Protokoll der Sitzung vom 04.11.2020

Das ist im Übrigen auch keine Frage, die zwischen Oppositi on und Regierung, die innerhalb der Koalition, die zwischen Parteien unterschiedlich zu betrachten wäre. Hier geht es viel mehr um die Frage: Wie können wir die hohe Stellung und das hohe Ansehen, das Bürgermeisterinnen und Bürgermeis ter bei uns im Land haben, hinreichend erhalten, gleichzeitig aber den freien Zugang zum Bürgermeisteramt möglichst weit offen halten?

Anders, verehrte Kolleginnen und Kollegen – ähnlich hat es auch Herr Kollege Dr. Goll ausgeführt –, ist die zweite Rege lung im Gesetzentwurf zu betrachten. Damit soll die Möglich keit der Kandidatenaufstellung für Ortschaftsratswahlen ge nerell in Mitgliederversammlungen auf Gemeindeebene er öffnet werden. Von der SPD selbst wurde eingeräumt, dass es sich hier nur um wenige Fälle mit einer wirklich ganz beson deren Konstellation handeln kann. Die vorgeschlagene Lö sung jedenfalls erscheint mir – um auch das klar zu sagen – wenig durchdacht; sie dürfte im Ergebnis mehr Probleme auf werfen, als sie Nutzen bringt. Dies wurde bereits in den bis herigen Beratungen des Gesetzentwurfs deutlich; insbesondere auf die verfassungsrechtliche Problematik habe ich bereits in der Ersten Beratung hingewiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich bin mir sicher, dass uns im Landtag von Baden-Württemberg das Kommunalwahlrecht auch in der nächsten Legislaturpe riode intensiv beschäftigen wird. Das ist auch in den Wortbei trägen der Rednerin und der Redner heute so angeklungen.

Für Änderungen ist, wie der Abgeordnete Ulli Hockenberger gesagt hat, nun vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt. Es ist für diesen zweiten Teil auch deswegen nicht der richtige – oder notwendige – Zeitpunkt, weil die nächsten Kommunal wahlen bekanntermaßen erst im Jahr 2024 stattfinden und wir deswegen noch eine weite Strecke haben, um die Gemeinde ordnung – sofern wir das wollen – auch in diesem Punkt an passen zu können.

Bleiben wir also miteinander diesbezüglich im Gespräch. Ich kann mir durchaus vorstellen, die eine oder andere Feinjus tierung an unserem Kommunalverfassungsrecht auch in Zu kunft vorzunehmen oder bestimmte Regelungen an geänder te Umstände anzupassen. Das haben wir im Übrigen auch in den vergangenen Jahren stets so getan.

Ich rate allerdings dazu, dass wir das wirklich gründlich und in Ruhe prüfen und diskutieren. Noch einmal: Die süddeut sche Ratsverfassung und daraus abgeleitet unser Kommunal wahlrecht, unser Kommunalverfassungsrecht, die Gemeinde ordnung und die Landkreisordnung sind ein hohes Gut, und

dies ist auch ein absolutes Erfolgsmodell. Selbstverständlich muss dieses Erfolgsmodell immer wieder weiterentwickelt werden. Lassen Sie uns dies mit der notwendigen Gründlich keit tun. Ich freue mich darauf, das hier im Landtag mit Ihnen allen gemeinsam – und dann zum richtigen Zeitpunkt – zu ei nem Ergebnis zu führen.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/8546. Der Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration emp fiehlt Ihnen in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/9054, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Jetzt hat die Fraktion der SPD beantragt, über die Nummern 1 und 2 von Artikel 1 des Gesetzentwurfs getrennt abzustim men. Deswegen rufe ich jetzt zuerst auf

Artikel 1

Änderung des Kommunalwahlgesetzes

und hier zunächst Nummer 1, die den § 9 betrifft. Wer Num mer 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Nummer 1 ist mehr heitlich abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Nummer 2, die den § 10 betrifft. Wer Nummer 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke sehr. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Nummer 2 ist mehrheitlich abgelehnt.

Jetzt rufe ich auf

Artikel 2

Inkrafttreten

Wer Artikel 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Artikel 2 ist mehr heitlich abgelehnt.

Damit ist der Gesetzentwurf insgesamt abgelehnt.

Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 5 abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Regelung einer Landesgrundsteuer (Landes grundsteuergesetz – LGrStG) – Drucksache 16/8907

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Fi nanzen – Drucksache 16/9100

Berichterstatter: Abg. Peter Hofelich

Auch hier gibt es gemäß dem Beschluss des Präsidiums fünf Minuten Redezeit pro Fraktion.

