Protokoll der Sitzung vom 02.12.2020

(Beifall)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Born.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Logik dieser Debatte soll da rin liegen, dass die grüne Landtagsfraktion einen Titel wählt, der sich identisch auf der Homepage des Sozialministeriums als Überschrift für diverse Förderprogramme findet, und wir dann merken: Der Minister will eben über diese Förderpro gramme sprechen; die CDU möchte lieber darüber sprechen, was sie der Familie an Bedeutung zumisst.

Aber ich glaube, wenn wir tatsächlich die Kinder in den Mit telpunkt stellen und über die Stärken und über den Chancen reichtum der Kinder sprechen, dann müssen wir erst mal fest stellen, dass Baden-Württemberg wesentlich vielfältiger auf gestellt ist, als es die Wünsche der CDU und die Förderpro gramme des Sozialministers widerspiegeln,

(Beifall)

sondern dass das von Familien, Vereinen, Schulen, Kitas, früh kindlicher Unterrichtung getragen wird.

Da spielt es schon eine Rolle, Herr Minister, wenn Sie sich immer wieder vorsätzlich verrechnen. Denn die Kommunen leisten mit der Schulsozialarbeit einen entscheidenden Bei trag dazu. Wenn einmal gesagt wurde: „Wir finanzieren ein Drittel“, und man dann immer weiter nach hinten rückt we gen der Kostensteigerungen – man ist von diesem einen Drit tel inzwischen weit entfernt –, dann braucht man keinen Ma thelehrer, dann braucht man einen Gerechtigkeitslehrer, der wieder dafür sorgt, dass die Kommunen bei ihrer Aufgabe ent sprechend unterstützt werden.

(Beifall)

Stärke und Chancenreichtum zu diskutieren, ohne über die Möglichkeiten des Bildungslands Baden-Württemberg zu dis kutieren, funktioniert nicht. Das können Sie nicht ausgrenzen.

Lieber Kollege von der CDU, wir geben uns eben nicht damit zufrieden, zu sagen: „Die Chancen sind eben ungleich ver teilt; da schaut jeder, was man aus seinem Leben macht.“ Für uns geht es darum, dass jedes Kind in Baden-Württemberg seine Chancen bekommt.

(Zuruf)

Neben der Stärke der Familie spielen dort die Bildungsein richtungen eine ganz entscheidende Rolle. Das haben wir doch spätestens in diesem Jahr gelernt.

Wenn man sich diese Widersprüche anschaut zwischen dem, wie Sie das hier in die zweite, dritte, vierte Reihe stellen, und dem, was gleichzeitig seitens der Regierung an Förderpro grammen aufgestellt wird, müssen wir von der SPD festhal ten: Eine Regierung von gestern mit Konfliktlinien von vor gestern wird niemals die richtige Politik für die Menschen ma chen können, die diese Gesellschaft und dieses Land in Zu kunft tragen werden – niemals!

(Beifall – Zurufe)

Wenn Sie Familien stärken wollen, wenn Sie das Bildungs land Baden-Württemberg stärken wollen, dann gibt es eine Maßnahme, die dringend notwendig ist:

(Zuruf: Jetzt kommt’s!)

Wir brauchen die gebührenfreie Kita. Wir brauchen die ge bührenfreie Kita!

(Beifall)

Herr Minister, Sie erklären hier, wie Sie in Bürgerforen und bei Bürgerbeteiligungen

(Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

den Menschen zuhören wollen. Hören Sie ihnen doch nicht nur zu, sondern lassen Sie sie entscheiden, z. B. darüber, ob es endlich eine gebührenfreie Kita in Baden-Württemberg gibt. Wir hätten diese Entscheidung herbeigeführt. Wir konn ten das in diesem Jahr nicht. Wir machen es im nächsten Jahr nach dem 14. März. Dann wird Baden-Württemberg die his torische Stunde nutzen und sich für eine gebührenfreie Kita entscheiden.

(Beifall – Vereinzelt Lachen)

Franziska Giffey hat in einem ersten Schritt mit dem „Gute Kita“-Gesetz dafür gesorgt, dass beispielsweise den Wohn geldbeziehern die Kitagebühren bereits erlassen wurden. Das ist ein wichtiger Schritt, der 10 000 Familien in Baden-Würt temberg geholfen hat.

Aber wir denken bei Chancenreichtum und bei Stärke für die künftige Generation nicht nur an einen Ausschnitt der Bevöl kerung, auch wenn er vielleicht die Personen betrifft, die am meisten Hilfe brauchen. Vielmehr denken wir von den Kin dern her. Darum werden wir uns dafür einsetzen, dass die Bil dungsorte der Kinder gebührenfrei sind – so, wie wir ein ge bührenfreies Bildungsland Baden-Württemberg wollen, von der Kita bis zum Meister- und bis zum Studienabschluss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung braucht Zeit. Auch das ist Teil von Stärke und Chancenreichtum. Bildung braucht Zeit. Der Ganztag ist ein gutes Modell, um diese Stärken und diese Chancen zu nutzen.

Wir haben derzeit aber eine Landesregierung, die glaubt, ih re Stärke eher darin demonstrieren zu müssen, wie sie sämt liche Möglichkeiten, Kommunen beim Ganztag besser zu un terstützen – mit Berliner Programmen, die gleichzeitig auch zu Landesprogrammen führen müssen –, mit Füßen tritt und wie sie sie blockiert. Es ist absurd, sich hier hinzustellen und zu sagen: „Wir machen uns für Kinder und Jugendliche stark“, wenn man gleichzeitig die einzige Stärke, die man politisch demonstriert, darin auslebt, dass man sich in Berlin querstellt, wenn es darum geht, mehr Ganztag zu fördern.

Übrigens: Dieses Querstellen gegen die Interessen der Fami lien, der Kommunen, der Kinder, der Kitas und der Schulen hat einen Namen, und dieser Name ist Eisenmann.

(Beifall)

Herr Abg. Born, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Noch einen Satz, Frau Präsidentin.

Einen Satz, aber keine Minu te.

Einen Satz mit einem Komma.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe, u. a.: Einen Relativ satz!)

Stärke und Chancenreichtum für die Kinder in Baden-Würt temberg haben etwas damit zu tun, dass man das Bildungs land Baden-Württemberg chancenreich und gerecht macht. Darum werden wir die Gebührenfreiheit für die Kitas durch setzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 1 unserer Tagesordnung er ledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz über die Digitale Schule (Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg, des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich und des Privatschulgesetzes) – Drucksache 16/8856

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultus, Jugend und Sport – Drucksache 16/9341

Berichterstatterin: Abg. Sandra Boser

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Boser das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier über ei nen Gesetzentwurf, der von denen, die er eigentlich betrifft, abgelehnt wird.

Schon allein das wäre ein Grund, diesen Gesetzentwurf zu rückzuziehen. Es wäre Aufgabe der FDP/DVP gewesen, ihn zu überarbeiten – statt einen Gesetzentwurf vorzulegen, der völlig untauglich erscheint.

(Beifall)

Ich habe mich bereits bei der Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfs darüber gewundert, wie dieser Gesetzentwurf – auch von der SPD – hochgejubelt wurde. Es wurde von ei nem guten Gesetzesvorschlag gesprochen, der wichtige The men aufgreife. Wenn man sich die Rückmeldungen anschaut, insbesondere der kommunalen Landesverbände, muss man feststellen: Dieses Gesetz will niemand. Dieses Gesetz soll die digitale Infrastruktur an unseren Schulen auf Dauer si chern, aber es gibt keine Antwort darauf, wie dies tatsächlich gesetzlich geregelt werden kann.

Dieser Gesetzentwurf kommt mit einer Einfachheit daher, die der Komplexität der Aufgabe nicht gerecht wird. Das lässt für uns nur einen Schluss zu: Wir müssen diesen Gesetzentwurf auf jeden Fall ablehnen.

(Beifall)

Der zweite wesentliche Bestandteil des geplanten Gesetzes, eine verbindliche Lehrerfortbildung im Bereich der digitalen Schule, wird von den Lehrerverbänden abgelehnt, also von denjenigen, die es eigentlich betrifft. Das ist ein weiterer Grund, den Gesetzentwurf abzulehnen. Denn was besagt denn eine Fortbildungspflicht im Bereich der digitalen Schule? Die Fortbildungspflicht nur auf einen bestimmten Teil zu mini mieren wird der Sache überhaupt nicht gerecht.

Wir haben ein hohes Fortbildungsaufkommen bei den Lehr kräften. Wir kommen dem mit finanziellen Mitteln entgegen. Wir haben dafür aktuell noch einmal 10 Millionen € zur Ver

fügung gestellt. Aber wir sehen in der aktuellen Situation doch, wie unterschiedlich die Schulen im Bereich der digita len Bildung aufgestellt sind. Wir brauchen daher zielgerich tete Angebote, die die Lehrkräfte da abholen, wo sie sind, und keine Verpflichtung zur Fortbildung für alle, die nicht am Wis sensstand der Lehrkräfte ansetzt.