Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

Mit der Überführung in das freie Notariat wird die Rechtsla ge bundesweit angepasst und vereinheitlicht, was im Interes se der Bürgerinnen und Bürger liegt. Um die Versorgung der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger und vor allem auch der Wirtschaft mit den evident wichtigen notariellen Dienst leistungen auch nach Auflösung des Amtsnotariats nahtlos si cherzustellen, wurde seit 2009 neben den althergebrachten Amtsnotariaten und Bezirksnotariaten in den Landesteilen Ba den und Württemberg auch das freie Notariat zügig eingeführt. Dies hat gerade für den Wirtschaftsstandort Baden-Württem berg eine besondere Bedeutung, hängt doch sowohl der ge samte Grundstücksverkehr als auch ein Großteil der gesell schaftsrechtlichen Vertragsgestaltungen von einem nahtlosen Funktionieren des Notariatswesens ab.

Nachdem die freien Notariate zwischenzeitlich im Land eta bliert sind, steht noch der letzte Schritt aus, nämlich die end gültige Auflösung der Amts- und Bezirksnotariate selbst.

Ich danke Ihnen, Herr Minister Wolf, für die Vorlage und die Erläuterung des Gesetzentwurfs hierzu. Das Land wird mit diesem Gesetz seiner Verantwortung gerecht, die rechtsuchen den Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft nicht mit den bereits angefangenen Geschäften alleinzulassen. Denn mit dem Ende der notariellen Tätigkeit unmittelbar – Sie erwähn ten es schon, Herr Minister – endet noch längst nicht der Pflichtenreigen der mit den Notargeschäften zusammenhän genden Arbeiten. Die Verträge sind abzuwickeln, Gelder, Wertsachen einzuziehen, auszukehren und gelegentlich noch – das ist nicht ausgeschlossen – Haftungsfälle zu bearbeiten.

Da die staatlichen Notariate aufgrund ihrer Rechtsstellung als Landesbehörden verpflichtet sind, bis zum 31. Dezember 2017 ihre Tätigkeit noch vollumfänglich auszuführen, ist davon aus zugehen, dass eine beträchtliche Anzahl von notariellen Ge schäften am 1. Januar 2018 noch nicht abgeschlossen sein werden.

Um der Verantwortung für die ordnungsgemäße Beendigung dieser noch offenen Geschäfte gerecht zu werden und vor al lem auch Schadensersatzforderungen in erheblicher Höhe zu vermeiden, wird mit dem Gesetz zur Abwicklung der staatli chen Notariate das Amt des Notariatsabwicklers eingeführt, und zwar als beschränktes notarielles Amt auf Zeit. Die Im plementierung des Notariatsabwicklers erfolgt dabei so recht zeitig, dass sichergestellt werden kann, dass eine ausreichen de Anzahl von befähigten, geeigneten Personen für diese Tä tigkeit gefunden werden können.

Durch die Einführung der ergänzenden Vergütung, deren Hö he im Wege einer Rechtsverordnung festgesetzt werden kann und die, beiläufig erwähnt, für diejenigen, die diese Ämter übernehmen, ja auch nicht ganz bedeutungslos ist, wird si chergestellt, dass die auf eigene Rechnung handelnden Nota riatsabwickler wirtschaftlich abgesichert sind, wenn aufgrund der von ihnen noch erarbeiteten bzw. in ihrer Zeit entstehen den Gebührenansprüche kein ausreichendes Salär vorhanden ist. Zugleich wird für die Rückgabe bzw. Herausgabe aller zur Abwicklung erforderlichen Urkunden eine rechtssichere Rechtsgrundlage geschaffen.

Die Regierung unternimmt alles, um Reibungsverluste im Zu sammenhang mit diesem Übergang zu vermeiden. Die Reform darf nämlich nicht dazu führen, dass hier die Geschäfte etwa

liegen bleiben oder die Bürgerinnen und Bürger Nachteile er leiden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz wird Rechtssicherheit gewährleistet und eine Mammutreform in der freiwilligen Gerichtsbarkeit abgeschlossen, die über nun mehr drei Regierungsperioden hinweg konsequent vorange trieben wird. Auch hieran lässt sich im Übrigen ablesen, dass Grün-Schwarz seine Aufgaben sehr wohl zeitnah und viel leicht nur eben etwas geräuschloser erfüllt.

