Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 16/39 (Geänderte Fassung). Der Antrag ist ein reiner Berichtsantrag und kann für erledigt erklärt wer den. – Sie stimmen dem zu.
Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migra tion – Schäden infolge von Tiefdruckgebiet „Elvira“ in Ba den-Württemberg – Drucksache 16/41
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Frage vorweg: Wer vertritt die Landesregierung bei diesem Thema? Dies ist ein sehr wichtiges und ernstes Thema. Die Antwort kommt vom Ministerium – –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns allen sind die Bilder, die tagelang durch die Medien gingen, von den Ereignissen des schweren Katastrophenfalls, dieser Zerstörung eines ganzen Ortes, aber auch sehr vieler anderer Orte noch vor Augen. Ich darf Ihnen sagen: Ich kenne den Ort Braunsbach. Das ist eine Nachbargemeinde, in der ich groß geworden bin; ich habe dort bereits mit fünf Jahren Fußball gespielt. Ich kenne die Unternehmen, ich kenne die Menschen, ich kenne die Bemühungen dieses Ortes, dieser Gemeinde, die zwischen Künzelsau und Schwäbisch Hall einen schwe ren Stand hat, was Arbeitsplätze angeht, die sich aber in tou ristischer Hinsicht nicht ohne Grund die „Perle des Kocher tals“ nennt.
Wer sich die Folgen dieses Unwetters angesehen hat, weiß, wie schlimm es dort den Menschen, den Bürgerinnen und Bür gern ging. Was in der Nacht zum Sonntag, 29. Mai, im Land kreis Schwäbisch Hall, im Hohenlohekreis, aber auch in Schwäbisch Gmünd und in anderen Landesteilen der Fall war, das war, meine Damen und Herren, eine Zerstörung, wie man sie sich gar nicht vorstellen konnte.
Herr Minister, ich kann mich noch gut erinnern, wie es war, als der Ministerpräsident und Sie auf 3,50 m hohen Geröll haufen auf der Burgenstraße in Braunsbach standen – Durch messer 1,60 m, 2 m, Steinquader, solche Wassermengen; es war unvorstellbar.
Deshalb ist es, glaube ich, richtig, an dieser Stelle noch ein mal zu durchdenken, was man daraus lernen kann.
Meine Damen und Herren, es gab schon immer Hochwasser, und es gab schon immer Überschwemmungen. Aber ein sol cher Starkregen, bei dem innerhalb einer Stunde über 180 l Wasser pro Quadratmeter herunterprasseln – das muss man sich einmal vor Augen führen –, das sind 1 800 000 l pro Hek tar. Völlig egal, ob Acker, Wiese oder Wald, ob konventionel le oder alternative Bewirtschaftung: Das kann ein Boden nicht aufnehmen, das kann kein Vorfluter und kein Bach schaffen. Das können die Brücken und Kanäle einfach nicht schaffen. Das war ein Ereignis, das nicht vorhersehbar war, und danach kann man auch nicht die Infrastruktur ausbauen.
Im Regierungsbezirk Stuttgart kam es insgesamt zu sieben Personenschäden, davon vier Todesfälle. Ich möchte daran er innern, dass in Schwäbisch Gmünd ein Feuerwehrmann starb, der einem Hilfesuchenden aus den Wassermassen helfen woll te und dabei in einen Gully gezogen wurde. In Weißbach im Hohenlohekreis ertrank ein Mensch in einer Tiefgarage, in Schorndorf kam ein 13-jähriges Mädchen an einer Eisenbahn brücke, wo es Schutz suchte, durch einen vorbeifahrenden Fernzug zu Tode. Verletzte gab es auch im Odenwaldkreis, und es gab weitere zu beklagende Unfälle.
Meine Damen und Herren, bei dem allerdings, was in Brauns bach war, kann man, glaube ich, auch von einem Wunder spre chen. Man muss sich das vorstellen, wenn man die Bilder sieht: Niemand kam zu Tode, und es wurde niemand verletzt. Ich nenne das das „Wunder von Braunsbach“. Das ist unvor stellbar, wenn man sieht, was dort passiert ist.
An dieser Stelle möchte ich – da bin ich sicherlich auch mit Ihnen allen einig – über alle Parteigrenzen hinweg den Ret tungskräften ganz herzlichen Dank sagen, sei es das Rote Kreuz, die Feuerwehr, das THW, seien es die vielen ehren amtlichen Helfer, die Tag und Nacht gearbeitet haben, die ih ren Urlaub eingebracht haben. Ein Dank gilt aber auch den Firmen, die wochenlang Tag und Nacht vorbildlich zusam mengearbeitet haben, z. B. auch Bauunternehmer. Man muss sich das vorstellen: Da passiert nachts um 24 Uhr etwas mit der Folge, dass man den Ort nicht mehr erreichen kann, und um 5 Uhr stehen große Bagger da und räumen auf. Das ist ein Glücksfall, was die Betriebe dort geleistet haben.
