Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Dass die Bezirks- und Amtsnotariate 2017 ihrem Ende entge gensehen, mag man betrauern. Es ist aber ein wichtiger Bei trag zur Systemvereinheitlichung im Land.

(Abg. Winfried Mack CDU: Halten Sie das für einen Fortschritt, Herr Kollege?)

Das halte ich durchaus für einen Fortschritt. Ich komme jetzt dazu.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Allein in Villingen-Schwenningen gibt es derzeit drei ver schiedene Notariatsformen. Das mutet zwar jetzt vielleicht nicht gerade babylonisch an, aber es ist gut, dass nun, 45 Jah re nachdem aus einer badischen und einer württembergischen Stadt eine Einheit geworden ist, auch das Notariatswesen die sen Schritt zur Vereinheitlichung gleichsam nachvollzieht. In diesem Fall liegt es allerdings nicht an den sprichwörtlich langsam arbeitenden Mühlen der Justiz, was man zu deren Eh renrettung an dieser Stelle noch erwähnen darf.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Viele Vorarbeiten waren nämlich notwendig, die der Absiche rung der für die Notariatstätigkeit abgestellten Beamten und Richter und auch der Notariatsangestellten dienten.

Aber auch der eigentliche Schlusspunkt lässt sich nicht abrupt umsetzen, wie hier im Haus schon erwähnt worden ist. Das Funktionieren des Notariatswesens muss über den Stichtag hi naus sichergestellt sein, um individuell für jeden Vertrag bis zum Abschluss aller mit ihm einhergehenden Arbeiten und Verfügungen noch die Erledigung sicherstellen zu können. Wir stehen in der Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kol legen, die Bürgerinnen und Bürger mit dieser Erledigung der Arbeiten nicht im Regen stehen zu lassen. Die Bedeutung ei ner ordnungsgemäßen Erledigung dieser Aufgaben für die Rechtsuchenden und vor allem für die Wirtschaft hier in Ba den-Württemberg ist dabei nicht zu unterschätzen. Denn im merhin hängen ganz viele wichtige grundstücks- und gesell schaftsrechtliche Verträge von deren Funktionieren ab.

Die nun vorgesehene Abwicklungsregelung ist dabei ein rich tiger Schritt zur Verhinderung eines drohenden Stillstands der Aufgabenerledigung. Ausgerechnet unter staatlicher Regie wäre das wahrscheinlich der schlimmste Schaden, den wir hervorrufen könnten.

Beides, nämlich die möglichen drohenden Schadensersatzan sprüche, aber auch ein Im-Regen-stehen-Lassen der Bürger, würde das Vertrauen in die staatliche Handlungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen, was wir uns gerade zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht leisten können und wollen.

Das Gesetz sieht dort, wo nicht die bisher unter staatlicher Ägide tätigen Notarinnen und Notare selbst in die Selbststän digkeit gehen und diese Aufgaben am Ende abwickeln, die Bereitstellung von Notariatsabwicklern vor. Es sieht außer dem eine auskömmliche Vergütung vor, wo die Gebührenan sprüche, die für die Abwicklernacharbeit entstehen, nicht aus reichen, und bildet so die Grundlage für eine sichere Abwick lung der Notariate.

Sie, Herr Minister Wolf, haben die Gesetzesvorlage voraus schauend früh in das Abstimmungsverfahren gebracht. Damit bleibt, wenn das Gesetzt heute erwartungsgemäß verabschie det wird, ausreichend Zeit, um genügend geeignete Abwick lerinnen und Abwickler für diese Arbeit gewinnen zu können und damit das zweifellos große Unterfangen der Abwicklung der Staatsnotariate abzuschließen. Dafür danke ich Ihnen und auch allen anderen, die zuvor schon daran beteiligt waren.

Das Gesetz ist ein notwendiger, aber auch guter Schlusspunkt unter einer echten Mammutaufgabe. Wir werden es daher auf jeden Fall unterstützen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort Frau Kollegin Gentges.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Redebeitrag steht unter einem zugegebenermaßen gefährlichen Motto: Es ist in der Sache schon alles gesagt, auch von mir; ich spreche aber trotzdem.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Mit einiger Wahrscheinlichkeit gehört an einem Tag wie heu te nicht die uneingeschränkte Leidenschaft aller Kolleginnen und Kollegen dem Gesetz zur Abwicklung der staatlichen No tariate und zur Anpassung von Vorschriften zu Grundbuchein sichtsstellen.

(Abg. Thomas Hentschel GRÜNE: Warum?)

Lassen Sie mich deshalb noch einmal kurz auf die Regelungs bereiche des Gesetzes hinweisen.

Erstens: Die Ära der staatlichen Notariate in Baden-Württem berg geht mit dem 31. Dezember 2017 zu Ende. Mit diesem Stichtag enden aber nicht automatisch alle Aufgaben aus den bis dahin vorzunehmenden Beurkundungen. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht deshalb die Bestellung von Notariatsab wicklern vor, die sicherstellen, dass alle Geschäfte der staat lichen Notariate auch erfolgreich abgewickelt werden.

Zum Zweiten sieht der Entwurf die Fortführung der Sonder laufbahn des Württembergischen Bezirksnotars vor und erhält so den Betroffenen die Perspektive einer Beförderung nach A 13 oder A 14.