Wir werden diesem Gesetzesvorhaben deshalb zustimmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Sascha Binder SPD: Das ist ein Gesetzentwurf aus unserer Regierungszeit!)

Für die CDU-Fraktion er teile ich Frau Kollegin Gentges das Wort.

Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist nun zwei fellos ein ganz besonderes Fleckchen Erde,

(Abg. Willi Stächele CDU: Das ist richtig!)

und auch die hier laufende Notariatsreform ist deutschland weit einmalig. Bei uns sind sowohl Notarinnen und Notare im Landesdienst – badische Amtsnotare und württembergische Bezirksnotare – als auch hauptberuflich tätige sogenannte Nur-Notare und Anwaltsnotare bestellt.

Zum Ablauf des 31. Dezember 2017 werden alle staatlichen Notariate in Baden-Württemberg aufgelöst. Das war nun nie eine Herzensangelegenheit der CDU,

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Das kann man sa gen!)

sondern, wenn die Annalen es zutreffend wiedergeben, ein be sonderes Anliegen der FDP.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Sie hat sich damit – so berichtet die Überlieferung weiter – bei ihrem damaligen Koalitionspartner durchgesetzt und da für Zugeständnisse an anderer Stelle gemacht. Aber so sind Koalitionen eben.

Bis zur Auflösung der staatlichen Notariate sind es gerade ein mal noch 444 Tage. Es besteht in diesem Zusammenhang das Bedürfnis, den Übergang von den Amts- und Bezirksnotaren hin zu freiberuflich tätigen Notaren zu meistern. Der vorlie gende Gesetzentwurf tut dies insbesondere in drei Punkten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit, die bisher von den Notaren im Landesdienst erledigt wird, wird sich bis zum Stichtag 1. Januar 2018 nicht in Luft auflösen.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sehr gut! – Abg. Willi Stächele CDU: Sehr richtig!)

Die bis zum 31. Dezember 2017 begonnenen notariellen Ge schäfte wickeln sich nicht von allein ab. Sie lösen vielmehr auch danach noch Vollzugsmaßnahmen aus. Wenn wir die be

troffenen Bürger und die Wirtschaft nicht im Regen stehen lassen wollen und es vorziehen, auf Amtshaftungsansprüche und auf ansonsten zu befürchtende Einnahmeausfälle zu ver zichten, müssen wir die Abwicklung der offen bleibenden Vor gänge regeln.

(Abg. Willi Stächele CDU: Sehr gute Rede!)

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass dafür Notari atsabwickler bestellt werden. Das können schon bestellte freie Notare sein, aber auch Statuswechsler oder Notare, die im Landesdienst verbleiben. Die Notariatsabwickler, deren Tä tigkeit auf zwölf Monate befristet wird und als Nebentätigkeit erfolgen soll, stellen sicher, dass alle Geschäfte eines staatli chen Notariats erfolgreich abgewickelt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits in der vergangenen Legislaturperiode war es Konsens, dass die Sonderlaufbahn des württembergischen Bezirksnotars über das Jahr 2017 hi naus fortgeführt werden soll. Im Gegensatz zu den badischen Amtsnotaren, die als Volljuristen dem höheren Dienst zuge ordnet sind, sind die württembergischen Bezirksnotare dem gehobenen Dienst zugehörig. Während badische Amtsnotare, die im Landesdienst verbleiben, im allgemeinen höheren Jus tizdienst, also als Richter und Staatsanwälte, eingesetzt wer den können, können die württembergischen Bezirksnotare, die im Landesdienst verbleiben, nur noch Tätigkeiten in den zen tralen Grundbuchämtern sowie bei den Nachlass- und Betreu ungsgerichten ausüben.

(Abg. Willi Stächele CDU: Das machen sie aber gut!)

Deshalb ist besonders wichtig, dass mit der Fortführung der Sonderlaufbahn des Bezirksnotars den Betroffenen die Pers pektive einer Beförderung nach Besoldungsgruppe A 13 oder A 14 erhalten bleibt. Gewährleistet wird dies durch die Ergän zung weiterer Funktionszusätze bei der Amtsbezeichnung Be zirksnotar.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf sieht darüber hinaus die Einrichtung sogenann ter Grundbucheinsichtsstellen bei den Bürgermeisterämtern vor. Dadurch hat der rechtsuchende Bürger auch in Zukunft die Möglichkeit, wohnortnah Einsicht in Grundbuch und Grundakten zu erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies alles sind notwendige Maßnahmen für eine bürgernahe, serviceorientierte Justiz, wie sie von den Koalitionspartnern vereinbart wurde. Darum wird die CDU-Fraktion dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung auch zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Ausgezeichnet! – Zuruf von der CDU: Sehr verständ lich!)