Ein Dank geht aber auch an die Behörden. Es hat hervorra gend geklappt. Vorbildlich war auch die Zusammenarbeit.
Ich danke auch Bürgermeister Harsch, der sicherlich ein hal bes Jahr lang keine fünf Stunden in der Nacht geschlafen hat, der auch dem Medientourismus standhalten konnte. Das ist für ihn eine sehr schwere Zeit gewesen. Dieser Tourismus ist vielleicht ein Punkt, aus dem man hoffentlich gelernt hat, dass man in solchen Fällen einfach sagt: Die, die hier nicht helfen, haben hier nichts verloren.
Ich möchte mich aber auch bei der Landesregierung bedan ken, denn der damalige Regierungspräsident Schmalzl war morgens um 8 oder um 10 Uhr vor Ort. Das war der Tag, an dem er seine Entlassungsurkunde bekam – aber das nur ne benbei bemerkt. Vor Ort waren auch der Ministerpräsident und Herr Innenminister Strobl, der für die Polizei und für Katast rophenfälle zuständig ist, und auch der Verkehrsminister war da.
Viel wichtiger aber als das, was ich eben gesagt habe, ist die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger, die Hilfsbereitschaft, die Spendenbereitschaft. Das ist einmalig gewesen. Das hät te ich in einer Gesellschaft, die man häufig als Neidgesell schaft oder als Egoismusgesellschaft darstellt, nie erwartet. Aus Partnerregionen der neuen Bundesländer, aus Übersee und von überall kamen Helferinnen und Helfer, die selbstver ständlich mitgeholfen haben. So etwas ist ein Juwel in unse rer Gesellschaft.
Und noch eines: Auch Unternehmer haben, ohne lange zu zö gern, sowohl kleine Beträge als auch stattliche Beträge wie beispielsweise 500 000 € zur Verfügung gestellt, etwa die Fir ma Würth oder die Firma SAP. Herr Hopp wusste vorher gar nicht, dass es Braunsbach gibt. Wir können stolz sein, dass es eine solche Solidarität in der Gesellschaft, in unserem Land gibt.
Ich finde, wir sollten noch einmal kurz ein paar Dinge anspre chen. Es wurde relativ zügig entschieden, dass schnelle Hilfe zu gewährleisten ist. Es wurden 500 € oder auch einmal 3 000 € zur Verfügung gestellt. Sicherlich war es so, dass ei nige außer ihrer Haut gar nichts mehr hatten – nicht einmal einen Schlafanzug. Das ist ein Punkt, bei dem ich sage: Es war ganz entscheidend, dass man schnell geholfen hat. Das ist auch der Fall gewesen. Meine Damen und Herren, die Lan desregierung hat, wie gesagt, hier schnell gehandelt. Die Be hörden und die Menschen vor Ort haben mitgezogen.
Ich meine, es war richtig, dass wir alle hier einstimmig der Vergabe der Sondermittel von 10,6 Millionen € für Brauns bach zugestimmt haben. Natürlich liegen die Schäden an der Infrastruktur weit über diesem Betrag. Man hat allein für den Hohenlohekreis Straßenschäden in Höhe von über 100 Milli onen € errechnet. Das reicht natürlich nicht aus. Am 31. Mai 2016, also wenige Tage nach dem Unwetter, habe ich in ei nem Antrag, den wir hier vorgelegt haben, gleich gefordert, vor allem die vielen Landesprogramme prioritär für diese In frastrukturmaßnahmen einzusetzen – ob das nun Bürgschaf ten sind, Mittel aus dem ELR oder Städtebaumittel. Ich den ke im Nachhinein auch an das Grimmbachtal, das entwaldet worden ist. Auch hier sollte man Mittel für eine Flurneuord nung einsetzen.
Natürlich sind diese Gemeinden nicht in der Lage, das selbst zu schultern. Die Töpfe, die wir haben, werden, Herr Minis ter, auch vom Regierungspräsidium vorbildlich priorisiert. Herr Dr. Mezger, ein Abteilungspräsident des Regierungsprä sidiums Stuttgart, wohnt ja fast vor Ort. Da man aber in den strukturschwachen Gemeinden die Kofinanzierung nicht hin bekommt, ist es wichtig – das fordere ich hier –, dass vor al lem in den nächsten fünf, besser in den nächsten zehn Jahren die betroffenen Gemeinden über den Ausgleichstock eine be sondere Berücksichtigung finden.
