Frau Ministerin, ich bin Ihnen dankbar. Ich zitiere aus Ihrer Rede: „Schularten nicht gegeneinander ausspielen“, haben Sie gesagt.
„Lehrerinnen und Lehrer weiter ertüchtigen“, haben Sie ge sagt. Das sind genau die richtigen Ansätze. Mehr Beratung und mehr Unterstützung bei der Qualitätsentwicklung, weni ger Fremdevaluation – da liegen Sie auf der richtigen Spur. Die regionale Schulentwicklung haben Sie erwähnt. Weniger fachfremder Unterricht, stabile, leistungsstarke Schulstandor te – wenn wir so weitermachen, können wir, glaube ich, un serem Ziel, einen Spitzenplatz in der nächsten Bewertung zu erreichen, gut nahekommen.
Für uns stehen im Mittelpunkt: Qualität, Leistung, Verläss lichkeit und Planbarkeit, Bildungserfolg, Bildungsgerechtig keit für die Kinder in unserem Land. Daran arbeitet meine Fraktion weiter.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kollegen Abgeordnete, meine Damen und Herren! Das Thema lautet heute „Spitzenland Baden-Württemberg“. Das Ergebnis der IQB-Studie, das uns jetzt bekannt ist, ist er schreckend. Es ist deshalb erschreckend, weil ja die eigentli chen Neuerungen der grün-roten bzw. grün-schwarzen Lan desregierung noch nicht einmal einbezogen wurden. Die Ab schaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung und
auch die Gemeinschaftsschule mit ihrer neuen Lernkultur, dem eigentlichen grünen Steckenpferdchen, wirken sich noch nicht aus. Das taucht hier noch nicht auf, da die betreffenden Schülerinnen und Schüler die neunte Klasse noch gar nicht erreicht haben.
Aber wir haben hier erste seismografische Schwingungen ei nes bildungspolitischen Erdbebens, dessen Epizentrum in die Messungen noch gar nicht mit einbezogen wurde.
Über Jahrzehnte haben wir uns in Deutschland an ein NordSüd-Gefälle in der Bildungslandschaft gewöhnt. Die südli chen Bundesländer mit konservativen Landesregierungen hat ten einen weit höheren Bildungsstandard zu bieten als die Städte und Bundesländer des Nordens, die ihre linke gesell schaftsverändernde Agenda verwirklichen wollten.
Nun hat es die grüne Landesregierung zusammen mit ihrem jeweiligen Juniorpartner – SPD bzw. jetzt CDU – geschafft, diesen Vorsprung innerhalb weniger Jahre zunichtezumachen. Meine Damen und Herren, woher kommt das eigentlich? Die Schulversuche und Strukturdebatten der vergangenen Jahre waren keineswegs Selbstzweck, sondern dienten einem Ziel, nämlich dem Ziel, die Tradition unserer Bildungsinstitutio nen, im Besonderen das Gymnasium und die Realschule, in frage zu stellen, zu schwächen und letztendlich massiv zu ver ändern – bösartig kann man auch sagen: zu zerstören.
Gehen wir diesen Reformbewegungen doch einmal auf den Grund. Die erste große Bildungsreform erfolgte 1970 mit der Einführung der Kursstufe, mit der Einführung der Mengen lehre. Angesichts des Altersdurchschnitts müssten Sie sich an die tolle Mengenlehre noch erinnern.
In den SPD-regierten Ländern wurde die Einführung der Ge samtschulen vorangetrieben. Wir haben das vorhin als leuch tendes Beispiel im Schatten von Schleswig-Holstein gehört.
Einige Jahre später wurde die neue Kursstufe schon wieder reformiert. Wir bekamen die reformierte Oberstufe – eine Re form der Reform. Stillschweigend wurde zurückgerudert. Wa rum denn? Weil das Ergebnis, gelinde gesagt, nicht zufrieden stellend war.
Dann kam der PISA-Schock mit übereilten Konsequenzen. Ruhe wurde hier bestimmt schon fünf Mal eingefordert – die haben wir in den Schulen seit 30, 40 Jahren nicht, stattdessen Kompetenzorientierung und Ganztagsschule. In Baden-Würt temberg zeichnet hierfür die bürgerlich-liberale Koalition von damals verantwortlich. Dann, mit der links-grünen Koalition unter Ministerpräsident Kretschmann, kam noch die Gemein schaftsschule dazu.
Was haben uns diese vielen Reformen eigentlich gebracht? Hat sich die Bildung der Kinder und Jugendlichen verbessert, wurde sie gestärkt?
