Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Im Gesetzentwurf ist von Gegenständen für den Eigenge brauch die Rede, also z. B. Pfandflaschen. Falls Sie sich da zu durchringen könnten, unseren Rentnern in der Altersarmut auch noch die Entnahme von Essensresten und Lebensmittel abfällen zu gestatten, sollten Sie nicht nur von Eigengebrauch, sondern auch von Eigenverbrauch sprechen. Das sollte viel leicht noch ergänzt werden um den famosen Vorschlag des BUND, dass Abfälle so zu lagern seien, dass – ich zitiere – „eine Begutachtung und Einschätzung durch Privatpersonen“ möglich ist.

(Vereinzelt Lachen)

Meine Damen und Herren, ich will nicht weiter in die Details gehen. Ich komme an dieser Stelle aber nicht daran vorbei, auf Ihre eigenen Widersprüche zu verweisen. Dabei muss ich mich leider auf ein einziges Beispiel beschränken.

Nehmen wir das Nachhaltigkeitspostulat. Kreislaufwirtschaft ist ja nichts anderes als ein Modell, nachhaltig zu wirtschaf ten. Weil man dieses Prinzip der Nachhaltigkeit für existenzi ell hält, muss ihm laut UN universale Geltung zukommen. Da her auch die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die bekanntlich längst von EU, Bund und Ländern adaptiert sind.

Ist Ihnen eigentlich schon aufgefallen, dass das besagte uni versale Geltung beanspruchende Prinzip der Nachhaltigkeit keineswegs universal gilt? Nachhaltigkeitsappelle richten sich doch in aller Regel an uns Europäer, während andernorts kein Hahn danach kräht. Warum zucken die Nachhaltigkeitspredi ger gleichgültig mit den Schultern angesichts der ungebrems ten Bevölkerungsentwicklung z. B. auf dem afrikanischen Kontinent? Produzieren die Menschen dort denn keine Müll berge, beanspruchen sie keine Ressourcen? Ist es nachhaltig, mehr Menschen in die Welt zu setzen, als man ernähren kann? Und ist es fair, die Probleme eines Kontinents auf andere ab zuwälzen und deren redliches Bemühen um einen verantwor tungsvollen Umgang mit den Ressourcen zu konterkarieren? Sind Konflikte da nicht vorprogrammiert?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass moralisch aufgeladene Begriffe wie ebendiese Nachhaltigkeit bevorzugt dann ins Feld geführt werden, wenn es den aktuell Regierenden zur Ab sicherung ihrer Machtbasis und ihrer Pfründe in den Kram passt.

(Beifall)

Frau Abg. Reich-Gutjahr, ich wiederhole meine Worterteilung von eben. Jetzt sind Sie wirklich an der Reihe.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bereits von den Vorrednern gehört, dass wir hier über einen wichtigen Gesetz entwurf sprechen, der unseren gesellschaftlichen Umgang mit dem Abfall neu regulieren soll. Wie immer kann man das glei che Thema sehr unterschiedlich betrachten in der Frage, wo die Mechanismen liegen könnten, die uns helfen, so ein The ma zu beleuchten oder zu bewältigen.

Das baden-württembergische Abfallrecht soll hier an EU- und Bundesrecht angepasst werden. Nicht umsonst sieht der Ge setzgeber nicht vor, dass wir in dieser konkurrierenden Ge

setzgebung Dinge noch einmal eigenständig regeln sollen. Wir regulieren insbesondere die Umsetzung dieser Regelungen in wesentlichen Fragen des Vollzugs.

Dieser Gesetzentwurf sieht in einer Vielzahl von Gesetzen Än derungen vor. Im Schwerpunkt geht es aber um Artikel 1, den Erlass des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Dieser neue Name wird künftig an die Stelle des „Landesabfallgesetzes“ treten. Ich sage ausdrücklich: Ich finde es gut, dass wir einen neuen Namen gewählt haben. Denn dieser macht deutlicher, um was es eigentlich geht. Es geht nicht darum, etwas einmal zu be nutzen und dann wegzuwerfen. Vielmehr nehmen wir die Din ge – egal, was es ist – erneut in die Hand und schauen, dass wir sie in irgendeiner Form wiederverwerten können.

(Beifall – Zuruf: Das ist eine Frage der Wirtschaft lichkeit!)

Deswegen begrüße ich auch ausdrücklich, dass Sie in diesem Gesetz vorsehen, dass die öffentliche Hand als Vorbild voran geht. Das Thema Rezyklate wurde schon genannt. Dass Sie künftig bei Bauvorhaben verstärkt Rezyklate einsetzen wol len, halte ich für extrem wichtig. Es geht darum, Dynamik in eine neue Möglichkeit hineinzubringen. Da haben Sie ein ori ginäres Feld, da brauchen Sie nicht anderen zu sagen, was sie zu tun haben. Vielmehr können Sie selbst aktiv werden.

Ich wünsche mir nur, dass wir bei diesem Beispiel nicht wie der gleich einen Rückzieher machen, wenn einmal etwas nicht funktioniert, Herr Untersteller. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Thema ansprechen – da waren Sie noch nicht mit involviert –, das für mich eine Art Vorbild ist, bei dem ich immer wieder denke, dass es eigentlich gute Sachen gibt, die aber nicht zu Ende gebracht werden.