Zuerst spricht Frau Abg. Walker für die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der grünen Landtags fraktion ist es wichtig, dass das neue Grundsteuergesetz ver fassungskonform, einfach und transparent, also bürokratie arm, sowie nachhaltig im Hinblick auf die Flächennutzung ist. Ich bin sicher, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für eine modifizierte Bodenwertsteuer haben wir dieses Ziel erreicht.

(Beifall)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist dabei nicht mit heißer Na del gestrickt, sondern ist das Ergebnis intensiver Beratungen mit Verfassungs- und Steuerexperten. Im Vergleich der ver schiedenen Modelle haben renommierte Verfassungsrechtler wie Professorin Johanna Hey oder Professor Michael Eich berger das modifizierte Bodenwertmodell – im Gegensatz üb rigens auch zum Bundesmodell – als besonders verfassungs fest eingestuft.

Es geht um viel. Steuereinnahmen von 1,8 Milliarden € sind eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen in unserem Land. Aus diesem Grund waren natürlich auch die kommuna len Landesverbände wichtige Partner in den Beratungen. Sie tragen den Gesetzentwurf auch vollumfänglich mit, was si cherlich auch für unser Bodenwertmodell spricht.

Natürlich wird es Belastungsverschiebungen geben – das liegt in der Natur der Sache –, wenn die Werte, auf denen die heu tige Grundsteuer basiert, vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden; das ist doch klar. Aber die Zahlen, die von manchen jetzt hier in der öffentlichen Debat te vorgerechnet werden, sind doch schon sehr überzogen.

(Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Sie basieren auf alten Hebesätzen der Kommunen. Die neuen Hebesätze können aber erst dann berechnet werden, wenn eine relevante Zahl neuer Bescheide auf der Basis des neuen Bo denwerts vorliegen. Das heißt, diese Berechnungen, von de nen wir jetzt öffentlich lesen oder hören können, sind nicht seriös.

Es ist wichtig, dass mit der neuen Grundsteuer das Wohnen nicht im Durchschnitt teurer wird.

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Das wird sich zeigen! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das liegt an der Kommune!)

Dafür haben wir mit den entsprechenden Abschlägen im Ge setz gesorgt. Wohngebäude werden so privilegiert und Miete rinnen und Mieter entlastet. Das Gesetz fördert sogar Inves titionen in bestehende Gebäude. Es schafft Anreize, zu bau en, statt ein unbebautes Grundstück, das baureif wäre, brach liegen zu lassen. Deshalb fördert dieses Gesetz auch einen res sourcenschonenden Umgang mit unseren Flächen, und das ist uns Grünen auch ganz besonders wichtig.

(Beifall)

Noch einmal: Es ist aus unserer Sicht vollkommen überzogen, riesige Belastungsverschiebungen für Ein- und Zweifamilien häuser zu beschwören. Wie wollen Sie denn das typische Ein- und Zweifamilienhaus charakterisieren? Da gibt es ganz gro ße Unterschiede und sehr verschiedene Gebäudetypen.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Diese große Bandbreite ist vielmehr der Hauptgrund dafür, dass es kein Modell gibt, welches das Gebäude korrekt abbil den kann. Das ist die große Schwäche des Bundesmodells. Das Bundesmodell versucht dem abzuhelfen, indem es Pau schalierungen vorsieht.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Es wird versucht, Gebäudewerte pauschal abzubilden. Das ist aber verfassungsrechtlich hoch problematisch

(Zuruf des Abg. Gerhard Kleinböck SPD)

und würde im Fall einer Klage unter Umständen wieder dazu führen, dass es negativ beschieden wird.

Bodenrichtwerte sind dagegen auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine belastbare Größe. Sie sehen: Vieles spricht für unser modifiziertes Bodenwertmodell. Deswegen war es richtig, dass Baden-Württemberg die Länderöffnungsklausel genutzt und als erstes Bundesland eine eigene Grundsteuer auf den Weg gebracht hat.

(Beifall)

Es sieht so aus, dass auch andere Bundesländer diese Mög lichkeit nutzen werden. Klar ist: Vermutlich wird gegen alle Modelle, die jetzt auf den Weg gebracht werden, geklagt wer den. Nach unseren Beratungen gehen wir aber davon aus, dass wir mit unserem Modell in Bezug auf die Verfassungskonfor mität sehr gut aufgestellt sind

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Das glaube ich nicht!)

und damit einen Vorteil gegenüber den anderen Modellen ha ben.