Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Nun aber ganz unabhängig von der Systemfrage. Haben Sie schon gehört, wie die Stimmung im gehobenen Justizdienst ist? Wahrscheinlich nicht. Sehr viele Notare und Notariatsver treter – danke, Sie haben es vorhin sehr deutlich ausgeführt –, die nicht bei den freiberuflichen Notaren unterkommen kön nen, nehmen den Beamten im gehobenen Justizdienst viel leicht mögliche Planstellen weg. Die Stimmung kann man sich vorstellen.

Was die Sozialverträglichkeit der Umsetzung dieser Reform angeht, verweise ich auf zwei Kleine Anfragen der CDU-Frak tion vom Juli und vom November des letzten Jahres. Begrün dete Zweifel wurden hier ebenfalls geäußert.

Zu den Regelungen über die Grundbucheinsichtsstellen ist zu sagen, dass die bisherige, sehr kleinteilige Struktur der justi ziellen Aufsicht über die Notariate und über die Grundbuch ämter nun durch eine Aufsicht über die Ratschreiber und die Grundbucheinsichtsstellen perpetuiert, also weitergeführt, wird.

Von einer Vielzahl von Kleinstbehörden werden jetzt Kleinst beträge erhoben und an die Landeskasse weitergeführt. Ange sichts dieser Reform erscheint das wiederum etwas anachro nistisch. Immerhin: Der Notariatsabwickler scheint nun der letzte Sargnagel zu sein, der geschliffen worden ist, um das funktionierende Notariatswesen ins Grab zu tragen.

Der Staat kreiert – zumindest für eine gewisse Zeit – einen neuen Beruf, den jeder Notar ausüben kann, auch wenn er spä ter nicht direkt als Notar arbeitet. Das Zubrot, das man sich dabei verdienen kann, ist fürstlich. Es gibt keinen Grenzwert nach oben. 7,5 Millionen € sind für diese notarielle Nebentä tigkeit vorgesehen. Bei etwa 200 Abwicklern kommt man für neun Monate Tätigkeit auf Vergütungen in Höhe von etwa 37 000 €. Das ist auch nicht ganz schlecht.

Dann noch zu sagen, dass dadurch keine Kosten für private Haushalte entstehen würden, hat etwas mit der „Heiko-MaasLogik“ zu tun. „Da zahlt doch der Staat, nicht der Steuerzah ler“, hat er einmal in einem Euphemismus gesagt. Wenn das Land aber etwas zahlt, dann sind es immer die privaten Haus halte, die es letztendlich finanzieren.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als eine strikte Kontrolle der Abwicklung nach Inkrafttreten der Notariatsreform im Jahr 2018 zu fordern. Ansonsten ist der Reform zuzustimmen.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Kollegen Binder.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Notariats- und Grundbuchamtsreform be schäftigt uns schon sehr lange. Die damalige Entscheidung der CDU-FDP/DVP-Regierung war sicherlich das Ergebnis von Verhandlungen der beiden Koalitionspartner, aber vor al lem natürlich den europarechtlichen Vorgaben geschuldet.

Insofern: Wenn es stimmt, dass die FDP/DVP Zugeständnis se gemacht hat, damit die CDU dem zustimmt, würde mich einmal interessieren – – Denn dafür, was europarechtlich vor gegeben ist, muss man, Herr Kollege Goll, ja eigentlich kei ne Zugeständnisse machen.

Insofern glaube ich, dass wir uns rechtlich auf dem richtigen Weg befinden. Natürlich ist es ein beschwerlicher Weg für all diejenigen, die als Notare im Staatsdienst arbeiten, weil es für sie, soweit sie jetzt nicht als Nur-Notare tätig werden, eine Umstellung in ihrem Leben bedeutet.

Deshalb haben wir uns auch über Fraktionsgrenzen hinweg schon in der vergangenen Legislaturperiode darum bemüht, diese Reform so sozial verträglich wie möglich umzusetzen, und zwar nicht nur für die Notare, sondern auch für die An gestellten in den Notariaten, und auf der anderen Seite trotz dem in der Übergangszeit und nach 2018 ein funktionsfähi ges Notariatswesen beizubehalten.