Zum Dritten werden Grundbucheinsichtsstellen errichtet, bei denen ortsnah Einsicht in Grundbücher und Grundakten ge nommen werden kann.

In der Sache besteht fraktionsübergreifend große Einigkeit. In der Ausschussberatung gab es keine streitige Diskussion. Es wurde vielmehr einstimmig beschlossen, dem Plenum zu emp fehlen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich unterstreiche das mit meiner an Sie gerichteten Bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und danke für Ihre ge schätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Wir stimmen also zu!)

Für die AfD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Dr. Balzer das Wort.

Jetzt muss ich auf die Zeit auf passen.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Das müssen wir alle!)

Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kollegen, meine Da men und Herren! Zum spannenden, staubigen Thema Notari atsreform zum zweiten Mal: Unsere vielen Zweifel an dieser Reform haben ich und Herr Kollege Grimmer schon in der Vergangenheit hier geäußert. Ich will deswegen versuchen, mich kurzzufassen. Aber in fünf Punkten möchte ich Wesent liches zusammenfassen.

Erstens: Mit der Reform wird eine effiziente und über zwei Jahrhunderte bewährte Struktur des Notariatswesens in unse rem Land den zentralisierten Harmonisierungsbestrebungen des EuGH geopfert. Das Subsidiaritätsprinzip, auf das sich die EU und ihre Führungskräfte immer so gern berufen, ver kommt zu einer leeren Worthülse.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das war kein Problem der EU, Herr Kollege!)

Die erzwungene Notariatsreform ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Ideale predigenden Eliten der EU und ihre Handlan ger eine rhetorische Mogelpackung loslassen. Während Sub sidiarität gepredigt wird, wird immer mehr zentralisiert.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das war doch nicht die EU!)

Zweitens entgehen unserem Land mit der Notariatsreform Einnahmen in Höhe von 60 Millionen € bis 120 Millionen €. Das ist meiner bescheidenen Meinung nach nicht unerheblich und durchaus diskussionswürdig.

Sehr geehrte Damen und Herren, ist das klug? Würde das die berühmte sparsame schwäbische Hausfrau machen? Würde ein Unternehmer das so machen?

Drittens werden für die Notariatsabwicklung weitere 8 Milli onen € fällig. Davon sind 7,5 Millionen € für notarielle Ne bentätigkeiten vorgesehen. Bei geschätzten 200 Abwicklern entfallen dabei auf jeden Notarabwickler im Durchschnitt et wa 38 000 €; das ist auch nicht schlecht.

(Abg. Thomas Hentschel GRÜNE: Abzüglich der Kosten!)

Hier entstehen Kosten, die der Steuerzahler dafür zu tragen hat, dass der ihm geltende Service zukünftig möglicherweise nicht mehr die gleiche Qualität hat wie in der Vergangenheit. Sehr geehrte Damen und Herren, warum das Ganze? Wo ist der konkrete Nutzen für den Bürger?

Viertens wird das Einsparpotenzial beim Personal bei der bis herigen Umsetzung der Notariatsreform laut Rechnungshof nicht konsequent für die Haushaltskonsolidierung verwendet. Hier besteht laut Rechnungshof Nachbesserungsbedarf; es sollte nachjustiert werden.

Fünftens wirken sich die bestehenden Umwälzungen ziem lich schlecht auf die Stimmung im gehobenen Justizdienst aus. Viele Hundert Notare und Notarvertreter, die nicht im freibe ruflichen Notariat unterkommen, nehmen den Beamten des gehobenen Justizdienstes die Planstellen weg. Meine Damen und Herren, ob diese sich darüber wirklich freuen, dürfen Sie sich fragen.

Das alles wegen des drohenden EuGH-Verfahrens.

Da an der Notariatsreform und ihrer Abwicklung nicht mehr zu rütteln ist, bleibt uns nichts übrig, als ein wachsames Au ge und eine strikte Kontrolle ihres Umsetzungs- und Abwick lungsprozesses einzufordern und aus den Erfahrungen, die an dere Bundesländer schon haben, zu lernen.

Aufgrund dieser kritischen fünf Punkte werden wir eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Rechten und Möglichkeiten unseres Landes in der bestehenden Europäi schen Union fordern. Wir benötigen und fordern demzufolge ein Vetorecht bei grundsätzlichen Themen. Die Alternative für Deutschland beantragt zu diesem Zweck eine Aktuelle Debat te.

Meine Damen und Herren, wir sind Europäer für Europa. Wir wollen aber Europa und keine Europäische Union, die, weil sie ihre Strahlkraft verloren hat, in den Köpfen und Herzen extra verankert werden muss. Wir wollen ein Europa des Ver stands.

Demzufolge werden wir dem Gesetzentwurf der Landesregie rung in der vorliegenden Form nicht zustimmen.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Kollegen Binder das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Notariats- und Grundbuchamtsreform ist sicherlich eine der größten Reformen in der Justiz in der Ge schichte Baden-Württembergs, weil wir nicht nur die Notari ate verändern, sondern auch die Grundbuchämter reformie ren. Allen Ausführungen meiner Vorredner – mit Ausnahme der Ausführungen des Herrn von der AfD – zum vorliegen den Gesetzentwurf kann ich mich anschließen.