Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Wenn die regierenden Kräfte in Baden-Württemberg so wei termachen, dann steht zu befürchten, dass Porsche und Mer cedes ihre Standorte schon bald ins sächsische Zwickau ver lagern werden. Wir können dann ja hier die tot geglaubten Trabbi-Werke wieder zum Leben erwecken.

Qualifizierten und kompetenten Nachwuchs bekommen wir nur in einem gegliederten Schulsystem, das die Begabungen und Stärken von Schülern erkennt und fördert. Wir brauchen endlich wieder Bildungsvielfalt statt der von oben verordne ten Bildungseinfalt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, stellen wir es angesichts der Er eignisse dieser Nacht – an dieser Stelle meine Gratulation an Donald Trump zu seinem ganz grandiosen Wahlerfolg –

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Buh-Rufe von den Grünen und der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Das glaube ich!)

abschließend einmal in einen etwas größeren Kontext: Eine Politik des Establishments, das profilierungswütig an den In teressen der Menschen – hier gar der Kinder – vorbei refor miert, nur um des Reformierens willen, wird die vernichten den Resultate ernten, mit denen wir uns hier konfrontiert se hen. Dafür wird dieses gesamte linke Establishment abgestraft werden; das werden Sie sehen.

(Beifall bei der AfD)

Es ist an der Zeit für freiheitlich-konservative, vernunftbeton te und ideologiefreie Politik: überall, aber ganz besonders im Bildungswesen. Und für diese steht in Deutschland sage und schreibe noch eine Partei, und das sind wir, die AfD.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Ober ideologen!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Liebe Frau Präsidentin, Kol leginnen und Kollegen! Herr Kollege Rülke, ich bin Ihnen dankbar. Von der AfD habe ich das ja nicht anders erwartet, aber Sie haben heute nun einmal erläutert, wie der Landesel ternbeirat eigentlich zu der Überschrift seiner IQB-Pressemit teilung gekommen ist: „Aktuelle IQB-Studie ist auch ein In telligenztest für Politiker“. Herr Reinhart, an Ihre Adresse muss ich sagen: Das ist eine verpasste Chance. Tatsache ist, dass die Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs uns alle nicht zufriedenstellen können; das gilt für alle hier im Haus.

Es stimmt, insbesondere für Deutsch müssen wir eine ungüns tige Entwicklung feststellen, was die Bereiche Zuhören und Lesen angeht. Die Gymnasien stehen hier zwar noch am bes ten da, aber auch hier haben wir Verschlechterungen im Spit zenbereich.

(Zuruf von der AfD: „Hey Alter“!)

Die Gemeinschaftsschulen sind aber überhaupt nicht getestet worden.

(Zuruf: Zu Ihrem Glück!)

Selbst die Veränderungen bei der Grundschulempfehlung seit 2012 konnten gar nicht berücksichtigt werden.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Zuhören, Herr Röhm. Sie können etwas lernen. – Interes santerweise oder zufälligerweise hat nämlich die IQB-Studie 2015 damit genau den letzten Jahrgang des alten, dreigliedri gen Schulsystems inklusive verbindlicher Grundschulemp fehlung abgetestet – aus schwarz-gelber Regierungszeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Zugrunde liegt weiter – – Lieber Herr Mack, Sie können sich an dieser Stelle noch nicht einmal auf die Gnade der späten Wahl berufen. Denn zugrunde liegt weiter der schavansche Bildungsplan von 2004.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja, ja!)

Vor diesem Hintergrund empfehle ich also CDU und FDP/ DVP, statt Schuldzuweisungen vorzunehmen, lieber ein biss chen Demut zu üben.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja, ja! – Unruhe)

Wir diskutieren heute auch eine Bilanz Ihrer Schulpolitik.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Manfred Kern GRÜNE – Abg. Winfried Mack CDU: Das war dann 2009! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wie war das mit dem Intelligenztest?)

Darauf komme ich noch. Herr Rülke, seien Sie dankbar, und passen Sie auf, dass der LEB nicht einmal mit Ihnen einen IQB-Intelligenztest durchführt. Nach der Leistung heute sind Sie gnadenlos durchgefallen.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD – Buh-Rufe – Unruhe – Abg. Winfried Mack CDU: Frau Präsiden tin!)

Ich behaupte auch nicht, dass wir mit all unseren Reformen möglicherweise all diese Probleme lösen konnten.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Möglicher weise“!)

Wir haben übrigens diese Wirkung – – Die können wir heute auch gar nicht beurteilen, weil der Test, über den wir heute diskutieren, dies präzise nicht erfassen kann. Wir hatten 2011 aber unsere Gründe, mit umfassenden Reformen zu beginnen. Herr Schwarz hat an dieser Stelle übrigens recht: Heute heißt die Aufgabe Analyse und nicht Aktionismus. Es gab nämlich auch Personen, die das Ergebnis durchaus so vorausgeahnt ha ben. Hierzu zitiere ich Sabine Leber-Hoischen vom Landes elternbeirat: Das Ergebnis konnte nicht überraschen, da es sich um eine Fortschreibung der schlechten Werte für die Grund schule von 2011 – Ihrer Regierungszeit – gehandelt hat.

Und auf dieses damals durchschnittliche Ergebnis der IQBGrundschulstudie – vor fünf Jahren – hat übrigens auch Pro fessor Dr. Hans Anand Pant, Geschäftsführer der Deutschen Schulakademie und ehemaliger IQB-Leiter, in der „Stuttgar ter Zeitung“ im Interview mit Frau Allgöwer hingewiesen. Die Ergebnisse der Studie zeigen insbesondere auf, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien Probleme haben. Somit sind auch Kinder mit Migrationshintergrund betroffen, aber auch Jugendliche ohne Migrationshintergrund zeigen einen Leis tungsabfall.

In der Analyse müssen wir meines Erachtens auch berücksich tigen, dass Baden-Württemberg eine deutlich stärkere Zuwan derung aus dem Ausland erfahren hat als andere Bundeslän der. Für uns ist das mit Blick auf die demografische Struktur in Baden-Württemberg, auf das Verhältnis von Jung und Alt, ein Vorteil, aber eben auch eine Herausforderung.

Eine Nebenbemerkung: Trotz mancher Kritik ist festzustel len: Die Studie ist sehr durchdacht angelegt, methodisch sau ber erstellt und extrem aufwendig gemacht. In Deutschland gibt es kein Bildungsmonitoring, die OECD-Studien sind kei ne deutsche Errungenschaft, die für sich in Anspruch nehmen kann, auf einem ähnlichen Niveau gearbeitet zu haben.

Trotzdem: Wir dürfen eben nicht außer Acht lassen, dass der bereits erwähnte schavansche Bildungsplan von 2004 vor den dem Test zugrunde liegenden nationalen Bildungsstandards verabschiedet wurde. Aber diese liegen dem Test zugrunde. Damit kann er aber für Baden-Württemberg nicht passgenau sein. Diese Passung – da bin ich bei Herrn Schwarz – können wir eventuell erst mit dem neuen Bildungsplan von 2016 er warten. Wir müssen also aufpassen, dass wir ein Stück weit nicht die berühmte Diskussion um Äpfel und Birnen im Ver gleich führen.

Die aktuell angeführten Forderungen aus der IQB-Studie im Hinblick auf das bestehende System, etwa von der Heidelber ger Bildungsforscherin Sliwka, haben wir in Teilen schon in der letzten Legislaturperiode, z. B. bei der Reform der Leh rerausbildung, berücksichtigt. Kurz umschrieben: mehr päd agogische Kompetenzen in der gymnasialen Ausbildung, mehr Fachwissenschaftlichkeit in der Ausbildung an pädagogischen Hochschulen. Frau Sliwkas Hinweise auf eine verbesserte ver bindliche Datennutzung zur Qualitätssicherung können vor dem Hintergrund der Erfolge in Schleswig-Holstein – übri gens ein Vorzeigeland auch in Sachen Gemeinschaftsschule – einen Hinweis für unsere Politik hier geben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Aber noch einmal: Im Grunde sind doch die Ergebnisse die ser Studie noch im Nachhinein eine Bestätigung der Notwen digkeit von umfassenden Reformen und Investitionen nach 2011. Herr Professor Trautwein hat doch recht: CDU und FDP/DVP haben damals viel zu lange die Problemlage igno riert.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Darum haben wir von der SPD uns zusammen mit den Grü nen für massive Investitionen im Kleinkindbereich eingesetzt. Infolgedessen hat Baden-Württemberg laut Bertelsmann Stif tung einen deutlichen Sprung – den größten unter den Bun desländern – nach vorn gemacht, und das liegt auch an der Stärkung der Sprachförderung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb haben wir von der SPD uns dafür eingesetzt, dass die Grundschulen gestärkt werden. Weitere Förderstunden in Ma thematik und Deutsch wurden noch von der alten Koalition bereitgestellt. Sie dagegen, Herr Kollege Reinhart, gehen jetzt hin und kürzen 160 der 320 von uns bereits im Grundschul bereich, also gerade für diese Fördermaßnahme, zugesagten Lehrerstellen. Wie wollen Sie denn das heute erklären?

(Beifall bei der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Nicht finanziert, Herr Kollege!)

Darum haben wir von der SPD uns für mehr Stunden auch an Realschulen und Gymnasien eingesetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Heute haben in Baden-Württemberg die Gymnasi

en die beste Schüler-Lehrer-Relation und nicht die Gemein schaftsschulen. Auch das muss einmal gesagt werden.

Interessant wird für mich übrigens, inwiefern es in fünf Jah ren möglicherweise Unterschiede zwischen G 8 und G 9 gibt, was die IQB-Ergebnisse angeht.

Aber, Herr Rülke: Wir führen doch nicht den G-9-Versuch ein, um das Gymnasium zu schwächen. Kommen Sie doch einmal aus Ihrer Mythosecke heraus.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Zu G 9 ha be ich nichts gesagt! Das Hörverständnis hat nachge lassen, Herr Kollege Fulst-Blei! – Vereinzelt Heiter keit und Beifall)

Wir haben klar und eindeutig alle Schulen fair behandelt. – Zuhören, Herr Kollege!

Deshalb haben wir vor dem Hintergrund der Ergebnisse Ihrer letzten IQB-Studie aus dem Jahr 2011, als die schlechten Da ten schon da waren, übrigens auch im Bereich der Ganztags schule konsequent investiert, weil wir wissen, dass es eine systematische Qualität im Bereich der Ganztagsschulen gibt – dazu gehören übrigens auch die Rhythmisierung und die Verbindlichkeit –, und weil wir wissen, dass insbesondere Kinder aus sozial schwachen Milieus hiervon besonders pro fitieren. Ich ermahne die Landesregierung ausdrücklich, an diesen Qualitätsstandards eben nicht zu rütteln. Gerade die Ergebnisse aus der Forschung und die Ergebnisse von heute sagen uns, dass wir uns im Gegenteil diese Qualität in den Ganztagsschulen aufrechterhalten müssen. Eine gute Ganz tagsschule muss mehr sein als nur Betreuung, Frau Ministe rin.

(Beifall bei der SPD)