Protokoll der Sitzung vom 12.11.2020

Sehr geehrter Abg. Herr Baron, der Kollege möchte eine Zwischenfrage stellen. Las sen Sie diese zu?

Nein, ich bin gerade im Lauf, Frau Präsidentin.

(Vereinzelt Lachen – Unruhe)

Nun verrate ich Ihnen etwas, worauf Sie von allein wohl nicht gekommen wären: Jede Unterschrift bedeutet, dass ein zusätz licher Kontakt nötig ist, jedes Gespräch, auch mit Maske, be deutet ein zusätzliches Risiko. Sie sind doch diejenigen,

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

die die Zwangsschließungen im Bereich der Gastronomie wollten und die damit wissentlich Zehntausende persönliche Tragödien in Kauf nehmen, und dies bei einem Anteil der Gas tronomie an den Ansteckungen von gerade einmal 0,5 %.

Bei einer weiteren Absenkung der Hürde wäre die Situation eine ganz andere. Sie hätten eine Methode, die Ansteckungs gefahr ohne wirtschaftliche und soziale Folgen zu reduzieren, die Sie an anderer Stelle schulterzuckend hinnehmen oder mit Milliarden an Steuermitteln auf Kosten kommender Genera tionen ausgleichen wollen.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Im schlimmsten Fall steht dann vielleicht eine Kleinpartei mehr auf dem Wahlzettel.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: So ein Schmarrn!)

Erfüllt Sie das wirklich mit so großer Besorgnis? Das kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein.

In Rheinland-Pfalz zeigt man mehr Souveränität. Dort wird die erforderliche Anzahl der Unterschriften von derzeit 125 auf 50 reduziert.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Die Wahlkreise sind dort um mehr als die Hälfte kleiner als bei uns!)

Bei der dort vorgesehenen Landesliste wird die Hürde sogar um drei Viertel – um drei Viertel, Herr Sckerl! – auf 520 Un terschriften gesenkt.

(Zurufe, u. a. Abg. Daniel Born SPD: Haben Sie sich schon einmal einen rheinland-pfälzischen Wahlkreis angeschaut? – Glocke der Präsidentin)

Deswegen: Zeigen auch Sie Weitsicht, und verstricken Sie sich bei Ihrer Coronapolitik nicht in noch mehr Widersprü che. Stimmen Sie daher unserem verbesserten Änderungsan trag zu.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Heute nicht und morgen nicht!)

Vielen Dank.

(Beifall – Zuruf)

Herr Abg. Dr. Kern, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Nur einen Satz zu meinem Vorredner: Wir leben zwar alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.

(Heiterkeit und Beifall – Bravo-Rufe – Oh-Rufe – Abg. Anton Baron AfD: Peinlich! – Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Sehr witzig, sehr witzig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Montag dieser Woche kam das Urteil des Verfassungsgerichtshofs, am Dienstag wur de der Gesetzentwurf eingebracht, am Mittwoch war die Ers te Beratung und heute folgt nun die Beschlussfassung. Diese Vorgehensweise ist ein weiterer Beweis dafür, dass das Par lament schnell reagieren kann

(Zuruf)

und dass unsere Demokratie sehr gut funktioniert, liebe Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall)

Uns Freien Demokraten war es wichtig, dass wir eine über parteiliche, eine einvernehmliche Lösung finden. Das Wahl recht als eines der höchsten demokratischen Güter ist zu wich tig, als dass man es für politisches Gezänk oder Profilierung, wie gerade eben erlebt, nutzen sollte.

(Vereinzelt Lachen – Zuruf: Oh!)

So begrüßen wir, dass nun schnell eine Lösung gefunden wur de, bei der nicht um fünf oder zehn Unterschriften gefeilscht wurde – schließlich hatte der Verfassungsgerichtshof klar die Richtung angezeigt, welche Lösung rechtssicher wäre. Dies setzen wir nun heute um.

