Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Schließlich ist neben der Qualifikation, neben der Expertise auch das Kapital das wesentliche Gründungselement für jun ge Unternehmen. Das Projekt „Gründungskultur“ bietet in der Tat gute Ansätze, im Rahmen der Gründung tragfähige finan zielle Konzepte und Strukturen zu ermöglichen. Darüber hi naus ist es aber Aufgabe der Politik, hier ein Gründungsnetz werk mit zur Verfügung zu stellen, dies mit tragfähig zu ma chen.

Vor wenigen Wochen – Herr Kollege, Sie haben es angespro chen – war ich in Karlsruhe beim ZKM bei CODE_n.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Gut, nicht?)

Ich muss sagen, das ist ein hervorragendes Beispiel, wie es laufen kann, um jungen Unternehmen die Chance zu geben, mit mittelständischen, mit großen Unternehmen in Kontakt zu kommen und letztendlich so eine Finanzierung herbeizufüh ren.

Der letzte ganz wesentliche Punkt für die Bereitschaft, ein Un ternehmen zu gründen, ist die Kultur, das Verständnis für Un ternehmensgründer. Hier sind wir, glaube ich, dringend auf gefordert, eine Mentalitätsreform durchzuführen für mehr Mut, für mehr Optimismus und tatsächlich auch für mehr Ri sikobereitschaft. Wenn Sie diese drei Faktoren zusammenbrin gen, dann bin ich um unser Land Baden-Württemberg in Be zug auf die Innovationsfreudigkeit, auf die Gründungskultur gut gestimmt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Frau Ministerin Bauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr ver ehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist uns allen bewusst: Die allermeisten Herausforderungen, vor denen wir stehen, kann Politik nicht allein meistern. Wir brauchen dafür Ideen und Initiativen aus unserer gesamten Gesellschaft; darauf sind wir angewiesen. Wir können mit unserer Politik die Richtung vorgeben – das tun wir auch, beispielsweise bei der Energie wende oder bei der Entwicklung unserer Mobilität hin zu ei ner emissionsfreien und autonomen Mobilität oder bei der Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenver brauch –, wir müssen aber auch Anreize setzen. Wir müssen auch Infrastrukturen bereithalten und ertüchtigen, um zentra le Zukunftsprojekte voranzubringen. Das alles machen wir.

Aber um wirklich erfolgreich zu sein, sind wir entscheidend auf Innovationen angewiesen, die dort entstehen, wo Wissen schaft und Wirtschaft – unsere starke Wissenschaft und unse re starke Wirtschaft – zusammenkommen und zusammenar beiten. Eine besonders hohe Dynamik entwickelt sich dort, wo beides besonders eng zusammenwirkt und so sozusagen ein Geflecht – neudeutsch nennt man es ja gern auch „Öko system“ – von einem guten und engen Miteinander bei der Generierung neuer Ideen entsteht.

Diese Dynamik, die wir brauchen, wird durch den Prozess der Digitalisierung angefeuert. Dadurch ist aber auch ein neuer Handlungs- und Erneuerungsdruck entstanden. Wir müssen sicherstellen, dass wir beim Thema Digitalisierung, das unse re Gesellschaft wirklich umgräbt und umwälzt, Gestalter un serer eigenen Zukunft bleiben und nicht dabei zusehen, wie andere Teile der Welt vorangehen und wir versuchen, Schritt zu halten. Darauf brauche ich nicht näher einzugehen; das ak tuelle Thema Elektromobilität lehrt uns da ja einiges.

Beim Thema „Gründen und Erfinden“, auf das es jetzt an kommt und über das wir heute Morgen sprechen, sind wir recht ordentlich unterwegs. In der heutigen Debatte möchte ich im Zusammenhang mit der Hochschullandschaft zwei As pekte besonders unterstreichen:

Erstens: Gründungen passieren schon jetzt meist im Umfeld von Hochschulen. Das Mannheimer Gründungspanel gibt da zu ein paar spannende Informationen: 40 % der Gründungen sind akademische Gründungen, und im Hochtechnologiebe reich kommen sogar 70 % der Gründungen aus der akademi schen Welt.