Er hat im Jahr 1964 die „deutsche Bildungskatastrophe“ aus gerufen. Interessant ist, dass schon damals mithilfe von OECD-Studien das deutsche Bildungssystem immer wieder infrage gestellt wurde, um es dann grundlegend zu verändern, zu reformieren.
Die Grundlage für Pichts verheerende Diagnose war 1963 ei ne Untersuchung der OECD. Doch bei dieser Untersuchung ging es – schon damals – nicht um die Qualität, sondern es ging um den Bedarf an wissenschaftlichem und technischem Personal. Die Studie wollte – und das hat sie auch getan – ei ne Rückständigkeit des deutschen Bildungssystems belegen. Aufgrund einer damals niedrigen Akademikerquote meinte Herr Picht, den deutschen Schülern ein geringeres Bildungs niveau als ihren Altersgenossen in den übrigen europäischen Ländern attestieren zu können, und das im erfolgreichsten In dustrieland in Europa. Interessant. Übrigens: Er war in Frei burg akademischer Schüler von Martin Heidegger.
Picht leitete einen erheblichen Fachkräftemangel für Deutsch land ab. Auch das kommt uns heute, wenn wir in der Politik die Ohren spitzen, schon wieder bekannt vor. Immer wird auf einen Fachkräftemangel hingewiesen.
Schuld am Fachkräftemangel war – was könnte es anderes sein? – das dreigliedrige Schulsystem mit seiner Sozialausle se, und das galt es in einer umfassenden Reform zu bekämp fen.
Mir hat, Herr Kollege Kern, gefallen, was Sie vorhin gesagt haben: Natürlich ist die Erziehungsleistung der Eltern von ent scheidender Bedeutung. Das habe ich in meiner letzten Rede schon angedeutet.
Es ging auch Herrn Picht nicht darum, die Wettbewerbsfähig keit der deutschen Wirtschaft zu erhalten oder gar zu stärken oder den Wohlstand zu sichern. Vielmehr ging es um den Aus bau der Schulen, der Hochschulen und bei einer Verlängerung der Pflichtschulzeit um eine Erhöhung der Zahl der Abituri enten. Das erreicht man immer dann am allerleichtesten, wenn man einfach das Niveau absenkt.
Haben Sie etwas bemerkt, meine Damen und Herren? Es geht hier nicht um das Lernen, sondern es geht um die Ideologie, eine Systemveränderung.
(Beifall bei der AfD – Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja! Genau so ist es! – Zuruf von der AfD: Mittelmäßig keit! Genau!)
Das haben wir wieder bei dem Begriff Bildungsgerechtigkeit. Was haben wir hier eigentlich zu beachten? Ich habe mich im Sportunterricht beim Fußballtraining immer ungerecht behan delt gefühlt. Ganz einfach: Die anderen haben mehr Tore ge schossen als ich.
Das ist eine Schweinerei, also brauchen wir mehr Bälle und mehr Tore, und dann haben wir Gerechtigkeit und spielen al le das Gleiche.
Man müsste also den Sport reformieren. Genau das machen wir im Schulbereich. Wir wollen nicht akzeptieren, dass die Jugendlichen und Kinder verschieden begabt sind,
1968 hat die Kultusministerkonferenz auf Empfehlung der OECD die Mengenlehre eingeführt. Der fachlich strukturier te Matheunterricht wurde durch ein völlig neues Konzept er setzt. Der Schaden war immens. Acht Jahre hat es gedauert, bis man bemerkt hat, dass man dieses Konzept ändern sollte.
Im KM gibt es einen schönen Scherz: Fragen Sie einmal, wer das gemacht hat; dann ist Ihre Karriere bald beendet.
Analog zur Mengenlehre, die damals den fachlich aufbauen den Matheunterricht ersetzt hat, geht es heute um Kompeten zen – wiederum ohne fachlichen Inhalt. Aber genauso wenig, wie man mathematische Strukturen mithilfe der allgemeinen Begriffe der Mengenlehre beschreiben kann – das sagte sogar der Erfinder der Mengenlehre, Pawel Alexandrow; das war übrigens schon 1930 –, genauso wenig kann man Wissen und Können durch Kompetenz erfassen. Erfassen können Sie die Erfüllung der Kompetenz, die Performanz. Aber deswegen haben wir Kompetenz zu Messzwecken, wegen der Noten un terteilt – irgendwie müssen wir ja Noten vergeben –: Sozial kompetenz, Methodenkompetenz, Fachkompetenz und Pro jektkompetenz. Für die Lehrerinnen und Lehrer war Projekt kompetenz dann etwas zwischen Verhalten und Mitarbeit; das ist die gelebte Praxis.