Genau dazu dient der Gesetzentwurf, den Minister Wolf ein gebracht und auch begründet hat. In diesem Zusammenhang hat er auch auf seine Amtsvorgänger verwiesen. Ich glaube, da herrscht mittlerweile eine große Einigkeit. Wir schaffen den Notariatsabwickler. Das gefällt mir im Allgemeinen an Juristen, dass man die Personen nach dem benennt, was sie auch tun. In anderen Politikfeldern hingegen gibt es oft Um schreibungen für das, was tatsächlich gemeint wird. Insofern: Es sind Abwickler.

Das ist eine wichtige Position; denn wir müssen schauen, dass die bereits begonnenen Prozesse dann auch abgeschlossen werden können. Denn das Notariatswesen ist zwar in der Um setzung der Reform eher etwas Trockenes, aber es ist ein wichtiger Bestandteil des Wirtschaftsstandorts Baden-Würt temberg, weil die Notare vor allem beim Grundstückswesen eine wichtige Rolle spielen. Da geht es nicht nur um das Ein familienhaus, sondern da geht es um große Grundstückskäu fe mittelständischer und größerer Unternehmen. Wir müssen dafür geradestehen, dass wir die Rahmenbedingungen schaf fen, dass die Arbeit in den Notariaten gut erfüllt wird.

Insofern werden wir diesem Gesetzentwurf in der vorliegen den Fassung zustimmen. Wir sind überzeugt, dass wir mit die sem großen Konsens, der mittlerweile hier im Landtag herrscht, auch viele Dinge, die im Verlauf dieser Reform auch von den Notarvereinen in Württemberg und Baden an uns herangetra gen worden sind, aufgenommen haben.

Wir haben sicherlich nicht alles aufnehmen können; hierzu zählt beispielsweise der Wunsch nach einer Frühpensionie rung mit 60 Jahren. Wir waren uns einig, dass das nicht mög lich ist. Aber wir haben dort, wo wir gesagt haben, dass das berechtigt und auch möglich ist, und wo es vor allem die Funktionsfähigkeit des Notariatswesens garantiert, auch mit den Notaren und den Angestellten gute Lösungen gefunden.

Ein Teil dieser vereinbarten Lösungen liegt uns heute als Ge setzentwurf vor. Deshalb werden wir dem zustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Nun hat sich also offenbar festgesetzt, dass diese Reform als von uns veranlasst betrachtet wird –

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: In der Tat! – Zu ruf von der CDU: Ehre, wem Ehre gebührt!)

was falsch ist. Aber ich sage jetzt nichts mehr, weil diese Re form ja offensichtlich ein Erfolg wird.

(Heiterkeit des Abg. Sascha Binder SPD)

Das kann man ja nicht von allen Reformen sagen. Gut, aber jedenfalls diese Reform scheint wirklich ein Erfolg zu wer den. Deswegen widersprechen wir nicht mehr.

Übrigens zum Thema Zugeständnisse: Ich habe versucht, mich zu erinnern, welche Zugeständnisse es sind. Mir ist da wenig eingefallen –

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Die waren damals halt nicht schriftlich fixiert!)

vielleicht einige Vorschlagsrechte für Versorgungsposten; ich weiß es nicht. Ich verspreche, ich sage es ein letztes Mal: Die treibende Kraft war in der Tat die EU. Es war eine Gruppe von Notaren im Badischen, die reichlich aggressiv vorgegangen sind und sich die EU-Entwicklung zunutze gemacht haben. Es war aus meiner Sicht auch noch die Notarkammer; dieser waren wir ebenfalls ein Dorn im Auge – als einzige Ausnah me. Es waren alle Möglichen, wenn man ehrlich ist – nicht wir oder ich.

