Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Da men und Herren! Wir debattieren heute über ein Thema der Zukunft, über die Frage, wie wir zukünftig produzieren, wie wir arbeiten, wie wir wirtschaften, ja, über die Art, wie wir le ben werden. Das Parlament ist daher nach meiner Ansicht ge nau der richtige Ort, um sich über diese Zukunftsfragen zu un terhalten, sich damit auseinanderzusetzen und die richtigen Wege zu beschreiten.
Die Digitalisierung passiert schon längst. Sie ist in vielen Le bensbereichen schon angekommen – länderübergreifend und im globalen Maßstab. Sie schreitet weiter voran, und wir alle sind mittendrin. Deshalb sind wir jetzt auch gefordert – daher ist jetzt auch die richtige Zeit, darüber zu reden –, hier aktiv mitzugestalten. Und wir können hier mitgestalten.
Die Digitalisierung bedeutet für den Industrie- und Wirt schaftsstandort Baden-Württemberg eine ganz große und wichtige Chance. Sicher, die erste Runde um Big Data haben wir an Google, Amazon, Facebook verloren. Aber nun wird die zweite Runde eingeläutet, bei der es darum geht, das In ternet der Dinge zu beherrschen – Business zu Business, die digitale Vernetzung der Produktionstechnik – und die Fabrik des 21. Jahrhunderts zu gestalten, am besten „Made in BadenWürttemberg“.
Das ist unsere Domäne, und hier sind die baden-württember gischen Unternehmen sehr gut aufgestellt. Hier können wir unsere Stärken ausspielen, die darin bestehen, auf systemati sche Art und Weise Veränderungen, Neuerungen in Bestehen des zu integrieren und neue Maßstäbe von Effizienz und Qua lität zu schaffen.
Interessanterweise hat der Ökonom Schumpeter schon im 20. Jahrhundert mit dem innovativen Unternehmer immer wieder neue Kombinationen in Verbindung gebracht. Unsere deutsche Gründlichkeit wird in diesem Zusammenhang von großem Vorteil sein.
Vor allem aber ist es wichtig, zu dem Thema Digitalisierung ein positives Verhältnis zu entwickeln. Wir haben auch gar keine Alternativen. Wir müssen diesen Weg positiv begleiten und als große Chance sehen.
So viel ist klar: Die Digitalisierung hat schon jetzt unsere Ar beitswelt grundlegend verändert. So können Roboter Beschäf tigte bei schweren und oft eintönigen Arbeiten entlasten. Kör perliche Einschränkungen können durch den Einsatz von As sistenzsystemen kompensiert werden, und flexiblere Arbeits zeitmodelle ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Fa milie und Beruf, von Arbeit, Freizeit und Ehrenamt.
Bei aller Begeisterung für die vielfältigen Möglichkeiten, die hierin bestehen, gibt es natürlich auch Bedenken, Sorgen der Mitarbeiter, bei diesen Entwicklungen nicht mithalten zu kön nen, Prognosen, dass einige Beschäftigungsgruppen hier in Bedrängnis geraten, und die Angst vor einer zunehmenden Belastung und einer ständigen Erreichbarkeit. Zudem geht es um den gläsernen Arbeitnehmer. Auch das ist ein Thema, über das wir uns noch unterhalten werden.
All diese Bedenken müssen ernst genommen werden. Auf al len politischen Ebenen ist deshalb derzeit die Diskussion im Gange, wie wir die Zukunft der Arbeit mitgestalten. Die Dis kussion wird jetzt geführt, und wer sich nicht jetzt daran be teiligt, der agiert rückschrittlich.
Die Bundesregierung hat den Grünbuchprozess „Arbeiten 4.0“ eingeleitet. Arbeitgeber und Gewerkschaften befassen sich derzeit intensiv mit damit einhergehenden Fragen.
Dabei müssen wir sehen: Schon seit vielen Jahren gibt es tief greifende Veränderungen. Die Digitalisierung ist ja nichts Neues. Computer gibt es jetzt schon seit vielen Jahren; sie ha ben die Abläufe, die Arbeitsprozesse, die Arbeitsteilung in den Unternehmen grundlegend verändert.
Was sich aber jetzt verändert, ist die Dynamik. Hinzu kommt der gesellschaftliche Wandel als ein mitentscheidender Motor für die Flexibilisierung der Arbeitswelt: die gesellschaftlich und wirtschaftlich erwünschte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das gleichzeitige Ermöglichen von Job und Kinder erziehung oder Pflege von Angehörigen sowie generell der Wunsch nach individuellen Berufs- und Arbeitszeitbiografi en. Um das zu realisieren, sind neue Formen der Arbeit ent standen: Teilzeitarbeit, Telearbeit, Jobsharing, das heißt nichts anderes als Flexibilisierung.
Gerade Jüngere stellen sich heute vor der Annahme eines Jobs oder sogar schon bei der Berufswahl die Frage: Wie kann ich auch mal von zu Hause aus arbeiten? Kann ich früher gehen, meinen Tag flexibel einteilen? Kann ich auch mal länger ar beiten? Oder gibt es die Möglichkeit, ein Sabbatical zu neh men?
Die große Überschrift, das große Thema heißt Zeitautonomie. Es gibt mittlerweile eine Reihe von wissenschaftlichen Stu dien, die belegen: Je mehr die Beschäftigten ihre Arbeitszeit selbst individuell bestimmen können, desto zufriedener und gesünder sind sie. Nachzulesen ist dies im Report der Bun desanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Work-Life-Balance ist heute nicht mehr nur ein Schlagwort, es ist ein echtes Bedürfnis der Menschen. Daneben gibt es die betrieblichen Wünsche und Belange im Hinblick auf mehr Flexibilität. Da gibt es auch Formen wie das ständige Vor
sich-Herschieben von Überstunden und die ununterbrochene Erreichbarkeit per Handy und E-Mail, die weit weniger ge sundheitsfördernd sind. Deshalb müssen wir diese individu ellen und betrieblichen Belange vernünftig austarieren im Sin ne eines zukunftsfähigen Flexibilitätskompromisses. Hier set ze ich in erster Linie auf gute betriebliche Lösungen.
Es ist hier schon viel in Bewegung, es wurde hier schon viel vorangebracht. Wir haben zwei Beispiele von Bosch und Daimler gehört. Hier besteht ebenfalls bei den Betrieben die klare Einschätzung, wie notwendig und wie wichtig dieses Thema ist.
Die Zeit der uniformen Einheitsregeln für alles und jedes ist definitiv vorbei. Es geht vielmehr darum, einen sinnvollen Rahmen abzustecken, der genügend Raum für individuelle Regelungen, aber zugleich auch für Schutz und Verlässlich keit für die Beschäftigten bietet. Das werden die Tarifpartner – da bin ich mir sicher, denn ich bin im engen Kontakt mit den Tarifpartnern –, die Arbeitgeber und Gewerkschaften, auch hinbekommen. Ich denke, da dürfen wir sehr zuversichtlich sein.
Ich als Wirtschafts- und Arbeitsministerin freue mich darauf, diesen Prozess im Dialog aktiv zu begleiten. Selbstverständ lich müssen wir – zusammen mit allen anderen Akteuren – für Baden-Württemberg auch den politischen Rahmen für eine zukunftsfähige Arbeitswelt mitgestalten. Da müssen wir auch ein Wort mitreden.
(Anhaltender Beifall bei der CDU sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der AfD und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Bravo! Sehr gut! – Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Die FDP hat mitgeklatscht!)
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erle digt.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Abwicklung der staatlichen Notariate und zur Anpassung von Vorschriften zu Grundbucheinsichtsstel len – Drucksache 16/216
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat in folge seiner grundlegenden Entscheidung im Jahr 2010 schon das eine oder andere Mal Gesetze zur Umsetzung der Notari atsreform beraten müssen. Auch das Gesetz, das wir heute be raten, erschließt sich jetzt nicht auf den ersten Blick als ein Gesetz der ganz großen politischen Gestaltung, sondern vor allem als ein Gesetz guter handwerklicher Arbeit.
Denn bei einem solchen Reformprozess geht es natürlich auch darum, die Beteiligten, die Betroffenen nicht unter negativen
Auswirkungen des Reformprozesses leiden zu lassen. Wir wissen, dass wir in diesem Reformprozess derzeit in einer schwierigen Umsetzungsphase sind, aber wir wollen alles da für tun, dass die Bürgerschaft und insbesondere auch die Wirt schaft hier mit den Neuerungen dieser Notariats- und Grund buchamtsreform leben können.
Der Entwurf, für den ich heute werbe, enthält einen wichti gen Baustein der Reform. Leider können wir diesen Baustein erst jetzt vorlegen, weil wir zunächst eine Regelungsermäch tigung des Bundesgesetzgebers erwirken mussten. Der Bau stein ist indes für den rechtsuchenden Bürger wichtig. Wenn wir an notarielle Beurkundungen denken, sehen wir nur das Verlesen und Unterschreiben im Termin vor uns. Tatsächlich ist ein Beurkundungsverfahren damit eben nicht erledigt. Re gelmäßig sind etwa noch Vollzugsmaßnahmen nötig wie Fäl ligkeitsüberwachung, Registereintragungen oder Folgebeur kundungen.
Wenn die staatlichen Notariate mit Ablauf des 31. Dezember 2017 aufgelöst werden, müssen wir also regeln, wer sich um die Beurkundungsvorgänge kümmert, bei denen noch Rege lungsvorgänge offen geblieben sind. Diese Regelung muss si cherstellen, dass rechtsuchenden Bürgern kein Schaden ent steht, für den das Land haften müsste. Sie muss gewährleis ten, dass die Bürgerinnen und Bürger einen verantwortlichen Ansprechpartner haben und diesem Ansprechpartner nicht er neut bezahlen müssen, was sie im staatlichen Notariat bereits bezahlt haben.
Aufgrund einer Initiative der Vorgängerregierung – ich will diese Vorarbeit meines Amtsvorgängers hier deutlich zum Ausdruck bringen und würdigen – hat der Bundesgesetzgeber die Verantwortung für die Erledigung der am Reformstichtag offenen Beurkundungsvorgänge aufgeteilt. Diejenigen Nota re, die aus dem Landesdienst ausscheiden und selbstständige Nur-Notare werden, sind verantwortlich für Vorgänge, für die sie schon im Landesdienst verantwortlich waren. Sie führen sie deshalb auch trotz des Reformprozesses fort. Für die üb rigen Vorgänge, also die, für die Ende 2017 ein Notar verant wortlich war, der im Landesdienst bleibt oder in den Ruhe stand geht, ist das Land verantwortlich.
Da die Beurkundungsbefugnis der Landesbeamten 2018 weg fällt, kann das Land die Vorgänge, für die es verantwortlich ist, nicht durch Beamte erledigen lassen. Stattdessen hat es kraft bundesgesetzlicher Vorgabe Notariatsabwickler zu be stellen, soweit sich dies aus dem Einzelfall ergibt.
Dieser Gesetzentwurf gestaltet das Amt des Notariatsabwick lers aus. Danach können sowohl schon bestellte Notare als auch solche, die aus dem Landesdienst in ein selbstständiges Notaramt wechseln, als auch Notare, die im Landesdienst blei ben, zu Notariatsabwicklern bestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diejenigen, die im Landes dienst bleiben, können die Notariatsabwicklung in Nebentä tigkeit übernehmen. Dafür können wir sie grundsätzlich zwar nicht freistellen, da beim Land voraussichtlich nur so viele Notare bleiben wollen, wie wir zur Bewältigung der beim Land bleibenden gerichtlichen Aufgaben benötigen. Sie er halten aber wie andere Abwickler auch eine angemessene Ver gütung.
Die daraus folgende finanzielle Belastung für das Land spie gelt unsere Verantwortung für diese Beurkundungsvorgänge wider. Denn für die Einzelnen, für die Betroffenen, kann es im Einzelfall natürlich um ein großes Vermögen und wichti ge Betroffenheiten gehen.
Sie ist zudem in jedem Fall geringer als die Schadensersatz forderungen, denen wir ausgesetzt sein könnten, wenn wir nichts regeln würden.
Für die Notare, die im Landesdienst bleiben, ist die Vergü tung, die sie für die Abwicklung ihres eigenen Referats erhal ten, ein Zuverdienst, der ihnen jedenfalls unmittelbar nach der Reform den Verlust der Gebührenanteile etwas abmildert.
Für die Notare, die im Landesdienst bleiben, enthält der Ge setzentwurf noch weitere wichtige Regelungen. Durch die not wendige Neubestimmung der Funktionszusätze für das Be förderungsamt A 14 stellen wir sicher, dass wir die im Lan desdienst Verbleibenden auch nach dem Reformstichtag amtsangemessen beschäftigen können.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das war eine et was harte und trockene Kost, über die wir jetzt herzhaft über die Fraktionsgrenzen hinweg diskutieren können. Es ist aber wirklich der notwendige Ausfluss einer filigranen Feinarbeit in diesem insgesamt schwierigen Reformprozess, der auch die Kolleginnen und Kollegen meines Hauses massiv fordert.
Wir wollen sicherstellen, dass dieser Reformprozess so bür ger- und wirtschaftsfreundlich wie nur möglich gestaltet wer den kann, dass die Interessen des Landes, der rechtsuchenden Bürger, aber auch der beim Land bleibenden Notare gewahrt bleiben. Ich will auch den Kolleginnen und Kollegen, die mit ten im Reformprozess stehen – nicht jeder sieht sich in die sem Reformprozess als großer Gewinner; trotzdem erwarten wir von ihnen maximales Engagement –, ein herzliches Dan keschön aussprechen.
Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Vielen Dank, Herr Präsi dent. – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! 2009 hat sich das Land auf den Weg gemacht, das Notariatswesen in Baden-Württemberg neu zu formieren und zu modernisieren. Seitdem steht fest, dass am 31. Dezem ber 2017 der letzte Tag sein wird, an dem die Amts- bzw. Be zirksnotariate in Baden und in Württemberg eine Amtstätig keit unmittelbar entfalten können.
Mit der Überführung in das freie Notariat wird die Rechtsla ge bundesweit angepasst und vereinheitlicht, was im Interes se der Bürgerinnen und Bürger liegt. Um die Versorgung der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger und vor allem auch der Wirtschaft mit den evident wichtigen notariellen Dienst leistungen auch nach Auflösung des Amtsnotariats nahtlos si cherzustellen, wurde seit 2009 neben den althergebrachten Amtsnotariaten und Bezirksnotariaten in den Landesteilen Ba den und Württemberg auch das freie Notariat zügig eingeführt. Dies hat gerade für den Wirtschaftsstandort Baden-Württem berg eine besondere Bedeutung, hängt doch sowohl der ge samte Grundstücksverkehr als auch ein Großteil der gesell schaftsrechtlichen Vertragsgestaltungen von einem nahtlosen Funktionieren des Notariatswesens ab.