Das Gründungspanel zeigt uns aber auch – das müssen wir auch anerkennen –: Von internationalen Spitzenwerten sind wir weit entfernt.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Auch die absolute Zahl der akademischen Gründungen ist stei gerungsfähig. Baden-Württemberg steht da ordentlich da, aber eben auch nicht überdurchschnittlich. Deswegen ist schon auch klar und muss gesagt werden: Wir müssen hier in Ba den-Württemberg noch besser werden.

Wir wollen deswegen miteinander Initiativen, Konzepte ent wickeln, um zusammen in die Ideenentwicklung zu investie ren und auch in die Persönlichkeitsentwicklung für Gründe rinnen und Gründer der Zukunft.

Gründerkultur und Innovationsgeist sind deswegen Topthe men, die an unseren Hochschulen als zentrale Themen etab liert werden müssen, und zwar nicht erst beim Thema „Tech nologie und Wissenstransfer“, auch nicht erst im Bereich der Forschung, sondern schon von Beginn an im Studium. Wir wollen, dass junge Menschen unsere Hochschulen als Persön lichkeiten verlassen, die mutig genug sind, etwas Eigenes zu machen, und die klug genug sind, dabei auch noch erfolgreich zu sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Nur das Wie fehlt!)

Der Titel dieser Aktuellen Debatte heute Morgen „Studierst Du noch oder gründest Du schon?“ gefällt mir, ist schön ge

wählt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich kann Ihnen aber auch sagen: Dieser Titel hat mir auch schon ein bisschen Är ger produziert. Denn genau dieser Titel wird auch der Titel ei ner Veranstaltungsreihe sein, die das Wissenschaftsministeri um zusammen mit baden-württembergischen Hochschulen starten und jetzt in diesem Herbst ausrichten wird.

(Zuruf von der CDU zu den Grünen: Ihr habt’s erfun den!)

Ich freue mich sehr, dass die Hochschulen bei dieser Veran staltungsreihe mitmachen. Vor Ort werden wir dabei innova tive Lehrkonzepte präsentieren und mit der Gründerszene dis kutieren.

Mit dem Titel allerdings war in der Vorbereitung der eine oder andere nicht ganz glücklich. Man würde ja suggerieren und signalisieren, dass wir zum Studienabbruch aufrufen.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Genau! – Weitere Zurufe von der CDU)

Das machen wir bestimmt nicht; ich kann Sie beruhigen. Aber – das haben Sie eben auch angesprochen – es stimmt ja schon: Es gibt ein paar berühmte Gründergeschichten – viele davon kommen aus der Universität Stanford –, und einige dieser Gründergeschichten handeln in der Tat von Studienabbre chern.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ein Beispiel: Der Google-Gründer Sergey Brin hat sein Pro motionsstudium in Stanford tatsächlich bis heute nicht abge schlossen. Oder: Larry Page, der zweite Google-Gründer, hat seinen Abschluss gemacht – das kommt auch vor –, und zwar auch in Stanford. Oder: Airbnb-Mitbegründer Joe Gebbia hat ebenfalls einen Abschluss hinbekommen, nämlich in Indust riedesign, aber nicht in Stanford.

(Unruhe)

Also: Es gibt solche Geschichten, und es gibt andere Ge schichten. Was aber alle eint, ist, dass die meisten Gründer ideen entweder im Studium oder kurz danach entstehen. Da her trifft der Titel der heutigen Debatte in der Tat ins Herz. Wir wollen in diesem Sinn Gründergeist beflügeln. Was müs sen wir tun, um diesen Gründergeist an unseren Hochschulen stark zu machen?