Es ist fast noch etwas paradox, aber der ursprüngliche Vor schlag nach 1996 lief auf die Schaffung eines Landesbetriebs hinaus. Diese Vorstellung ist an meinen Freunden von der CDU gescheitert, insbesondere an Günther Oettinger, der ge meint hat, dass dadurch das staatliche Notariat zu leistungs fähig würde. Sie können ihn gern fragen. Umgekehrt hat er natürlich auch diese Reform unterstützt, die in Richtung freie Berufe ging; das muss man ebenfalls deutlich ansprechen.

Aber nun lassen wir die Geschichte ruhen. Die Reform ist auf einem guten Weg. Es freut uns – und mich natürlich beson ders –, dass dort bisher nichts Ernsthaftes schiefgegangen ist und wir alle Chancen haben, dass auch der Rest gut geht. Man könnte sagen: Dieses Gesetz puffert Risiken ab, für die Re form überhaupt, aber auch für möglicherweise nachteilig Be troffene dieser Reform im staatlichen Notariat. Es puffert Ri siken für alle ab, für die Reform überhaupt, da es um die lü ckenlose Sicherung notarieller Leistungen geht. Das ist das Wichtigste.

Aber es wirkt natürlich auch bestimmten Härten entgegen, die insbesondere bei älteren Notarinnen und Notaren im Landes dienst auftreten können. Denn wenn man ein junger Mensch

ist, wäre zumindest für mich die Sache klar: Dann wollte ich ins freie Notariat, denn es bietet glänzende Chancen. Aber je näher die Pensionsgrenze rückt, desto mehr machen sich die Betroffenen – das ist nachvollziehbar – Gedanken, die Chan cen und Risiken betreffend.

Eine solche Einrichtung wie der Notariatsabwickler dient durchaus beiden Zielen: zum einen der Sicherung der Leistun gen, und zum anderen bietet er jenen interessante Weiterbe schäftigungsmöglichkeiten, die den Statuswechsel nicht vor nehmen – nicht nur, aber eben auch jenen. Außerdem kommen weitere attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten hinzu, auch für jene, die im Landesdienst bleiben, obwohl sie vielleicht, wenn sie jünger gewesen wären, gern gesprungen wären.

Insofern kann man diesen Gesetzentwurf nur rundum begrü ßen. Es gibt zwar, glaube ich, in den Reihen der Statuswechs ler die Meinung, dass sie das auch so in den Griff bekommen hätten, aber es ist richtig, bei einer so wichtigen Reform auch in gewisser Weise „mit Gürtel und Hosenträger“ zu arbeiten. Deshalb ist es selbstverständlich, dass wir diesem Gesetzent wurf zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der CDU und der AfD)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Ausspra che ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/216 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so be schlossen.

Punkt 3 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Mitglieder der Regierung, bevor wir in die Mittagspause eintreten, darf ich darauf aufmerksam machen, dass wir heute Mittag das Deut sche Rote Kreuz, den Arbeiter-Samariter-Bund und den Ver band der Anästhesisten begrüßen dürfen, die uns das Thema „Erste Hilfe und Reanimation“ mithilfe des Projekts „Löwen retten Leben“ anhand praktischer Vorführungen näherbringen wollen.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Wer stellt sich zur Verfügung?)

Das machen wir noch aus, lieber Kollege.

Gern bieten wir diesen Organisationen und dem Verein „Clowns im Dienst“ aus Tübingen, die Sie heute früh bereits gesehen haben und dessen Vertreter uns auf ihre besondere Arbeit in Kinderkliniken und Seniorenheimen hinweisen möchten, die Gelegenheit, sich bei einem Imbiss mit uns aus zutauschen. Ich würde mich freuen, wenn sich möglichst vie le von Ihnen diesem wichtigen Thema widmen würden, und darf Sie zu diesem Termin herzlich einladen.

Ich schlage vor, dass wir die Sitzung um 14:00 Uhr fortset zen.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:30 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:01 Uhr)

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: