Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schwarz, bei durchaus mancher Sympathie, mit der ich Ihren Redebeitrag verfolgt habe, hätte ich mir heute übrigens auch seitens der Grünen ein klares Bekenntnis zu Gemeinschaftsschulen gewünscht.

(Beifall bei der SPD)

Aber wenn diese Landesregierung in ihrem vorgestellten Haushalt jetzt so viel in die Bildung investieren kann, dann nicht zuletzt deswegen, weil die SPD in den vergangenen fünf Jahren auch Grünen-Streichungspläne bei Lehrerstellen mas siv abgeblockt hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle fest: Vieles wurde angegangen, und in der Tat blei ben heute eine ganze Reihe von fachlichen Diskussionen, die wir in der vergangenen Legislaturperiode bereits angefangen haben. Um nur einige zu nennen: Fachlehrerprinzip, weitere Stärkung von Schulleitungen, Schulvielfalt versus stabile und einfache Schulsysteme, die unterschiedlichen Methoden des Lesen- und Schreibenlernens in Baden-Württemberg, die Fra ge der Vereinheitlichung – oder auch nicht – der Methoden an den PHs in Baden-Württemberg. Wie können wir Eltern in ih rer Erziehungskompetenz stärken, und zwar nicht nur Mi grantinnen und Migranten? Welche Daten für die Erkenntnis se sollten genutzt werden? Welche haben wir, und welche brauchen wir? Warum ist Schleswig-Holstein – wie gesagt,

das Vorzeigeland auch in Sachen Gemeinschaftsschulen – so erfolgreich? Akzeptanz, Zweisäulensystem und Fortbildungs kultur, sagt hier die Presse. 87 % der Lehrerinnen und Lehrer in Schleswig-Holstein nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil.

Wie sieht es in Baden-Württemberg aus? Wir brauchen inei nander greifende, abgestimmte Fortbildungssysteme. Welche Anpassungen müssen wir gegebenenfalls vornehmen? Das Stichwort lautet: gezielte Personalentwicklung. Wie verstär ken wir gegebenenfalls noch mehr den Fokus in Richtung Un terrichtsqualität?

Fazit: Erstens: Heute diskutieren wir Ergebnisse, die im We sentlichen auf schwarz-gelben Grundlagen beruhen.

(Vereinzelt Lachen – Zuruf: Glauben Sie das eigent lich? – Weitere Zurufe)

Herr Kern, bitte zuhören!

Inwiefern es mit den roten und grünen Reformen gelungen ist, an dieser Stelle erfolgreich entgegenzuwirken, kann anhand der heutigen Ergebnisse noch nicht gesagt werden. In jedem Fall brauchen wir aber genügend Lehrerstellen. Sie dürfen da her, wie von Ihnen geplant, nicht über 1 000 Lehrerstellen ab bauen. Eine deutliche Verschlechterung der Unterrichtsver sorgung wäre die Folge. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Die Ergebnisse gehen uns alle etwas an. Ich unter breite Ihnen daher im Namen der SPD-Fraktion heute das An gebot, dass wir das Thema „Qualität an allgemeinbildenden Schulen“, wie nicht nur von der GEW gefordert, im Rahmen einer Enquetekommission zusammen bearbeiten. Wir sind be reit, im Sinne des Landeselternbeirats in einem gemeinsamen Dialog mit allen Beteiligten nach Lösungen zu suchen. Es ob liegt Ihnen heute, unser Angebot anzunehmen oder es abzu lehnen. Es wäre aber im Sinne der Schülerinnen und Schüler in unserem Land gut, es anzunehmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Frau Ministerin Dr. Eisenmann.

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos] erhebt sich von seinem Platz.)

Herr Abg. Dr. Gedeon, Sie haben eine Redezeit am Ende der zweiten Runde.

Bitte, Frau Ministerin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute zum wiederholten Mal über ein Thema reden, das offensichtlich niemanden über rascht hat, wie ich der Presse entnehme, also die GEW nicht und auch die Eltern nicht. Niemanden hat es überrascht. Ich meine aber schon, dass wir konstatieren müssen – da stimme ich auch den Vorrednerinnen und Vorrednern zu –, dass das tatsächlich eine Entwicklung ist, die sich abgezeichnet hat.

Heute reden wir über das Thema IQB. Wir hatten im Juli schon das Thema VERA 8, und wir hatten vor zwei Jahren das Thema VERA 3. Auch da zeigte sich diese Entwicklung. Ich stimme auch meinen Vorrednern insofern zu, als so eine Ent wicklung nicht eruptionsartig kommt. Deshalb heißt es auch „Entwicklung“. Das führt einen Prozess mit sich. Dass aller dings in den letzten Jahren von 2009 auf 2015 nach IQB der Absturz eklatant war, können wir definitiv nicht verhehlen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Deshalb glaube ich auch, dass es sinnvoll ist, sich mit den Er gebnissen zu befassen – ich habe es mehrfach gesagt –: in al ler Ruhe, in aller Konsequenz, ohne Panik, aber auch mit der gebotenen Eile in der Hinsicht, dass wir es uns nicht leisten können, ewig auf diesen Ergebnissen stehen zu bleiben. Das kann nicht das gemeinsame Ziel des Bildungsstandorts Ba den-Württemberg sein, unser aller gemeinsames Ziel nicht.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der FDP/DVP)

Ich bleibe auch dabei, dass das auch im Sinne dessen ist, was im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU definiert ist, näm lich das Thema Qualität, zu dem ich gleich noch etwas sagen werde, aber auch Verlässlichkeit und ein Ruhe-Hineinbringen. Ich glaube, dass das alles tatsächlich etwas ist, was auch ein Ergebnis der IQB-Ländervergleichsstudie ist, nämlich Ruhe hineinzubringen, keine weiteren Diskussionen über Schul strukturen, über deren Ausstattungen zu führen, sondern auf der Basis, die derzeit vorhanden ist, zu arbeiten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! So ist es!)

Aber diese Basis ist wahrlich nicht optimal. Sonst wären die Ergebnisse andere.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Herr Fulst-Blei, natürlich schauen wir uns Schleswig-Holstein an. Nur, mit Verlaub: Die Gemeinschaftsschule, die Sie jetzt so in den Mittelpunkt gestellt haben, war nicht Teil der Tes tierung. Denn so lange gibt es die in Schleswig-Holstein noch gar nicht.

(Unruhe bei der SPD)

Deswegen können Sie die jetzt nicht anführen. – Nein, Sie ha ben sie als Beispiel dafür angeführt, dass es ein Erfolg in Schleswig-Holstein sei – ich zitiere Sie –, dass die Gemein schaftsschule dort ein Teil des Schulsystems sei. Vielleicht sei das Teil des Erfolgs. Ich antworte Ihnen: Das weiß ich nicht, weil sie nicht testiert worden ist. So viel auch zur Wahrheit in dieser Diskussion.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Was wir uns aber auch anschauen werden ist die Frage, war um Bayern und Sachsen seit vielen Jahren die Konstanz ha ben, die wir uns wünschen und die auch wir einmal hatten. Denn auch Erfolgsmodelle muss man sich anschauen.

Deshalb lautet die Aufgabenstellung, jetzt gemeinsam daran zu arbeiten, wie wir Qualität in den einzelnen Bereichen dar

stellen können. Ich sage Ihnen auch gern dazu, wie wir uns dies insgesamt vorstellen. Natürlich werden wir im Rahmen dieser Diskussion und dieser Erarbeitung Experten hinzuzie hen, nicht nur wissenschaftliche, sondern natürlich auch Schulpraktikerinnen und Schulpraktiker. Natürlich werden wir mit den Partnern, die im Verbandswesen, im Elternbereich tä tig sind, darüber sprechen, was sie bisher wussten und warum man bisher dazu nichts gehört hat.

Nur, die Antwort allein, zu sagen, wir brauchten mehr Lehre rinnen und Lehrer – nach dem Motto „viel hilft viel“ –, ge nügt nicht. Dafür sind unsere Quoten im Verhältnis Schüler/ Lehrer zu gut, als dass dies als Argument tatsächlich griffig zählen würde.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Die Frage ist tatsächlich, wie unsere Lehrer den Rücken frei bekommen, um tatsächlich wieder – Herr Fraktionsvorsitzen der Reinhart, Sie haben es angesprochen – Lehrer sein zu kön nen. Das werden wir uns anschauen. Genau das ist der Grund – Herr Fraktionsvorsitzender Schwarz, Sie haben es angespro chen –, warum wir, die Kollegin Sitzmann und ich, uns schon im Frühsommer darauf verständigt haben, dass wir uns natür lich vom Landesrechnungshof genau zu diesem Punkt eine Aussage wünschen: Wie ist denn der Ressourceneinsatz? Wenn man den Durchschnitt heranzieht, haben wir offensicht lich nicht zu wenig Lehrer. Die Frage ist: Sind sie an der rich tigen Stelle?

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Sind sie richtig ausgebildet? Sind sie richtig fortgebildet? Ge nau das sind die Themen. Natürlich werden wir auch dazu kommen, uns die einzelnen Schularten anzuschauen; denn Sie sind jetzt in der Diskussion darauf eingegangen, wie der Res sourceneinsatz ist. Aber wir werden dies in aller Ruhe tun, oh ne die Schularten gegeneinander auszuspielen. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, genauso wenig, wie es der richtige Zeitpunkt ist – das hat keiner von Ihnen gemacht; dafür bin ich Ihnen auch dankbar –, die Frage aufzuwerfen, ob unsere Lehrerinnen und Lehrer genügend Einsatz zeigen. Das tun sie. Die Frage ist: Wie ertüchtigen wir sie? Wie ist die Auswahl unserer Lehrerinnen und Lehrer? Welche Qualität haben wir auch hier an den Schulen, und welche Unterstützung brauchen wir?

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Genau das sind Punkte, die wir uns anschauen werden und wobei der Landesrechnungshof – deshalb die Überprüfung des Ressourceneinsatzes – für uns gutachterlich ein zentraler Partner ist. Genau deshalb haben wir ihn und werden ihn dies bezüglich auch bitten.

Natürlich geht es darum, die Kernfächer Deutsch und Mathe matik zu stärken. Wir haben damit in den Grundschulen an gefangen. Herr Fulst-Blei, ja, es ist richtig: Sie haben es be schlossen, und Sie haben es auch im Wahlkampf verkündet. Das mit der Finanzierung hatten wir schon vor zwei Wochen. Das haben Sie leider vergessen. Aber die Finanzierung ist halt die Grundlage dafür, dass man die Vorhaben umsetzen kann.

Voraussetzung ist, dass man die erforderlichen Ressourcen hat. Dieser Hinweis sei erneut gestattet.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Genauso wird die Frage der Qualität eine Rolle spielen. Da werden wir mit vielen Partnerinnen und Partnern sprechen. Denn die Frage, wie Qualität und Leistung künftig definiert werden, wird natürlich eine Frage sein, die die Grundlage dar stellt und über die wir gemeinsam diskutieren müssen. Natür lich ist dafür – ich zitiere gern; Sie haben es angesprochen: „auf den Anfang kommt es an“ – die Grundschule entschei dend. Bei VERA 8 – darauf möchte ich schon verweisen – wa ren übrigens alle achten Klassen – auch die der Gemein schaftsschule – involviert. Auch diese Ergebnisse, die im Ju li 2016 vorgestellt wurden, waren wahrlich nicht gut. Gerade was Rechtschreibung, Orthografie, angeht, haben wir in Ba den-Württemberg ein existenzielles Problem. Deswegen wer den wir uns das anschauen. Ich habe es mehrfach gesagt – die Verordnung wird abgeschafft; das ist bereits auf dem Weg –: Schreiben nach Hören hat in diesem Land keine Zukunft mehr.

(Beifall bei der CDU und der AfD sowie Abgeordne ten der Grünen und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Die Neustrukturierung der Grundschulempfehlung wird in der kommenden Woche im Kabinett behandelt. Wir werden dies auf den Weg bringen. Es ist eine gemeinsame Zielsetzung die ser Landesregierung, dass wir wieder mehr Beratung und mehr Struktur in Bezug auf die Frage bekommen: Welche wei terführende Schule ist für das Kind sinnvoll und welche nicht? Das werden wir zügig umsetzen. Denn das ist ein Handlungs schwerpunkt.

Die Themen Lehrerfortbildung und Lehrerausbildung habe ich angesprochen.

Stärkung der Schularten: Natürlich brauchen wir analog zur zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft in allen Schul arten auch die Förderung der Schwächeren