Für die AfD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Dr. Balzer.

(Zurufe von der SPD, u. a.: Jetzt bin ich gespannt! – Jetzt kommt Gender!)

(Zuruf von der SPD: Nein! – Gegenruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Im nächsten Kapitel wieder!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Her ren, sehr geehrter Herr Minister Wolf! Harte, trockene Kost ist dieses Thema in der Tat. Ein spannendes Thema – Notari ate, bleiche Urkunden, man riecht schon förmlich den Akten staub, wenn man an all die alten Amtsnotariate denkt, ein biss chen verstaubt, ein bisschen überkommen. Das wird jetzt dank der Reform alles besser. Der Aktenstaub wird durch den Fein staub aus dem Drucker in der Grundbucheinsichtsstelle ersetzt – ein genialer Fortschritt.

Lieber Herr Kollege Binder, so, wie ich die Haftanstalten be sucht und kennengelernt habe, habe ich auch tatsächlich das alte Notariat kennengelernt und konnte es mit den schicken, modernen Anwaltskanzleien vergleichen – gar kein Vergleich. Der Kaffee, das Ambiente – alles ist deutlich schöner. Auch die Unterlagen, Herr Binder, die Drucksachen; den Gesetz entwurf habe ich zu lesen versucht – in der Tat „harte, trocke ne Kost“.

Um was geht es hier? Um eine faktisch bereits beschlossene Reform. Ist das die Aufgabe dieses Parlaments? Die Notari atsreform beschäftigt uns alle bereits seit geraumer Zeit. Sie ist nicht mehr aufzuhalten. Das ist schade. Das ist deshalb schade, weil eine effektive, eine effiziente, eine leistungsfä hige Struktur, die sich seit über 200 Jahren in Baden-Würt temberg bewährt hat, geopfert und abgeschafft wird.

Der Staat verzichtet dabei laut Rechnungshof auf eine jährli che Einnahme von 60 bis 120 Millionen € – je nachdem, wie man die Personalkosten verrechnet.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sonst können Sie doch mit dem Staat auch nichts anfangen!)

Nein, das ist nicht meine Meinung.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Das Geld fließt in Zukunft in private Taschen – auch nicht schlecht. Für die Notariatsabwickler sollen weitere 8 Millio nen € aufgewendet werden. Wenn man sich das leisten kann, bitte sehr. Ich bin da etwas anderer Auffassung. Es wäre viel leicht sinnvoller gewesen, wenn man die vorhandenen Struk turdefizite – der Rechnungshof monierte erstaunlicherweise eine zu geringe Anzahl von Notariaten in Baden-Württem berg, Terminprobleme, Wartezeiten und die Ausstattung mit mangelnder EDV – beseitigt hätte.

Dass Privatisierung Wartezeiten reduziert, ist, finde ich, ein interessanter Denkansatz. Man weiß ja, dass die meisten Ärz te Privatunternehmer sind. Dort gibt es auch Wartezeiten. Aber dies hat wahrscheinlich nichts miteinander zu tun.

Im Notariatswesen hätte man diese Sachen vielleicht auch ver bessern können. Aber man muss sich wohl dem zentralisti schen Harmoniebestreben des EuGH unterwerfen. Die Sub sidiarität bleibt damit wieder einmal auf der Strecke.

Wo bleibt ein Wettbewerb der Systeme? Den haben wir auch nicht mehr. Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren für ein

gutes und ein besser werdendes Notariatswesen wird mit die ser Reform ebenfalls ausgehebelt – all das, um ein Vertrags verletzungsverfahren zu vermeiden, um die Europarechtskon formität zu wahren, trotz der sicherlich damit verbundenen Nachteile. Was für ein Vertrag ist das, bitte schön? Was für Verträge sind das, wenn wir jemanden bestrafen, wenn man ein besseres System nicht an die Stelle eines schlechteren Sys tems setzen kann?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)