Ich finde es auch richtig – da stimme ich mit dem Gemeinde tagspräsidenten Roger Kehle überein –, dass das Kabinett jetzt die Einrichtung eines Fonds beschlossen hat. Man müsste noch einmal nachfragen und klären, ob eine 100-Millionen-€Grenze richtig ist, wenn man überlegt, dass die Schäden in ei nem kleinen Ort allein schon 100 Millionen € betrugen.
Zum Schluss möchte ich noch ein paar Gedanken vortragen. Wenn man Meteorologen nach Gründen fragt, wird immer sehr schnell auf den Klimawandel und anderes verwiesen. Wenn man sich die Zahlen anschaut, erkennt man: In den letz ten 10 000 Jahren gab es immer wieder Temperaturschwan kungen und Unwetter. Die Erderwärmung geht schneller vor sich; das ist ein Fakt – auch für die, die das nicht wahrhaben wollen.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das ist umstrit ten! – Abg. Anton Baron AfD: Das ist vom Menschen unabhängig!)
Aber die sich verringernden zeitlichen Abstände bei solchen Unglücken sind im Prinzip das, was uns Anlass zur Sorge gibt.
Meine Damen und Herren, was lernen wir daraus? Daraus ler nen wir, die Landespolitiker, dass wir erstens weiterhin dafür sorgen müssen, dass die Hilfsorganisationen finanzielle Un terstützung bekommen. Zweitens müssen wir mit dem Land schaftsverbrauch behutsamer umgehen. Auch müssen wir die Versiegelung noch stärker im Auge haben. Wir müssen den Hochwasserschutz ausbauen und natürlich auch das Instru mentarium der Hilfen sowie den Fonds entsprechend organi sieren.
Noch einmal: Klar ist für mich – ich glaube, auch für Sie –, dass ein solches Ereignis mit 1 800 000 l Regenwasser auf ei nen Hektar in einer Stunde nicht vorhergesehen werden kann. Dies kann aber auch nicht landesweit durch irgendwelche technischen Dinge vermieden werden. Das ist nicht machbar. Deshalb sollten wir die Punkte, die wir umsetzen können und die ich vorhin genannt habe, auf jeden Fall ins Auge fassen.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sturm „Elvira“ raste im Mai 2016 mit dramatischen Folgen für Baden-Württemberg über viele Landkreise hinweg. Besonders betraf das den Land kreis Schwäbisch Hall. Bei diesem Unwetter verloren sogar vier Menschen ihr Leben, darunter auch ein Feuerwehrmann. Angesichts dessen ist der Sachschaden von mehreren Millio nen Euro nebensächlich. Und dennoch müssen wir ihn analy sieren. Gerade die Gemeinde Braunsbach ist von „Elvira“ hef tig getroffen worden – überflutete Straßen, Schlammlawinen, zerstörte Häuser, zerstörte Infrastruktur, ein Bild der Verwüs tung, an das man sich nicht gewöhnen mag.
Doch mit zunehmendem Klimawandel müssen wir uns auf mehr Wetterextreme wie Hitzewellen, Stürme, Starkregen und Hochwasser einstellen. Deshalb ist das Land hier an mehre ren Stellen gleichzeitig gefordert. Einerseits brauchen wir ei ne vorausschauende Energie- und Umweltpolitik, die den Kli mawandel eindämmt. Wir brauchen eine Umweltschutz- und Baupolitik, die den Bächen und Flüssen die Möglichkeit gibt, sich in ihrem natürlichen Raum zu entfalten. Andererseits brauchen wir für die Notfälle ein schnelles und wirksames Rettungswesen, das frühzeitig vor Ort einsatzbereit ist und kompetent dafür sorgen kann, entstandene Schäden zu behe ben, die Lage zu entschärfen, die Verkehrswege wiederherzu stellen und Menschen zu evakuieren.
Wichtig ist hier, dass die gut ausgerüsteten Helfer und Helfe rinnen schnell vor Ort sind. Aus dem Antrag der Fraktion der FDP/DVP geht deutlich hervor, dass gerade in der ersten Stun de sehr viele Helferinnen und Helfer vor Ort waren. Das zeigt mir: Die Rettungsdienste und der Einsatz funktionieren.
(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der AfD und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist wahr!)
Nichtsdestotrotz ist der Vorfall in den betroffenen Orten eine Tragödie. Viele Menschen stehen vor dem finanziellen Ruin. Die Landesregierung hat schnell und unbürokratisch gehol fen.