Die Covid-19-Pandemie hat die EU einem besonderen Stress test unterzogen. Dass sie daraus eher gestärkt hervorgeht, war nicht zu erwarten und ist nicht selbstverständlich. Trotzdem liegen vor uns enorme Herausforderungen. Rückschläge sind nach wie vor wahrscheinlich. Jetzt gilt es mit den Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds die doppelte Transformation erfolg reich zu gestalten. Wenn wir beim Klimaschutz vorankom men wollen, brauchen wir Lösungen, die weltweit anschluss fähig sind und Nachahmer finden. Die EU muss ihre Rolle in der Welt neu definieren, und sie muss dabei an Tempo zule gen.
Als Big Ben vor nunmehr 161 Jahren zum ersten Mal schlug, war die Welt noch eine andere. Heute gibt es das Britische Empire bis auf wenige Reste nicht mehr. Europa ist längst nicht mehr der Mittelpunkt allen Fortschritts. Ostasien ist wei ter auf der Überholspur. Das jüngste Freihandelsabkommen hat dies nochmals eindrücklich gezeigt.
Wir müssen uns in Europa viel besser aufstellen – am besten gemeinsam und am besten in enger Partnerschaft mit Groß britannien. Ich jedenfalls werde nicht müde, für ein Europa zu kämpfen, das Gemeinsamkeiten und nicht Unterschiede in den Blick nimmt. Auch wenn es zum harten Brexit kommt, auch wenn am Ende der No-Deal-Brexit steht: Europäische Verbundenheit kann nicht wie ein Licht ausgeknipst werden. Gewachsene europäische Freundschaft mit Großbritannien muss bleiben, und sie wird bleiben.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich bin ja „vorgezwungen“ worden. Herr Wolf, ich kann ja ver stehen, dass Sie die Realitäten nicht anerkennen wollen. Die sind ja auch sehr schmerzlich.
Eines muss ich Ihnen aber in Ihr Gebetbuch schreiben: An meiner Verfassungstreue lasse ich nicht zweifeln. Auf diese Verfassung habe ich geschworen, da waren manche hier noch
Zweitens: Die Verfassung ist auch nicht sakrosankt. Sonst hät te man die EU-Artikel nicht hineinschreiben können. Und na türlich kann man das auf diesem Weg auch wieder ändern.
Das ist das, was wir wollen. Wir zeigen die Realitäten auf. Wenn wir ein neues Konstrukt suchen, dann müssen wir ein vernünftiges und rationales Konstrukt suchen – im Konsens der demokratischen Familie.
Aktuelle Debatte – Der Umweltminister und das Tempo limit – wie glaubwürdig ist diese Koalition? – beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat eine erstaunte Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen müs sen, dass der Umweltminister bei einer privaten Autofahrt – so, wie er hinterher gesagt hat –, weil er es eilig hatte, mit Tempo 177 – abzüglich Toleranz, also wahrscheinlich Tacho 190 – bei einem Tempolimit von 120 km/h erwischt wurde. Da stellt sich die Frage, ob es für den Umweltminister persön lich und vielleicht auch für die umweltpolitische Agenda der Landesregierung so etwas wie einen Paradigmenwechsel gibt. „Bleifuß statt Dekarbonisierung“, das ist möglicherweise das neue Schlagwort.
Das kann man unterschiedlich bewerten. Ich nehme jetzt mal die Bewertung des Ministerpräsidenten, der dazu gesagt hat – Zitat –:
Also, Herr Ministerpräsident, so hart hätte ich es jetzt nicht formuliert gegenüber dem Umweltminister, aber es sei Ihnen unbenommen.
Es stellt sich aber schon die Frage nach der persönlichen und auch der politischen Glaubwürdigkeit des Umweltministers und dieser Landesregierung. Insbesondere der Verkehrsminis ter – es freut mich, dass er jetzt da ist – ist ja in einem ähnli chen Fall schon mal an die Öffentlichkeit getreten. Als ein Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen namens Wittke 56 km/h zu schnell war,...
... hat der heutige baden-württembergische Verkehrsminister erklärt: „Das ist ein Verkehrsrowdy, der muss zurücktreten.“ Und der Umwelt minister des Landes Baden-Württemberg fährt 57 km/h zu schnell, aber dazu verweigert der Verkehrsminister des Lan des Baden-Württemberg seinen Kommentar. Es hätte uns schon interessiert, wie Sie, Herr Hermann, das bewerten, ob Sie da auch den Rücktritt fordern oder ob er das nach Ihrer Ansicht darf, weil er ein Grüner ist. Vielleicht erfahren wir das ja am heutigen Tag.
Herr Hermann, Sie führen ja auch einen drastischen Kampf für die Verschärfung der Strafen für Raser. Da würde uns in teressieren, welche Strafe Sie denn an dieser Stelle für den Umweltminister Untersteller fordern würden.
Sie selbst, Herr Untersteller, haben erklärt, das Ganze sei Ih nen nachzusehen, weil Sie ja nicht mit erhobenem Zeigefin ger unterwegs wären. Na ja, ich habe ein schönes Zitat von Ihnen gefunden:
Der geringere Verbrauch leichterer Fahrzeuge mit klei neren Motoren ist der entscheidende Vorteil eines Tempo limits für den Klimaschutz.
Herr Untersteller, mit was für einem leichten Fahrzeug waren Sie denn da unterwegs? Wie klein war denn der Motor? Vor allem: Wie sieht es denn mit dem Klimaschutz aus, wenn Sie privat Auto fahren? Das würde uns schon interessieren. Je denfalls scheint das ein klassischer Fall von grüner Doppel moral zu sein.
Es gibt noch andere Beispiele. Sie versprechen immer mehr Tierschutz. Im letzten Monat hat Kollege Salomon das Hohe lied auf BioNTech und CureVac gesungen. Wie sieht es denn aus mit der Rolle der Tierversuche bei der Entwicklung von Impfstoffen? Das würde uns schon interessieren.
Oder Herr Kollege Sckerl: Die öffentliche Anhörung zu Poli zeigesetzen sei „keine Alibiveranstaltung“. Trotzdem werden alle Polizeigesetze des Innenministers ungestreift durchge winkt.
Dann haben Sie erklärt, Sie seien für direkte Demokratie. Wie sieht es denn aus mit Bürgerbegehren auf Kreisebene?
Vor allem, Herr Ministerpräsident, werden Sie ja nicht müde, zu betonen, welch harmonische Koalition Sie führen. Es gibt keinen Streit in dieser Koalition – wenn man Sie hört. Ich will nur einmal daran erinnern, wie das vorgestern war, als bei der Regierungspressekonferenz die Wirtschaftsministerin auf den Sozialminister getroffen ist. Gab es da keinen Streit, Herr Mi nisterpräsident, oder mussten Sie am Ende ein Machtwort sprechen?
Oder wie sieht es aus mit den Weihnachtsferien – wenn sich der Ministerpräsident darüber mit der Kultusministerin aus einandersetzt? Wie sieht es aus mit dem Tempolimit auf der A 81, mit Fahrverboten in Stuttgart, dem Streit um Lang-Lkws und den Tesla-Standort, mit Ganztagsschulen und der Grund schulempfehlung, mit Frauenförderung im Wahlrecht – wo bei dann keine Wahlrechtsänderung zustande kommt –, mit Drogenkonsumräumen und der Pflegekammer?