen Vor schriften und von überflüssigen Dokumentationspflichten – umzusetzen.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Bundesthema!)

Gerade Letzteres schafft mehr Raum für Zuwendung der Pfle gekräfte für die zu betreuenden Menschen und hilft Überdruss und Enttäuschung auf beiden Seiten vermeiden.

Die erreichten Standards möchte ich weder auf der baulichen noch auf der personellen Seite infrage stellen. Allerdings be darf die Ausführung der Verordnungen immer des Blicks auf das Wohl aller Betroffenen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will den Blick noch einmal auf die Zeit vor gut 20 Jahren zurückwerfen. Im Jahr 1995 wurde in der Bundesrepublik Deutschland die so ziale Pflegeversicherung eingeführt, und im Jahr 1996 gab es erstmals Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, also vor 20 Jahren.

Wenn wir den Blick zurückwerfen und auf Baden-Württem berg schauen, sehen wir: Die schwarz-gelbe Koalition stand damals vor der Situation, dass es hier im Land viel zu wenig Pflegeplätze gab. Man hat in einer Kraftanstrengung bis zum Jahr 2010 – es waren CDU und FDP/DVP – mit über 510 Mil lionen € dafür gesorgt, dass in Baden-Württemberg 23 600 Pflegeplätze zusätzlich entstanden sind.

(Abg. Winfried Mack CDU: Sehr rühmlich!)

Zusätzlich gab es privates Engagement. Es wurden sowohl geförderte Pflegeheime als auch vollkommen privat finanzier te Pflegeheime realisiert. In dieser Zeit wurden über 60 % zu sätzliche Pflegeheime realisiert. 2011 hatten wir 1 543 Pfle

geheime mit über 103 000 stationären Pflegeplätzen – davon 37 000 Doppelzimmer.

FDP/DVP und CDU haben 2009 in der Landesheimbauver ordnung die Festlegung getroffen, im Neubau nur noch Ein zelzimmer vorzusehen, und es gab die Betrachtung der Über gänge. Es geht nicht darum, wie wir mit neuen Pflegeheimen umgehen – das steht nicht zur Diskussion –, sondern darum, wie man mit diesen Bestandsobjekten umgeht. Das ist nicht zu unterschätzen. Denn es ist wichtig, dass wir, der Landtag von Baden-Württemberg, all denjenigen – ich habe erzählt, wie viele Pflegeheime realisiert wurden – Verlässlichkeit bie ten, die viele Millionen investiert haben, damit es zu dieser Zahl stationärer Pflegeplätze kommen konnte. Die FDP/DVP steht für Verlässlichkeit.