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

So gibt es in Knittlingen am Römerberg ein wunderbares Pro jekt, das einmal mit staatlichen Finanzmitteln von Fraunho fer gemacht wurde: eine Unterdruckvakuumtoilette. Diese Un terdruckvakuumtoilette bewirkt, dass man in der Folge viel weniger Wasser, viel kleinere Rohre und viel weniger Erdaus hub braucht. Nun hat man eigentlich die Idee gehabt: Du kannst daraus sauberes Wasser, Energie und Phosphat gewin nen. Leider hat man in der ersten Installation übersehen, dass man auch die biologischen Abfälle aus dem Haushalt mit in dieses System einbringen muss. Ansonsten ist einfach die Masse zu gering. Die Leute haben aber keinen Häcksler ein gebaut gehabt und haben sich geweigert, das im Nachhinein zu machen. Somit ist dieser Teil des Projekts gescheitert. Das wäre auch im Hinblick auf die Überlastung der Kläranlagen ein super Konzept gewesen. Es wurde aber nicht fortgeführt. Jetzt werden die Abwässer der normalen Kläranlage zuge führt.

Man muss aus so etwas lernen. Man darf nicht sagen: „Ich ha be es einmal ausprobiert, es funktioniert nicht, der Staat gibt kein Geld mehr, wir hören damit auf.“ Das darf uns nicht im mer wieder passieren, wenn wir wollen, dass Innovation mit staatlichen Mitteln am Schluss tatsächlich auch zum Erfolg führt.

Deswegen sage ich beim Thema Rezyklate hier einmal ganz explizit: Es wäre wichtig, durchzuhalten, falls es nicht gleich funktioniert.

(Beifall)

Kommen wir zu einigen anderen Aspekten. Vieles wurde schon angesprochen. Die Neuregelung sieht vor, dass wir künftig die örE-Funktion von den Landkreisen nicht mehr auf die Kommunen übertragen dürfen, sondern sie in den Land kreisen bewältigen müssen. Folgerichtig sieht sie auch eine Rückdelegationsmöglichkeit von den Gemeinden in die Land kreise vor.

Was sich mir allerdings nicht erschlossen hat, ist, warum die se Rückdelegationsmöglichkeit auf drei Jahre begrenzt wur de. Wenn der nächste Oberbürgermeister oder Bürgermeister kommt, hat dieser vielleicht einen anderen Blick auf ein sol ches Thema und hätte diese Option auch noch gern.

Das Zweite sind die Bau- und Abbruchabfälle sowie das The ma Erdmassenausgleich. Hier wurde von einem Einsparpo tenzial in Höhe von 10 Millionen € gesprochen. Die Bauwirt schaft und die Fachverbände fürchten hingegen, dass es zu ei ner Verteuerung und zu zeitlichen Verzögerungen führt, wenn wir das tun. Deswegen würde ich auch noch einmal dringend um eine Beratung im Ausschuss hierüber bitten.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das muss gut sein, was du sagst, denn der Minister schaut ganz kritisch!)

Der Status quo der Sonderabfallentsorgung in Baden-Würt temberg, nämlich die Stellung der SAA, der Sonderabfall agentur, als Andienungsbehörde soll nun wohl in Zement ge gossen werden. Das heißt, Sie begrenzen den Markt und sa gen: „Du musst bei der SAA anliefern.“ Durch diese aktive Lenkung der Abfallströme wird die Entsorgungsindustrie klar massiv eingeschränkt, was letztlich dazu führt, dass der Wett bewerb zu kurz kommt.

Wir können Ihrem Argument nicht folgen, dass man dies eben tun müsse, weil sich das sonst nicht auszahlen, nicht rechnen würde. Ich meine, das ist natürlich ein schwaches Argument für eine Andienungsverpflichtung.

Letztlich möchte ich noch die Autarkieregelungen ansprechen, die Sie fortführen und sogar noch ausbauen. Eine Landesaut arkie in diesem Bereich haben nicht viele Bundesländer; das haben wir und einige wenige andere. Das ergibt eigentlich kei nen Sinn, denn Transportwege sind manchmal in benachbar te Bundesländer oder auch Staaten – mit der Schweiz hat man ja Ausnahmeregelungen getroffen – kürzer und wären auch günstiger. Sondergenehmigungen schaffen unnötig Aufwand. So etwas gehört eigentlich abgeschafft und nicht ausgebaut.

(Beifall)

Das sind einige Aspekte, die in diesem Gesetzentwurf aus un serer Sicht nicht stimmig sind und die wir mit Ihnen beraten wollen.

Es braucht mehr marktwirtschaftliche Strukturen und weni ger staatliche Vorgaben. Aber dort, wo der Staat Vorreiter ist, soll er gern aktiv werden.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist damit beendet.

Wir können den Gesetzentwurf Drucksache 16/9191 zur wei teren Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft überweisen. – Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen.

Wir haben Punkt 10 der Tagesordnung abgeschlossen.

Ich rufe jetzt noch den neuen Punkt 11 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Land tagswahlgesetzes – Drucksache 16/9242

(Unruhe)

Ich versuche schon, mich zu beeilen. Ich bitte aber noch um einen Moment Konzentration.

Heute Morgen wurde gemeinsam festgelegt, in der Ersten Be ratung auf die Aussprache zu verzichten.

Ich schlage deswegen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/9242 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 11 der Tagesordnung ist erledigt.

Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angekommen und sehen uns morgen, am 12. November 2020, um 9:30 Uhr wieder.

Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.

Schluss: 18:52 Uhr