Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

Diesem Anspruch genügt dieser Gesetzentwurf nicht, Kolle ginnen und Kollegen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Binder, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Palka?

Auch nein.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Er hat nichts zu sagen, der Herr Binder!)

Doch, ich glaube, ich habe eini ges zu sagen, und zwar dazu, wie man mit dieser Frage um geht.

(Abg. Anton Baron AfD: Es geht doch gar nicht um die Religion!)

Sie sagen nämlich dazu gar nichts.

Ich komme zur Bestimmtheit Ihres Gesetzentwurfs. Wenn man Verbote erlassen will, muss man deren Einhaltung auch kontrollieren. Wenn Sie wem auch immer aufgeben, die Vor schriften des von Ihnen vorgeschlagenen Gesetzes zu kontrol lieren, wird es unheimlich schwierig, nach dem Bestimmt heitsgebot dieses Gesetz überhaupt in der Praxis umzusetzen. Schon deshalb ist Ihr Gesetzentwurf nicht mal die Überschrift wert, weil er nichts regelt, sondern nur fordert, ohne den An forderungen an einen Gesetzentwurf tatsächlich zu entspre chen, Kolleginnen und Kollegen der AfD.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der AfD)

Sie schreiben auch vieles in Ihr Wahlprogramm. In der Prä ambel Ihres Wahlprogramms steht beispielsweise:

Jeder soll nach seiner Façon selig werden, aber nieman dem darf vorgeschrieben werden, welche Lebensform er gut zu finden hat.

Auf Seite 43 Ihres Wahlprogramms schreiben Sie dann:

... weniger Vorschriften und mehr Freiraum

(Beifall der Abg. Dr. Heinrich Fiechtner und Anton Baron AfD – Abg. Anton Baron AfD: Hört sich gut an!)

Ich sage Ihnen eines: Dass jeder nach seiner Façon glücklich werden kann in diesem Land,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Sie verwechseln Religion und Staat!)

ist auf Grundlage unserer Verfassung sichergestellt; dazu braucht es nicht die AfD, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Dringender denn je! – Zuruf von der AfD: Und ob!)

Deshalb wird die SPD-Fraktion diesen völlig ungenügenden Gesetzentwurf, der der Debatte, die im Land über das Thema geführt wird, und den Ängsten und Befürchtungen, die es bei diesem Thema durchaus im Land gibt, nicht im Ansatz ge recht wird, ablehnen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Weinmann.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Burka und Nikab – das möchte ich ganz unmissverständlich zu Beginn meiner Ausführungen klarstellen – sind katastrophale Kleidungsstücke,

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

die einer von uns gewünschten erfolgreichen Integration ent gegenstehen, die gegen sämtliche Konventionen unseres Zu sammenlebens verstoßen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

Sie enthüllen ein schreckliches, inakzeptables Geschlechter bild und stehen grundsätzlich für eine patriarchalische Gesell schaft der Unterdrückung. Dennoch – dies vorab – lehnen wir ein vollständiges Verbot ab.

Zunächst bleibt festzuhalten – und das auch, weil die Burka bei uns erfreulicherweise bisher nur ganz selten zu sehen ist –,

(Zuruf von der AfD: Kommen Sie mal nach Mann heim!)

dass wir eine Symboldiskussion führen. Denn den meisten geht es nicht um Kleidungsstücke, sondern darum, eine im Einzelfall nicht gänzlich unberechtigte Sorge vor einem um greifenden radikalen und mithin verfassungswidrigen Islam in unserem Land zum Ausdruck zu bringen.

Tatsächlich bestehen bis in die Mitte der Gesellschaft massi ve Ängste, ob wir es tatsächlich schaffen, die Situation von der Unterbringung bis hin zur Integration in den Griff zu be kommen. Deswegen sind wir, glaube ich, auch gut beraten, diese Diskussion ernsthaft zu führen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

Mit dem vorliegenden Entwurf überschätzen Sie gleichwohl die Möglichkeiten des Rechts, unabhängig von den verfas sungsrechtlichen Bedenken, welche bei einem vollständigen Verbot nicht wegzudiskutieren sind. Ein jegliches Burkaver bot greift in die Religionsfreiheit ein. Das Bundesverfassungs gericht bejaht, dass die Verschleierung ein religiöses Bekennt nis sein kann, und maßt sich explizit nicht die Entscheidungs befugnis über die Auslegung religiöser Vorschriften an.

Auch die Argumentation, ein Vollverschleierungsverbot die ne dem Schutz der Frauen, unabhängig von der kritischen Fra ge des Selbstbestimmungsrechts der Frauen, soweit sie tat sächlich aufgrund ihrer inneren Überzeugung dieses Klei dungsstück tragen wollen, trägt nicht. Unsere die Freiheit des Einzelnen betonende Verfassung gibt dem Staat keinen Erzie hungsauftrag für seine Bürgerinnen und Bürger. Sie legitimiert ihn gerade nicht, ein Verbot der Vollverschleierung im öffent lichen Raum auch gegen den Willen der betroffenen Frauen durchzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Es läuft auch kei ner nackt draußen herum!)

Die Gründungsväter und -mütter unserer Republik haben zu Recht die Hürden, die Freiheit von Menschen zu beschrän ken, sehr hoch gehängt, auch und vielleicht gerade für Men schen, die sich in der Öffentlichkeit anders benehmen, anders äußern oder einfach nur schräg oder ungewöhnlich kleiden. Sehr wohl aber erwarten wir von denjenigen, die aus Angst und Sorge um Leib, Leben oder Freiheit zu uns geflüchtet sind, von denjenigen, die bei uns leben wollen, dass sie sich an unsere Rechtsordnung halten, unseren Wertekanon akzep tieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Andererseits können wir diese Konventionen, soweit gelten des Recht nicht missachtet oder gebrochen wird, zwar erwar ten, aber realistischerweise nicht erzwingen. Denn genau so fördern wir eine Subkultur, die bekanntlich einer wirksamen und erfolgreichen Integration entgegensteht.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ein Burkaverbot ist aber dann sehr wohl geboten, rechtlich zulässig und meines Erachtens auch unerlässlich, wenn eine Identifizierung erforderlich ist.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ja!)

Auch dort, wo eine offene Kommunikation erforderlich ist, soll – und das im Einklang mit der Rechtsprechung des Bay erischen Verwaltungsgerichtshofs – ein Verbot der Verschlei erung zulässig sein. Hierzu wird die FDP/DVP in den nächs ten Wochen einen eigenen Gesetzentwurf einbringen, der sich dem Thema angemessen, sachlich und frei von jeglichem Po pulismus widmet.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Dieser wird die Bereiche regeln, in denen schon heute gesell schaftlicher Konsens besteht, dass Neutralität, Identifizierung und freie Kommunikation erforderlich sind, nämlich vor al lem Bereiche, in denen hoheitliches Handeln, beispielsweise in dem Bereich behördlicher Tätigkeiten – in Schulen und Hochschulen –, dies erfordert.

Vielen Dank.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Fiechtner?

Selbstverständlich, Herr Abg. Dr. Fiechtner.

Bitte, Herr Abg. Dr. Fiechtner.

Vielen Dank. Ein echter Liberaler.