Dabei wollen wir uns auch der Frage stellen – dieser Einwand kommt ab und an durchaus auch –: Steht denn dieses Grün derthema im Widerspruch zum Auftrag, Lehre und Forschung voranzubringen? Die Antwort dieser Landesregierung ist ein deutig: Die Hochschulen sind unseres Erachtens d i e Quel len für Gründergeist in unserer Gesellschaft. Es ist kein Wi derspruch, sondern eine zentrale Aufgabe der Hochschulen, diesen Gründergeist voranzubringen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Auch das möchte ich betonen: Unsere Hochschulen leisten ja längst mehr als Lehre und Forschung. Sie sind aktiv im Be reich des Transfers von Technologie und auch von Wissen, sie sind bereits aktiv in der Interaktion mit der Gesellschaft. Das ist ein wesentlicher Teil ihres Aufgabenspektrums. Man nennt das neudeutsch Third Mission. Die Hochschulen stellen sich

dem, sagen zu Recht aber auch: Diese Aufgabe ist kein Selbst läufer. Das ist auch kein Leichtes, das ist eine zusätzliche An strengung. Und diese müssen sie bislang weitgehend – nicht komplett, aber weitgehend – aus vorhandenen Ressourcen be streiten.

Wir respektieren und anerkennen, dass es eine zusätzliche Aufgabe ist, und wir tun unser Bestes, die Hochschulen dabei mit dem einen oder anderen Förderprogramm und weiteren Maßnahmen zu unterstützen, um den Weg leichter begehbar zu machen.

Wir wollen den Gründergeist in der Lehre stärker verankern, wir wollen ihn in der Forschung verstärken und alles dafür tun, die Verbindungen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und den Hochschulen noch enger zu machen.

Lassen Sie mich deswegen die Gelegenheit nutzen, zu den Be reichen Lehre, Forschung und Transfer mit ein paar aktuellen Beispielen zu zeigen, dass wir hier in der Tat unterwegs sind und nicht nur die Dinge fortschreiben, die auch schon lange erfolgreich gemacht wurden, sondern neue Impulse setzen und verstärken.

Ein Thema ist das Förderprogramm „Gründungskultur in Stu dium und Lehre“. Mit diesem Programm haben wir in unse ren Hochschulen in diesem Jahr elf Projekte an den Start ge bracht, die helfen, das Thema Gründen im Studium zu etab lieren. Wir wollen damit unterstützen, dass schon Studieren de motiviert werden, sich mit der Entwicklung und der Rea lisierung eigener Ideen auseinanderzusetzen, und die notwen digen Kompetenzen dafür entwickeln. Sie brauchen Knowhow, sie brauchen aber auch praktische Erfahrungen, und sie brauchen Netzwerke der Zusammenarbeit. Es geht also um beides: Es geht um Haltung – die in den Begriffen „Gründer kultur“, „Gründergeist“ und „unternehmerisches Denken“ zum Ausdruck kommt –, es geht aber auch um Expertise, die junge Menschen benötigen, um ein Unternehmen gründen zu können. Normalerweise bekommen sie dies in einem Studi um einer Fachdisziplin nicht einfach mit auf den Weg.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Ministerin, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Abg. Dr. Bullinger zu?

Gegen Ende wäre es mir recht. Ich würde gern noch ein bisschen reden. Nachher gern.

(Abg. Anton Baron AfD: Damit haben wir schlechte Erfahrungen gemacht!)

Zur Frage der Haltung lassen Sie mich noch einen Leitspruch – wieder einmal aus dem Silicon Valley kommend – wieder geben. Wir waren mit dem Ministerpräsidenten vor einigen Monaten dort, und ich habe einen Leitspruch in guter Erinne rung, der einem dort immer wieder begegnet. Dort wird über Universitätsabsolventen – also Absolventen, nicht Abbrecher – erzählt: Wer dort gut ist, geht zu Google; wer sehr gut ist, der fängt bei einem Start-up bei einem Studienfreund an; und wer ausgezeichnet ist, gründet sein eigenes Unternehmen.

