Würden Sie das Thema „Identifizierung des Gegenübers“ auch weiter erstrecken als nur in den Bereich des öffentlichen oder
des behördlichen Miteinanders, sondern auch auf das Mitei nander z. B. in Läden, in Vereinen und sonst wo?
Denn ich denke, der Ausdruck der Liberalität oder der Aus druck der persönlichen Freiheit äußert sich ja darin, dass ich das Gesicht meines Gegenübers auch sehen und erkennen kann. Das ist eben nicht nur bei Behörden der Fall.
Herr Dr. Fiechtner, nein, ich würde so weit nicht gehen wollen, weil es in der Tat die Entscheidungsfreiheit der einzelnen Person ist, ob man sich tatsächlich dieser Kommunikation öffnen kann oder öffnen möchte. Insoweit ist es aus meiner persönlichen Überzeugung, aus rechtlicher Überzeugung nicht möglich, dies hier vorzu schreiben.
Herr Abg. Dr. Kuhn, wei tere Zwischenfragen sind nicht möglich, da die Redezeit des Redners abgelaufen ist.
(Abg. Nico Weinmann FDP/DVP: Ach so! – Heiter keit – Abg. Nico Weinmann FDP/DVP: Ich hätte es gern wahrgenommen!)
Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Lucha das Wort. – Herr Abg. Dr. Gedeon, wollen Sie zu diesem Punkt sprechen? Dann erhalten Sie zuerst das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht primär nicht um Liberali tät, es geht primär um den Kampf der Kulturen.
Ende der Neunzigerjahre hat der amerikanische Soziologe Sa muel P. Huntington sein epochales Buch herausgebracht. Er war der Erste, der den Paradigmenwechsel, der 1989 nicht nur geopolitisch, sondern geistig-politisch insgesamt stattgefun den hat, auf den Punkt gebracht hat. Es geht nicht mehr um ideologische Wahrheiten im Kalten Krieg, es geht nicht mehr primär um sozio-ökonomisches Denken, es geht um kulturel le Identität und um Verteidigung dieser kulturellen Identität in dem sogenannten Kampf der Kulturen.
(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Daniel Andre as Lede Abal GRÜNE: Sie widersprechen sich doch selbst! Sie widerlegen die Kultur!)
Ich zitiere jetzt nur einmal Huntington. Wahrscheinlich ha ben Sie ihn nicht gelesen. Sonst könnte ich mir das nämlich ersparen, wenn Sie ihn gelesen hätten.
Meine Damen und Herren, natürlich gibt es in diesem Kampf auch Harmonie, gibt es die gegenseitige Inspiration der Kul turen, gibt es die Möglichkeit der Kooperation. Aber das ist die eine Seite. Die andere Seite ist eben der Konflikt und das Bewahren der Identität. Das bedeutet Ab- und Ausgrenzung.
Wer diesen entscheidenden Gesichtspunkt nicht als politischen Faktor anerkennen will, der betreibt nicht Politik, meine Da men und Herren, sondern der betreibt eine realitätsferne und blauäugige Selbstverwirklichung.
Nikab und Burka sind nicht nur Kleidungsstücke, sondern kul turelle Symbole und als solche geistige Waffen in besagtem Kampf der Kulturen.
Meine Damen und Herren, in diesem Kontext ist das Verbot der Verschleierung ein Akt der Selbstverteidigung unserer Kultur, unserer christlich geprägten europäischen Kultur, ge gen das Eindringen, gegen die Fundamentaloffensive des is lamischen Kulturkreises.
Sicherlich ist dieses Verschleierungsverbot nicht der entschei dende Akt, aber es ist ein legitimer und auch ein notwendiger Akt, der zeigt, dass wir uns zu unserer europäisch geprägten Identität bekennen und dass wir bereit sind, diese gegen an dere Kultureinflüsse zu behaupten und zu verteidigen. In die sem Sinn sollten wir dieses Verschleierungsverbot gesetzlich durchsetzen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Her ren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat in ihrer Antwort zur Kleinen Anfrage Drucksache 16/459 – Haltung der Landesregierung zu einem „Burkaverbot“ – be reits die wichtigsten Leitgedanken hierzu formuliert.
Wir lehnen die Vollverschleierung gesellschafts- und integra tionspolitisch ab, weil sie im Gegensatz zur Verfasstheit un serer offenen Gesellschaft steht. Wir lehnen sie auch ab, weil sie unserem Verständnis der Menschenrechte und der Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft zuwiderläuft.
Verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind aber keine generel len, sondern nur anlassbezogene Verbote einer Vollverschlei erung. Hier unterstützt die Landesregierung alle Initiativen, mit denen die noch fehlenden erforderlichen Regelungen er gänzt werden sollen.
Wir haben eine Bundesratsinitiative unterstützt, mit der die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, ein Verbot der Voll verschleierung vor Gericht zu prüfen. Auf dem Passbild und am Steuer eines Kraftfahrzeugs ist die Burka ohnehin bereits verboten.
Wo noch überall? Wir werden das im Detail klären. Wir wer den dies differenziert tun, aber nicht mit einem pauschalen und undifferenzierten Rundumschlag.
Die heutige Debatte könnten wir uns eigentlich sparen. Etwa 50 oder 60 Frauen in Baden-Württemberg tragen eine Burka. Im Übrigen sind die Hälfte davon deutsche Staatsbürgerinnen, die zum Islam konvertiert sind.
Aktuell scheint es für manche aber nichts Wichtigeres zu ge ben, als das Thema Burka in all seinen Facetten zu diskutie ren – oft mit reinen Scheinargumenten. Experten sagen inzwi schen offen, dass das Thema Burka so gut wie nichts mit un serer inneren Sicherheit zu tun hat.
Wer sagt: „Die Franzosen können es doch auch“ – siehe Urteil des Europäischen Gerichtshofs –, der muss leider nachsitzen und seine Hausaufgaben machen. Denn unserem religionsverfas sungsrechtlichen System liegt eben n i c h t das Prinzip der Laizität zugrunde.
Unser Grundgesetz versteht die Bundesrepublik Deutschland als Heimstatt aller Bürger, gleich welcher religiös-weltan schaulichen Überzeugung.
Die Neutralitätsverpflichtung des Staates hat bei uns Verfas sungsrang. Der Staat hat sich in weltanschaulich-religiösen Fragen also generell neutral zu verhalten. Falls manche nicht wissen, wo das steht: Siehe Artikel 4 Absatz 1, Artikel 3 Ab satz 3 Satz 1, Artikel 33 Absatz 3 und Artikel 140 des Grund gesetzes. Wer es anders haben will, rüttelt also an unserem Grundgesetz.