Insgesamt ist es eine sachgerechte Lösung. Der Zugang der kleineren Parteien zur Wahl wird nicht übermäßig belastet. Je nach Größe eines Wahlkreises werden nun die Unterschriften von 0,087 % bis 0,056 % aller Wahlberechtigten benötigt.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Das halten wir in Pandemiezeiten für eine sachgerechte Lö sung. Mit diesem Quorum geht es auch darum, sicherzustel len, dass die Parteien und Kandidaten im Wahlkreis zumin dest über ein Mindestmaß an Verankerung in der Bevölkerung verfügen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Aus der Sicht der Freien Demokraten haben wir nun eine aus gewogene Lösung gefunden, die einen fairen Wettbewerb bei der kommenden Landtagswahl ermöglicht.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall – Abg. Anton Baron AfD: Das kann nur ei ner sagen, der noch nie Unterschriften gesammelt hat!)

Nun darf ich Herrn Mi nister Thomas Strobl ans Redepult bitten.

Frau Präsidentin Kurtz, verehrte Damen und Her ren Abgeordnete! Nachdem der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg am Montag festgestellt hat, dass das bestehende Quorum für Unterstützungsunterschrif ten in der aktuellen Pandemiesituation nicht verfassungskon form ist, ist eine diesbezügliche Änderung des Landtagswahl gesetzes dringend erforderlich.

Nach dem geltenden Landtagswahlgesetz ist bisher für alle Wahlvorschläge von Parteien, die derzeit nicht im Landtag vertreten sind, sowie für sämtliche Wahlvorschläge von Ein zelbewerberinnen und Einzelbewerbern die Beibringung von 150 Unterstützungsunterschriften erforderlich. Dieses Quo rum soll für die kommende Wahl des Landtags von BadenWürttemberg auf 75 gesenkt werden.

Aufgrund der andauernden und seit Kurzem auch deutlich ver schärften Pandemielage ist – so das hohe Gericht – das Sam meln von Unterstützungsunterschriften für Parteien sowie für Einzelbewerberinnen und Einzelbewerber deutlich erschwert. Insbesondere das Sammeln von Unterstützungsunterschriften auf herkömmlichem Weg durch persönliche Ansprache ist nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich, da deutlich mehr Personen als üblich bereits dem Versuch einer Kontakt aufnahme aus dem Weg gehen und sich insgesamt weniger Personen im öffentlichen Raum bewegen. Auch finden nur wenige Veranstaltungen statt, die zur Kontaktaufnahme ge nutzt werden können.

Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg sieht daher in dem Erfordernis des Sammelns von 150 Unterstützungsun terschriften eine Verletzung der Chancengleichheit. Die ein tretende Ungleichbehandlung könne nicht durch alternative Sammelmöglichkeiten – beispielsweise über das Internet – ausgeglichen werden. Der Verfassungsgerichtshof sieht daher

den Landtag in der Verantwortung, eine Regelung zu treffen, die die aufgezeigte Ungleichbehandlung kompensiert.

Für den Fall, dass sich der Landtag zu einer Absenkung des Quorums als Kompensation der Ungleichheit entscheiden soll te, wies der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg aus drücklich darauf hin, dass er nach dem derzeitigen Erkennt nisstand und unter Berücksichtigung möglicher weiterer gra dueller Verschärfungen der Schutzmaßnahmen jedenfalls bei einer Reduzierung der erforderlichen Unterstützungsunter schriften um 50 % keinen Anlass für eine erneute verfassungs rechtliche Beanstandung sehe.

Der Gesetzentwurf orientiert sich an dieser Maßgabe und sieht eine Reduzierung des erforderlichen Quorums um 50 % vor. Diese Absenkung gilt nur für die kommende Landtagswahl am 14. März 2021 und für Wahlvorschläge von Parteien und Einzelbewerberinnen und Einzelbewerbern gleichermaßen.

Da die Vorschläge bei den Kreiswahlleitern bereits bis spätes tens 14. Januar 2021, 18 Uhr, eingereicht werden müssen, dan ke ich Ihnen allen für die schnelle und entschlossene Umset zung des erst am Montag getroffenen Urteils. Der Gesetzent wurf trägt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg sowie den Belangen der Be troffenen umfassend Rechnung. Ich bitte Sie daher um Zu stimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gu te Rede!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es jetzt noch Wortmeldungen zu dem Thema? – Das ist nicht der Fall, und wir können die Aussprache been den.

Wir kommen in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9242. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Stän digen Ausschusses, Drucksache 16/9262. Der Ausschuss emp fiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich rufe auf

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