Ich glaube, das ist, selbst wenn es plakativ zugeschnitten ist, eine gute Haltung, doch diese Haltung ist uns hier im Südwes

ten noch ein wenig fremd. Bei uns gilt ja eher: Wer gut ist oder wer besser ist, der wird direkt von Bosch oder von Daimler aus dem Studium heraus abgeworben. Das ist auch gut; das gönnen wir Bosch und Daimler. Aber dennoch wollen wir den jungen Menschen bei uns auch das Rüstzeug und die Motiva tion mitgeben, selbst etwas zu wagen, etwas Neues in die Welt zu setzen.

Darum haben wir für das Programm „Gründungskultur in Stu dium und Lehre“ jetzt zunächst einmal 8 Millionen € in die Hand genommen, um die neuen Lehrformate und Experimen tierräume zu unterstützen, die an unseren Hochschulen ent stehen. Ich freue mich, dass wir dieses Programm auch mit ei ner entsprechenden Veranstaltungsreihe unterlegen. Wir fangen am 28. November an mit der Auftaktveranstaltung „Startup Stories“ in Mannheim. Sie sind gern eingeladen, dabei zu sein.

Ein paar Stichworte zum Thema Forschung. Ganz aktuell be schäftigen wir uns mit der Frage der Unterstützung unserer Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Bundespro gramm „Innovative Hochschule“. Es geht darum, mit diesem Programm Hochschulen bundesweit auszuzeichnen, die am bitionierte Strategien auflegen, um den Transfer neuen Wis sens in die Gesellschaft, in die Region, in die regionale Wirt schaft besser aufzustellen und dabei strategische Partnerschaf ten und Strukturen aufzubauen. Wir unterstützen derzeit un sere Hochschulen im Bereich der Antragstellung, damit sie er folgreich im Wettbewerb auftreten können. Wir nehmen da für auch Geld in die Hand; das ist es uns wert. Pro ausgear beitetem Konzept geben wir unseren Hochschulen 40 000 €, und wir setzen auf Hebelwirkung.

Wir gehen davon aus, dass viele unserer baden-württember gischen Hochschulen erfolgreich abschneiden werden und dann pro erfolgreicher Hochschule 10 Millionen € einwerben werden, um dann diese Transferkonzeption in die Region hi nein umzusetzen. Ich bin mir sicher, wir werden in BadenWürttemberg gut abschneiden. Wir sind gut vorbereitet. Wir starten ja nicht beim Punkt Null, sondern wir setzen auf einer etablierten Tradition der Kooperation und der Zusammenar beit auf, und wir werden noch besser werden.

Sie alle wissen: Baden-Württemberg ist bekannt dafür, dass es schon heute das Land mit einer besonders hohen FuE-Ra te ist. 4,8 % unseres Bruttoinlandsprodukts gehen in For schung und Entwicklung. Wir sind damit mit Abstand Spit zenreiter im Vergleich der Bundesländer, und wir sind mit die ser Zahl auch an der Spitze Europas. Ein Großteil dieser FuEAufwendungen wird von der Wirtschaft erbracht. Aber die Wirtschaft kooperiert sehr gern, gut und intensiv mit for schungsstarken Hochschulen. Forschungsstarke und transfer starke Hochschulen und forschungsstarke Wirtschaft verstär ken sich gegenseitig, und an diesem Punkt werden wir auch in Zukunft ansetzen.

Ein Beispiel dafür sind unsere Zentren für angewandte For schung als themengebundene Forschungscluster an Hochschu len für angewandte Wissenschaften, die hochschulübergrei fend mit der Wirtschaft und der Gesellschaft zusammenarbei ten und neue Anwendungsfelder erschließen.

Zwei Beispiele nur in Schlagworten: In Ulm und RavensburgWeingarten wird an der Digitalisierung des Produktionspro zesses mit Schwerpunkt auf Ressourceneffizienz und Scho